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Nummer 212 ^ Altensteig, Dienstag, den 12. September 1933 1 56. Jahrgang
Die furchtbare Brandkataftropbe ln Oschelbronn
ElnzelWen zum BranbuirgM - Ae Lage am Montag
Bilder von der Brandstätte
Die Ausbreitung des Feuers
Etwa eine halbe Stunde nach Beginn des Brandes standen die vier anschließenden Gebäude in Hellen Flammen. Die Feuerwehren der Umgebung, vor allem aus Pforzheim, Mühlacker, Kiefern usw. hatten schon um diese Zeit Wassermang-l. weil die kräftrg wirkenden Motorpumpen das Reservoir von Oeschelbronn rasch erschöpften. Sofort wurden in rasender Eile Lastwagen, Lieferautos, Pferdefuhrwerke und Omnibusse eingesetzt. um aus den umliegenden Ortschaften in großen Fässern Wasser herbeizuholen. Die Pforzheimer Wehr hatte inzwischen eine 4006 Meter lang- Schlauchleitung bis nach Niesern verlegt. Unter Mithilfe von drei dazwischengeschalteten Motorpumpen gelang es nach Durchführung dieser schwierigen Leitungsanlage, das Wasser über den Berg zu pumpen. Aber es war schon zu spät. Durch den heftigen Ostwind wurden brennende Strohballen und Holzteile hoch durch die Lust getragen, so daß sich auf' die Dächer aller in der Windrichtung liegenden Häuser ein wahrer Feuerregen ergoß.
^ Etwa 300 Meter entfernt von der Brandstelle des ersten Eroß- feuers stand in wenigen Minuten eine Strohscheuer durch den Funkenslug ebenfalls in Hellen Flammen, wodurch sich eine zweite Großbrandstelle entwickelte. Wasser war nicht mehr vorhanden. Das in Fässern und durch die Schlauchleitung herbeigeschasste Wasser war ein Tropfen gegen die ungeheure Gewalt der Feuersbrunst, die sich inzwischen von Minute zu Minute steigerte. Innerhalb von zehn Minuten brannten die Häuser der Reihe nach vollkommen nieder Fieberhaft wurden alle Gebäude, die noch nicht vom Feuer erfaßt waren, geräumt.
Das Vieh, Hühner, Schweine und Hunde wurde« vor den Ort Hinausgetrieben. Mit Hilfe der inzw.schen alarmierten SA.- Kolonne von Pforzheim und der weiteren Umgebung konnte in den allermeisten Fällen das vollständige Hab und Gut geborgen werden, ehe die rasenden Flammen sich herangefressen hatten.
Bekämpfung des Brandes
Segen 3 Uhr nachmittags hatte das Feuer schon mehr als SO Häuser erfaßt. Ganze Straßenzüge standen in voller Glut, st» daß ein Herangehen an die einzelne Brandstätte nunmehr vollständig ausgeschlossen war. Dazu peitschte Ost wind die Flammen immer weiter über den Ort hin. Immer neue Dächer gingen in Flammen auf und brannten wie lodernde Fackeln. Die Feuerwehr mußte sich bei dieser Ausdehnung des Brandes vollkommen darauf beschränken, unter Aufgabe ganze» Häuserreihen das lleberspringen der Flammen auf andere Straßenzüge zu verhindern. Der größte Teil der Häuser des Orts war inzwischen geräumr worden, weil man keine Möglichkeit mehr sah, dem Fortschreiten des Feuers Einhalt zu gebieten. Jedes Wasssr- loch wurde ausgeschöpft, jede Iauchegrube ausgeleert und zum Löschen von Flugfeuer benützt. In ohnmächtiger Verzweiflung standen die Menschen dem Feuer gegenüber. Am Nachmittag wurden mehrere Löschzüge der Stuttgarter Feuerwehr eingesetzt, deren Eingreifen jedoch darauf beschränkt blieb, durch Nieder- reißen von gesährdeten Gebäudeteilen allmählich doch eine Gasse zu schaffen, in der das Feuer zum Stehen gebracht werden sollte. Immer mehr SA -Kolonnen wurden eingesetzt, dazu SS.-Stürme. der Freiwillige Arbeitsdienst, sie Technische Nothilfe, Sanitäter und Polizei. Auf Lastwagen und Omnibussen wurden die Mannschaften in größter Elle herangebracht, um bei der Eindämmung des Riesenseuers Hilfe leisten zu können.
