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Nr. 180. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 91. Jahrgang.
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Freitag, den 2. August 1816.
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England am 2. Kriegsjahrestag.
Heute jährt sich der Tag zum zweiten Mal, an dem der englische Botschafter in Berlin die Kriegserklärung Englands an Deutschland überreicht hatte, und wir werden dabei unwillkürlich wieder an die Frivolität erinnert, mit der England in den Krieg eingetreten ist. „Wir werden nicht viel mehr zu leiden haben, wenn wir an dem Krieg teilnehmen, als wenn wir neutral bleiben", so hatte Mister Erey, der jetzt zum Lord avanciert ist, dem Parlament die Kriegserklärung schmackhafter machen wollen, und als der deutsche Botschafter aus London abreiste, da glaubte dieser selbe Mister Erey ihm die Versicherung als „Trost" mit aus den Weg geben zu sollen, daß England als Kriegsteilnehemer dem deutschen Reich viel wertvoller sein könne, als wenn es neutral geblieben wäre. Man hatte sich also nach diesen Aeußerungen des verantwortlichen englischen Auslandsministers in London die Ueberrumpelung Deutschlands nicht so schwierig vorgestellt, und mit jedem Monat ist deshalb das Erstaunen, aber auch die Wut des enttäuschten englischen Krämers gestiegen, und heute wird wohl niemand mehr in England sein, der die Aussprüche der englischen Staatsmänner zu Anfang des Kriegs nicht als Prahlerei verflucht. England hat in diesem Krieg seine Kräfte nach und nach anspannen müssen, wie nie zuvor, und das Bemerkenswerteste bei all dieser Kraftentwicklung ist, datz sie keineswegs so groß war, die Entscheidung des Krieges herbeizuführen. Heute steht die auf Grund der Einführung der englischen Dienstpflicht aufgebrachte grotze englische Armee in Frankreich, und was hat sie bisher geleistet? England glaubte leichten Kaufs die deutsche Volkswirtschaft mit Hilfe der halben Welt vernichten zu können, es hat sich getäuscht, und spielt deshalb heute ein Vabanquespiel um sein Ansehen, das je länger der Krieg dauert, immer mehr Schaden leidet. Mit dem Glauben der Welt an Englands Seeherrschaft steht und fällt seine Machtstellung in der Welt, denn nur durch dieses Machtmittel ist das britische Weltreich bisher zusammengehalten worden. Wie stark aber dieser Glauben an Englands Macht durch den Krieg erschüttert worden ist, das haben die Aufstände in den englischen Kolonien gezeigt, in Südafrika, in Indien, die Gärung in Aegypten und Südpersien, welche Gebiete England jetzt ebenfalls ganz einstecken möchte. Und dann der Aufstand in Irland, der, kaum notdürftig unterdrückt, durch die Hinrichtung des unbequemen Jrenführers Sir Roger Casement wieder zum Aufleben '.'ommen könnte. Die irischen Nationalisten sind mit dem von der englischen Regierung angestrebten Ausgleich keineswegs zufrieden, sie wollen keinen unionistischen irenfeindlichen Gouverneur, wie er ihnen aufgezwungen werden soll, auch wollen sie nicht den Ausschluß der sechs Ulsterprovinzen von der Eelrstrsgierung Irlands, und die Ulsierleute wiederum bekämpfen den Anschluß an Irland. Die irische Frage hat solche Schwierigkeiten geschaffen. daß das Vertrauen in das Kabinett vollständig erichüttert ist, und einige Minister, vor allem anscheinend aber der Ministerpräsident Asquith, sich mit dem Gedanken tragen, abzudankcn. Nach außen hin treten aber alle diese Fragen nicht so in Erscheinung, weil England eben alles aufbietet, diese zermürbenden Kräfte, sowohl in seinen! inneren als auch am äußeren Organismus sogut wie möglich abzuleugnen, denn mit dem Verlust seines Ansehens würde es ja das ganze Spiel verlieren. Deshalb wird nach außen auch weiterhin das stahlblanke Gesicht der Siegeszuversicht gezeigt. Asquith hat im Unterhaus neulich gesagt, als er die wirtschaftlichen Maßnahmen der Alliierten nach dem Krieg begründete, die den deutschen Absichten der wirtschaftlichen Durchdringung der Märkte entgegenarbeiten sollen,
