Württemberg.
Die Kriegsgefahr und die Landeshauptstadt.
Das Stuttgarter städtische Gaswerk hat bis auf Weiteres mit Rücksicht auf die gespannte Lage die Abgabe von Koks an Privatleute eingestellt. — We wir hören, haben auch die zuständigen Firmen die Weisung erhalten, die Ausfuhr von Vieh und Mehl ins Ausland bis auf weiteres einzustellen. — Gestern abend nach 9 Uhr zog wieder eine Volksmenge unter Absingung patriotischer Lieder vom Tagblatt- aebäude aus durch die König-, Fürsten- und Friod- richstratze vor die K. K. österreichisch-ungarische Gesandtschaft und veranstaltete Kundgebungen, die ohne Störung verliefen. Kurz nach 10 Uhr mutzte ein 31 Jahre alter Maler, der Eegensympathie-Kund- qebungen zum Ausdruck brachte, um ihn vor Tätlichkeiten der Menge zu schützen, nach der Polizeiwache in der Schillerstraße verbracht werden. — Wie vorauszusehen war, war der Andrang zu den Sparkassen gestern sehr grob. Auf der städtischen Sparkasse wurden im ganzen etwa 2000 Rückzahlungen gemacht, mindestens doppelt soviel als an anderen Tagen. Auch die Württembergische Sparkasse hatte über 250 000 -N rückbezahlt. Der Grund liegt in der falschen Ansicht, es könnte beim Ausbruch eines Krieges das Reich oder der Staat die Gelder an sich ziehen.
Stuttgart, 28. Juli. Die hiesigen Sozialdemokraten protestierten heute abend in drei stark besuchten Versammlungen gegen den Krieg. Es wurde eine Resolution angenommen, in der u. a. die sofortige Einberufung des Reichstags verlangt wird. Die Teilnehmer an der Versammlung in Dinkelackers Saal wollten nach der Versammlung am „Neuen Tagblatt" demonstrieren. Die Polizei hatte Wind davon bekommen und die Tor- strahe abgesperrt. Die Menge staute sich dann am Wilhelmsbau und sang sozialistische Lieder. Hinter der Schutzmannskette wurde „Deutschland, Deutschland über alles" und die „Wacht am Rhein" gesungen. Ein Teil der Demonstranten zog durch die Marienstraße in die Augustenstratze und demonstrierte vor der „Süddeutschen Zeitung". Dann ging's unter Rufen: „Nieder mit dem Krieg!" vor die „Württemberger Zeitung". Eine Demonstration vor der österreichischen Gesandtschaft verhinderte die Polizei durch Absperrung der Keplerstaße. Auch di« russische Gesandtschaft in der Kronenstratze war abgesperrt. Gegen zehn Uhr sammelte sich am Königsbau eine patriotisch gesinnte Volksmenge an und sang vaterländische Lieder, während die Sozialdemokraten, die sich am Schlotzplatz aufgestellt hatten, sozialistische Lieder anstimmten. Ein starkes Schutzmannsaufgebot war in Tätigkeit. Die Aufrechterhaltung der Ordnung, insbesondere vor der russischen Gesandtschaft, besorgte Militär.
Württembergische Feldpostämter.
Die schweren Kriogszeiten im Anfang des 19. Jahrhunderts machten fünfmal die Ausstellung eines württ. Feldpostamtes erforderlich; 1807 in dem 1806 ausgebrochenen französisch-preußischen Krieg, an dem auch Württemberg teilzunehmen hatte; 1809 in dem Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich; 1812 in dem Krieg zwischen Frankreich und Rußland, das Feldpostamt löste sich bei dem Rückzug über die Bere- sina am 28. November 1812 auf; 1814 in dem Krieg gegen Frankreich, 1815 in dem nach Napoleons Rückkehr von Elba wiederholt ausgebrochenen Krieg gegen Frankreich.
In dem letzten Krieg bildete das Feldpostamt ein Feldpostmeister und vier Feldpostillone, das Porto für die Feldpostsendungen war ziemlich hoch, 24 Kreuzer für einen Brief, 48 Kreuzer für ein Paket. Bei der wegen eines drohenden deutsch-französischen Krieges im Jahre 1859 erfolgten Mobilmachung wurde im Hauptquartier der Felddivision, das sich längere Zeit in Heilbronn und später in Cannstatt befand, eine Feldpostexpedition eingerichtet. In gleicher Weise war der FelLdienst im Krieg von 1866 geregelt;
die Feldpostexpedition war vom 22. Juni bis 25.1 August 1866 tätig und hatte dadurch, daß die Trup- > pen fast täglich ihren Standort wechselten, erhebliche! Schwierigkeiten zu überwinden. Als im Juli^ 1870 infolge der Kriegserklärung Frankreichs an Preutzen auch die Mobilmachung der württembergi- schen Streitkräfte angeordnet wurde, waren die Vorbereitungen für eine ordnungsmäßige Abwickelung des Postverkehrs der ausmarschierenden Truppen aus Grund einer im Januar 1869 erlassenen „Dienstinstruktion für die K. Württ. Feldpost" getroffen. Die Feldpost begann ihre Tätigkeit am 23. Juli 1870 auf dem Marsche bis vor Paris, während der Aufstellung vor Paris, auf dem Rückmarsch in das Departement Marne und während des Aufenthalts daselbst, auf der Fortsetzung des Rückmarsches in das Departement Haute Marne, endlich auf dem Marsch in die Heimat. Am 30. Juni 1871 trat die Feldpost, die umfaßte: das Feldpostamt im Hauptquartier der Felddivision, drei Brigade-Feldpostexpeditionen und 18 Feldpostabteilungen, außer Wirksamkeit.
