Bom Winter.

Der Regen vom Freitag auf Samstag vergange­ner Woche hat ein großes Steigen der Nagold verur­sacht. Ungeheure Wassermengen wälzte sie namentlich in der Nacht vom Freitag auf Samstag und am Sams­tag noch brausend durch ihr Bett. Die Seitenbäche brachten ihr starken Zufluß und an niederen Ufern trat sie über. Diesesmal zeigte sich der Uebelstand, der namentlich für einen Teil der Bewohner in der vor­deren Strecke der Badgasse bei Hochwasser erwächst, in besonderem Maße. Die zur Nagold führende Dohle vor dem Schneidermeister Schüleschen Hause liegt so, daß bei Hochwasser eine Rückstauung eintritt, die be­wirkt, daß das Wasser der Nagold durch die Dohle dringt und die Straße überschwemmt. Für den Haus­besitzer, vor dessen Haus die Dohle liegt, ist das selbst­verständlich sehr unangenehm und mit Schaden ver­bunden, da das Wasser in den Hauseingang läuft und von dort wieder ausgeschöpft werden muß. Aber auch für die Fußgänger bringt dieser Uebelstand manches Ungute mit sich. Die unaufhörlichen Regengüsse vom Freitag und in der Nacht vor Samstag vernichteten die Schlittenbahnen innerhalb und außerhalb der Stadt fast vollständig. Noch am Donnerstag abend sah man in verschiedenen Straßen die Schlitten mit ihrer fröh­lichen Bemannung herabsausen und am Freitag früh war aller Lust schon ein Ende gemacht, was denen eine gewisse Eenungtuung gewesen sein dürfte, die bei der Ausübung dieses billigen, gesunden Sports größeren oder kleineren Schaden nahmen. Niemand hätte ge­glaubt, daß das Wetter nun so rasch und so gründlich Umschlägen werde. Schon wer am Samstag morgen oder um die Mittagszeit etwa die Waldhornbrücke beging, beobachtete ein gar schönes Naturbild: Die Wälder, die von dort aus mit dem Auge erreicht werden können, glänzten in leichtem, duftigem Schnee, sie hoben sich so von der grauen, winterlichen Umgebung der Wiesen und der Häuser, unter dem wolkenbehangenen Himmel außerordentlich freundlich und frisch ab. Gegen abend und ganz besonders in den Nachtstunden trat dichter Schneefall ein. Wer spät in der Nacht nach Hause ging, mußte schon im Schnee waten und am Sonntag in der Frühe zeigte sich das alte Calw in seinem weißen, winterlichen Kleide gar prächtig geschmückt. Der Schnee blieb liegen. Er wurde zum Anlaß für ausgedehnte Schlittenpartien und statt der Milchwagen und son­stigen Räderfuhrwerke begegnet man jetzt Schlitten. Die Temperatur zog in der Sonntagnacht an, gestern wurden frühmorgens 8, 10, selbst 14 Grad Kälte gemes­sen. Auch die vergangene Nacht war kalt.

Von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Calw. Am Samstag hielt der neu gewählte Kassenvorstand seine erste konstituierende Sitzung ab. Als Vorstandsvor­sitzender wurde der bisherige Vorsitzende der Bezirks­krankenkasse, Fabrikant Blank hier gewählt, als sein Stellvertreter Buchdrucker K. Störr hier.

, Für die Inhaber des Eisernen Kreuzes. Gegen­wärtig wird ein neues Verzeichnis der Inhaber des Eisernen Kreuzes und des Prenß. Militär-Ehrenzeichens «ngefertigt. Da es für jeden Inhaber dieser Auszeich­nung von Wert ist, dabei nicht übersehen zu werden, so empfiehlt es sich für die den militärischen Vereinen nicht angehörigen Herrn, sich umgehend bei den Bezirks­obmännern der Kriegerverbände zu melden.

Neuenbürg, 12. Jan. Von der Regierung des Schwarz­waldkreises in Reutlingen ist dem Vernehmen nach die schon lange angestrebte Eingemeindung der zur Markung Gräfen- hausen gehörigen Parzellen Ziegelhütte, Reute, Bahnhof und Mittlere Sensenfabrik nach Neuenbürg, worüber kürzlich zwischen den Gemeinden Neuenbürg und Gräfenhausen ein endgiltiger Vertrag abgeschlossen wurde, genehmigt worden. Die Zusammenlegung soll mit dem 1. April 1914 erfolgen.

