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Nr. 184. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
LrlcheinungSweise: «mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamtsbezirk Calw für die einspaltige BorgiSzeiie W Psg.. außerhalb desselben ILPsg.. Reklamen 2S Psg. Schluß für Jnseratonnahme IO Uhr vormittags. Telefon g.
Dienstag, den 10 August 1915
II Bezugspreis: In der Stadt mit Trügerlohn Mk 1.25 vierteljährlich. Post- !! bezugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr » Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.
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Die Balkanfrage.
Je mehr bei den Alliierten die Einsicht dämmert, daß sie nicht imstande sind, an der West- oder Südwestfront Erfolge zu erzielen, die den in absehbarer Zeit zu erwartenden Zusammenbruch des russischen Heeres ausgleichen könnten, umso stärker richten sich ihre Pläne nach dem letzten Rettungsanker, dem Balkan. Das Hauptmoment ihrer Ueber- legungen besteht darin, die Dardanellen zu bezwingen, Konstantinopel zu besetzen und auf diese Weise einen Druck auf die neutralen Balkanstaaten auszuüben, indem sie dann mit wirtschaftlicher Schädigung drohen. Die vereinigten Engländer und Franzosen haben bisher trotz der nicht zu leugnenden großen Opfer keinerlei wesentliche Erfolge erzielt, die Flotte der Alliierten hat sehr stark gelitten, und es scheint nun, als erachten die Engländer die von ihnen geleistete Arbeit für genügend, denn erstens sind sie viel zu schlau, als daß sie dem russischen Bundesgenossen die Kastanien aus dem Feuer holen, und zweitens brauchen sie ihre Truppen recht notwendig in ihren Kolonien und zum Schutz von Calais, was ihnen mehr am Herzen liegt, als der ganze Darbanellenrummel. Englisches Geld und gute Versprechungen haben nun anscheinend die Neigung Italiens zum Eingreifen gegen die Türkei soweit gedeihen lassen, daß wir in nächster Zeit mit einer Kriegserklärung zu rechnen haben, der dann wohl bald darauf eine Mitwirkung der Italiener an den Dardanellen und vielleicht auch eine Aktion gegen Kleinasien folgen dürfte.
Es fragt sich nun, welche Absichten die neutralen Balkanstaaten haben. Die großen Ereignisse auf dem östlichen Kriegsschauplatz scheinen die politische Situation soweit entwickelt zu haben, datz wir in nächster Zeit mit bedeutsamen Ereignissen rechnen können. Sowohl Bulgarien als auch Rumänien hat mobilisiert. Was Bulgarien anbetrifft, so kann es wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, welches seine Stellungnahme bei eventuellem Eingreifen sein würde. Es hat nur ein Ziel, und das ist der Besitz Mazedoniens, der ihm von den Zentvalmächten zugestanden wird. Zwischen Bulgarien und der Türkei sind nach den neuesten Meldungen nun die Unterhandlungen soweit gediehen, datz das Protokoll, das die Grundlage für die weiteren entscheidenden Verhandlungen bildet, von beiden Seiten schon unterzeichnet worden ist. Es ist dabei anzunehmen, datz die Türkei nicht ohne Weiteres sich zu wesentlichen Landabtretungen bereitgefunden hat. ohne sich auf irgend welche Art gegenüber dem Nachbar zu sichern. Auch der Umstand, datz Bulgarien seine Finanz- bedürfnisse in Berlin und Wien gedeckt hat, lassen uns vermuten, datz es nicht im Sinn hat. gegen seine wirtschaftlichen Helfer und dessen Bundesgenossen zu gehen. Ein anderes Kapitel ist die Haltung Rumäniens. Nach dem Tode des Königs Karol, der seinerzeit für unbedingte