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Nummer 216
Altensteig, Samstag, den 16. September 1933
5 8. Zahrgan,
RtWMmmlnWr Freikm von Neurath
über die außenpolitische Lage vor Vertretern -er ausländischen Presse
Berlin, 15. September. Reichsautzenminister Freiherr von j Neurath empfing heute abend die Vertreter der ausländischen Presse in Berlin zu einem geselligen Beisammensein im Hotel „Silberhof", an dem auch der Reichsminister für Volkaufklärung und Propaganda, Dr. Göbbels teilnahm. !
Der Reichsminister des Aeußeren machte in einer Ansprache ! Ausführungen über die außenpolitische Lage, denen seine Gäste mit größter Aufmerksamkeit und Interesse folgten. Der Minister erklärte, daß man hinsichtlich der großen internationalen Probleme nichts anderes als eine nahezu vollständige Stagnation feststellen könne, weil der Geist des Systems von Versailles auch heute noch weitgehend die Politik beherrscht.
Das Ausland, fuhr der Minister fort, muß endlich begreifen, daß das deutsche Volk das Recht hat, sich gegen diesen Geist von Versailles mit allen Kräften zur Wehr zu setzen. Der Reichskanzler hat in seiner großen Reichstagsrede vom 17. Mai dargelegt, in welchem Sinne, mit welchen Methoden und mit welchen Zielen wir diesen Kampf führen wollen. Seine Darlegungen bleiben für die deutsche Außenpolitik maßgebend. Ich kann nur mit Bedauern feststellen, daß es an vielen Stellen des Auslandes bis heute an der richtigen Würdigung der Richtlinien unserer Außenpolitik fehlt, deren Kernpunkt es ist, daß Deutschland den Frieden und nicht den Krieg, einen aufbauenden Frieden im Innern und nach außen will.
Eine Entspannung kann nur, erklärte Freiherr von Neurath weiter, herbeigesührt werden durch Maßnahmen, die wirklich M die großen außenpolitischen Probleme Herangehen und ihre Behandlung entscheidend fördern. Dieser Erkenntnis entsprang -ie weitsichtige staatsmännische Initiative des italienischen Regierungschefs, die nach schwierigen Verhandlungen schließlich zur Unterzeichnung des Viermächtepakts geführt hat. Deutschland hat den Pakt unterzeichnet, um seinerseits kein Mittel unversucht zu lassen, das zur Anbahnung einer fruchtbaren Periode der Entwicklung beitragen könnte. Dabei scheint nur das eine selbstverständlich zu sein: das Ziel des Paktes kann nicht die Niederhaltung des einen Partners durch die anderen, sondern nur die Verständigung zwischen gleichberechtigten Partnern sein. Ich bin überzeugt, daß bei gutem Willen eine Verständigung der vier Mächte über alle großen politischen Fragen, die heute Europa beunruhigen, durchaus möglich ist, und daß eine Zusammenarbeit der vier Mächte auch für die anderen Länder nur von Vorteil sein kann.
Aeußerst skeptisch muß in dieser Hinsicht allerdings der Stand der Abrüstungsfrage stimmen. Nach gewissen Anzeichen zu schließen, scheint die Bereitschaft der hochgerüsteten Staaten zur Erfüllung ihrer Abrüstungsverpslichtung heute geringer denn je zu sein.
Es ist für uns nichts Neues, daß man versucht, diese Haltung mit der Behauptung deutschen Aufrüstungswillens zu rechtfertigen. Meine Damen und Herren, ich sage mit dem vollen Bewußtsein der Tragweite meiner Worte, daß das nichts anderes ist als eine bewußte Verschleierung der Tatsache, daß Deutschlands Ziel lediglich die Beseitigung des heutigen Zustandes einseitiger Wehrlosigkeit ist.
Die hochgerüsteten Staaten rüsten weiter und statt von ihrer Abrüstung sprechen sie von ihrer Sicherheit. Wer ist denn bedroht? Nicht die anderen Länder, sondern Deutschland. Nnr >m Auslande spricht man vom Kriege. Zn Deutschland denkt niemand an kriegerische Verwicklungen. Deutschland verlangt Sicherheit und Gleichberechtigung; es will nichts anderes als seine Unabhängigkeit bewahren» um seine Grenzen schützen zu können. Das ganze deutsche Volk weiß, nicht zuletzt aus den Erfahrungen der Nachkriegszeit, daß der Krieg auch dem Sieger keinen wahren Nutzen» keinen bleibenden Vorteil bringt.