Um die Ulenflucht.

Hinter den schwarzen Kanten der hohen Fuhren verschwand die rote Sonne; ein Weilchen noch war alles Glut und Glanz, Feuer und Flamme, jetzt ist es ab­geblaßt in des Ringeltaubers Farben.

Ich habe diese Stunde lieb, und fast noch lieber das weiche, warme, tieftönige Wort, das unsere Bauern dafür erdichteten. Ulenflucht nennen sie die Zeit, wenn der Tag müde hinter schwarze Wälder sinkt und die Nacht heraufschwebt, in den graublauen, hellrot ge­säumten Mantel gehüllt, den ein einziger großer Fun­kelstein zusammenhält, der Abendstern.

Es muß ein großer Dichter gewesen sein, der dieses Wort erfand. Vielleicht nur ein geringer Knecht, ein Mann der harten, einförmigen Arbeit, der nie in sei­nem Leben ein Lied schrieb, eine Strophe erdachte. Aber in diesem einen Wort ist mehr Kunst als in vielen Büchern, in denen Lieder gedruckt sind.

Es ist ein großes Kunstwerk, dieses Wort, denn es gibt so viel. Es bringt heilige Schauer, wie die ern­sten Bildsäulen der unbekannten ägyptischen Meister; es schenkt dem Herzen selige Träume, wie eins der großen Werke Böcklins, es trägt mich hinauf zum Himmel und führt mich hinab zur Hölle, wie Beethovens hohe Me­lodien.

Wenn die Ulenflucht naht, dann werde ich anders in der Stimmung: Heiterkeit wandelt sich in Ernst,

(:) Gechingen, 13. Jan. Nachdem die am 1. Dezember stattgehabte Gemeinderatswahl angefochten worden war und für ungültig erklärt wurde, fand gestern die zweite Wahl statt, bei der über 90 Proz. der Wahlberechtigten (von 235 218) abstimmten. Es wurde gewählt Friedrich Günzler jr. mit 130 Stimmen und Friedrich Hubel, seitheriger Ge­meinderat mit 100 Stimmen. In der ersten Wahl waren gewählt worden Friedrich Günzler und Gottlieb Weiß; die­selbe Stimmenzahl, die auf letzteren fiel, erhielt auch Herr Gehring, weshalb das Los gezogen werden mußte, und dieses entschied für Herrn Weiß. Da aber von einem Wähler abge­stimmt wurde, der nicht in die Wählerliste eingetragen war, focht Gehring die Wahl an mit dem Erfolg, daß die erste Wahl für ungültig erklärt wurde und gestern eine zweite Wahl stattfand, die das oben angegebene Ergebnis brachte.

Württemberg.

Des Königs Abreise.

Stuttgart. 12. Jan. Die Abreise des Königs zu einem mehrwöchigen Erholungsaufenthalt in Cap St. Martin erfolgte heute nachmittag 3.21 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Schnellzug, in den der königliche Sa­lonwagen eingestellt war. In Begleitung des Königs befanden sich der Kabinettchef, Freiherr von Soden, sowie der diensttuende Flügeladjutant, Freiherr Cap- ler von Oedheim, gen. Bautz. Die Königin begleitete mit ihrer Hofdame, Freiin von Falkenstein, und dem Kammerherrn, Freiheern Raßler o. Eamerschwang den König bis Böblingen.

Lustmord.