Der Anblick des nieöergebrannten verwüsteten Dorfes ist furchtbar. Der größte Teil der vom Feuer erfaßten Gebäude, die Scheuern, die Ställe, ist vom Erdboden verschwunden. Von den Wohngebäuden ist oft nur ein Schutthaufen übrig geblieben. In der Hauptstraße, vor allem um Sie Kirche herum, sind Einrichtungsgegenstände aufgestavelt: Schränke, Betten. Stühle, Hausgerät, Kleider, alles in Haufen aufeinander geschichtet. An mächtiger Scheinwerfer auf dem Platz vor der Kirche erhellt das traurige Bild. Die Straße ist ichattenhaft belebt von Feuerwehrleuten, SA.-Männsrn. SS.-Männern. Schupos. In Gruppen stehen die Bewohner vor den Häusern, die der Brand verschont hat. und die ausgesüllt sind mit Einrichtungsgegenständen.
Die engen Gassen find vollständig zugeschüttet. Nur eine breitere Dorfstraße läßt einen Gang durch dis Trümmerstätte zu. Sie ist Lbersät mit Steinen, die von den zusammengestürzten Wänden bis hierher geschleudert wurden. Dunkle Gestalten geben hin und wieder vorüber. Es find die Besitzer der Häuser, die der Stätte, wo ihr Heim stand, einen verzweiflungsvollen Besuch abgestattet haben. Eine für alle Umstehenden schreckliche Szene spielte sich ab, als vier Hitlerjungen von einem Ausflug zurückkehrten und. von Angst erfüllt, am Ortseingang stehen bliebe». „Ist unser Haus abgebrannt?" fragte einer. „Euer Haus, ja." „Und unseres?" fragte der zweite. „Eures ist auch weg", und mit einem Blick auf die anderen zwei fuhr er fort: „und eure Häuser auch." Fassungslos weinend standen die Jungen da, und auch allen Umstehenden kamen die Tränen.
Sprengung gefährdeter Stellen in der Nacht
Gegen S Uhr abends trafen Spreagkommandos unter Führung von Baurat Bender von Stuttgart ein und begannen sofort an besonders gefährdeten Stellen Sprengungen vorzunehmen. um auf diese Weife ein weiteres Vordringen des Feuers auf die bis dahin unbeschädigten Häuser unter allen Umständen zu verhindern. Gegen 11 Uhr nachts waren fast alle brennenden Häuser in sich zusammengestürzt Die Flammen züngelten um rotglühende Balken durch Steinmauern an hochragenden Giebelwänden hinauf. Wo die Glut eine Annäherung zuließ, wurde sofort eine Kolonne Feuerwehr oder SA.-Leuts eingesetzt, die mit riesigen Feuerhaken durch Stemmen die hochragenden Balken und die gefährlichen freistehenden Wände zu rammen und niederzulegen hatten. Taschentücher gegen den beizenden Rauch wurden in Mund und Nase gesteckt. Teilweise gingen die Mannschaften mit Gasmasken vor, um möglichst nahe an die Feuerstelle heranzugelangen.
Noch war aber die Gewalt der Feuersbrunst nicht gebrochen. Da und dort dröhnte dumpf niederstürzendes Gebälk, dem sofort ein prasselnder Funkenregen und hell auflodernde Flammen entstiegen. Durch den Einsturz war neue Luftzufuhr möglich geworden. und das Feuer flackerte wieder auf. Die Straßen des Orts wurden gegen 1 Uhr nachts durch karabinerbewaffnete Polizei besetzt, um in den nachtüunklen Straßen Plünüereien, Ausschreitungen usw zu verhindern. Rings um den ganzen Ort leuchteten die Scheinwerfer der Polizei in die Nacht hinaus, um das auf Wiesen und Feldern liegende Hab und Gut der Ortsbewohner vor Diebeshänden zu schützen. Dumpf brüllten die Kühe durch die Nacht, die größtenteils noch nicht gemolken werden konnten.
Der ganze Ort, überhaupt die ganze Umgebung war zu einem riesigen Heerlager geworden. Jedes Haus ist bis unters Dach vollkommen belegt, denn jeder Bewohner der noch stehenden Häuser des Orts hat Verwandte, deren Haus ein rauchender Trümmerhaufen geworden ist, und die nun mit Sack und Pack untergebracht werden mutzten Viele der Geschädigten wußten überhaupt nicht, wohin in der rasenden Eile ihre Sachen gebracht worden sind und wo ihr Vieh steht. Sämtliche Räume des Schulhauses sind von SA und Polizei belegt.
