Außenstände eingezogen und an diejenigen Gläu­biger, welche bisher weniger als 50°/« ihrer Forderungen gezahlt erhalten, bis zu dieser Höhe gleichmäßige Zahlungen geleistet werden würden. Die Herren Dörr und Konsorten gin­gen zwar gegen den Ausstellungsvorstand ge­richtlich vor, man hoffe aber, daß, ehe es zum Termin komme, die schwebenden Angelegenheiten auf gütlichem Wege zu Gunsten der gesummten Gläubiger geordnet sein würden. Es sei aber vor Allem zu diesem Zwecke dem Comite klar zu machen, daß es nicht nur moralisch, sondern auch juristisch für alle verausgabten Beträge haftbar sei, wie das deutlich aus den Satzungen und der Geschäftsordnung für den Ausstellungs- Ausschuß hervorgehe. Es wurde seitens der Versammlung zugestimmt, daß von irgend wel­chen gerichtlichen Schritten vorläufig abzusehen sei, um die Konkurserklärung des Unternehmens thunlichst zu vermeiden. Der Gläubiger-Aus- schuß wurde durch die Herren Hinkel, Lönhold und Osterrieth verstärkt und ermächtigt, sich mit einem juristischen Beistand zu versehen, mit dem er gemeinschaftlich in rascher und nachdrücklicher Weise die Verhandlungen gegen den Ausstellungs- Vorstand fortsetzen solle. Unterdessen hat der Vorstand der Patent-Ausstellung einen Brief an die Garantiezeichner gesandt, in wel­chem er auf die Versammlung vom 28. Oktober d. I. hinweist und ihnen mittheilt, daß der ge­zeichnete Garantiefonds in seiner iganzen Höhe zur theilweisen Deckung des entstandenen De­fizits herangezogen werden müßte und mit der Erhebung der nöthigen Summen begonnen werde.

In Cöln ist ein größerer Postdiebstahl verübt worden. Ein bei dem dortigen Haupt­postamt beschäftigter Postpacketträger Josef Keiner hat es auf bisher noch nicht völlig auf­geklärte Weise verstanden, die Hauptkasse um ca. 7000 M. zu bestehlen und ist mit dieser Summe verschwunden.

Kassel, 28. Okt. Die Auswanderung in den östlichen Provinzen des russischen Reiches scheint im Zunehmen begriffen zu fein. Nachdem vor etwa 8 Tagen erst ein Extrazug mit 400 bis 500 Russen, aus Männern, Frauen und Kindern bestehend, auf der Durchreise nach Antwerpen die hies. Station passirt hat, traf gestern wieder eine große Anzahl russischer Fa­milien hier ein. Von hier aus ging die Reise mittelst Extrazuges der Bergisch-Märkischen Bahn nach Antwerpen. Dort wird das Schiff bestiegen und die große Reise über den Ocean nach Südamerika, nach Brasilien, Argentta rc. angetreten. Weitere Auswandererzüge aus Rußland stehen angeblich noch in Aussicht.

Graudenz, 1. Novbr. Heute früh um 7 Uhr fand zwischen Czerwinsk und Warlubein ein Zusammenstoß des von Dirschau kom­menden Personenzuges mit dem von Bromberg kommenden Güterzuge statt. Dem einen Loko­motivführer wurden die Beine zerschmettert, ein Schaffner getödtet und mehrere Personen

verwundet. Die Strecke ist für den Verkehr

Wiesbaden, 30. Oktbr. Große Unzu­friedenheit erregt hier eine in Nr. 43 deS Amtsblattes" enthaltene, der Vergessenheit entrissene Verordnung über die Feier der Sonn- und Festtage, derzufolge vom 1. Dezem­ber ab während des Vor- und Nachmittags­gottesdienstesaller Handel in Läden, Waaren- lagern, Magazinen und Buden verboten ist und sämmtliche Schaukasten verhängt sein müssen." Ferner ist die Verabreichung von Speisen und Getränken in Wirthshäuseru außer au Reisende untersagt.

