Nummer 36
A l t e n s t e i g,
Donnerstag, den 26. April 1834
5 7 .
Zahrgan,
Z« Fahre Seutsch-Südwrit j
Adolf Lüderitz und fein Werk i
Vor einem halben Jahrhundert war der Kolonialgedanke ! iu dem jungen deutschen Reich noch nicht all-u populär, j umsomehr als man fürchtete, daß der Erwerb von Kolonien ; zu außenpolitischen Verwicklungen führen könnte. Wenn ! trotzdem koloniale Eroberungen gemacht wurden, so war dies lediglich der privaten Initiative einiger wagemutiger Männer zu verdanken. Vor allen anderen waren es Peter» und Lüderitz, denen Deutschland seinen kolonialen Besitz verdankte.
Hatte Peters das Land an der östlichen Küste Afrikas für Deutschland gewonnen, so ist der Name Lüderitz mit dem Erwerb Deutsch-Südwest-Afrikas aufs engste verbunden, und wenn sich jetzt zum 50. Male der Tag jährt, an dem Südwest-Afrika unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt wurde, so ziemt es sich wohl, des Mannes zu gedenken, der diese Tat vollbracht hat, und der später im Dienst seiner großen Idee den Tod fand. Lüderitz war einer der ersten deutschen Kaufleute, die die Notwendigkeit der Ausdehnung des deutschen Handels auf ferne Länder und Erdteile erkannten. Schon im Jahre 1876 hatte er Bismarck den Vorschlag gemacht, Land in Afrika für das Reich zu erwerben, aber er fand wenig Gegenliebe. Er entschloß sich darauf zu selbständigem Handeln und gründete eine Niederlassung in Lagos. Da er aber nicht den erwarteten Erfolg hatte, >gab er diese Niederlassung wieder auf und kehrte in seine Heimatstadt Bremen zurück.
Lüderitz war jahrelang in dem Geschäft seines Vaters tätig, und er unternahm längere Reisen nach Virginia und Kentucky, um dort die Warenmärkte zu studieren. Dann hatte er mehrere Jahre lang eine kaufmännische Stellung 'in Mexiko inne, um sich dort später eine Ranch zu kaufen. Bei einem Ueberfall durch Räuberbanden wurde die Ranch angezündet und das Vieh geraubt Lüderitz selbst wurde verwundet. Er kehrte wieder nach Bremen zurück und arbeitete im väterlichen Geschäft.
Den Gedanken der Gründung einer Kolonie in Südwest- Afrika hatte Lüderitz aber noch keineswegs aufgegeben. Im Dezember 1882 schickte er seinen Angestellten, Heinrich Vogelfang nach Kapstadt. Vogelsang sollte erforschen, ob eine Handelsniederlassung Aussicht aus Erfolg hätte, wobei besonders das Namaqua-Land vorgesehen war. Vogelfang hielt Ostafrika für geeigneter, aber Lüderitz bevorzugte aus klimatischen Rücksichten die Westküste. Am 9. April 1883 kam Vogelfang in Angra Pequana an. Er besorgte sich dori Pferde und ritt nach Bethanien, wo er mit dem Häuptling Joseph Fredericks verhandeln wollte. Am 30. April erreichte er mit seinen Begleitern den Wohnsitz des Häuptlings, und schon am nächsten Tage, am 1. Mai 1883 wurde der Kaufvertrag für ein großes Stück Land an der Bucht von Angra ' Pequana, der späteren Lüderitz-Bucht abgeschlossen. Der Kaufpreis betrug 100 Pfund und 200 Gewehre mit Munition.
Kurz darauf begab sich Lüderitz selbst nach Kapstadt. Er hatte erfahren, daß englische Firmen alle Hebel in Bewegung setzten, um den Kaufvertrag anzufechten. Im Oktober 1883 besuchte er Fredericks, bei dem sich noch mehrere andere Häuptlinge eingefunden hatten. Es gelang ihm, den .von Vogelsang abgeschlossenen Vertrag zu erweitern und
Der älteste Soldat des Weltkrieges dürfte Julius Halang aus Neugersdorf in Sachsen gewesen sein, der, ein Mitkämpfer der Kriege von 1866 und 187Ü/71, sich mit 73 Jahre noch freiwillig zum Heeresdienst meldete. Er vollendete jetzt sein SV. Lebensjahr.
darüber hinaus noch neue Verträge abzuschlietzen. Jetzt war es nur noch notwendig, Len Schutz des Deutschen Reiches für die Kolonie zu erhalten. Er wandte sich dieserhalb an Bismarck, und am 24. April 1884 gab der Kanzler dem deutschen Konsul in Kapstadt telegraphisch den Bescheid, daß die Erwerbungen des Herrn Lüderitz nördlich des Oranjeflusses Anspruch auf deutschen Schutz Hütten. Damit war die deutsche Oberhoheit über das von Lüderitz erworbene Gebiet in Südwest-Afrika fest verankert.
