Griechenland und der Bierverband.
EKG. Wien, 20 Okt. Das „Deutsche Volksblatt" meldet über Rotterdam: Aus Paris wird berichtet, der Bierverband lehnte auch den dritten Protest Griechenlands ab und ordnete die militärische Besetzung der Eisenbahnlinie Saloniki nach Serbien an.
Die Stimmung in Saloniki.
(WTB.) Paris, 20. Okt. Der Berichterstatter der „Information" in Saloniki schreibt, es sei für die Ententemächte eine unbedingte Notwendigkeit, kategorisch mit Griechenland zu verfahren. Man muffe gleichfalls Einfluß auf das Volk gewinnen, das sich durch die Bemühungen Deutschlands täglich mehr von dem Vierverband entferne. Er sei nach dreimonatiger Abwesenheit bei seiner Rückkehr nach Saloniki von der Veränderung überrascht gewesen, die in dem Volk vorgegangen sei. Jetzt seien 60 der Bevölkerung von Saloniki deutschfreundlich.
Um Rumänien.
London, 20 Okt. „Daily Telegraph" meldet laut ..Lok Avz " aus Bukarest, daß dort rege diplomatische Tätigkeit herrsche. Die Gesandten der Verbandsmächte hätten eine Besprechung mit Bra- tianu gehabt. Der serbische Gesandte und Herr Caip seien zum Könige berufen worden.
Das Vierverbandsheer auf dem Balkan.
(WTB.) Paris, 21. Okt. Wie der „Temps" aus Athen meldet,landen französische und englische Truppen unausgesetzt in Saloniki. Die Franzosen bilden weitaus die Mehrzahl. Da die Eisenbahn nicht ausreicht, werden große Truppenmaffen in Eilmärschen nach Norden geschasst.
Lugano, 20. Okt. Die „Gazetta dcl Popolo" erführt, laut „Voss. Zeitg.", aus Neapel von einem Reiseirden, der soeben an Bord der „Rumenia" aus Saloniki zurückgekehrt ist: 8V große Dampfer besorgen in Abteilungen von je 6 und 8 Paaren, von englischen und französischen Kriegsschiffen begleitet, die Beförderung der Truppen von Gallipoli nach Saloniki. Es sind meistens australische und kanadische Truppen, die erst vor kurzem aus Toulon und Alexandria angckommen und laum drei Wochen an den Dardanellen gewesen sind. Auch große Mengen von Lebensmitteln, Wagen und Artillerie wurden ausgeschifst In der ersten Woche seien 40 000 Mann gelandet worden. Man erwartet im ganzen 300 000 Mann. Der Hafen von Saloniki wird von zwei englischen Torpedojägern beschützt.
Die russischen Hilfstruppen.
Köln, 19. Okt. Nach der „Köln. Zeitg." berichtet der Mailänder „Corriere della Sera" aus Bukarest, Rußland habe bei Odessa 250 000 Mann vereinigt, deren Einschiffung in Odessa, Eherson und Jalta begonnen habe. Die Truppen ständen unter General Dawidow. Ihre Landung soll an der Küste des Schwarzen Meeres, nahe der Donaumündung, also in der Nähe rumänischen Gebiets erfolgen. (Die Nachricht bedarf noch der Bestätigung.)
Ein russisches Urteil über Serbiens Lage.
Berlin, 20. Okt. Die „Nat.-Aeitg." meldet von der russischen Grenze: Wie der Kriegsberichterstatter des „Rußkoje Slowo" aus Nisch meldet, haben die Serben Belgrad unter dem Aufgebot eines Heldenmutes ohnegleichen verteidigt. Doch die feindliche Artillerie habe verheerend unter den Verteidigern gewirkt. Die Verluste sind ganz gewaltig. Bisher sind in Nisch über 10 000 Mann Verluste amtlich gemeldet. Die Polizeibehörden in sämtlichen Städten und Dörfern Serbiens haben ein Verbot erlaffen, Trauerfahnen auf den Häusern anzubringen. (In Serbien besteht nämlich die Sitte, daß, wenn jemand gestorben ist, die nächsten Angehörigen Trauerfahnen auf ihren Gebäuden hissen.) Das Kriegsministerium hat sämtliche männlichen Personen im Alter von 15 und 16 Jahren unter die Waffen gerufen. Das ganze Land ist heute eine einzige große Festung. Ueberall, wohin man blickt, ziehen sich Verteidigungsstellungen, Schützengräben, Artillerie-llnter- ständc. Drahthindernisse usw. hin. Der Kriegsberichterstatter meint, daß dieser furchtbare Krieg wohl zu einer fast völligen Ausrottung des serbischen Volkes führen werde, wenn nicht umgehend starke Hilfe stuf dem Kriegsschauplatz erscheine.