lieber die Bedeutung des Verkehrs sei angeführt, daß in der Richtung der Aufstellung der Felddivision regelmäßig täglich von der Feldpost-Sammelstelle in Stuttgart die Verbindung durch einen württ. Eisenbahnpackwagen hergestellt wurde; von der letzten Eisenbahnstation ab wurden die Postladungen in einem Umfang bis zu vier Leiterwagen im Tage ins Feld überführt.
Das Messer.
Eßlingen, 28. Juli. Auf dem hiesigen Bahnhof spielte sich heute nacht gegen 1 Uhr eine gefährliche Messerstecherei ab. Der verheiratete Gärtner Karl Krämer aus Cannstatt und der 30 Jahre alte Paul Zondler aus Wangen, wurden durch Messerstiche in die Brust sehr schwer verletzt und mußten in das Krankenhaus gebracht werden. Der unbekannte Täter ist flüchtig.
Sulz, 28. Juli. Nachdem die Veranlagung zum Wehrbeitvag in unserem Bezirk abgeschlossen ist, zeigt es sich, daß 491 Vermögenserklärungen abgegeben, zum Wehrbeitrag aber nur 192 mit einem Beitrag von 41430 -N veranlagt wurden. Auf den Kopf der Beitragspflichtigen fallen 215 -ll. Der Bezirk zählt 18 776 Einwohner.
Oberndorf, 28. Juli. Einen vortrefflichen Eindruck hat bei der Primizfeier am Sonntag die Teilnahme der evangelischen Bevölkerung gemacht. Nicht wenige Angehörige der evangelischen Konfession wohnten dem Festgottesdienst bei und fanden sich zur weltlichen Feier ein. Auch Stadtpfarrer Schwarz war zur letzteren erschienen und nahm neben dem Primizianten an der Festtafel Platz. In einer Ansprache dankte der Vorstand der evangelischen Gemeinde, Stadtpfarrer Schwarz, für die Einladung, die er als eine Ehre für die ganze evangelische Gemeinde ansehe. Redner feierte in allseitig mit größtem Beifall auf- genommenen Worten das hohe Gut eines Harmonischen Einvernehmens unter den beiden christlichen Konfessionen.
Neichenbach, 28. Juli. Der geheimnisvolle Ueber- sall, der hier vor wenigen Tagen an dem 22 Jahre alten Maurer F. Schlumberger verübt wurde, harrt immer noch der Aufklärung. Der Ueberfallene liegt mit einem Schädelbruch lebensgefährlich verletzt im Krankenhaus in Plochingen. Die Staatsanwaltschaft Ulm hat nach dem flüchtig gegangenen Täter ein Fahndungsschreiben erlassen, in dem gesagt wird, daß die Verletzung vermutlich auf einen wuchtigen Schlag mit einem Prügel oder einem sonstigen Werkzeug zurückzuführen ist; als Täter kommt ein etwa 25 bis 30 Jahre alter Mann in Betracht, der eine große Brille trug und sich als Transporteur ausgab. Es kann nur angenommen werden, daß der Täter einen Raubanfall beabsichtigt hatte, bei dem er durch Vorüberkommende gestört wurde.
Lu» Welt Zeit.
Ein Ulmer Pionier ertrunken.
Kehl, 28. Juli. Der Pionier Karl Stark von der 1. Kompagnie des Württ. Pionierbataillon s 13 in Ulm, das gegenwärtig hier übte, ist heute vormittag kurz nach 11 Uhr beim Abschlagen einer Brücke infolge eines Fehltritts in den Rhein gestürzt und ertrunken. Stark ist der Sohn eines Schneidermeisters in Gründelhardt bei Crailsheim.
Der neue Bürgermeister von Kolmar.
Kolmar (Elf.), 28. Juli. Der Eemeinderat wählte in seiner heutigen Sitzung den Oberlandesgerichtsrat Diefenbach zum Bürgermeister als Nachfolger Vlumen- tals mit 24 von 34 abgegebenen Stimmen.
Furchtbares Bergwerksunglück.
Eine Bergwerlskatastrophe hat sich am Montag abend 10 Uhr auf der Zeche Adolf von Hansemann der Deutsch- Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellsch. in Mengede bei Dortmund ereignet. Nach endgültigen Feststellungen sind 13 Bergleutegetötet worden. Drei Bergleute haben durch die ausströmenden Gase schwere Verletzungen erlitten. Sie wurden in bedenklichem Zustand ins Krankenhaus gebracht. Von den Getöteten sind 7 geborgen, mährend 6 sich noch in der Grube befinden. Man hofft, die Leichen bergen zu können.