Am Montag an der Brandstätte
Die „WZ." berichtet: Spät in der Nacht trafen zahlreiche Fahrzeuge der Pion.erabteilung Ulm ein. Der heraufdämmernde Morgen läßt erst den Umfang der ungeheuren Brandkatastrophe erkennen. Von de: Ostseite beginnend, hat sich das Feuer aus einer Bahn von 100 bis ISO Meter Breite quer durch den ganzen Ort gefressen, etwa SO Meter weit. Ueber dem weiten Trümmerfeld liegt am Montag morgen eine totenähnliche Ruhe. Kleine Gruppen von Menschen stehen herum. Keiner wagt laut zu reden. Vielen Leuten stehen Tränen in den Augen. Sie stehen regungslos vor den Trümmern ihres Heims, das noch gestern an einem strahlenden Sonntagmorgen ihre Heimat war, Polizei steht mit Karabinern bewaffnet unbeweglich in den Straßen. Ueber- all in den Trümmern glastet es noch, steigt noch Rauch auf, der plötzlich noch einmal hellrot aufleuchtet. Der Morgenwind weht einen ekelhaften Dunst- und Brandgeruch über den Ort.
Draußen auf dem Felde stehen die Menschen zwischen Bergen von Betten. Schränken und Herden und allem möglichen Mobiliar herum, dazwischen noch Vieh, und suchen die Reste ihres Eigentums zusammen.
Die Lage am Montag mittag
Oeschelbronn (Amt Pforzheim), 11. Sept. Aus lllm ist. wie bereits angekündigt wurde, heute nacht 3 Uhr eine Pionierkompagnie eingetroffen, die seit Tagesgrauen mit Sprengarbeiten beschäftigt ist. Das Feuer ist eingedämmt, allerdings müssen einzelne Häuser, die immer noch Gefahrenherde bilden, niedergerissen werden, desgleichen Mauern und Kamine, die einzustür- zen drohten. Aus den Trümmern züngeln da und dort immer noch die Flammen und dringen Rauchwolken. Inzwischen ist es glücklicherweise fast windstill geworden. Das Vieh konnte in den verfügbaren Ställen des Ortes untergebracht werden. Die Erhebungen über die Ursache des Unglücks find eifrig im Gange. Die Brandstelle ist in weitem Umfange abgesperrt. Im Orte selbst darf wegen der Sprengungen niemand die Straßen betreten. Während der Nacht hielten Polizei, SA., und SS. die Wache über das im Freien lagernde Mobiliar. Die Feuerwehren wurden nicht müde mit dem Ablöschen und Abriegeln der Feuerherde. Die Höhe des Schadens an Mobiliar läßt sich noch nicht abschätzen. Wie schon gestern, jo ist auch heute der Zustrom der Neugierigen außerordentlich groß. Sie kommen zu Fuß, in Auto und Motorrad, doch bietet ihnen die Absperrungskette unerbittlich Halt.
Oeschelbronn war früher württembergisch. Der etwa 1500 Einwohner zählende, rein protestantische Ort Oeschelbronn ist vorwiegend auf Landwirtschaft eingestellt. Im 15. Jahrhundert kam es aus dem Besitz der Herren o. Enzberg durch Kauf an Württemberg und im Jabre 1810 an Badem
Am Montagabend
Ein Besuch der ungeheuren Brandstätte, in dem von Niefern einige Kilometer entfernten Oeschelbronn, gibt schauerliche Eindrücke. Auf der Straße von Pforzheim bis Mühlacker konstatiert man bei allen Vorübergehenden den tiefen Eindruck, den die Besucher des Brandplatzes von der Unglücksstätte mit sich nehmen. Je näher man Niefern kommt, je größer der Verkehr. In Niefern selbst parken ungezählte Autos und Fahrzeuge aller Art. Schon in Niefern hört man von den Bewohnern des Orts, daß man heute fortgesetzt Detonationen von den Sprengungen in Oeschlebronn gehört habe. Von Niefern nach Oeschel> bronn ist abends noch geradezu eine Völkerwanderung zu konstatieren, und man hat Mühe, mit seinem Auto, das nur wenigen gestattet ist, auf dieser Straße zu benützen, durchzukommen. Schon in der Nähe des Orts deuten die Spuren auf das große Brandunglück hin. Auf den Feldern steht man überall noch Möbelstücke und allerlei Gegenstände umherstehen. Der ausgestellte Scheinwerfer beleuchtet eine schauderhafte Trümmer- stätte, aus der da und dort das Feuer noch emporschlägt und Gebäudeteile und Balkenreste noch glosten und rauchen. Der Hauptteil des Ortes steht noch und macht einen stattlichen und wohlhabenden Eindruck. Ein wunderbares Schulhaus, ebenso ein neues stattliches Rathaus, große Wirtschaftsanwesen mit Sälen deuten auf die Wohlhabenheit des Ortes hin. Fast wäre auch dieser obere Hauptteil des Ortes dem rasenden Element zum Opfer gefallen. Schon hatte das Pfarrhaus angefangen zu brennen und schon wurde die Kirche geräumt, aber beide Gebäude konnten schließlich gerettet werden und damit der obere und Hauptteil des Orts. Der Ortsteil im Tal dagegen ist zum größten Teil vernichtet.