Erfüllung der Vünd- nispflicht gegenüber den Zentralmächten sich eingesetzt hatte, aber im Ministerium nicht durchzudringen vermochte, hat das rumänische Kabinett eine Haltung eingenommen, die den Bundesgenossen mehr als zweifelhaft erscheinen mutzte. Besonders herzlich wurden die Beziehungen zu Rom und Petersburg entwickelt. Datz Rumänien nicht ebenso wie Italien einen direkten Vertragsbruch begangen hat, ist wohl nur der Haltung Bulgariens und dem russischen Rückzug aus Galizien zu verdanken. Dagegen hat es aber durch sein parteiisches Verhalten
bezüglich der Durchfuhrfrage die Zentralmächte indirekt geschädigt, indem es die Getreideausfuhr und die Munitionsdurchfuhr nach der Türkei verbot, auf der andern Seite aber ruhig Munition für die Serben durchlietz. Ein derartiges Gebühren mutzte von den Zentralmächten direkt als unfreundlicher Akt aufgefatzt werden. Mit der täglich deutlicher erkennbar werdenden Niederlage des russischen Heeres aber sinh in Rumänien wieder jene Stimmen zum Wort gekommen, die schon bei Ausbruch des Krieges für die Erfüllung der Bertragspflichten eingetreten sind. Ob nun diese Kreise in dem Grade Einfluß gewinnen, datz sie eine veränderte Haltung Rumäniens herbeiführen könnten, wollen wir vorerst dahingestellt sein lasten. Nicht ausgeschlossen ist es aber, datz Italien und Rumänien, zusammen mit dem anscheinend neu gekrästigten Serbien und Montenegro auf dem Balkan operieren wollen. Allerdings wehrt man sich jetzt in Bukarest gehörig gegen die „Unterstellung", als wolle Rumänien schon in nächster Zeit sich an die Seite des Vierverbands stellen, und erst gestern hat der rumänische Generalkonsul in Kopenhagen die Pariser „Sensations"-Meldung der dänischen Blätter kategorisch dementiert, da die Nachricht jeder Grundlage entbehre.
In Griechenland scheint sich ein großer Stimmungswechsel vollzogen zu haben. Wenn auch Ve- niselos durch englisches Geld und persönliche Sympathien wegen seiner politischen Erfolge anläßlich des Balkankriegs die Mehrheit in der Kammer erhalten hat. so hat doch das Eingreifen Italiens die Griechen mißtrauisch gemacht, da sie vom Dreiverband ein Stück von Albanien und ein nicht allzu kleines Stück von Kleinasien zu erhalten hofften, und nun erfahren mutzten, datz dasselbe Angebot auch an Italien gemacht wurde. Dazu hat sich der griechische Handel von den Engländern derartige Uebergriffe und Schädigungen gefallen lassen müssen, datz sich die griechische Regierung erneut zu scharfen Protestnoten an den Vierverband veranlaßt gesehen hat. Inwieweit sich Griechenland aber bei Aufrollung der mazedonischen Frage Serbien gegenüber, dem es nach dieser Richtung vertraglich verpflichtet ist. gebunden erachtet, ist heute noch nicht festzustellen. Der Vertrag war damals Zwecks „Erhaltung des Gleichgewichts auf dem Balkan" geschlossen worden; es wäre also der griechischen Regierung ein Leichtes, nachzuweisen,' daß Serbien den Vertrag dem Sinn nach außer Kraft gesetzt habe, da es mit seinen Eroberungsabsichten gegenüber Oesterreich-Ungarn dieses Gleichgewicht zu stören versucht habe, und im übrigen Griechenlands Interessen denen des Vierverbands entgegengesetzt lausen.
Eine Aenderung der militärischen Lage vermöchte aber schlimmstenfalls das Eingreifen Rumäniens und eventuell Griechenlands gegen uns nicht mehr herbeizuführen, das werden sich die verantwortlichen Männer in Bukarest und Athen wohl auch sagen. O. 8 .
Die bulgarische Anleihe.