Gegen den Krieg.
Berlin, 28. Juli. Die heutige sozialdemokratische Protestversammlung gegen den Krieg ist bei starker Beteiligung im allgemeinen ruhig verlaufen.
Potsdam, 28. Juli. Der Kronprinz trifft Mittwoch früh in Potsdam ein und nimmt im Marmorpalais Wohnung.
Frau Caillaux' milde Richter.
Paris, 28. Juli. Frau Caillaux wurde freigesprochen.
Abgestürzt.
Novara, 27. Juli. Heute morgen stürzte der Flieger Laviggia, der den argentinischen Flugschüler Camiletti als Passagier mitgenommen hatte, aus 250 Meter Höhe über dem Flugfelde von Cameri ab. Die beiden Flieger wurden getötet.
Köln, 28. Juli. Es ist für weite Kreise interessant, zu erfahren, daß in Köln unter der Firma „Mauser-Waffenwerke" eine neue Gesellschaft zur Herstellung von Waffen gegründet worden ist und zwar von Söhnen des 1882 verstorbenen Wilhelm Mauser, des Miterfinders des Mausergewehres und Mitbegründers der zu Weltruf gelangten Waffenfabrik in Oberndorf a. N. Die neuen „Mauser- Waffenwerke" haben ein großes Areal von der Ge- meinde Ossendorf bei Köln für ihre Zwecke erworben. Leiter des neuen Unternehmens ist Alfons Mauser, der vor 16 Jahren in Köln-Ehrenfeld die Firma „Mauser-Eisenwerke" gegründet hat, die einen raschen und erfolgreichen Aufschwung genommen haben. Die neue Mauser-Waffenfabrik nimmt schon Schießversuche mit Maschinengewehren vor.
tanrörvivtsOfaft «ird Märkte.
Stuttgart, 28. Juli. Auf dem heutigen Grotz- markt waren die Preise: Heidelbeeren 22—24 ^, Johannisbeeren 12—15 Stachelbeeren 7—8
Waldhimbeeren 25 H, Pfirsiche 25—35 L, Aprikosen 20—35 ^, Aepfel 12—20 ^. Birnen 15—25 ^ das Pfund.
Denksprnch.
Unsere Abende! Ich will nicht viel darüber sagen. Mancher ist da immer viel zu müde, um noch recht lebendig genannt zu werden. Aber wäre es nicht der Mühe wert, daß jeder einmal ernstlich darüber nachdächte: Kann ich meine Abende nicht wohltätiger gestalten? Daß, wie das schönste Wort sagt, Feierabende daraus würden. Stunden, in denen die Seele feiert?
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei
Amtliche und Privatanzeigen.
Holzbronn.
LiMsWMsteiMiiU.
3m Konkursverfahren über das Vermögen des Friedrich Walz, alt Mpsers in Holzbronn, werden die vorhandenen Grundstücke:
Parz.-Nr. 1638/1639 38 a 21 qm Wiese im Buch 707
Parz.-Nr. 602 17 a 27 qm Wiese im Schelmenwasen 306
Parz.-Nr. 1857 9 s 21 qm Wiese in der Mühlhalde 56 ^
Parz.-Nr. 104 1a 68 qm Scheuer und Hofraum auf
dem Schelmenwasen 566
Teb. - Nr. 74 47 qm Wohnhaus und Hosraum
aus der Brandstätte 701
zusammen: 2336
am Freitag, den 31. Juli 1914, vormittags 11 Uhr, im Rathaus zu Holzbronn,
cingelad^ten letztenmal öffentlich versteigert. Kaussliebhaber werden Stammheim, den 25. Juli 1914.
Konkursverwalter:
Bezirksnotariatshilfsarbeiter gez. Allmendinger.
Ottenbronn, den 28. Juli 1914.
Danksagung.
Für die vielen Beweise herzlicher > Teilnahme bei dem Hinscheiden unseres lieben Gatten, Vaters, Bruders und Schwagers
Andreas Harsch,
für die zahlreiche Begleitung von nah und fern zu seiner letzten Ruhestätte, für die tröstenden Worte des Herrn Geistlichen, dem ver. Turnverein Ottenbronn sagen herzlichen Dank
die trauernden Hinterbliebenen
Barbara Harsch mit ihren Kindern.
TklmadruLIach« Iksat «IW md Mi «>e DnÄmI di. A.
SWiischv Mtheaier Pud Liedeiirell
(Adlersaal).
Direktion: E- Blumq«.
Donnerstag, den 30.3«U 1014, abends 8'/, Ahr:
Ser frohe König.
Eine herzlose Geschichte. Phantastische Komödie in drei Bildern von Albrecht Ringen. Preise der Plätze: 70A. 90 A 1.40 1.70^L
kurz gesägt, in Fuhren ä ^8.—. ^>15.— und 20.—, frei vors Haus, empfiehlt
E. L. Wagner, Ernstmühl,
Telefon Amt Calw 48.