Ist es fair, demgegenüber mit der Behauptung zu operieren, daß die deutsche Regierung zwar zunächst wohl alle äußeren Verwicklungen zu vermeiden suche, daß es ihr aber nur darauf ankomme, Deutschland in einer ersten Ruheperiode stark genug zu machen, um dann zu offener Gewaltpolitik übergehen zu können? Das sind bloße Eedankenspielereien, die in den wirklichen Tatsachen nicht die geringste Stütze finden, und mit denen man überhaupt keine ehrliche und reale Politik machen kann. Wenn man aber glaubt, mit solchen leeren Argumenten die Herrschaft der Sieger über den Besiegten verewigen zu können, so muß ich dazu allerdings mit aller Bestimmtheit erklären, daß Deutschland sich weigert, einen solchen Zustand weite;» zu ertragen.
Es ist keine gute Politik, keine Politik, die zu dauernden i Erfolgen führen kann, wenn fremde Länder, gestützt auf ihre s starken Armeen, Flotten und Luftgeschwader, zu dem entwaff- > "eten und der Verteidigungsmittel beraubten Deutschland in lehrhaftem Tone sprechen. Dazu fehlt ihnen die Berechtigung, und damit werden sie in Deutschland kein Gehör finden. Man lasse deshalb endlich die Vorwände und Vorwürfe, mit denen wan um das Abrüstungsproblem herumredet, und gehe an das
Problem selbst heran. Es gibt schließlich nur die eine Alternative: Verwirklichung der Gleichberechtigung, oder aber Zusammenbruch der ganzen Abrüstungsidee, für dessen unabsehbare Folgen nicht Deutschland die Verantwortung tragen würde.
Ich könnte es nur bedauern, wenn man die unmögliche politische Methode des Messens mit zweierlei Maß etwa auch in einer Frage anwenden wollte, die man hier und da anscheinend ! zu einer Frage der internationalen Politik hat machen wollen, das ist die letzte Entwicklung der deutsch-österreichischen Be- ! Ziehungen. Man gibt sich im Auslande vielfach den Anschein, z darüber erstaunt, ja entrüstet zu sein, daß die innerpolitische > Entwicklung in Oesterreich auf das Verhältnis des Reiches zu s Oesterreich nicht ohne Auswirkungen geblieben ist. Man will i in dieser Tatsache sogar eine unzulässige Einmischung des Reiches in die innerpolitischen Verhältnisse eines anderen Staates sehen.
Die Vertreter dieser Auffassung können es mir nicht verübeln, wenn ich darauf Hinweise, daß von manchen Stellen aus die wirtschaftlichen und finanziellen Nöte Oesterreichs doch 14 Jahre lang geradezu ausgenutzt worden sind, um ihm politische Fesseln anzulegen. Man sollte begreifen, daß wir im deutschen Volke Oesterreichs einen Teil unseres eigenen Volkes sehen. Niemand kann deshalb von uns erwarten, daß wir der Entwicklung der Dinge in Oesterreich gleichgültig zuschauen, oder daß wir sympathisieren mit einem österreichischen Regime, unter dem gerade das entrechtet wird, was das deutsche Volk i heute mit neuem Mut und neuer Zuversicht erfüllt. Die Reichsregierung denkt nicht daran, sich in die innerpolitischen Verhältnisse Oesterreichs einzumischen. Wir müssen aber fordern, daß unberechtigte Einmischungen anderer Länder in die Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und Oesterreich unterbleiben. Je eher man im Auslande einsehen wird, daß Volksbewegungen nicht durch politische Grenzen eingedämmt und nicht durch polizeiliche Maßnahmen unterdrückt werden können, desto eher wird die Bahn frei werden für eine den natürlichen Gesetzen entsprechende und ganz Europa zugute kommende Stabilisierung der inneren Lage Oesterreichs.
