breitung verbotener sozialdemokratischer Schriften betheiligt zu haben. Dieselben sind vorerst in das hiesige Oberamtsgerichtsgefängniß überliefert worden. Ihre Wohnungen wurden polizeilich durchsucht und ihre Papiere vom Gericht mit Beschlag belegt.
Zu Heilbronn ist in der Frühe des 18. d. das mit Baumwollabfällen gefüllte Magazin von Josef Schwarzenberger abgebrannt. Ursache: Selbstentzündung der schmutzig-fetten Abfälle.
Ulm. 19. Okt. Der große Steiner'sche Bankerott in Laupheim hat auch das Falliment hiesiger Geschäfte zur Folge; die Firma Martin I. Neuburger ist so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß sie ihre Insolvenz anzeigen mußte.
In Ulm wurde eine Händlerin aus Steinheim zur Haft gebracht, welche ihr auf dem Wochenmarkt feilgebotenes, ausgewogenes Rindschmalz dadurch gefälscht hatte, daß sie dasselbe auf der unteren Seite aushöhlte und mit dem unreinen Satz, welcher beim Aussteden der Butter zurückbleibt, ausfüllte und dann mit Papier überzog.
(Unglücksfälle und Verbrechen.) Zwischen Schwieberdingen und Vaihingen a. E. kam der Hausknecht des Posthalters von Vaihingen unter sein Weinfuhrwerk und verunglückte dabei so schwer, daß er nach kurzer Zeit verschied. Er diente schon 22 Jahre seinem Herrn und hinterläßt eine Frau und 5 Kinder.
Sachsen.
Leipzig, 18. Okt. (Hochverraths-Prozeß.) Das Plaidoyer ist beendet. Der Ober-Reichsanwalt Frhr. v. Seckendorf schilderte die staatsgefährlichen Umtriebe der Angeklagten u. Dave als den gefährlichsten und thätigsten der Agitatoren. Dave beantragte seine Schlußrede in französischer Sprache halten zu dürfen. Der Gerichtshof lehnte es ab, da er die Ueberzeug- ung gewonnen, Dave sei der deutschen Sprache genügend mächtig. Dave verweigerte darauf seine Schlußrede. Fast alle Angeklagten versicherten nochmals ihre Unschuld. Das Urtheil wird am.21. Oktober verkündet.
Preußen.
Berlin, 18. Okrbr. Folgendes Cirkular wird gegenwärtig in den hiesigen Bürgerkreisen zur Unterschrift präsentirt: „Einer hohen königlichen Staatsanwaltschaft gestatten sich die ergebenst Unterzeichneten die nachstehende Erklärung zu hochgeneigter Erwägung und eventueller strafrechtlicher Verfolgung zu unterbreiten: Wir Unterzeichnete christliche Einwohner Berlins fühlen uns durch die in der Broschüre des PaulPhineasGrünfeld, betitelt „Lsn 8irs.1i wilitans" gethane gotteslästerliche Aeußerung: „Diese sLeute, die man gemeiniglich Klerisei oder auch Priesterschaft nennt, nehmen in der Regel ihren Ursprung in einigen gemüthlichen Schwachköpfen, „welche die philoso
phische Spekulation irgend eines hirnverbrannten Träumers für baare göttliche Münze nehmen", in unserm Gewissen beschwert und sehen namentlich durch den letzten, gesperrt gedruckten Passus dieser Auslassung unfern Christenglauben in unerhörter Weise beschimpft, weil durch diese Worte der göttliche Stifter unserer Religion auf das Schmählichste in den Schmutz gezogen ist. Wir gestatten uns, die königliche Staatsanwaltschaft höflichst zu bitten, auf Grund dieser Erklärung wettere Schritte im Sinne des Strafgesetzbuches veranlassen zu wollen.
Berlin, 19. Okt. Wie man dem „B. P. N." mittheilt, haben die kolossalen Getreidetransporte, welche in den letzten Wochen nach Königsberg und Danzig gelangt sind, eine eigene Calamität erzeugt, die seit vielen Jahren nicht vorgekommen: es fehlt an Schiffen, um das Getreide weiter nach England zu führen, trotzdem schon doppelte Preise, als bisher üblich gewesen, bezahlt werden.
Professor Reuleaux hat in einer Rede über die Weltausstellungen in Melbourne auch die Errichtung von deutschen Dampferlinien mit staatlicher Unterstützung nach der Südsee, Australien und China und eine Weltausstellung in Berlin verlangt.