Später sah sich Lüderitz jedoch gezwungen, den größten Teil seiner Rechte an die deutsche Kolonialgesellschaft für Südwest-Afrika abzutreten, da es ihm nicht gelang, die nötigen Geldmittel für die Erschließung des Landes aufzubringen. Er rüstete mit Unterstützung der Gesellschaft eine Expedition aus. um Kupferlager zu suchen. Am 29. August 1886 startete er, mit zusammenlegbaren Booten ausgerüstet. Am 21. Oktober kehrte er in einer Farm ein und verließ sich am nächsten Morgen. Seitdem hat man keine Spur mehr von dem kühnen Forscher gefunden. Man hat nie erfahren, auf welche Weise er den Tod gefunden hat.
Deutsch-Südwest-Afrika hat in späteren Jahren einen schnellen Aufschwung genommen, und die wiederholten Aufstände der Eingeborenen konnten die deutsche Macht nicht erschüttern, die in der Schutztruppe einen hervorragenden Schutz besaß. Auch als im Weltkrieg südafrikanische Truppen angriffen, konnte sich die Echutztruppe noch bis zum Sommer 1915 halten. Nachdem Windhuk geräumt worden war, wurde die kleine Armee bei Otavi umzingelt und mußte am 9. Juli 1915 kapitulieren. Der Vertrag von Versailles sprach Deutsch-Südwest-Afrika der afrikanischen Union als Mandat zu.
Buntes Altertet
Das Paradies der Hunde
Bon Zola stammt ber berühmte Roman „Das Paradies d« Damen". Wenn er heute noch lebte, könnte er — wenn auch nicht einen ganzen Roman, fo doch eine Novelle — über das ! „Paradies der Hunde" schreiben, das jetzt seine Pforten in Paris ^ geöffnet hat Es ist ein regelrechtes Hunderestaurant, i» de« die vierbeinigen Lieblinge genau so bedient werden wie ihre Herren und Herrinnen. Sie erhalten bequeme Kisten zum Eitze» und Freß- und Trinknäpfe aus Porzellan. Die Preise für d« Festdiners sind nicht einmal hoch, nach deutschem Geld koste» dir Mahlzeiten zwischen 40 und 70 Pfennig. Die Besitzer dürfe»
Stühlen sitzend zusehen. Besondere Leistungen, wie sie etwa ei» ! Gourmet unter den Hunden verlangt, müssen natürlich auch b«° sonders bezahlt werden. Die Idee des Hunderestaurants ist natürlich noch sehr ausbauwürdig. Zunächst ist nicht recht ei» zusehen, warum die Hundebesttzer immer mit dabei sein solle». l
Viel einfacher ist es doch, man gibt seinem Wauwau etwas Geld i
in die Schnauze und sagt zu ihm: „So. ich habe heute Iei»e i
Zeit, geh allein ins Wirtshaus!" Zehn Prozent für das Trink- !
geld dürfen natürlich nicht vergessen werden. Zweifellos wird es I
sich in Hundekreisen bald herumsprechen, wie schön man in Paris I
solo bummeln und esten kann. Bei gutem Zuspruch wird «a» '
damit rechnen können, daß für die Schoßhündchen der Dame» Nachmittagstees und für die Luxushunde der Herren gewistermaßen Herrenestrn mit Sonderknochenbeilage veranstaltet weiden. Uebrigens ganz nebenbei eine Frage: Gibt es eigentlich in Poris keine Arbeitslosen?
