Rr. M
Schwarzwäl-er Tageszeitung
Sekte 3
Ws AM Md Land
Altenfteig, den 22. Juli 1936.
zur Warnung von Bettlern md Schwarzhandleru
Die Justizpressestelle Stuttgart teilt mit: Schon wiederholt ,aben sich amtliche Stellen genötigt, vor dem immer wieder vor- »ommenden Hausierschwindel zu warnen. Trotz dieser Warnungen, die nicht allein im Interesse des Standes der reisenden Händler, sondern auch im ureigensten Interesse des kaufenden Publikums lagen, müssen die deutsiben Strafverfolgunsbehörden fast täglich die Erfahrung machen, oaß noch breite Masten des Volkes den anständigen Hausierer, der in mühseliger Arbeit zur Erleichte- rung des Warenabsatzes und -Umsatzes, insbesondere bei der Landbevölkerung, beiträgt, nicht von dem Bettler und Schwarzhändler zu unterscheiden vermögen.
Ein Fall, der sich vor wenigen Wochen im Kreis Eßlingen a N. ereignet hat, sei deshalb, gleichzeitig als Warnung vor falschem Mitleid, der breiten Oeffentlichkeit unterbreitet. In Sch anbach mußte ein Hausiererpaar festgenommen werden, das es glänzend verstanden hatte, auf Kosten der Landbevölkerung zu leben. „Er", der Inhaber eines Vorstrafenverzeichnistes mit 87 Strafen, führte einen Schild mit der Aufschrift „Epileptiker" mit sich, um Mitleid zu erregen. „Sie", seine notwendige Begleiterin — nebenbei bemerkt 15mal vorbestraft —, führte den unvermeidlichen Bauchladen mit sich, in dem sich für alle Fälle Mottenkugeln und Spitzen befanden. Es war diesen Leiden aber keineswegs darum zu tun, diese Gegenstände zu verkaufen, sondern die Landbevölkerung zur Hergabe von milden Gaben zu bewegen. Durchweg verlangten sie Eier, wenn man ihnen nichts abkaufen wollte. Und dies mit bestem Erfolg! Am Tage ihrer Festnahme hatte sie 47 Eier beisammen! Am 15. Juni wurden sie vom Amtsgericht Eßlingen wegen Landstreicherei, denn als folche war ihr Verhalten strafrechtlich zu werten, zu fünf bezw. vier Wochen Haft verurteilt. Bei der Urteilsbegründung wurden die beiden darüber nicht im Unklaren gelassen, daß sie im Wiederholungsfälle ins Arbeitshaus kommen werden.
Die Bevölkerung sollte aber allmählich an solchen Fällen lernen, daß es falsch ist, arbeitsscheuem Gesindel zur Fortsetzung eines mühelosen Lebens behilflich zu sein.
Besenseld, 21. Juli. (Rassenkundliche Untersuchungen.) Morgen Donnerstag, 23. Juli, findet in Besenfeld ein Lichtbildervortrag von Professor Dr. G ie s e l e r - Tübingen statt, der rassenkundliche Untersuchungen in diesem Schwarz waldort einleitet. Diese Messungen sind ein Teil der großen Reihe von Untersuchungen, die in ganz Württemberg stattfinden und den Zweck haben, Körpergröße, Schädelform, Haar- und Augenfarbe festzustellen. Auf Grund dieser Untersuchungen soll dann nachgewiesen werden, inwieweit diese Merkmale bei den deutschen Stämmen übereinstimmen oder verschieden sind. Ein solcher Vergleich mutz sämtliche in Württemberg vertretenen Stämme berücksichtigen. So wurde die Bevölkerung der schwäbischen Alb schon in mehreren Ortschaften untersucht, ebenso ist dies im Kochertal und im Hohenlohischen Kreits geschehen. Jetzt sollen die Schwarzwälder an die Reihe kommen. Dabei kann die Gemeinde Besenfeld stolz darauf sein, daß gerade ihre Bewohner durch ihre Bodenständigkeit als Urbild der Waldbauern des nördlichen Schwarzwaldes angesehen Md für die Vermessungen ausgewählt wurden.