Jemand, der sich selbst in das Gefängniß fährt, dürfte in der Kriminal geschichte noch nicht dagewesen sein. Dies Ge­schick traf einen Frankfurter Droschkenkutscher, der sich vor Gericht so ungebührlich benahm, daß er zu 24 Stunden sofort zu verbüßender Haft verurtheilt wurde. Er hatte seinen Wagen unten stehen, der Gerichtspedell setzte sich hinein und der Rosselenker fuhr sich selbst in's Gefäng­niß. Dort gab er die Peitsche an den Beamten ab, der sich nun auf den Kutschbock schwang und das Gefährt glücklich durch alle Fährnisse hindurch nach Bornheim lancirte.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 27. Okt. Hofrath Weiß und Polizeikommifsär Frankl sind gestern von ei­ner Reise durch Deutschland zurückgekehrt, welche diese Beamten im Aufträge des Polizeipräsiden­ten unterahmen, um die sozialistischen Zu­stände Deutschlands genau zu beobachten. Die beiden Herren wohnten auch den Verhandlungen des Sozialistenprocesses bei. Im allgemeinere Kranken Hause auf der Klinik des Prof. Albert wurde heute vor einer zahlreichen Zu­schauerschaft eine ihrer Art einzige Operation ausgeführt. Ein polnischer Ingenieur mußte wegen entzündlicher Verengerung der Luftwege eine Kanüle in seiner Luftröhre tragen und hatte das Unglück, daß die Röhre der Kanüle sich von der äußeren Platte derselben löste und in den linken Ast der Luftröhre hinabrutschte. Der Kranke trug nun diesen Fremdkörper durch mehrere Monate in seinem Brustkasten und reiste endlich wegen zunehmender Beschwerden aus Galizien nach Wien, um an der genannten Klinik Hilfe zu suchen. Prof. Albert spaltete die Luftröhre tief herab und holte mit Meister­hand unter dem lauten Jubel der Zuseher das abgebrochene Stück der Kanüle aus der Tiefe der Luftröhre hervor. Als der Patient aus der Narkose erwachte, äußerte er die lebhaf­teste Freude. Er befindet sich seither überraschend wohl.

Wien, 81. Oktbr. Heute Vormittag um neun Uhr reisten der König und die Königin von Italien vom Südbahnhofe ab, wo der Kaiser und sämmtliche Erzherzoge zur Verab­schiedung anwesend waren. Der Kaiser reichte der Königin den Arm, während der König von Italien, welcher die Oberstenuniform seines

die Ansichten der Einzelregierungen werden be­reits eingeholt, um danach die geeigneten Vor­schläge zu machen. Vermuthlich werden jedoch auch die Anwaltskammern befragt werden. Von einer weiteren Herabsetzung der Gerichtskosten soll vorerst keine Rede sein, da der fiskalische Gesichtspunkt dabei eine große Rolle spiele und verschiedene Regierungen gar nicht geneigt seien, auf eine fernere Ermäßigung so bald einzugehen.

Berlin, 31. Okt. Nach derPost" rich­tete der VereinDeutscher Studenten" zu Leip­zig an den Fürsten Bismarck aus Anlaß des Ausfalls der Berliner Wahlen ein Kondolenz­telegramm, worauf folgende Antwort eintraf: Ich danke verbindlichst für Ihr Telegramm. Ich bin durch die Berliner Wahlen weder über­rascht noch entmuthigt. Chronische Krankheiten fordern Zeit und Geduld. Ich freue mich aus dem Telegramm zu ersehen, daß der Verein im festen Vertrauen auf die Zukunft mit mir über­einstimmt. Bismarck."

Berlin, 1. Novbr. Die Repräsentanten der Berliner jüdischen Gemeinde haben beschlos­sen, durch alle Instanzen klägerisch gegen Stöcker und Genoffen vorzugehen. Das Einschreiten des Staatsanwalts soll durch alle Instanzen gefordert werden. Der Staatsanwalt erhob Anklage gegen den Redacteur des eingegangenen Henrici'schenReichsherold" und gegen den Ver­fasser des darin publicirten Gedichtes, welches die Vertreibung der Juden aus Deutschland forderte. (Frkf. Pr.)

Berlin, 1. Nov. 1 Uhr 59 Min. Von den stattgehabten 397 Wahlen sind bis jetzt 395 definitiv bekannt und zwar vertheilen sich dieselben in folgender Weise: Konservative 44, Reichspartei 22, Centrum 100, 32 National­liberale, 2 Liberale, 24 Sccessionisten, 35 Fort­schrittler, 3 Volkspartei, 15 Polen, 17 Parti- kularisten, Welfen und Protestler, 2 unbestimm­ter Parteirichtung, sowie 100 Stichwahlen.

Der Stenograph Waterstraat, im Leip­ziger Hochverrathsprozesse.auf Grund der gün­stigen Aussagen des Stenographen R. freige­sprochen, ist aus Berlin ausgewiesen worden.

Frankfurt, 31. Oktbr. DasFrank­furter Journal" schreibt: Die Gläubiger der Patent-Ausstellung versammelten sich heute Vormittag halb 11 Uhr im Saale des Wintergartens. Von 84 geladenen Gläu­bigern waren 55 erschienen. Geladen waren nur solche, welche über 500 M. zu fordern hatten. Die Herren Kutt und Mosse als Aus­schuß der Gläubiger berichteten über ihre Ver­handlungen mit dem Vorstande der Ausstel­lung. Man habe gefunden, daß das Deficit ganz wesentlich höher sei als vom Vorstande angegeben worden, nämlich nicht 490000, son­dern 800 000 M. Es sei eine Verständigung mit diesem insoweit erzielt, als ohne Genehmi­gung des Gläubigerausschnsses keine Zahlungen mehr durch den Vorstand vorgenommen werden würden. Man habe energisch darauf gedrungen, daß die gezeichneten Gaiantiefonds und die

Im Kerzen verschlossen.

