Nr. 72. (Erkies Blatt.) Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 90. Jahrgang.
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Samstag, den 27. März 1815.
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Eine Antwort an Grey.
" Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" widerlegt in einem Artikel die von unübertrefflichem Sophismus getragenen Ausführungen des „ehrenwerten" Mister Grey, in welchen dieser politische Jongleur zum soundsovielten Male darzutun sucht, daß nicht England, sondern Deutschland allein den Krieg letzten Endes verursacht habe. Sie weist daraus hin, daß der englische Premierminister die loyalen Vorschläge Deutschlands, die bezweckten, den Krieg zwischen den beiden stammverwandten Ländern zu vermeiden, als „unwürdige Vorschläge" bezeichnet habe. Es ist jo bekannt und soll nun wirklich zum letzten Mal erörtert werden, das; der hinterlistige Konferenzvorschlag Englands, und als solcher ist er nach den jetzigen Feststellungen über die Vorbereitungen des Dreiverbandes nur zu kennzeichnen, für Deutschland unannehinbar war, da es sich bei dem Streitfall zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien ausschließlich nur um eine die beiden beteiligten Staaten berührende Angelegenheit,,gehandelt hat, Verhandlungen über diesen Streitfall also mit der Würde des österreichischen Staates unvereinbar gewesen wären. Es wäre nicht uninteressant, wenn man Herrn Grey fragen würde, was England wohl geantwortet hätte, wenn man seinerzeit bei dem Bu- renkonflikt, der zudem von England aus rein räuberischen Instinkten heraus provoziert worden ist, den Herren Engländern den „Vorschlag" gemacht hätte, die Sache vor einer europäischen Konferenz zu regeln. Ob England auch die „Integrität" der Burenrepubliken garantiert hätte, wie das in loyaler Weise Oesterreich-Ungarn gegenüber Serbien zugestanden hatte. Man sieht, schon dieses Beispiel allein würde Herrn Grey zwingen, seine heuchlerische Maske fallen zu lassen.
Mit Recht weist dann die „Äiordd. Allg, Ztg." weiter darauf hin. daß Deutschland sich im Fall der Annahme des englischen Vorschlags einer erdrückenden russischen Uebermacht gegenüber befunden hätte, da bekanntlich die Russen ihre militärischen Maßnahmen trotz verschiedener deutscher Proteste nicht eingestellt hätten. Das hatte man in England natürlich bezwecken wollen.
Was die Ausführungen Sir Edward Greys über Belgien betrifft, so wird nochmals festgeftellt, daß Deutschland der englischen Regierung die Integrität Belgiens garantiert hatte und daß Sir Edward Grey die Frage des Fürsten Lichnowski verneint hat. ob England neutral bleiben werde, falls Deutschland die belgische Neutralität respektiere. Wenn Belgien in den Krieg hineingezogen worden ist. so trägt hierfür die Verantwortung einzig und allein Sir Edward Grey. der die belgische Regierung ausgefordert hat, sich dem Einmarsch der deutschen Truppen zu widersetzen, während der König der Belaier lediglich um diplomatische Intervention zur Sicherung der belgischen Integrität gebeten hatte.
Sir Edward Grey hat schließlich behauptet, Deutschland erstrebe die Herrschaft über die Völker des Kontinents, um diesen nicht die Freiheit, sondern die Dienstbarkeit unter Deutschland zu bringen. Eine solche infame Verdrehung der Tatsachen kann nur ein englischer Staatsmann fertig bringen, dem die Jahrhunderte alte Tradition der diplomatischen Schule Englands zur Seite steht, die allerdings bisher stets mit Erfolg angewendet wurde. Das wagt der Staatsmann eines Landes zu sagen, das sich das größte Kolonialreich der Welt durch unzählige blutige Kriege erräubert hat, das soeben wieder ein neues Stück (Aegypten) seinem Besitz einverleiben will, dessen
Flotte den Handel der neutralen Staaten in völkerrechtswidriger Weise aufs empfindlichste schädigt, und die Ernährung dieser Neutralen in Frage stellt.
Wahrlich wir wissen, warum unser Haß gerade die Engländer trifft. Nichts konnte den ehrlichen geraden deutschen Charakter empfindlicher verletzen als eine Heuchelei und Verleumdung, wie sie widerwärtiger die Weltgeschichte noch nicht gesehen hat. Dem britischen Räuber, der seine von Neid und Raubgier diktierten Pläne unter dem Schein sittlicher Entrüstung verfolgte, muß endlich der Schleier vom Gesicht gerissen werden, damit die 4Lelt diesen ewigen Friedensstörer in seinem nackten Egoismus kennen lernt. Man wird es deshalb mit Genugtuung begrüßen, daß das offiziöse Organ der deutschen Regierung sich klar und deutlich darüber ausspricht, welche Ziele Deutschland in diesem Kriege verfolgt: die wenigen schlichten Sätze weisen auf den Hauptgrund hin, wegen welchem heute der Weltkrieg geführt wird. Es ist der Kamps Deutschlands um die Befreiung der Welt von der englischen Seeherrschaft, die Jahrhunderte lang auf den Völkern gelastet hat, und ein solches Ziel ist wahrhaftig der Opfer wert, die bisher getragen wurden und noch zu tragen sind. Die bedeutungsschweren Schlußsätze der „Rordd. Allg Zeitung" heißen:
Das deutsche Volk kämpft um zwei Dinge: es kämpft einmal den aufgezwungenen Verteidigungskampf zur Erhaltung feiner Unabhängigkeit nnd gegen die von England angedrohte Vernichtung; es kämpft aber auch uni ein ideales Ziel im Interesse der ganzen Welt: es kämpft um die Freiheit der Meere, es kämpft um die Befreiung aller Böller, insbesondere aber auch der kleinen und schwachen Staaten von der Weltherrschaft der englischen Flotte.
Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.
Die deutsche amtliche Meldung.
(W.T.B.) Großes Hauptquartier, 26. März. (Amtlich.) Westlicher Kriegsschauplatz. Auf den Maashöhen südöstlich von Verdun versuchten die Franzosen bei Combres erneut in einem stärkeren Angriff sich unserer Stellung zu bemächtigen, wurden aber nach hartnäckigem Kampfe zuriickgenwrfen. Die Gefechte am Hartmannsweilerkops dauern noch an.
Oestlicher Kriegsschauplatz. Die Angriffe östlich Anqnstow wurden abgeschlagen.
Oberste Heeresleitung.
Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.
(W.T.B.) Wien. 26. März. Amtliche Mitteilung vom 26. März mittags: In den Karpathen wird weiter gekämpft. Wiederholte russische Angriffe wurden bei Tag und während der Nacht abgeschlagen. Die allgemeine Lage ist unverändert. Im Raume südlich Zaleszczqki eroberten unsere Truppen elf Stützpunkte der Russen und machten über 500 Mann zu Gefangenen. An der Front in Russisch-Polen und Westgalizien Geschützkampf. Der Kirchturm der Ortschaft Paradyz südöstlich Sulejorv wurde als Beobachtungsstation der feindlichen Artillerie erkannt und mußte daher in Brand geschossen werden.
V
Die Schlacht in den Karpathen.
Budapest» 26. März. Der Kriegsberichterstatter des „Tagblatts" meldet: Die Kämpfe in der Karpathenschlacht und in Südostgalizien im Raume des Dnfestr kennzeichnen sich durch eine Forcierung des
russischen Widerstandes mittels unerhörter Massenaufgebote. Die Russen versuck)en durch rücksichtslose Opferung ganzer Armeeverbände ihre strategisch mißliche Lage wettzumachen. Im allgemeinen ist das Kämpfe-Tempo verlangsamt. An der polnisch- mestgalizischen Front sind die Demonstrationskämpfe schwächer geworden
Die Besatzung von Przemysl.
(W.T.B.) Wien. 26. März. Aus dem Kriegspressequartier wird gemeldet: Im Gegensatz zu den russischen Meldungen über den Fall von Przemysl sei folgendes authentisch festgestellt: Die Trümmer von Przemysl wurden aus Befehl, ohne vorherige Aufforderung und ohne Verhandlung niit dem Feind nach längst und gründlich vorbereiteter Zerstörung allen Kriegsmatettals dem Feinde überlasten. Der Personalbestand betrug in der letzten Woche der Belagerung 44 000 Mann Infanterie und Artillerie, zu zwei Dritteln Landsturmtruppen. Hiervon sind abzuziehen gegen 10 000 Verluste gelegentlich des letzten Ausfalles vom 19. März, 4500 Mann aus Grund der Kriegsleistiingsgesetze eingestellter und in militärischer ^Verpflegung stehender Arbeiter. Kutscher, Pferdeknechte, dann das Eisenbahn- und Telegraphenpersonal, schließlich 28 000 Mann Kranke und Verwundete in Spitalbehandlung. In der Festung bestand die Armierung im ganzen aus 1050 Geschütze» aller Kaliber, davon der Hauptteil ganz veraltete Muster von 186k und 1875, die übrigens gleichfalls rechtzeitig gesprengt wurden. Die Abweisung des letzten russischen Angriffs in der Nacht vom 21. zum 22. März erfolgte, da das Eros der Geschütze bereits gesprengt war. nur mit Infanterie- und Maschinengewehrfeuer, sowie durch einige wenige, noch nicht gesprengte Geschütze Muster 1861.
Deutsche Wacht an der russischen Ostseeküste.
Berlin, 27. März. Wie die „Tägliche Rundschau" aus Stockholm meldet, wurden deutsche Kriegsschiffe neuerlich in der nördlichen Ostsee beobachtet. Aus den feindlichen Häfen laufe infolgedessen kein Schiff aus.
Feindliche Flieger über Metz.
(W.T.B.) Metz, 26. März. Von amtlicher Sette wird mitgeteilt: lläier Metz erschienen heute mittag mehrere fenrdliche Flieger, die einige Bomben auf den südlichen Stadtteil warfen, dann aber durch Artilleriefeuer vertrieben wurden. 3 Soldaten wurden tödlich getroffen. Sachschaden ist nicht angerichtet worden.
Deutsche Flieger und V-Boote.
(W.T.B.) London, 26. März. Reuter meldet: Ueber den Angriff eines deutschen Fliegers auf den Dampfer „Pandion" vom letzten Montag wird noch bekannt: Pandion fuhr von Rotterdam nach Manchester. Die erste Bombe, aus einer Höhe von 5M Fuß geworfen, schlug die Loggleine weg. Zwei Feuerpfeile wurden gegen den Äeroplan gerichtet. Dieser flog weg, kehrte aber bald zurück und rvarf aus einer Höhe von tausend Fuß 6 Bomben, die nahe beim Schiss ins Waster fielen. Der Kapitän feuerte sein Gewehr gegen das Flugzeug ab. das darauf wegflog.
(W.T.B.) London. 26. März. Reuter meldet: Das Schiff „Delmire" ist auf der Fahrt nach Bou- logne durch ein deutsches Unterseeboot zum Sinken gebracht worden. Die Bemannung erhielt 10 Minuten Zeit, das ^-iff zu verlassen und landete auf der Insel Wight.