Glatten, 21. Juli. (Zwei Unfälle.) Am Samstag errieten sich hier zwei Unglücksfälle. Schreinermeister -K. Stoll brachte seine rechte Hand in die Bandsäge, wodurch er an vier Fingern Verletzungen erlitt. — Auf der Neunecker Straße wurde Frau Eber- Hardt von einem hiesigen Motorradfahrer angefahren. Sie und ihre beiden Kinder, die sie bei sich hatte, erlitten Verletzungen. So handelt es sich bei ihr um einen Armbruch und den Verlust verschiedener Zähne.
Calw, 21. Juli. (Die Reichsbundfahne wieder eingeholt.) Die am Samstag bei der Kundgebung für den Reichsbund für Leibesübungen anläßlich des Kreisturnfestes gehißte Reichsbund sahne wurde gestern abend in feierlicher Weise durch den Turnverein Calw eingeholt. Mit einer stattlichen Fahnengruppe an der Spitze, darunter die altehrwürdige Fahne aus dem Jahre 1847, und mit Gesang zogen die Türner und Turnerinnen zum Marktplatz, wo Kreisoberturnwart Pantle die Handlung vollzog.
Hirsau, 21. Juli. Samstagnachmittag verunglückte an der steilen Althengstetter Steige ein Radfahrer aus Böblingen. Er kam etwa 300 Meter oberhalb von Hirsau zu Fall und zog sich stark blutende Verletzungen an Gesicht und Händen zu, die seine Uebersührung ins Kreiskrankenhaus Calw nötig machten.
Bad Liebenzell, 20. Juli. (Von der Liebenzeller Burg.) Gestern abend fand zum erstenmal in diesem Jahr die Beleuchtung und die geschichtliche Beschießung der Liebenzeller Burgruine statt. Die Beleuchtung und Beschießung soll an die Zeit erinnern, in der fremde Eroberer um die Burg rangen. Das Schauspiel ist jedesmal sehr eindrucksvoll.
Die Burg auf dem Schlotzberg gehört zu den besterhaltenen ihrer Art. Ihr Mauerwerk ist außergewöhnlich gut gebaut. Sie wurde im 11. Jahrhundert durch die Grafen von Calw errichtet. Deren Lehensleute hatten in ihr ihren Sitz. Die Macht derer von Liebenzell wuchs zusehends, und als 1196 die Burg an die Grafen von Eberstein überging, konnten die Liebengeller ihre äeene Politik noch leichter verfolgen. Die Eberstelner, die im Murgtal saßen, waren zu weit vom Schuß. Ritter Ludwig von Aebenzell, der im 13. Jahrhundert lebte, nützte die Unabhängigkeit besonders kraß aus. Er trieb es so toll, daß der Bischof ein- Sreifen mußte. Er gelobte dann Wandlung und vermachte dem Kloster Herrenalb das Patronatsrecht an der ihm zustehenden Kirche zu Merklingen. 1273 trat er dem Deutschritterorden bei. Er hat sich als Komtur des Ordens einen Namen gemacht. Im Volksmund lebt er als der Riefe Erkinger weiter. Die Sage erzählt viel über ihn und seine grausamen Taten. Sein Treiben dauerte nicht lange. Mutige Männer zogen vor die Burg, maueren den Eingang zu und ließen ihn langsam verhungern. Aus Gram darüber stürzte er sich vom Turm. Im Jahre 1284 gingen die Stadt und die Burg vom Deutschritterorden an den Markgrafen von Baden über. Die Vögte und Amtsleute der badischen Markgrafen wohnten nun auf der Burg. Mit der Zeit zogen ste jedoch in die bequemeren Amtsgebäude im Städtchen und überließen die Burg ihrem Schicksal. 1604 kaufte Herzog Friedrich i. von Württemberg das Amt Liebenzell. So ist nun die stolze Feste feit Jahrhunderten dem Verfall preisgegeben. Trotzdem ist der trutzige Bau heute noch ein eindrucksvoller Zeuge der Baukunst in der Hohenstaufenzeit.
Calmbach, 21. Juli. (Flößer Bott f.) Am Samstag wurde der älteste Bürger von hier, Flößer Bott bei der
Einsturz brr Autobahnbrücke zwischen Weilimdorf und Swingen
Eine passierende Lokomotive teilweise verschüttet
Ditzingen, 21. Juli. Am Dienstagabend gegen 8 Uhr ereignete sich zwischen Weilimdorf und Ditzingen ein Unfall, der leicht zu einer Katastrophe hätte führen können. Die neue Brücke der Reichsautobahn stürzte aus bis jetzt noch nicht bekannter Ursache plötzlich in dem Augenblick zusammen, als eine Leerlokomotive die Bahnstrecke passierte. Die Lokomotive wurde von den eisernen Trägern erfaßt und auf die Seite gedrückt. Dabei wurde der Lokomotivführer und der Heizer verletzt. Der Lokomotivführer erlitt einen Arm- Lrnch und der Heizer Kopfverletzungen und Verbrühungen durch den ausströmenden Dampf.