Frankfurt a. M., 19. Oktbr. Sachs ist da! Heute Vormittag 5 Uhr traf mittelst Schnellzugs der Main-Weser-Bahn der frühere Bankier A. Sachs ein, selbstredend unter Bedeckung; am Bahnhof wurde er von der Polizei in Empfang genommen und per Wagen ins „Hotel Klapperfeld" gebracht. Das Untersuchungsverfahren gegen denselben wird nach Möglichkeit beschleunigt, und hat sich heute Morgen schon der Herr Untersuchungsrichter zu dem Verhafteten begeben. — Ueber die Ankunft des Sachs erfahren wir noch von einem Augenzeugen. daß Sachs sehr angegriffen und gebrochen aussieht. Das Aussteigen aus dem Waggon fffl ihm sehr schwer und konnte er sich nur mit Hilfe eines Stockes fortbewegen. Er ist überhaupt sehr gealtert und ist natürlich auch sein Aeußeres in Bezug auf Kleidung rc. nicht so tadellos, wie ehedem, als er noch stolzer Bankier und Börsianer war. Publikum hatte sich auf dem Bahnhofe, da die Ankunft geheim gehalten worden war, keines eingefunden, dahingegen eine Abtheilung Schutzleute, die dem Weitgereisten, welcher in dem Gefangenen-Wa- gen Platz genommen hatte, das Geleite bis zur Constabler-Wache gaben.
Barmen. In Ohl bei Gummersbach stellte die Polizei auf eingegangene Anzeige hin bei einer wohlhabenden Familie Haussuchung an, bei welcher sich die schreckliche Thatsache ergab, daß der Vater, ein erst 52jähriger Mann von seinen Angehörigen gefangen gehalten wurde. Der Aermste, einem Gerippe ähnlich, lag in einer finsteren Kammer in seinem eigenen Unrarh, Nägel und Haare waren ihm lang gewachsen, er konnte weder sprechen, noch sich frei bewegen.
Seine Gattin und seine Töchter sind gefänglich eingezogen, der Unglückliche aber ist in gute Pflege gegeben worden.
Eisenach, 18. Okt. (Theurungszulage.) Gestern war auf der Thüringischen Eisenbahn ein Freudentag: den Beamten und diätarischeu Arbeitern wurde ein Monatsgehalt als Thea- rungszulage ausbezahlt, damit sie ihre Winter» vorräthe zeitig einkaufen können.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 19. Oktbr. Die Begegnung deS Königs Humbert mit dem Kaiser von Oesterreich ist ausgemacht. König Humbert kommt in den ersten Tagen des November nach Wie» und dürfte von hier zur Begrüßung des Kaisers Wilhelm nach Deutschland gehen.
Schweiz.
Aus der Schweiz, 12. Oktober. DaS Programm der „Grütlianer" (Arbeiterpartei) verlangt u. A. die Aufhebung der Bestimmung der Bundesverfassung, welche nur die stimmberechtigten Schweizerbürger weltlichen Standes als wahlfähig bezeichnet, die Geistlichen aber von der eidgenössischen Wahlfähigkeit ausschließt.
Italien.
Rom, 18. Okt. Gestern Abend wurden die italienischen Pilger, als sie aus der Kirche San Vitale traten, mit Steinwürfen und Stockschlägen von der Menge, welche schrie: „Tod dem Papste! Nieder mit dem Vatikan!" angegriffen. Vier Pilger wurden ernstlich verwundet. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen; nach einer halben Stunde war die Ruhe hergestellt.
Frankreich.
Paris, 18. Okt. Ein großartiger Plan, zu dem die Anregung aus Spanien kommt, soll in Angriff genommen werden: es handelt sich um nichts weniger als dieDurchbohrung der Pyrenäen, um die Hindernisse, die dieses unbewegsame Gebirge bisher dem Verkehr zwischen Frankreich und Spanien entgegensetzte, in gleicher Weise zu besiegen, wie dies beim Mont Cenis und Gotthard geschehen ist. Am 14. ds. hat König Alfons einen hierauf bezüglichen Gesetzentwurf unterzeichnet, der demnächst den Kortes vorgelegt werden soll. Das Ministerium ersucht darin die Kortes, ihm behufs Verhandlungen mit der französischen Regierung Vollmacht zu ertheilen. Spanien beabsichtigt, die Bahnliente von Huesca über Ayerbe, Ca^ dearenas, Jaca und Canfcanc der französische» Grenze des Col de Somport zu durchbohre». Die Liente würde also auf französischer Sette ins Gavethal nach Oloron führen. Die Hälfte der Bohrungskosten will Spanien tragen, während Frankreich die andere übernehmen soll. Die Wichtigkeit dieses Unternehmens ist ohne weiteres einleuchtend, wenn man bedenkt, daß die Pyrenäen eine fortlaufende Schienenverbindung bisher nur im äußersten Westen und Osten der spanisch-französischen Grenze über Bayonne und Perpigan zuließm.
