Nr. 266. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
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Samstag, den 13. November 1915.
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Die griechische Kammer aufgelöst.
Die Lage Griechenlands. — Die „Nordd. Allg. Ztg." zu den englischen Oberhausreden.
Das Reutersche Bureau ist in der Lage, die Nachricht von der Auflösung der griechischen Kammer bekannt zu geben. Es müssen also demnach Ereignisse innerhalb der Kammer oder aber in der äußeren Lage eingetreten sein, die einen solchen Schritt rechtfertigen. Wie man allgemein hört, hat die Regierung infolge des Stimmungsumschwungs im Volke die beste Aussicht, die Kammermehrheit, über die nach den letzten Wahlen Venizelos verfügte, bei den Neuwahlen in eine Minderheit zu verwandeln, andererseits ist aber auch das Kabinett in der Lage, in Len nächsten vier Wochen, die wohl zu den kritischsten auf dem Balkan gerechnet werden müssen, den demagogischen Einfluß von Dcnizelos wenigstens im Parlament auszuschalten, und sich damit Bewegungsfreiheit bei etwa eintretenden Ereignissen zu bewahren. Je mehr die Serben bei ihrem andauernden Rückzug sich albanischem und griechischem Gebiet nähern, je mehr also die Gefahr besteht, daß das griechische Territorium zum Kriegsschauplatz gemacht wird, und Albanien, an dem Griechenland keine geringen Interessen hat, in die Gefahr gerät, von den Italienern besetzt zu werden, um so schneller rollt auch für Griechenland die Stunde der Entscheidung heran. Die griechische Regierung wird sich darüber schlüssig werden müssen, ob sie ihre Neutralität durch Entwaffnung der übertretenden Serben wahren, oder ob sie dem diplomatischen Druck der Entente nachgeben will, und sich auch dieser Verletzung der griechischen Souveränität aussetzen will. Sie wird sich weiter darüber klar werden müssen, inwieweit die Interessen Griechenlands bei der Gestaltung der Verhältnisse des ohnmächtigen Nachbarstaates Albanien vertreten werden wollen, und ob es überhaupt im Interesse Griechenlands opportun erscheint, daß die Italiener auf dem Balkan und namentlich in Albanien erscheinen, wobei ihre Absicht, sich dauernd dort niederzulassen, nicht in Abrede wird gestellt werden können. Für solche schwerwiegende Entscheidungen aber braucht die Regierung freie Hand und freien Blick, die nicht durch unlautere Machenschaften eines Benizelos und seines meist bestochenen Anhangs beeinflußt werden dürfen. Griechenland ist infolge der Stellungnahme Bulgariens heute nicht mehr in einer solchen Zwangslage, daß es mit der Abschneidung seiner Lebensmittel- und Rohstoffzufuhr rechnen müßte, wenn es seine Neutralität mit der Waffe verteidigen wollte. Eine Verheerung der griechischen Küste käme infolge etwaigen U-Bootschutzes auch nicht in dem befürchteten Maße in Betracht, Griechenland aber würde die Entscheidung auf dem Balkan zu einem schleunigen Abschluß führen. Das wird sich heute wohl der Pierverband überlegen müssen, und aus dieser Erwägung werden wir auch das lange Zaudern Italiens bezüglich der Mitwirkung am Balkan herleiten müssen, trotz der dringenden Aufforderungen Frankreichs, Englands und Rußlands. Der Bierverband hat nun schon zmn zweiten Mal durch sein unverschämtes Vorgehen gegenüber kleineren Staaten diese zu einer Entscheidung gedrängt, die den Herren keine Freude gemacht hat. Die Erpressertaktik könnte auch diesmal vorbeigelingen; deshalb bemüht man sich, in Athen vorerst ein nröglichst freundliches Gesicht zu machen.