Die Schwarzwaldbahn der Reichsbahn sowie die Durch- fahrtsstraße zwischen Weilimdorf nach Leonberg sind ans geraume Zeit gesperrt.
Eine große Anzahl von Menschen steht an der Unfallstelle. Dank der Mithilfe der SA. wird der Verkehr einigermaßen ausrechterhalten. Die anfahrenden Züge vo» Calw beziehungsweise von Stuttgart müssen im Pendelverkehr durchgeführt werden. Die Passanten werden über die Unfallstelle hinweg geleitet. Der Autoverkehr ist vollständig unterbrochen. Die Verletzten konnten sich in ärztliche Behandlung begeben.
Enzbrücke, zu Grabe getragen. Er ist 92 Jahre alt geworden und war körperlich und geistig noch außerordentlich rüstig, trank täglich sein Viertele und war zu Spässen immer aufgelegt.
Neuenbürg, 21. Juli. Am Freitagnachmittag wurde Oberleutnant zur See a. D. Taubmann aus Berlin auf dem hiesigen Friedhof zu Grabe getragen. Er hatte in Schömberg von einer schweren Kriegsverletzung Heilung gesucht. Vor ganz kurzer Zeit wurde er ins Kreiskrankenhaus nach Neuenbürg gebracht, wo er am Mittwoch starb. Kriegsopfer und Frontkämpfer der Neuenbürger Gliederungen gaben ihrem tot^r Kameraden das letzte Geleit. Am Grabe sprach Rechtsanwalt Holl als Vertreter des deutschen Offiziersbundes, der Kriegsbeschädigten und des Kyffhäuserbundes.
Bad Cannstatt» 21. Juli. (Streithände l.) Wie erst jetzt bekannt wird, kam es in der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag in Bad Cannstatt vor einer Wirtschaft in der Brunnenstraße zu Streithändeln, in deren Verlauf der in Bad Bad Cannstatt wohnhafte, im Jahre 1900 geborene Karl Schweizer von seinem Gegner, dem ebenfalls in Bad Cannstatt ansässigen Arthur Maier, einen so unglücklichen Schlag gegen den Kopf erhielt, daß er zu Boden stürzte und dabei den Hinterschädel so heftig auf das Straßenpflaster aufschlug, daß er in bewußtlosem Zustande ins Krankenhaus gebracht werden mußte und dort wenige Stunden darnach an den Folgen einer Gehirnblutung, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben, verschied. Der Tote hinterläßt eine Frau und ein Kind.
Heilbronn. 21. Juli. (Tödlicher Unfall.) Am Montag wurde im städtischen Steinbruch beim Jägerhaus eine unbekannte männliche Leiche aufgefunden. Es wurde fest- gestellt, daß es sich um einen 88 Jahre alten ledigen Arbeiter von Huchenfeld in Baden handelt, der sich seit einigen Tagen hier aufhielt. Der Mann ist vom oberen Rand des Steinbruchs etwa 16 Meter tief beinahe senkrecht abgestürzt und war offensichtlich sofort tot. Die Klärung der Frage, ob es sich um einen llnglücksfall oder Selbstmord handelt, ist noch im Gange.
Heilbronn, 21. Juli. (Iltisse im H ü h n e r st a l l.) In den letzten Tagen stellte ein hiesiger Geflügelzüchter am Morgen das Fehlen von 35 Stück Junghennen fest. Am Tatort wurden verdächtige Blutspuren gefunden, die auf das Vorhandensein von Raubzeug hinwiesen. Nach einigem Suchen gelang, es auch, unter einem 50 Meter vom Tatort entfernten Bienenhaus drei Iltisse mit ihrer getöteten Beute aufzustöbern und unschädlich zu machen.