So wenig erfreulich und so wenig geklärt heute die Gesamtlage der europäischen Eesamtlage erscheinen mag, Deutschland sieht der kommenden Entwicklung mit fester und ruhiger Entwicklung entgegen. Gestützt auf die wiedererweckte innere Kraft und Geschlossenheit des Volkes, werden wir unser Ziel verfol-
Die Auffahrt der Minister
Berlin, 15. Sept Um 1v Uhr vormittags versammelten sich im Gebäude des preußischen Staatsministeriums in der Wilhelmstraße Ministerpräsident Eöring, Finanzminister Dr. Popitz, Kultusminister Dr. Rust, Justizminister Kerrl, Landwirtschaftsminister Darre und Wirtschaftsminister Dr. Schmitt und die Staatssekretäre sowie der Stabschef der SA., Ernst Rühm und der Reichsführer der SS., Himmler.
An die Spitze der ersten Wagen fetzte sich berittene Schutzpolizei. Hinter dem Wagen folgte eine Abteilung berittener SA. In den weiteren fünf Wagen folgten die Staatsminister nach dem Dienstalter mit ihren Staatssekretären. In feierlichem Zuge ging die Fahrt durch ein ununterbrochenes zweigliedriges Spalier der SA., die den ganzen Weg entlang in Tuchfühlung stand. Mehr als 10 000 SA.-Männer waren mit ihren Fahnen zur Spalierbildung angetretcn. Sechs SA.-Kapellen waren auf dem ganzen Weg verteilt. Hinter dem Spalier staute sich in tiefen Gliederungen die Zuschauermenge, die den Ministerpräsidenten mit ununterbrochenen Heilrufen grüßte. Die Fahrt ging von der Wilhelmstraße aus vorbei am Adolf-Hitler-Haus, dann rechts einbiegend durch die dem Ministerpräsidenten zu Ehren neu benannte Hermann-Göringsiraße zum Platz vor dem Brandenburger Tor. Hier hatten sich auf dem weiten Platz Zehntausende von Menschen angesammelt, die dem Ministerpräsidenten stürmische Kundgebungen darbrachten. Durch den Mittelbogen des Brandenburger Tors bogen die Wagen dann in die Straße Unter den Linden ein und setzten ihre Fahrt durch die Mittelpromenade fort. An der Ecke Unter den Linden—Kaiser-Franz- Joseph-Platz, fast unmittelbar unter dem historischen Eckfenster des Palais Kaiser Wilhelms des Ersten, verließen der Ministerpräsident, die SA.- und SS.-Führer, die Minister und Staatssekretäre ihre Wagen und begaben sich auf den Platz vor der neuen Aula zu einem der Staatsratseröffnung vorausgehenden Festakt zu Ehren der Schutzpolizei und der SA.- und SS.- Ehrenformation.
gen, diesem Volk inmitten der anderen Völker ein Leben in Frieden und Ehre zu sichern. Ruhe und Vertrauen, die Grundlagen jeder politischen Befriedung und jedes wirtschaftlichen Aufschwunges, werden erst wiederkehren, wenn die Diskriminierung Deutschlands und der anderen im Zahre 1919 entrechteten Staaten beseitigt ist. An dieser Wahrheit werden auch alle die Vorurteile gegen das neue Deutschland zunichte werden. So zweifle ich nicht, daß z. B. das unsinnige Gerede des Auslandes über rein innerdeutsche Dinge, wie die sogenannte Judenfrage, schnell verstummen wird, wenn man erkennt, daß die unbedingt notwendige Säuberung des öffentlichen Lebens wohl vorübergehend in Einzelfällen persönliche Härten mit sich bringen konnte, daß sie aber doch nur dazu diente, um in Deutschland die Herrschaft von Recht und Gesetz umso unerschütterlicher zu festigen. Das Ausland wird auch aufhören, den Lügenberichten deutscher Emigranten das Ohr zu leihen, ihre Vrunnenvergistung zu begünstigen und der Meinung von Leuten Beachtung zu schenken, die einem Deutschland nachtrauern, in dem sie sich auf Kosten des Volkswohles zu Einfluß bringen konnten, einem Deutschland» das niemals wieder auferstehen wird. Statt dessen wird man das Deutschland von außen kennenlernen, wie cs wirklich ist, ein stolzes, unabhängiges und friedliebendes Deutschland, ein Deutschland, das zwar die anderen Länder nicht nach leeren Sympathiekundgebungen, sondern nach ihren Handlungen beurteilen wird, das aber stets zu aufrichtiger Zusammenarbeit bereit ist.
