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! 63. Jahrgang

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Zu den neuesten Ergebnissen der Finanzstatistik Von Karl Maria Weniger

Das Reich hat bekanntlich die Last der Erwerbslosenfür­sorge der Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung über­wiesen und die Sorge für die dort Ausgesteuerten, deren Zahl bei der andauernden Wirtschaftskrise stetig steigen muß, den Gemeinden überlassen. Trotz der Reichsanstali sind die Lasten der gesamten Wohlfahrtspflege beim Reich, den Ländern und Gemeinden um 460 Millionen RM. im Haushaltsjahre 1929/30 gestiegen, davon müssen voraus­sichtlich allein die Kommunen 180 bis 200 Millionen RM. tragen, ohne dafür eine Deckung in den Haushaltsplänen zu haben. Es ist nach der neuesten Statistik bereits dahin gekommen, daß der Zuschußbedarf für das gesamte Wohl­fahrtswesen des Reichs, der Länder und Gemeinden den Betrag von 3 Milliarden NM. überschreitet.

Dieser Zuschußbedarf mußte aus neuen Steuereinnahmen gedeckt werden. Daneben wurde eine erhöhte Verschiebung unter den bisherigen Steuereingängen beobachtet. Minder­einnahmen bei einzelnen Steuerarten waren durch andere Steuern wieder auszugleichen. Die Einkommen- und Kör­perschaftssteuer hat einen Rückgang von etwa 150 Millio­nen RM. ergeben. Diese Steuern bilden die Grundlage aller Steuern. Wenn die Einkünfte aus ihnen zurückgehen, so ist das die Auswirkung der Erschütterung der Wirtschaft. Das Ergebnis einer solchen Beobachtung sollte nun eine sorgfältige Handhabung der Realsteuerpolitik sein. Es ist aber nicht zu beobachten, daß diese Steuern eine besondere Schonung erfahren hätten. Die Grund- und Gewerbesteuern haben im Gegenteil eine erhebliche Mehreinnahme gebracht, die sich trotz der Wirtschaftsverschlechterung auf etwa 100 Millionen RM. beläuft. Das war jedoch nicht etwa die Folge einer besseren Konjunktur, sondern ergab sich aus dem betrübenden Umstande, daß die Gemeinden gezwungen gewesen sind, zur Deckung ds Finanzbedarfs die Steuersätze zu erhöhen. Das Statistische Reichsamt sieht ebenfalls in dieser Tatsache ein Zeichen der starken finanziellen Notlage der Gemeinden, die angesichts der Erschöpfung ihres steuer­lichen Spielraums einfach auf diese Steuern angewiesen sind.

Diese Verhältnisse waren laut Reichsstatistik bereits im Zahre vorher deutlich erkennbar. 1928/29 ergab die Finanz­statistik für Reich, Länder und Gemeinden gleichfalls ein Ueberwiegen der Ausgaben über die Einnahmen um 1,27 Milliarden RM. Die öffentlichen Gebietskörperschaften sind demnach anstatt mit lleberschüssen mit erheblichen Vor­belastungen in die gegenwärtige Krisenzeit hineingegangen. Das trifft für die Gemeinden mindestens in gleichem Maße wie für das Reich zu. Der Städtetag erklärte kürzlich, daß bereits im Vorjahre bei den Gemeinden jene großen Be­anspruchungen in ihren Anfängen erkennbar wurden, die sich jetzt zu einer katastrophalen Erschütterung der kommu­nalen Wirtschaft ausgewachsen haben. Der Zuschuß der Ge­meinden und Gemeindeverbände, der sich 1928/29 gegenüber dem Vorjahre um 460 Millionen RM. erhöht hat, wurde bereits seinerzeit in nicht unerheblichem Umfange (150 Mil­lionen RM.) durch die Betreuung eines Riesenheeres von Wohlfahrtserwerbslosen hervorgerufen.

Bei der Einführung der Arbeitslosenversicherung wurde gesagt, daß sie die Gemeinden von den Lasten der Erwerbs­losenfürsorge befreien sollte. Die Richtigkeit dieser Voraus­setzung wurde von den Fachkundigen von Anfang an be­zweifelt. In der Tat hat sich die beabsichtigte Entlastung der Gemeinden, wie die Statistik nun beweist, bereits im Rechnungsjahre 1928/29 in das Gegenteil verkehrt. Der ge­samte Sozialetat der Gemeinden und Gemeindeverbände betrug 1925/26 und 1926/27, als noch die alte Lastenver­teilung in Kraft war, 1,09 bezw. 1,39 Milliarden RM. Er stellte sich im zweiten Jahre der Arbeitslosenversicherung bereits auf 1,45 Milliarden. Inzwischen ist diese Zahl noch weit überholt.