Im Kerzen verschlossen.
Eine Novelle.
(Fortsetzung.)
„Sie sind müde/ sagte das Mädchen zu ihrem Begleiter. „Ruhen wir aus.'
Er antwortete nichts, aber er hielt seinen Schritt an und setzte sich auf einen umgehauenen Baumstamm. Sie setzte sich auf den Stumpf des Baumes, nicht an seine Seite. Er sagte nichts dazu; sie saßen stumm.
„Brechen wir wieder auf?' fragte sie nach viertelstündiger Rast.
Er nickte mit dem Kopf und sie setzten ihren Weg fort. Während der Boden bisher immer eben gewesen, wurde er hier gebirgig; Höhe und Tiefe wechselten mit einander ab.
„Bald find wir am Ziele," sagte das Mädchen. „Ruhen wir nochmals aus."
Sie waren auf einer Anhöhe. Der Morgen dämmerte im Osten auf. Das erste Roth verbreitete seinen Schein durch die dichten Zweige der Bäume, eS beschien zwei jugendlich schöne, aber bleiche Gesichter.
Das Mädchen hatte den Kopf zu dem braunen Hühnerhunde niedergebeugt, der aufrecht vor ihr saß. Sie sah traurig nieder, zu ihm, aber doch nicht auf ihn. Er blickte mit seinen treuen Augen wie tröstend zu ihr auf.
Der junge Mann starrte unbeweglich in die weite Ferne hinaus, in die Tiefe nach Osten hin, wo es noch dunkel war. Sein Auge war nicht so traurig und thränen- schwer, wie das des Mädchens, aber es war unglücklich, es zeigte einen schweren, wilden und verzweiflungsvollen Kampf in seinem Innern.
Die Sonne gieng auf. Das Mädchen erhob sich.
„Es wird Zeit," sagte sie.
Auch er erhob sich. Sie standen neben einander. Im Dunkel der Nacht und des Waldes hatte Einer des Andern Blässe, den Schmerz, den Kampf nicht sehen können. Wie erschraken sie aber, als sie sich im Lichte der Sonne erblickten?
„Mein Gott," sagte das Mädchen, „werden Sie noch weiter können?"
„Ja wohl, Anna. Aber Du? Und Du mußt noch den weiten Rückweg machen! Und allein!"
Es waren die ersten Worte, die er gesprochen hatte. Das Mädchen faßte nach ihrem Herzen, als wenn sie einen furchtbaren Stich darin fühle. Sie mußte sich von ihm abwenden, um ihm nicht die Gewalt zu zeigen, mit der sie ihre Thränen zurückhielt. Zurück und allein! Die Worte tönten wie die Worte der Vernichtung in ihre« Innern wieder.
Der junge Mann machte eine wilde Bewegung, als wenn er von allen seine» Wunden die Binde fortreißen, als wenn er die Wunden selbst aufreißen wolle.
Und die Sonne hatte sich voll und klar in ihrem reinen Golde emporgehobe» und beschien die beiden unglücklichen Menschen auf der einsamen Höhe des Waldes.
Der junge Mann ergriff leidenschaftlich die Hand des Mädchens.
„Anna! Anna!" rief er.
Sie wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Aber er ließ die Hand wieder los, ebenso heftig, wie er sie ergriffen hatte.
„Kehre zurück, Anna! Laß mich allein gehen!"
Da mußte sie zu ihm aufblicken. Sie glaubte einen verzweiflungsvollen Entschluß in seinemGesicht zu lesen, während sie wieder ganz fester Wille, Muth und Kraft 'erfaßte.
„Herr Graf, Sie haben mir versprochen, daß ich Sie über die Grenze führe» soll. Ich führe Sie in die Freiheit oder Sie und mich in den Tod."
Der Mann mußte sich dem Mädchen beugen.
„Komm," sagte er.
Sie setzten ihren Weg fort. Derselbe führte durch den dichtesten, 'pfadlosen Wald. Das Mädchen irrte sich dennoch nicht, denn sie hatte oft mit ihrem Vater Wald «ü» Gebirge durchstreift.
Als sie die höchste Stelle einer Anhöhe erreicht hatten, machte das Mädchen Halt- Sie streichelte den Kopf ihres treuen Hundes.