(WTB.) Sofia, 9. Aug. Der Finanzminister veröffentlicht folgende Mitteilung über die Bedingungen des Abkommens betreffend die Anleihe von 500 Millionen Franken, das mit einem Syndikat deutscher und österreichisch-ungarischer Banken getroffen wurde. Die Finanzgruppe hatte sich bis zum 1 . August 1915 zu erklären, ob sie zur Ausübung der Option auf den ersten Teil der Anleihe im Betrage
von 250 Millionen Franken gewillt wäre. Das Syndikat erklärte sich hierzu bereit. Da der Krieg aber die öffentliche Emission der Anleihe nicht gestattet, so wurde diese bis spätestens auf ein Jahr nach dem Friedensschlutz verschoben. Inzwischen wird die Bankengruppe die bei ihnen untergebrachten 120 Millionen Franken Schatzscheine einlösen. Der bulgarische Staat wird hierfür an Zinsen 1 A Uber den jeweiligen Satz der Deutschen Reichsbank und zwar nicht unter 6 A und nicht über 6 H 2 A zuzüglich einer Provision von IV»pro Quartal zahlen. 75 Millionen Franken, die Bulgarien der Banque de Paris et des Pays Bas schuldet, werden aus dem Erlöse der Emission der ersten Option bezahlt werden. Die der Russisch-Asiatischen Bank schuldigen 30 Millionen Franken befinden sich zur Verfügung dieser Bank bei der Diskontogesellschaft in Berlin. Sie werden der erstgenannten Bank überwiesen werden, sobald dies nach Friedensschlutz möglich ist.
Griechenland.
Athen, 9. Aug. Gestern abend beschäftigte sich der Ministerrat mit der Protestnote an den Vierverband. deren Redaktion von Gunaris in Angriff genommen wurde. Nach der „Kriegszeitunq" verlautet, datz die Note in außerordentlich energischem Tone gehalten sei.
Athen, 9. Aug. Die Blätter schreiben, datz die Selbstherschaft Englands im Aegäifchen Meere immer unerträglicher werde, die griechische Negierung bleibe jedoch fest bei ihrem Entschlüsse, dem Druck des Bierverbands nicht nachzugeben und ihre Politik von englischen Gewaltmatzregeln nicht beeinflussen zu lasten. In den letzten Tagen wurden griechische Dampfer sogar auf offenem Meere von englischen Kriegsschiffen angegriffen und beschosten. Der griechische Dampfer „Helene" beispielsweise wurde, als er in Begleitung eines britischen Schleppers den Hafen von Alexandria verließ, vom Ufer aus mit einem Maschinengewehr beschossen und schwer beschädigt.
Wien, 9. Aug. Aus Athen wird hiesigen Blättern gemeldet: Noch einer Meldung des Blattes „Caivi" hat König Konstantin sich entschlossen, die Kammer persönlich zu eröffnen. In Regierungskreisen ist man davon überzeugt, datz die Anwesenheit des Königs für einen ruhigen Verlauf der Kammertagung sorgen und außerdem dafür Gewähr leisten wird, datz Venizelos keinen Antrag erbringen wird, der eine Aenderung der bisherigen Politik Griechenlands bezwecken würde.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(WTB.) Großes Hauptquartier, 9. August. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Mit Tagesanbruch entwickelte sich ein Gefecht bei Hooge, östlich von Apern. In den Argonnen scheiterten französische Vorstöße. Gestern wurden bei Dam- merkirch und am Schwarzen See. heute früh bei Ppern, Gondrexange und bei Harbonery je ein französisches Flugzeug durch unsere Kampfflugzeuge ab- geschosten. Die letzten beiden Flugzeuge gehörten einem Geschwader an. das vorher auf die offene, außerhalb des Operationsgebiets liegende Stadt Saarbrücken Bomben geworfen, die keinerlei militärischen Schaden angrichtet, wohl aber neun friedliche Bürger getötet. 2K schwer und eine größere Anzahl leicht verletzt hatten.