Wenn man aus diesen Angaben nicht die einzig mögliche Folgerung zieht, daß der ganze Aufbau der Lastenverteilung an einem grundlegenden Fehler leidet, so kann man eine solche Politik nur als Fortwursteln bezeichnen. Man ver­schließt sich an maßgebender Stelle der wahren Erkenntnis unserer finanziellen Notlage, die ihre Ursachen selbstver­ständlich nicht bei der Gemeindepolitik zu suchen hat.

Vollsitzung der WM. LaabwirMastskamnM

Stuttgart, S. Dez. Die Württ. Landwirtschaftskammer ist am Dienstag zu einer zweitägigen Vollsitzung in Stuttgart zusam­mengetreten. Als Gäste wurden bei der Eröffnung besonders be­grüßt Wirtschaftsminister Dr. Maier, Oberregierungsrat Braig von der Zentralstelle für Landwirtschaft, Präsident Peiffer und Oberregierungsrat Clauß am Landesfinanzamt. Präsident Adorno gab dann einen Ueberblick über die Lage der Landwirtschaft. Die Bilanz des verflossenen Vetriebsjahres schließe leider wieder, wie in den vorangegangenen beiden Jahren, die betrübliche Tatsache in sich, daß die Landwirte trotz allen Fleißes nicht weiter gekom­men sind, wenigstens was die finanziellen Auswirkungen an­belangt. Ein schlechter Trost sei allerdings, daß allmählich auch andere Berufe in eine ähnliche Situation wie der Bauernstand

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Wiederbelebung toter Herren

Der Innsbrucker Bilolge Professor Heberlandt, dessen Arbeiten über das Herzhormon so grobes Aufsehen eregt haben, berichtet jetzt von neuen, erstaunlichen Versuchen über die Wiederbele­bung toter Herzen. Es gelang ihm, berausgeschnittene und still­stehende Herzen von wirbellosen Tieren mit einem Extrakt aus Schneckenherzen und mit seinem Hormonpräparat wieder zum Schlagen zu bringen.

geraten sind. Es ist auch ein schlechter Trost, wenn anderen Staa» ten ebenfalls ähnliche Leidenswege gehen müssen. Dabei müssen wir ehrlicherweise zugsben, daß in den letzten Monaten auf Grund der Tätigkeit der in derGrünen Front" vereinigten Kräfte, unter ihren bewährten Führern ganz Hervoragendes ge­leistet woden ist. Trotz all der Zollerhöhungen mußte aber ein großer Teil unserer diesjährigen Ernte wieder unter den Selbst­kosten verkauft werden, bezw. ist überhaupt nicht absetzbar. Eigen­tümlicherweise ist hiervon auch die hohe Kartoffel- und Rüben­ernte betroffen. Aber auch der Absatz der tierischen Produktion hat in der letzten Zeit außerordentlich unter der Ungunst der all­gemeinen Wirtschaftskrise zu leiden gehabt. Wir haben heute zum Teil Preisverhältnisse, die geradezu einen Hohn für den vor­bildlichen Fleiß und den nicht umzubringerrden Eifer, namentlich auch unserer kleinen und witteren bäuerlichen Betriebe, bedeuten. Und immer kommen wieder unvermutete Nackenschläge, so in jüngster Zeit wiederum die plötzliche Verfügung des Reiches der Zurückziehung des Einfuhrscheines für lebendes Vieh. Hierdurch sind insbesondere die süddeutschen Landwirte in Württemberg, Baden und Bayern ungemein schwer betroffen worden. Die Vieh­preise sind in kürzester Zeit durch diese unglückselige Verfügung zurückgeschnellt und sowohl der einschlägige Viehhandel als auch die Landwirte haben dadurch ganz empfindliche finanzielle Ver­luste erlitten. Wie rigoros man hier verging, beweist die Tat­sache, daß man nicht einmal für die schon eingekaufte Ware mehr die Erleichterungen zuließ.