Tuttlingen» 21. Juli. (Wirbelsäule gebrochen.) Der 22 Jahre alte Bauer Stettbacher von Schwandorf fuhr auf der abschüssigen, kurvenreichen und engen Straße Buchheim—Beuron mit seinem Motorrad auf ein entgegenkom- mend7s Personenauto auf. Er selbst kam mit einem Bein- und einem Armbruch davon, seine Mitfahrerin aber, die 16 Jahre alte Marie Knittel von Buchheim, wurde über das Auto geschleudert und erlitt einen Bruch der Wirbelsäule. Sie liegt in hoffnungslosem Zustande im hiesigen Krankenhaus.
Ravensburg, 21. Juli. (Das Rutenfest.) Unter stärkster Anteilnahme der ganzen Bevölkerung, vor allem aber der Jugend, beging Ravensburg am Sonntag und Montag nach altem Brauch sein Rutenfest. Den Mittelpunkt des festlichen Treibens bildete am Montag der groß« Festzug, der wieder eine bunte Reihe lebendiger Gruppenbilder aus der ehrwürdigen und stürmereichen Geschichte der Stadt und ihrem alten Brauchtum brachte.
Ravensburg, 21. Juli. (Z u T od e g e st ü r z t.) Auf dem Bahngleis beim neuen Eüterbahnhof wurde ein Mann bewußtlos in einer Blutlache neben einem Fahrrad aufgesunden. Der Verletzte wurde sofort in das Städt. Krankenhaus gebracht, wo er, ohne wieder zum Bewußtsein zu kommen, noch in der Nacht starb. Es handelt sich um den 27 Jahralten ledigen, bei Dornier in Manzell beschäftigten Schlosser Karl Stöppler, gebürtig aus Lauterbach in Hessen.
Cytngen a. D., 21 . Mir. (Toorrch uversayren.) Auf der Reichsstraße Riedlingen—Munderringen wurde die 19jährige Arbeiterstochter Hermann aus Obermarchtal, wo sie im Dienst stand, tödlich angefahren. Sie war mit dem Fahrrad unterwegs. Der Kraftwagenführer Kurz aus Munderkingen fuhr nach dem Zusammenstoß weiter und wurde dann zu Hause festgenommen. Die Angefahrene sist ihren Verletzungen erlegen.
FSlgenpadt OA. Saulgau, 21. Juli. (Tödlicher Sturz.) Ein etwa 60 Jahre alter Mann stürzte im Haus die Treppe hinunter. Er trug einen schweren Schädelbruch davon. Die Sanitatskolonne Saulgau brachte ihn in« Krankenhaus nach Saulgau, wo er jetzt gestorben ist.
Au- Saöeu
Heidelberg, 21. Juli. (Ein Stummer findet die Sprache wieder.) Ein Kriegsinvalide aus St. Leon, Amt Wiesloch, der infolge einer Verschüttung im Krieg die
Sprache verloren hatte, hat durch Schreck und Aufregung vor einigen Tagen die Sprechsä higkeit wiede rerlangt. Die Lähmung der SprechmuSkula- tur ist wunderbarerweise zwanzig Jahre nach der Verschüttung völlig überwunden.
Meßkirch, 21. Juli. (Kind ertrunken.) In Vicht- lingen entfernte sich am Sonntag abend das 2jährige Töch- terchen des Landwirts Jäger in einem unbewachten Augenblick von der elterlichen Wohnung. Trotz eifrigen Suchens konnte das Kind in der Nacht nicht gefunden werden. An Montag früh wurde es als Leiche in einem Vach gesunde«.
Mim Nachrichten aas all« Mell
Beisetzung des polnischen Generals Orlicz-Dreszer. Der tödlich verunglückte Inspekteur der polnischen Luftwaffe, General Orlicz-Dreszer, wurde in Edingen unter Teilnahm« des polnischen Staatspräsidenten und des Eeneralinspekt- teurs der polnischen Armee in feierlichem Staatsbegräbnis mit militärischen Ehren beigesetzt. Als Vertreter der deutschen Luftwaffe trafen Generalmajor Stumpfs und Oberstleutnant Hannesse im Flugzeug aus Berlin ein.
Polnisches Dorf niedergebrannt. Unweit Lublin brach ein Feuer aus, das die ganze Ortschaft in Asche legte. Insgesamt sind 66 Vauerngehöfte mit dem gesamten toten und lebenden Inventar verbrannt. Der Sachschaden ist erheblich. Die Ursache des großen Brandes konnte noch nicht geklärt werden.