Die „führerlosen" Alliierten.
(WTB.) London, 20. Okt. „Westminster Gazette" schreibt. Der große Schlag, den die griechische Neutralität uns versetzt hat, ist, daß wir uns plötzlich in der Notwendigkeit befinden, den Feldzug in einem sehr säpvierigen Gelände zu führen ohne die Hilfe eines Verbündeten, der das Land kennt und unserem Mangel an Kenntniffen abhclfen könnte. (Das ist natürlich schmerzlich besonders für englische Anschauungen, die gewöhnt sind, daß für England andere bluten.) Wir muffen diesen Mangel aus eigenen Kräften ersetzen. Das Blatt tröstet sich damit, daß auch, wenn Deutschland sich einen Weg nach Konstantinopel bahne, der Hauptkriegsschauplatz Frankreich und Rußland sei.
Ein recht englischer Trost.
(WTB.) Paris, 20. Okt. lieber die militärische Lage schreibt der „Temps": Die Serben verteidigen sich hartnäckig und zählen auf baldige Hilfe, die, wie uns scheint, nicht so schnell eintreffen kann, daß die Serben nicht gezwungen wären, sich vor den österreichisch ungarischen, deutschen und bulgarischen Truppen nach Südwesten zurückzuziehen. Wenn man jetzt auch den serbischen Rückzug nicht verhindern kann, so wird man doch später mit der Expeditionsarmee eine kräftige Offensive gegen den Feind, der durch die vorhergehenden Kämpfe erschöpft sein wird, aufnehmen können.
Die neue serbische Hauptstadt.
WTB London, 20 Okt. Das Rerrterscke Bureau verbr-iiel folgende Meldung der „Morninq Post" aus Atken: Das diplomatische Korps in Nisch nbeisiedelt beule nach Monastir, wohin auch ein Teil des Auswärtige» Amtes, alle nationalen Archive nnd die Serbische Nationalbank verlegt werden. Die Regierung bleibt vorläufig in Nisch.
Montenegro nnd Skutarr.
(WTB.) Paris, 2l. Okt. Eine Persönlichkeit aus der Umgebung des Thronfolgers von Montenegro, der augenblicklich zur Erholung an der Rivierea weilt, erklärte einem Mitarbeiter des „Matin", Montenegro wolle sich in diesem Krieg den endgültigen Besitz Sku- taris sichern. Ohne diese Stadt und ohne die umliegende Ebene könne Montenegro nicht leben. Montenegro habe jetzt diese Stadt besetzt und werde sie nicht wieder herausgeben. — Was sagt der Schwiegersohn des Königs der schwarzen Berge dazu?!
Ein Halbjahrtausend Hohenzollern.
Am 21. dieses Oktobermonats sind 500 Jahre vergangen seit dem Tage, an dem Friedrich IV durch Gras von Nürnberg aus der Hand Kaiser Sigismunds die Belehnung mit der Würde eines Kurfürsten von Brandenburg empfing. Der Tag, an dem dieser Burggraf von Nürnberg, ein Hohenzoller, Herr der Mark Brandenburg ward, ist also der geschichtlich denkwürdige Tag, an dem die Sterne des Geschlechtes derer von Hohenzollern ansetzten zum Aufstieg in die höchsten Höhen. Ihr Weg war ja: Burggrafen von Württemberg ... Kurfürsten von Brandenburg ... Könige von Preußen ... Träger der neuen deutschen Kaiserkrone!