Der Präsident ging dann zu dem Problem des Lohnabbaues und der Preissenkungsaktion über. Man ist seitens der Reichs- regierung mit der nötigen Energie dieses Mal cm dieses schwie­rige Problem herangegangen. Aber wir sehen es, auf welch außerordentliche Schwierigkeiten die Regierung bei vielen Be­teiligten stößt, namentlich bei den Berufszweigen, welche seither von diesen ganz und gar unberechtigten, zu hohen Preisspannen absolut ungerechtfertigte Zwischengewinne eingesteckt haben. Mit Recht fordern in den großen Menschenzentren und auch in kleinen und mittelgroßen Städten ungeheure Preisspannen in Arbeiter­und Veamtenkreisen den schärfsten Widerspruch heraus.Land­graf werde hart!" möchten die Landwirte allen Organen, Land- und Reichsparlamenten zurufen, daß man sich in allerletzter Stunde darauf besinnt, die ungerechtfertigten hohen Ausgaben auf allen, namentlich unproduktiven Gebieten einzuschränken, um wieder zu einer die Sicherheit des Reiches verbürgenden ver­nünftigen Bilanzierung der Reichs- und Länderhaushalte zu kommen. Der Zusammenhalt der Landwirte zwischen Nord- und Süddeutschland hat in den letzten Monaten manches erreicht. Ich erinnere nur an die erfolgreichen Verhandlungen mit Finn­land, aber es gibt noch viele ungelöste Probleme zu entwirren. Zahllose Zollbindungen lasten am allerschwersten auf unserer süddeutschen Landwirtschaft. Viehzucht, die milchwirtschastliche Produktion, der Wein-, Obst- und Gemüse-, Tabak- und Hopfen­bau, der Waldbau und das Brennereigewerbe, leiden alle glei­chermaßen. Unsere einst so blühende Waldwirtschaft ist durch das russische Dumping, das süddeutsche Vrennereigewerbe durch un­glückselige Reichsmatznahmen dem vollständigen Ruin ausgelie­fert. Für den Wiederaufstieg Deutschlands müsse die Parole für Industrie und Landwirtschaft, Handel und Gewerbe, lauten: Stadt und Land, Hand in Hand!

Mb Mb Fischerei M Dezember

Hoch- und Damwild hat in den meisten deutschen Staa­ten noch Schußzeit. Das Rehwild ist, wieDer Deutsche Jäger" mitteilt, noch frei in Baden bis 15., in Mecklenburg- Schwerin, Braunschweig, Hamburg, Bremen, Lübeck (aus­genommen Kitze) und Schaumburg-Lippe während des ganzen Monats, indes in Preußen, Mecklen'burg-Strelitz, Anhalt und Lippe nur Geißen und Kitze, in Thüringen nur Geißen bis zum 15., in Birkenfeld (Oldenburg) Rehböcke bis Ende, Geißen und Kitze bis 14. ds. Mts. erlegt werden dürfen. In den übrigen Staaten, also auch Württemberg, ist Rehwild bereits vollkommen geschützt. Wald- und Feld­treibjagden nehmen ihren Fortgang. Hasen sind in Wild­bret und Balg vollwertig, desgleichen Fasanen, welch letz­

tere aber in Württemberg bereits Schonzeit haben. Auer- hahnen dürfen in Preußen, Mecklenburg-Schwerin, Olden­burg (Landesteil Birkenfeld), Hahnen und Hennen in Vraunschweig, Bremen, Schaumburg-Lippe, Birkhähnen in beiden Mecklenburg, Oldenburg und feinen beiden Lan­desteilen, in Lippe, Hahnen und Hennen in Braunschweig, Bremen, Lübeck und Schaumburg-Lippe, in Hamburg je­doch Hennen allein erlegt werden. Auch das Haselwild darf in diesem Monat in Baden (nur Hahnen), Hahn und Henne in Oldenburg (Landesteil Birkenfeld), Braunschweig Ham­burg, Bremen, Lübeck und Schaumburg-Lippe geschossen werden. Rebhühner genießen überall Schonzeit. Der Zug der Wildenten und Wildgänse dauert an und es stellen sich jetzt manche seltenere nordische Arten ein, die Fall und Strich unter Umständen interessanter gestalten können.

Das Haarraubwild trägt jetzt seinen ausgefärbten wert- wollenWinterbalgund lohnt den Ansitz in der Luderhütte bezw. den Fang. Vom gefiederten Raubwild stellen sich Wander- und Zwergfalken, sowie Rauhfußbussarde ein und die Zahl der Winterkrähen wächst und muß zum Nutzen der Niederjagd kurz gehalten werden. Dem Wildererunwesen, namentlich der Schlingenstellerei in Hecken und Garten­zäunen, ist erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Fütterun­gen für alle Wildarten sind gut zu beschicken und zu über­wachen, um etwaigen Beunruhigungen oder sonstigem Un­fug vorzubeugen.

Vachsaibling, Forelle, Renke, Seeforelle und Seesaib­ling hüben Schonzeit. Der Huchen bietet jetzt die beste Fangzeit. Aesche, Barsch, Hecht, Regenforelle beißen noch. Rutten laichen und sind in Reußen zu fangen.