Eine Novelle.

(Fortsetzung.)

Nur nicht in den rothen Pavillon!" hatte der Graf zu seiner Tochter gesagt.

Aha!" rief drinnen die Stimme des Kreisgerichtsraths.Hierher also sind die werthvollen Pfandstücke gebracht worden, die ich im Schlosse vergebens suchte! Ich werde andere Maßregeln ergreifen!"

In meinem Schlosse bin ich Svuverain!" erwiederte stolz die Stimme" des Reichsgrafen Aloysius.

Ah bah! Souverain ist im Rechtsstaate nur das Gesetz!" versetzte noch stolzer der Kreisgerichtsrath.

Ec stürzte aus dem Pavillonzimmer und übersah in seinem Zorne ganz und gar den über und über beglückten Gutsbesitzer, an welchem er im Korridore dicht vorbeirannte.

Mein Herr!" rief ihn Waldheim, dem wohl die Lage der Dinge sehr bald klar geworden zu sein schien, zurück,das Geschäft, bas Sie hierher geführt hat, bitte, ich mit mir abzumachen. Ich erwarte Sie morgen früh bei mir."-

Die Gräfin Ludmilla war unterdeß mit ihrem schwermüthigen Herzen bei ihren Trauerkleidern und bei dem einsamen Grabe im tiefen Walde gewesen.

* » *

Es war im Frühling desselben Jahres.

Acht Tage vemiögen viel, wie wir früher sahen, besonders in dem Herzensieines jungen Mädchens. Ein paar Monate vermögen noch mehr, auch in dem Herzen eines jungen Mannes.

Unfern einer Schweizer Stabt lag ein kleines, hübsches HauS. Es war schön ge­legen, wie die Stadt selbst, auf einer Anhöhe, mit einer wunderbar herrlichen Aussicht auf den nahen See, auf Berge und Felsen, die den See einfaßten, auf fernes Hochgebirge, das mit seinem ewigen Schnee hoch am Himmel sich auflhürmt«.

Im Innern des Hauses sah es nicht gerade sehr freundlich aus, vielmehr schien das Elend hier seine Wohnstätte genommen zu haben.

In einem ärmlichen Bette lag ein junger Mann, sein Gesicht bleich und hohl, seine Arme und Hände abgemagert. Er schlummerte, aber ruhig, wie ein soeben wieder Genesener nach überstandener, schwerer, langwieriger Krankheit. Die Gesichtszüge waren fein und schön, trotz der Blässe und Abmagerung. Ein Paar noch nicht lange vernarb­ter Wunden zogen Furchen durch die hohe, kräftige Stirn.

Zu seinem Haupte saß eine junge Frau. Sie war blaß und mager, wie der junge Mann, und wenn auch nicht Krankheit, so sprachen doch Noch und auch wohl Hunger aus ihren hohlen Wangen und Augen. Sie war ärmlich gekleidet, wie es um sie her in dem engen Stübchen ärmlich aussah.

Der Kranke im Bette erwachte. Er schlug langsam die Augen auf und sah fremd, wie mit steigender Verwunderung, in dem engen Zimmer umher, auf den wenige» Hausrach, auf die Frau, das Bett, auf seine mageren Hände und dürren Arme.

Wo bin ich hier?"

Die Frau theilte ihm Folgendes mit:

An einem Abend Ende Januar kam ein junger Mann des Weges, der an dem Hause vorübersührte. Er trug eine Binde um den Kops, einen Arm in der Binde. Er war bleich zum Entsetzen, und doch sah man ihm wilde Fieberhitze an. Er bat im Hause um einen Trunk Wasser, welcher ihm auch gereicht wurde. Als er sich wieder entfernen wollte, fing plötzlich Fieberfrost an, ihn zu schütteln. Er schwankte, er konnte seinen Weg nicht fortsetzen und wurde in dem kleinen, ärmlichen Hause ausgenommen. Das Fieber brach bald in voller Wuth bei dem Fremden hervor und warf ihn bewußt­los auf ein monatelanges Krankenlager, von dem er unter sorgsamster Pflege der Frau und durch Behandlung eines Arztes, eines edlen Menschenfreundes, langsam wieder ge­nas. Auch die nöthigen Geldmittel hatte der Arzt hergegeben."

Aber in meinen Kleidern war ja Geld," unterbrach der Genesende die Frau i« ihrer Erzählung, welcher er mit Aufmerksamkeit gefolgt war.