eins wesentliche Friedensbedingung der Alliierten sei, daß Belgien, Serbien, die besetzten Teile Frankreichs und Polens, materiell und wirtschaftlich wieder hergestellt werden müssen. Es ist klar, daß die englische Regierung, um die Verbündeten Englands gerade im jetzigen kritischsten Augenblick der Kriegslage zusammenzuhalten, gar nichts anderes sagen kann, wir aber werden demgegenüber ebenso kategorisch erklären: Holt sie Euch! Und an diese Möglichkeit denken wohl die Alliierten heute selbst nicht mehr. England setzt aber nicht nur gegeüüber dem Gegner jetzt alles auf eine Karte, sondern auch gegenüber den eigenen Bundesgenossen und den Neutralen. Italien wird bis zum Aeußersten gepreßt, Deutschland den Krieg zu erklären, weil man doch die Deutschen aus dem italienischen Wirtschaftsleben auch für die Zukunft vertreiben will, und ebenso wird in Rußland systematisch nach dieser Richtung vorgegangen, und jede deutschfreundliche Stimmung mit allen Mitteln bekämpft. Das mag jetzt im Krieg, solange die Negierungen und Wirtschaftsverbände unter dem wirtschaftlichen Druck stehen, hingehen, aber nach dem Krieg wird sich zweifellos die Reaktion gegen die englische Profitpolitik geltend machen. So ist es auch mit der englischen Gewaltpolitik gegenüber den Neutralen, die kaum noch einer Steigerung fähig ist. Wenn die Engländer glauben, auf diese Weise sich für die Zukunft Handelsverbindungen schaffen zu können, so werden sie wohl bald eines Besseren belehrt werden. Alle diese Gewaltakts werden sich noch bitter rächen. Solange die Engländer hoffen konnten, als unbestrittene Sieger aus dem Kampf hervorzugehen, solange durften sie auch annehmen, daß ihre Missetaten ungestraft bleiben würden,' jetzt aber, da es feststeht, daß Deutschland und seine Verbündeten zum mindesten nicht niedergezwungen werden können, ist eigentlich schon das englische Spiel verloren, denn der Nimbus englischer Macht ist zerflattert, und damit der Zeitpunkt der Abrechnung der ganzen Welt mit dem seit Jahrhunderten herrschenden Tyrannen gekommen, selbst wenn auch diesmal noch das englische Imperium notdürftig zusammengekleistert werden sollte. In Zukunft wird England keine solche Koalition mehr gegen seinen gefährlichsten Konkurrenten zusammenbringen, wodurch die englische Macht von selbst zusammenbricht. Das ist das Ergebnis des zweijährigen Krieges, den England zur Vernichtung der Wirtschaftsmacht Deutschlands begonnen hat. Daß es schon heute selbst nicht mehr an die Erlangung dieses Ziels glaubt, das beweisen die tollen Anstrengungen, die es macht, der gefürchteten deutschen Wirtschaftsmacht in dem zu erwarenden Wirtschaftskampf auf dem Weltmarkt nach dem Krieg entgegenzutreten und womöglich zuvorzukommen. O. S.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(WTV.) Großes Hauptquartier, 3. Aug. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Nördlich der Somme ließ das starke feindliche Vorbereitungsseuer zwischen dem Ancre und der Somme einen großen entscheidenden Angriff erwarten. Infolge unseres Sperrfeuers ist es nur zu zeitlich und räumlich getrennten aber schweren Kämpfen gekommen. Beiderseits der Straße Bapaume— Albert und östlich des Troneswaldes sind starke englische Angriffe zusammengevrochen. Zwischen Maurepas und der Somme wiederholte sich der französische Ansturm bis zu siebenmal. In zähem Ringen sind unsere Truppen Herren ihrer Stellung geblieben, nur in das Gehöft Monacu und in einen Gra- benteil nördlich davon ist der Gegner cingedrungen.