Es können an dieser Stelle naturgemäß nicht Verdienste und Wirken der Hohenzollern, die innerhalb fünf Jahrhunderten über die Erde gingen, gewürdigt werden; ja ihre Wirksamkeit auch nur streifen zu wollen, hieße schon die gebotenen Baumgrenzen überschreiten. Aber man braucht ja schließlich ihrer nur einige, einige Daten aus ihrer Geschichte zu nennen; und was zu sagen, ist damit gesagt. Der Große Kurfürst, Friedrich der Große, Wilhelm I und Wilhelm II, Eckpfeiler am Gebäude der Weltgeschichte, wurden sie nicht nur die Träger der Entwicklung, der Geschichte des eigenen Landes, sondern auch die Verfechter des Platzes, den ihre Lande im Kreise der Staaten einzunehmen sich anschickten. Und Fehrbellin, Roßbach und Leüthen, Wörth, Weißenburg und Sedan, diese Ortsnamen zeigen, daß Brandenburg und Preußen-Deutschland seinen Platz an der Sonne nicht durch Kriechen vor fremden Machthabern, sondern durch Entfaltung der eigenen Kraft, Einsetzung des eigenen Ich anstrebte. Das Geheimnis dieser Kraft aber, die unser Volk zu seiner jetzigen Bedeutung emporgeführt hat, es befähigten, alle Zeiten den an seine Söhne gestellten.Anforderungen gerecht zu werden und es namentlich auch jetzt gerade einer Welt von Neidlingen und Feinden siegreich die Stirne bieten lassen, das Geheimnis dieser Kraft liegt in einer durch harte Kriege gestählten Widerstandskraft, der planmäßigen Erziehung zur Wehrhaftigkeit, jenem alle Kräfte wohltätig zusammenfaffenden und verteilenden Ordnungssinn und dem hohen Opfermut, der Tatbereitschaft. mit denen die Hohenzollern immer ihrem Volke Vorbilder waren. Nicht etwa nur die ganz Großen, sondern ihrer alle, wie sie im Laufe der Jahrhunderte am sausenden Webstuhl der Zeit gesessen, um in schlichter Treue ihres Amtes zu walten, mit zäher Ausdauer das Erworbene festzuhalten, klug und still auf dem gewonnenen Boden weiterzubauen und in strenger Selbstzucht und Sparsamkeit die vorhandenen Kräfte zu sammeln, zu stärken und dann in nutzbringende Werte zu wandeln.
Die Jahrhunderte, die all das schufen, und mit ihnen die Menschen, die Männer, die all das geschafft und geschaffen, sind dahin. Geblieben aber der Weg, den der Hohenzollern stolzes Geschlecht und mit Preußen- Deutschland genommen. Und das Dröhnen der Schlachtengewitter, die am 21. Oktober den Festesjubel schweigen lassen, gerade sie sagen es um so lauter, jenes andere. daß dieser Weg der richtige gewesen. Daher unsere Feinde und das große Ringen jetzt. Vorwärts; daher die herrlichen Siege, die Ruhmestaten unserer Feldgrauen draußen. Taten, die uns dafür bürgen, daß der Hohenzollern, des deutschen Volkes Wege, auch in der Zukunft nur vorwärts, emporführen werden.
Ein aufrechter Amerikaner.
Man schreibt der „Franks. Zeitg." unter dem 2l. September aus Newyork: Ein „echter Amerikaner" im besten Sinne des Wortes ist Henry Ford, der die groß ten Automobilfabriken in Amerika besitzt, die jährlich weit über 100 000 Wagen Herstellen. Er hat soeben eine Stiftung von 10 000 000 Dollars (über 40 Millionen Mark) für Friedensbestrebungen angekündigt. Als man ihn darauf aufmerksam machte, daß die englische Kriegsanleihe eine vorzügliche Kapitalsanlage sei, meinte er: „Keinen Cent für irgend eine Kriegsnleihe. Ich wollte, daß alle kriegführenden Staaten bankerott würden." — Ford war ein einfacher Erobschmied, als die ersten Automobile nach Amerika gebracht wurden. Er begann im Kleinen die Herstellung eines billigen, aber sehr beliebten Wagens und dürste jetzt ein Vermögen von 50 000 000 Dollars besitzen. In seinen Werken wird stets ein bestimmter Prozentsatz entlassener Sträflinge angestellt. deren Vergangenheit niemand als er selbst kennt und die in jeder Hinsicht den andern Arbeitern gleichgestellt sind.
Jsadora Dnncan als „Dortänzerin" der Entente.