Die Ratte als KranklieMrüger und Ae gefahrlose Bekämpfung

Nachdem das Auftreten der Trichinose in Stuttgart, her­vorgerufen durch den Genuß von Bärenschinken, kürzlich in der Öffentlichkeit begreifliche Erregung verursacht hat, ist es mehr als angebracht, auf die Ratte als Krankheitsüber­träger und auf ihre Bekämpfung hinzuweisen. Es darf nicht vergessen werden, daß Trichinose, Pest u. a. im Grunde von der Ratte ausgehen und diese Krankheiten aussterben würden, wenn es keine Ratten mehr gäbe. Ein Kampf gegen diese ekelhaften und schändlichen Tiere ist also auch ein Kampf gegen die genannten Krankheiten.

Die Trichinose tritt am häufigsten beim Menschen nach dem Genuß von Schweinefleisch auf. Die Schweine bekom­men die Krankheit durch das Fressen von Rattenausschei­dungen und Ratten selbst und diese werden trichinös, weil sie ihre krepierten Artgenossen zu verzehren pflegen.

Die Rattenplage ist also eine große Gefahr für die Volksgemeinschaft, die Volksgesundheit und auch für das Wirtschaftsleben. Denn ein Rattenpaar hat jährlich 860 Nachkommen. Diese fressen jährlich 600 Zentner Brot. Für Deutschland allein beläuft sich der Schaden auf jähr­lich 200 000 000 Mark. Es sollte also der Kampf gegen die Ratte viel energischer geführt werden, als es bei uns im allgemeinen geschieht.

Von Bekämpfungsmitteln sei besonders auf die Zilo- Paste verwiesen, welche vor einiger Zeit auch einer Kom­mission des Völkerbundes in Danzig mit Erfolg praktisch vorgeführt wurde. In Viehställen und an allen anderen Plätzen in Haus und Hof, welche Nutztieren zugänglich find, ermöglicht die Aufstellung einer sog. Rattenfutterkiste in Verbindung mit Zelio-Kartoffelbrei eine gefahrlose Rat­tenvertilgung. Das Verfahren ist außerordentlich billig und einfach. Man benötigt dazu lediglich eine nicht zu flache alte Kiste, die zweckmäßig durch Lederscharniere und einfachen Ueberwurf verschließbar gemacht wird. An beiden Seitenwänden wird außerdem ein viereckiges Loch heraus­gesägt, welches den Ratten ein bequemes Durchschlüpfen ermöglicht.

Als Köder dient Kartoffelbrei, den die Ratten nicht wie z. B. Heringsköpfe und Vrotstücke verschleppen können, son­dern den sie an Ort und Stelle verzehren müssen. Etwa drei Tage lang legt man im Innern der Kiste aus den Boden unoergifteten Köder aus, damit sich die mißtraui­schen Ratten erst an die Futterstelle gewöhnen. Dann wird dem Brei die geruch- und geschmackfreie Zelio-Paste bei­gemischt und zwar reicht der Inhalt einer Tube für 300 bis 500 Gramm Kartoffelbrei. Aus Sicherheitsgründen empfiehlt es sich, die Kiste nur nachts aufzustellen und sie tagsüber an einem sicheren Ort, der vor allem Kindern nicht zugänglich ist, aufzubewahren.

Nur durch Zelio-Kartoffelbrei in Verbindung mit der Rattenfutterkiste ist es möglich, Gebäude, welche unter ständiger Rattenzuwanderung leiden, dauernd praktisch rattenfrei zu halten.

Die Notverordnung

Im ersten Teil der Notverordnung wird die Setränkesteuer, die neben der Eemeindebiersteuer besteht, aus das Rechnungsjahr 1931 beschränkt. Der Reichsfinanzminister kann die Berechtigung der Erhebung für einzelne Getränke vom 1. Januar 1931 ab wuh heben, aber nicht von Trinkbranntwein und Schaumwein.

Aus der Wiirgersteuer sind weiter herausgenommen die Perso­nen, die Arbeitslosenunterstützung beziehen und die Sozialrent­ner. Der Landessatz wird für Personen mit einem Jahresein­kommen von nicht mehr als 4390 Mark auf mindestens 6 Mark, bis 6099 Mark auf mindestens 9 Mark, bis 8900 Mark aus min­destens 19 Mark bestimmt werden. Die höheren Einkommen sind weiter gestaffelt belastet. Die Höchstgrenze ist 2099 Mark bei den Einkommen über 509 090 Mark.