Eine solche Zusammenarbeit braucht durch eine auch noch so weitgehende Verschiedenheit des inneren Regierungssystems der einzelnen Länder nicht behindert zu werden. So bin ich überzeugt, daß sich die nun schon in einer Reihe von Jahren bewährten freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion auch weiterhin fruchtbar gestalten werden. Das gleiche gilt für das Verhältnis Deutschlands zu all den anderen Ländern, die guten Willens sind. Die fremden Völker müssen und werden erkennen, welchen Gewinn es auch für sie bedeutet, in der vom Volkskanzler Adolf Hitler geführten Regierung einer Regierungsgewalt gegeniiberzustehen, die nicht mehr ei« Spielball zerrissener politischer Meinungen, widerstrebender wirtschaftlicher Kräfte und zufälliger Strömungen des politische« Lebens ist, sondern nach festen Grundsätzen und offen erklärte« Absichten die Geschicke ihres Landes leitet. So wird im Auslande schließlich allgemein die Auffassung Mussolinis Zustimmung finden, der er in seiner Rede über den Viermächtepakt mit den Worten Ausdruck gegeben hat: „Deutschland ist da im Herzen Europas mit seiner gewaltigen Bevölkerung von 85 Millionen, mit seiner Geschichte, seiner Kultur, seinen Notwendigkeiten. Eine wahrhaft europäische Politik mit dem Ziel der Errichtung des Friedens kann man nicht ohne und noch weniger gegen Deutschland machen."
Weihe der Fahnen
Der weite Platz vor dem Gebäude der Neuen Aula war Mittelpunkt des Aufmarsches der Ehrenkompagnien und des Anstromes von Zehntausenden von Schaulustigen. Die öffentlichen Gebäude, die das Viereck umgeben, tragen besonders reichen Flaggenschmuck. Gegen 10 Uhr sammelten sich die Staatsräte vor dem Aula-Gebäude, unter ihnen viele in ihren braunen und schwarzen Uniformen. Besonders bemerkt wurde Generalfeldmarschall von Mackensen und Admiral von Trotha in ihren Uniformen, der in Zivil erschienene General Litzmann, Bischof Berning in seinem roten Bischofsmantel und der preußische Landesbischof Müller. In der Nähe des vor dem Portal des Aula- Gebäudes befindlichen Rednerpult hatte die von SS.-Männern geführte Münchener Blutfahne Aufstellung gefunden, die von den sieben zu, weihenden neuen Fahnen der Schutzpolizei flankiert wurde. ÄZährend die Staatsminister nach Verlassen ihrer Autos sich zu den übrigen Staatsräten begaben, schritt Ministerpräsident Eöring mit dem Stabschef Rühm und anderen, Polizei- und Reichswehrofsizieren unter den Klängen des Präsentiermariches »die Front der ausgestellten Formationen der Schutzpolizei ab. Sodann begab sich der Ministervräsident mit seinem Gefolge zu den vor dem Rednerpunlt aufgestellten Fahnen. Die Fahnen senkten sich und der Ministerpräsident nagelte sie unter dem Wahrspruch, der weithin über den Platz schallte: „Der Mann kann fallen, die Fahne nie." Dann hielt Ministerpräsident Eöring eine Ansprache an die Schutzpolizeiabteilungen. Er wies einleitend auf die hohe Bedeutung der Eröffnung des Staatsrates hin und fuhr dann fort: Um die Wichtigkeit dieses Aktes besonders hervorzuheben habe ich befohlen, daß die neuen Anwärter der preußischen Schutzpolizei hier vereidigt und daß in erster Linie auch die neuen Fahnen, die ich der Schutzpolizei verliehen habe, heute geweiht werden. Als der Krieg zu Ende war, brach in Deutschland alles zusammen, was uns einst heilig und wert war. Die Fahnen und Feldzeichen des Ruhmes wurden damals in verstaubte Räume gebracht und das war gut so. Sie waren
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Ministerpräsident Gering Wer -en Dienst am Reich