Südlich der Somme wurden bei Barleux und bei Sstrdcs französische Borstöße abgewicsen. Rechts der Maas setzte der Feind gegen den Pfefferrücken und auf breiter Front vom Werk Thiaumont bis nördlich des Werkes Lauffäe starke Kräfte zum Angriff ein. Er hat auf dem Westteile des Pfefferrückens und südwestlich von Fleury in Teilen unserer vordersten Linie Fuß gefaßt und im Lauffäcwäldchen vorgestern verlorene Grabenstücks wieder genommen. Am Werk Thiaumont und südöstlich von Fleury wurde der Gegner glatt abgewicsen, im Bergwald nach vorübergehendem Einbruch durch Gegenstoß unter großen Verlusten für ihn geworfen. Bei feind-, lichen Bombenangriffen auf belgische Städte wurden u. a. in Meirelbeke südlich von Gent 16 Einwohner, darunter 9 Frauen und Kinder getötet oder schwer verletzt. Unsere Flieger griffen die feindlichen Geschwader an und zwangen sie zur Umkehr, eines von ihnen wich über holländisches Gebiet aus. Im Luftkampf wurde ein englischer Doppeldecker südlich von Noulers »nd ein feindliches Flugzeug, das 13. des Leutnants Wintgens, südöstlich von Peronne abgeschossen. Durch Abwehrfeuer wurde je ein feindlicher Flieger bei Bresinghe und nördlich von Arras heruntergeholt ,
Oestlicher Kriegsschauplatz. Front des Ecneralfeldmarschalls von Hindenburg: Auf dem nördlichen Teile der Front keine besonderen Ereignisse. Russische Vorstöße beiderseits des Nobelsecs sind gescheitert. Ein starker Angriff brach südwestlich von Lu- bieszow zusammen. An der Bahn Kowcl—Sarny vorgehende feindliche Schützenlinien wurden durch unser Feuer vertrieben. Im Walds von Ostrow nördlich von Kiesielin wurden über 199 Gefangene eingebracht. Beiderseits der Vrody anscheinend geplante feindliche Angriffe kamen nur gegen Ponikowica zur Durchführung und wurden abgewiessn. Im übrigen herrschte an der Front geringe Eefechtskätrgkeit. Bei Rozyszcne und westlich von Torczyn wurden russische Flugzeuge ab- geschosssn'
Heeresgruppe des Generals Grafen von Lothra e r: Südwestlich von Welesniow wurden kleine Rus- sennester gesäubert.
Balkankriegsschauplatz: Nichts Neuest
Oberste Heeresleitung.
Wiederholter Luftangriff auf England.
(WTV.) Berlin. 3. Aug. (Amtlich.) In der Nacht vom 2. zum 3. August haben wiederum eine größere Zahl uuserer Marineluftschiffe die südöstlichen Grafschaften Englands angegriffen und besonders London, den Flottenstützpunkt Harroich, Bahnanlagen «nd militärisch wichtige Industrieanlagen in der Grafschaft Norfolk mit einer großen Zahl Spreng- und Brandbomben mit gutem Erfolg belegt. Die Luftschiffe wurden auf dem Anmarsch von feindlichen leichten Streitkräften und Flugzeugen angegriffen, beim Angriff selbst von zahlreichen Scheinwerfer» beleuchtet und heftig brschossen. Sie sind sämtliche unbeschädigt zurückgekehrt.
Der Chef des Admiralstabs der Mrrire.
Der letzte englische Zeppelinbericht.
London, 3. Aug. (Drahtb. W.-V. — Amtlich, 1,30 Uhr morgens.) Eine Anzahl von Luftschiffen passierte am Mittwoch die Ostküste. Ihr Ziel ist noch nicht festgestellt, da der Angriff noch im Gange ist. An verschiedenen Orten wurden Bomben abgeworfen.
(Amtlich, 3,20 Uhr morgens.) Es haben offenbar 6 bis 7 Luftschiffe an dem Angriff teilgenommen. In den östlichen und südöstlichen Grafschaften wurde eine beträchtliche Anzahl von Bomben abgeworfen. Es liegen keine bestimmten Nachrichten vor, und es wurde kein militärischer Schaden gemeldet. Biele