Daß gewisse Kreise des englischen Volkes doch zur Einsicht kommen, daß die Berechnungen der englischen Regierung über die Aussichten Englands in diesem Kriege keineswegs glänzend sind, daß sie also keineswegs den Optimismus rechtfertigen, den man bei jeder Gelegenheit zu besitzen vorgiebt, das geht deutlich aus
der Kritik hervor, die die Maßnahmen der Regierung während dieser Krieges von Seiten des Parlaments erfahren hat. Die Herren Minister haben schon manchen Hieb hinnehmen müssen, ohne ihn parieren zu können, und gerade wieder in den letzten Tagen haben Oberhaus wie Unterhaus den herrschenden Männern recht harte Nüsse zu knacken aufgegeben. Dem englischen Volk sind die Balkanereignisse gehörig in die Glieder gefahren, man ist sich der weittragenden Bedeutung für den Orient bewußt, und nun man den Pfeil auf die englische Achillesverse gerichtet sieht, lösen sich die Befürchtungen in Anklagen und Vorwürfen gegen die verantwortlichen Männer auf. Ja, es sind einflußreiche Männer überm Kanal sogar, wie bekannt, soweit gegangen, die Wetterführung des Krieges als nicht wünschenswert zu bezeichnen, wenn sie auch den einzuschlagenden Weg zum Frieden nicht so skizzierten, wie er für Deutschland annehmbar wäre. Die „Nordd. Allg. Ztg." giebt nun in einem interessanten Artikel die Antwort auf diese Friedensvorschläge. Sie stellt fest: Zunächst erhellt daraus, daß der Premierminister As- quith den Zweck der Beruhigung, den er mit seiner großen Unterhausrede verfolgte, nur unvollkommen erreicht hat. Die Reden können als Symptom schwankenden Vertrauens zur Weisheit des gegenwärtigen Kabinetts betrachtet werden. Wir erkennen auch gerne an, daß hier zum ersten Male in einer englischen Parlamentsdebatte wieder ein ruhiger, maßvoller Ton erklungen ist. Ob aber aus den Anregungen zweier Red- der des Oberhauses, nach einem Ausweg zur Beendigung des Krieges zu suchen, vernünftige Friedensvorschläge, die. wie bekannt, Deutschland jederzeit zu erwägen bereit ist, hervorgehen werden, erscheint uns im höchsten Grade zweifelhaft. Wir vermissen jedoch jedes Echo auf die Stimmen der Einkehr. Die englische Regierung hat es nicht einmal für nötig gehalten, den beiden Lords im Oberhaus zu antworten. Dagegen haben zwei Tage darnach drei Mitglieder des Kabinetts in der Guildhall das Wort ergriffen und daraus haben wir unverändert die alte Weise vernommen. Asquith hatte ausdrücklich auf seine Guildhallrede im vergangenen Jahr hingewiesen, in der er ausgesührt hatte, England werde das Schwert nicht eher wieder einstecken, bevor nicht Belgien alles, was es geopfert und noch mehr erhalten habe, bevor nicht Frankreich in gleicher Weise gegen drohende Angriffe gesichert sei, bevor nicht die Rechte der kleinen Völker Europas aus eine unantastbare Grundlage gestellt seien und endlich bevor nicht die militärische Herrschaft Preußens vollständig und endgültig vernichtet sei. Abgesehen von der heuchlerischen Phrase vom Schutz der Rechte der kleinen Völker steht heute England weiter denn je von dem gesteckten Ziele entfernt. Solange aber die Leiter der englischen Politik glauben, Deutschland besiegen und vernichten zu können, solange die englische Nation trotz aller Enttäuschungen mit ihnen an diesem Wahne festhält, solange bleiben Reden, wie die des Lord Loreburne und Eourtney Stimmen in der Wüste. Man kann den Ausführungen der „Nordd. Allg. Ztg." hin- zufügen, daß diese Stimmen in der Wüste an Gewalt gewinnen dürften, wenn Deutschland und seine Verbündeten über kurz oder lang dazu schreiten werden, das bisher als unangreifbar geltende britische Kolonialreich zu gefährden. Vielleicht ist es aber dann zu spät. 0 . 8.
Auflösung der griechischen Kammer.