Hochzeit ohne Bräutigam
Eine peinliche Ueberrajchung erlebte dieser Tage eine Hochzeitsgesellschaft. die sich in einem Haveldorf eingefunden hatte. ^
Als die Trauzeugen mit dem Brautpaar den Weg zum Sta» s
desamt antreten wollten, mußte man die Feststellung mache». !
daß der Bräutigam nicht erschienen war. Nach mehrstündige» '
Warten — die Hochzeitsgäste hatte» sich inzwischen über Speise und Trank hergemacht — traf endlich ein Brief des Bräutigams ein. Er lautete: „Erna, Deine Mutter hat mich die Stiefel nicht besorgt, da kann ich Dich nicht brauchen. Leb wohl! Franz."
Franz hatte nämlich mit seiner zukünftigen Schwiegermutter vereinbart, daß sie ihm zur Hochzeit ein Paar Stiefel kaufe» müsse, da er nicht in Pantoffeln zum Standesamt gehen könne.
Da die Schwiegermutter aber ihr Versprechen nicht hielt, hatte Franz beschlossen, weiter aus Filzpantoffeln durchs Lebe« -» schreiten — aber allein.
Das Dorf der Methusalems
In einem kleinen, abgeschiedenen Dorf in der Nähe von Teheran befindet sich das Paradies der Hundertjährigen. Die Bewohner dieses Fleckens scheinen das seit Menschengedenken begehrte Geheimnis des langen Lebens entdeckt zu haben. Selbstverständlich interessieren sich die Wissenschaftler in hohem Mage ! für dieses Dorf der Methusalems. Man muß berücksichtigen, datz > die Bewohner der orientalischen Länder ihr Lebensalter »ft übertreiben, bei genauerer Nachprüfung stellt sich meist heraus, daß sie sich um ein paar Jahrzehnte nach oben verrechnet habe».
Aber mehrere französische Aerzte die das Dorf besuchten, stellte» einwandfrei fest, daß eine Anzahl seiner Bewohner das 110. oder sogar das 120. Lebensjabr überschritten haben. Jetzt interessiert ' sich auch Ser berühmte „Verjüngungsdoktor" Woronofs für diese»
Fall. Er ist dieser Tage nach Teheran abgereist um das G»° heimnis der Hundertjährigen zu ergründen und wertvolle H>»> weise für seine Arbeit zu erhalten.
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<44. Fortsetzung.)
„Fahren Sie irgendwohin nach dem Süden," schlug Ellrich vor, doch Remus von Falke schüttelte den Kopf.
„Ich werde nach der Hauptstadt fahren. Ich habe mit meinem Rechtsanwalt zu reoen. Außerdem verspreche ich mir für meine Enkelin von der Hauptstadt mehr Zerstreuung."
Diesmal gab sich Vera keine Mühe, ihr Entzücken zu verbergen. Sie hatte am Morgen einen Brief von ihrer Mutter erhalten und diese glühend um die Berliner Reise beneidet. Sie stürzte auf den Freiherrn zu und umarmte ihn. Falke wehrte das Mädchen ab.
„Fahren Sie, wohin Sie wollen," sagte der Doktor. »Die Hauptsache ist, datz Sie eine Ortsveränderung haben, Herr Baron. Es ist vielleicht am besten, Sie Wietzen sich Herrn von Grottkau an."
„Das ist nicht möglich. Grottkau verreist schon heute abend, und ich werde erst in einigen Tagen abkömmlich sein."
Damit war Dr. Ellrich entlasten.
Remus von Falke schrieb an den Justizrat und benachrichtigte ihn von seinem Kommen. Dann beauftragte er Kraus, die Reisevorbereitungen zu treffen.
„Wir werden vielleicht zwei bis drei Wochen wegbleiben, Kraus. Du sollst uns begleiten. Richte alles danach ein, Alter. Sag' einmal, wo hast du eigentlich mein kleines Federmesser hingewurstelt. Ich vermisse <s schon lange."
Das Federmesser war ein Lieblingsinstrument des Freiherrn, und Kraus machte sich daher sofort auf die Suche. Schließlich zog er auch die Lade eines Tisches auß die sonst nie benutzt wurde. Er stutzte und wurde
Der Freiherr hatte den Alten beobachtet.
„Was ist denn, Kraus? Ist das Messer in der Lade?"
„Ja, gnädiger Herr, es ist hier. Und da liegt noch etwas."
„So! Was denn? Tu' doch nicht so geheimnisvoll."
^Was für ein Brief? Latz doch nicht jedes Wort aus dir herausziehen!"