Die 120 Mann Pioniere haben am heutigen Dienstag noch eine große Arbeit zu leisten.
Abends ist überall noch ein großer Verkehr. Wegen der Gefahren sind freilich Teile des Brandplatzes abgesperrt, aber auch das, was man noch sehen kann, ist traurig genug. Feuerwehrleute, die Pioniere aus Ulm, die Pforzheimer Polizei, SA.- u. SS.-Mannschaften trifft man überall. Sie leisteten Ungeheures und konnten doch dem Element nur nach seiner großen Ausdehnung Einhalt gebieten.
Nach und nach wird es ruhiger um die Brandstätte; sie wird schließlich gänzlich abgesperrt.
Die Wirtschaften sind dagegen alle gesteckt voll. In den Straßen ist ein ungeheurer Menschenverkehr. Die Pioniere sind im „Waldhornsaal" und im „Rößlesaal" einquartiert und ruhen zum Teil schon auf ihrem Strohlager, um sich von den Strapazen auszuruhen. Die Pforzheimer Polizei ist in den prachtvollen Sälen des neuen Schulhauses untergebracht und kampiert dort auf dem Stroh. Das Rathaus hat das Rote Kreuz ausgenommen. Ein Saal desselben birgt die Spenden an Nah- rungs- und Kleidungsstücken. Ein Berg von Brotlaiben, Körbe mit Würsten, Eier und andere Lebensmittel stehen umher und zu einem Teil sind diese auch schon unter die Abgebrannten, die alles Verloren haben, verteilt worden. Ein Haufen gebrauchter Kleidungsstücke, die ebenfalls gespendet wurden, sitzt in einer andern Ecke. Im Ratszimmer selbst ist beim Bürgermeister noch Hochbetrieb. Im ganzen Ort trifft man unendlich viel Herzeleid unter der betroffenen Bevölkerung und schaudernd wendet man sich von der Stätte des Grauens und der Not. Hier zu helfen ist eine dringende Notwendigkeit! D.
Anordnungen des Slelloertrelers des Führers
München, 11. Sept. Der „Völkische Beobachter" veröffentlicht drei Anordnungen des Stellvertreters des Führers. Rudolf Heß. in denen es beißt:
Nationalsozialistische (faschistische) oder ähnliche Organisationen fremder Staaten, auch solche, die ibren Sitz in Deutschland haben, sind nicht berechtigt, sich auf die NSDAP, zu berufen. Den Dienststellen der NSDAP, wird untersagt, mit Viesen Organisationen Beziehungen zu unterhalten. Allen Dienststellen wird untersagt. Einladungen zur Teilnahme an Parreiveranstal- tunsen usw. an Angehörige fremder Staaten ergehen zu lassen, inbegriffen sind insbesondere die Mitglieder des diplomatischen Korvs. Für derartige Einladungen ist lediglich die Reichsvartei- leitung zuständig.
Wie festgestellt wurde, haben verschiedentlich tommunistischr und marxistische Spitzel versucht. Nationalsozialisten, insbesondere SA.- und SS.-Männer zu Gewalttätigkeiten gegenüber m Deutschland weilenden Ausländern zu verleiten, um dadurch außenpolitische Schwierigkeiten hervorzurufen. Ich warne nach- drücklichst vor dieser Svigeltätigkeil. Jeder Nationalsozialist, welcher in irgendeiner Form der Arbeit der Provokateure Vorschub leistet, sei es auch nur durch Belästigung von Gästen, in Deutschland weilenden Ausländern hat schwerste Strafen, einschließlich Ausschlusses aus der Partei zu gewärtigen.
Marnegedenkfeiern i» Frankreich
Paris, 11. Sept. In Meaux, Nancy und Longoy wurden Marnegedenkseiern abgehalten. Bei der Gedenkfeier in Meaux hielt der Penfionsminister ein« Rede, in der er behauptete,. Deutschland habe auf seinen imperialistischen Willen nicht verzichtet.