Athen, 12. Nov. (Reuter.) Dir Kammer ist aufgelöst worden. Die Neuwahlen werden am 18. Dezember stattsinden.
Griechenland.
Budapest, 12. Nov. Das Organ des bulgarischen Kriegsministeriums „Woemija Jsweftia" vernimmt, daß die neugriechische Regierung die Bedeutung Al, baniens für Griechenland nicht geringschätzt und dafür sorgt, die dortigen Interessen zu wahren. Die Bedeutung der Blockierung der griechischen Küste verschwinde in dem Augenblick, wo Griechenland offen Stellung gegen die unverschämten Uebergrisfe der Entente in Saloniki nehme. Wenn dies erfolge, werde weder die innere Lage, noch das wirtschaftliche Leben Griechenlands Nachteile erfahren, da ihm der Weg über die Donau zu den Zentralmächten freistehen werde. Bulgarien werde gern den Verkehr Griechenlands mit den Zentralmächten vermitteln.
Köln, 12. Nov. Laut der „Kölnischen Volksztg." berichtet der Korrespondent des „Corriere della Sera" aus Saloniki, die Bevölkerung daselbst sei durchaus deutschfreundlich, namentlich die 70 000 Israeliten infolge der schlechten Behandlung ihrer Glaubensgenossen durch die Russen. Der Korrespondent hebt hervor, daß die Konsuln des Vierverbands täglich der mit kläglicher Langsamkeit vor sich gehenden Organisation der Truppenlandungen zuschauen. Die griechischen Schiffe müssen sich bei ihrer Einfahrt in den Hafen durch englische oder französische Torpedoboote führen lassen.
Die französische Presse zur Haltung Griechenlands.
(WTB.) Paris, 12. Nov. „Petit Journal" meldet' Die Alliierten beraten noch immer über die Bedingungen, unter denen die griechische Anleihe gewährt werden soll. Es ist unbedingt notwendig, von der Athener Regierung neue Bürgschaften zu erhalten, um so mehr, als man in den letzten Tagen zwischen den Erklärungen des dem Bierverband günstig gesinnten Ministerpräsidenten und gewissen Aeußerungen eines seiner Amtsgenossen, der sich fragte, ob die aus griechisches Gebiet zurückgeworfenen serbischen Truppen entwaffnet werden müßten, einen merklichen Unterschied fesi- stellen konnte. — Daneben werden auch zweifelnde Stimmen laut. „Echo de Paris" schreibt: Griechenlands Politik sei abwartend. Es sucht den Bierverband zu schonen, solange es den deutschen Unterseebooten nicht gelungen sei, die Geschwader der Alliierten aus dem östlichen Mittelmeer zu vertreiben. — „Liberte" erklärt, die griechische Regierung spiele kein offenes Spiel; ihre Haltung sei zweideutig.
Engländer und Franzosen unter sich.
Konstantinopel, 12. Nov. Aus Saloniki wird zuverlässig gemeldet, daß sich der Abtransport englischer Truppen an die serbische Grenze, der bisher belanglos war, nunmehr in größerem Umfange vollziehe. Glaubwürdig wird versichert, daß sich England zu einer erhöhten Anstrengung erst auf Grund eines fast an ein Ultimatum grenzenden französischen Schrittes entschlossen habe. Gewgheli und Doiran sind von den Ententetruppen als Operationsbasis ausgebaut worden. Bis hir sind in Saloniki 70 000 Franzosen und 26 000 Engländer gelandet. In Saloniki ist in englischen Offziers- kreisen das Gerücht verbreitet, daß Lord Kitchenrr demnächst eintreffen werde.
Italiens Adriainteresfen.
Wien, 12. Nov. Das „Neue Wiener Taqblatt" läßt sich aus Lugano drahten, daß der italienische Ministerrat voraussah, daß eine Sitzung ungenügend sein werde, weshalb Salandra gestern nach vierstündiger Beratung eine Fortsetzung für heute ankündigte. Die italienische Presse muß. wie der „Deutschen Tages-