„Der Brief, den die Zofe des gnädigen Fräuleins mir vor einiger Zeit zur Beförderung übergab. Der gnädige Herr erinnert sich doch? Der gnädige Herr hat ihn mir abverlangt. Und als ich wieder ins Zimmer kam, war der gnädige Herr schon eingeschlafen. Ich wußte nun nicht, ob der Brief befö d^'t werden oder liegenbleiben sollte. Ich wollte am ,)sien Tage den gnädigen Herrn fragen und legte den Brief einstweilen in die Lade. Und dann habe ich ihn vergessen."
Wieder hielt der Freiherr den Brief Veras in der Hand. Er innerte sich sehr wohl an jenen Abend und seinen unsinnigen Wunsch, ihn zu öffnen und zu lesen.
„Du bist ein Schafskopf, Kraus!"
„Jawohl, gnädiger Herr," war die ruhige Antwort.
„Was sollen wir nun mit dem Schreiben machen, Alter?"
„Was der gnädige Herr befehlen."
„Ich werde meine Enkelin nachher fragen, ob das Schreiben noch befördert werden soll," entschied er und schob den Brief in die Innentasche seines Rockes.
Aber diesem Briefe hatte das Schicksal eine besondere Bestimmung Vorbehalten. Er sollte erst im entscheidenden Moment zum Vorschein kommen, denn Remus von Falke vergaß ihn abermals. Jedenfalls steckte er noch in der Rocktasche, als der Freiherr drei Tage später in Berlin ankam. In seiner Begleitung befand sich seine Enkelin, deren Zofe Betty und zwei riesige Schrankkoffer, deren Mitnahme Vera für nötig gehalten hatte.
„Es sieht aus, als ob du eine Weltreise machen wolltest, Kind," sagte der Freiherr mißbilligend.
,Lck) habe alle die schönen Toiletten mitgenommen, die du mir geschenkt hast, Großväterchen. Dr. Ellrich hat doch gesagt, daß du gesellig leben sollst."
„Hoffentlich hast du nicht zu viel Schmuck eingepackt. Es sind sehr wertvolle Stücke im Familienschmuck, und ich bin auf Reisen immer ängstlich mit den Sachen."
„Ich habe nur einiges mit," log Vera, die alle ihr zur Verfügung stehenden Juwelen mitgenommen hatte.
Zu Veras größtem Aerger stürzte sich der Freiherr: nicht sofort mit ihr in den Strudel der großstädtischen Vergnügen. Die Reise hatte ihn überaus angestrengt. Grottkau, der den Freund an der Bahn erwartete, war erschrocken über sein krankes Aussehen.
Der erste Abend in dem großen, eleganten Hotel war für Vera ein Erlebnis. Sie nahm mit dem Freiherr» und Herrn von Grottkau das Abendessen im Speisesaal ein.
Das Mädchen verschlang das Leben um sich herum mit heißen Augen und berührte die Speisen kaum. Freiherr von Falke war überrascht über den beinahe krankhaften Lebenshunger, den das Mädchen ausstrahlte. Seine Enttäuschung über seine Enkelin wurde immer größer. Er fühlte sich am nächsten Tag so elend, daß er im Bett bleiben mutzte.
Vera war außer sich.
Nun saß sie hier im Hotel, ebenso gelangweilt und untätig wie auf der Falksburg! Am Vormittag war sie aus gewesen, hatte Läden besehen und Einkäufe gemacht. Auch ins Alhambra-Hotel war sie gegangen, um ihrer Mutter einen überraschenden Besuch zu machen, hatte aber Eschental und seine Gattin nicht angetroffen. Vera war so wütend über diese Enttäuschung, daß sie nicht einmal einen Gruß für ihre Mutter zurücklietz.
Dann bummelte sie durch die Straßen, nahm in einem großen Restaurant ein Gabelfrühstück ein, weidete sich an den Blicken der Männer, die ihr folgten und kehrte schließlich in ihr Hotel zurück.
Vielleicht ging es dem Freiherrn besser und man konnte abends ausgehen.
Sie erkundigte sich bei Kraus, aber die Auskunft war betrüblich.
„Der gnädige Herr befindet sich gar nicht wohl, er hat ein Schlafmittel eingenommen."
Verdrossen ging Vera in ihr Zimmer, wo Betty sie mit der überraschenden Mitteilung empfing, datz ei« Herr nach ihr gefragt habe.
„Was für ein Herr?" erkundigte sich Vera verblüfft.
iFortjetzung lot-t.»