Aus Lugano wird gemeldet: Mit welchen Mitteln die Entente in Athen arbeitet, zeigt folgendes Athener Telegramm des Mailänder „Corriere". Jsadora Duncan wollte gleich nach ihrer Ankunft das Athener Volk für die Entente gewinnen. Sie warf sich in ein klastisches griechisches Kostüm, nahm ein Bild von Veniselos in die Hand und begab sich in Begleitung ihres Bruders, der ein Grammophon trug, auf die Gaffe dort. Auf dem Verfaffungsplatze führte sie vor einer dichten Menge ihre klastischen Tänze und eine improvisierte Tanzapotheose betitelt: Veniselos auf und forderte sodann die Menge auf, ihr zur Wohnung Veniselos zu folgen. Sie durchzog dann tänzelnd die Straßen, die Marseillaise singend, sah jedoch, vor Veniselos Haus angekommen, daß kaum bundert Personen, die über die exaltierte Frau lachend, ihr gefolgt waren. Veniselos nahm zwar einen Blumenstrauß an, den Jsadora ihm heraufschickte, weigerte sich aber, herauszutreten um zu danken. Jsadora besuchte dann alle öffentlichen Lokale, um die Menge für die Entente zu begeistern, aber vergeblich, bis die Polizei sie endlich aufforderte, sich gefälligst in ihr Hotel zurück- zuziehen.
Aus Stadl und Land.
Calw, den 21. Oktober 1915.
Das Eiserne Kreuz.
Sergeant Lörcher, Schutzmann von Calw, im Feld.-Art.-Regr. 29, hat zu der silbernen Verdienstmedaille nun auch das Eiserne Kreuz erhalten»' auch der Musketier Albert Schühle von Calw, im Res.- Jnf.-Regt. 122, hat das Eiserne Kren; erhalten.
Kriegsauszeichnung.
Fliedrich Schnierle von Keatheim, im Landw.» Jnf.-Regt. 126, erhielt die silberne Verdienstmedaille.
Kriegs-Verluste des Oberamts Calw.
Aus den würtlembergilchen Derlüfttisten Nr. 285 und 286.
Reseroe-Infanterte-Regimevt Nr. 120.
Pfrommer, Gottlieb. Altburg, l. verw.
Insauterie-Regiment Nr. 121, Lndwigsbnrg.
Zeih er. Ernst. Ntffz., Hirsau, gef. — Röhm, Georg. Altbnlach. l. verw. — Kling. Anton Weilderstadt OA. Leonberg, l. verw.
Grenadter-Negimeat Nr. 119. Stnttgart.
Schill, Gottlieb, Neubulach, I. verw.
Infanterie-Regiment Nr. 188, Straßburg.
Wohlleber, Wilhelm, Liebenzell, l. verw.
Berichtiguugen.
Infanterie-Regiment Nr. 125. Stuttgart.
Zu Verlustliste Nr. 2W: Döttling Fritz, Unter- reichenbach, bish. verw. gest.
Zur Butterpreisfrage.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß die von den Zivilund Militärbehörden getroffenen und voxbereiteten Maßnahmen gegen die Steigerung der Butterpreise in Kürze eine Bermindernng der Buttereinfuhr vom Ausland zur Folge haben. Da die Jnlandserzeugung an Butter den einheimischen Bedarf bei der Menge des bisherigen Verbrauchs nicht deckt, ist mit dem Ausbleiben oder der Verringerung der Vuttereinfuhr aus dem Auslande eine Knappheit an Butter auf dem Markte unvermeidbar. Es wird im Interesse der Durchführung der auf die dauernde Verbilligung der Butter hinzielenden Maßnahmen von der Einsicht der Bevölkerung erwartet, daß jedermann den zeitweiligen Mangel an Butter in Ruhe hinnimmt und, daß insbesondere die bester bemittelten Bevölkerungskreise durch Einschränkung im Verbrauch die Wirkungen der Butterknappheit für die minderbemittelten Kreise zu mildern suchen wird. Mit Bestimmtheit kann erhofft werden, daß diese Knappheit in Kürze vorübergehen wird. Alle Maßnahmen gegen eine wucherische Zurückhaltung der einheimischen Vorräte sind getroffen. (Amtlich.)
Für die Echriftl. verantwort!. Otto Eeltmann, Calw. Druck u. Verlag der U. Oelschläger'schen Buchdruckerei, Calw.