Tübinge«, 12. Jan. Im KohlentAum eines Hauses der Uhlandstraße wurde heute nacht vse Leiche Ser 10- jährigen Irma Dessauer aufgefunden. Zweifellos liegt Lustmord vor. Als der Tat verdächtig wurde der 27 Jahre alte Hausknecht Karl Maier aus Unterjesingen verhaftet. Er wird beschuldigt, an dem Kind zuerst ein Sittlichkeitsverbrechen! verübt und es dann erwürgt zu haben. Maier wurde verhaftet, leugnet aber die Tat. Das Opfer ist das T-ichterchen einer hier lebenden Witfrau. Die Staatsanwaltschaft war heute' früh kurz nach 8 Uhr zur Untersuchung an Ort und Stelle. Das Kind begab sich gestern mittag Uhr zu einer kn einem Nachbarhause wohnhaften Familie, um derem Kindern die Einladung M einer Schlittenpartie zu Überbringer!. Von diesem Gang kehrte das Mädchen nicht mehr zurück, weshalb' es nach erfolglosen: Nach­forschungen bei der Polizei als vermißt angezeigt wurde. In vergangener Nacht gegen' 12 Uhr erschien nun der 27jährige Hausbarsche Maier vor der Wohnung der Familie, der die ermordete Irma Dessaaer die besagte Einladung überbracht hatte und erzählter er ist in genanntem Hause als Hausdie.rer? angesteLt weänend und händeringend» er habe ebeir die DanPfheizurrg be­sorgen wollen und dabei im Kohlenkeller eine Söiche vorgefunden. Die von dem Hausdiener dann auf-Ge­heiß der Familie benachrichtigte Polizei fand tatsächlich die Leiche vor. Es war die vermißte Ir na Dessäuer. Die direkte Todesursache ist noch:, nicht fest.zestellt. Der Hausdiener Maier wurde in Haft genommen. Er> be­hauptet, von der Sache nicht das mindeste: zu wissend Er gibt ferner an, gestern mittag; A2 Uhr dem MäScheu wohl in dem Hause, in dem der Mord geschah, b«Heg^ net zu sein. Kurz nachher wilL er sich aber zu sesner^ Braut nach Kirchentellinsfurt begeben haben'und- vom dort erst kurz vor Mitternacht zurückgekehrt' sein.. Iw der Stadt herrscht ob des Vorfalls begreiflicherweise un­geheure Aufregung.

Eine Äunde nach dem Verhör durch drn«Vertreter der Staatsanwaltschaft hat Mater nach langem Leug­nen der Polizei gegenüber das Bekenn ttn.is abge­legt, daß er die Tat begangen?, hat. Es waren Subei der PolizrikommiMr und ein Polizeiwachtnreistmr an­wesend.

Verdruß in Friedseligkeit, beengtes Denken? i» unbe­grenztes Ahnen.

Nie bin ich im Geiste da, wo ich bin um diese Zeit. Aus schwarzen Dachumrissen werden dunkle Baumwipfel; den Kauz hör«: ich rufen aus dem Geheul der Fabriksirenen und heimliches Blättsrgeflüster er­klingt aus dem Geräusch der Großstadt,

Bin ich aber draußen im stillen Holz, im einsamen Moor, dann wandelt sich die ferne Waldeswand zur Stadt um; des Kauzes Ruf klingt mir wie das gel­lende Jauchzen der Fadrikpfeifen, He eines schweren Arbeitstages Ende verkünden, und im Vlättergeruschel höre ich Seufzer von Menschen, die der schwarzen Nacht entgegenbangen.

Seltsamen Zauber übt diese Stunde auf mich aus. Gestern um diese Zeit, zwischen frohen Gesichtern im festlichen Saal, da waren meine Augen auf einmal weit weg. Ich hörte die Maus im Fallaub pfeifen, sah die weißen Motten tanzen und die schwarzen Fledermäuse taumeln, hörte es um mich herum rispeln und rascheln, knistern und knirren.

Da, wo ich heute bin, waren meine Gedanken, in diesen stillen Wald zogen sie, wo die Schummerstunde nahte mit leisem Tritt und Tag und Nacht die Hände gab, die eine heranziehend, den andern mit sich fort­nehmend, beide verbindend und trennend.

Neues Erholungsheim.

Die Stuttgarter Ortskrankenkasien haben die Sa­line und das Badhotel in Dürrheim im badischen Schwarzwald für die Benutzung durch ihre Kassenmit­glieder angekauft.

Zwei Opfer des Neckars.

Cannstatt, 12. Jan. Als gestern der Fischer Jakob Käfer und der Maurer Johannes Lausterer aus Mün­ster mit dem Feldhüter Oberer aus Mühlhausen a. N. in dem hvchgehenden Fluß fischten, wurde sie über die Wehranlage der ArnoL'schen Spinnerei samt ihrem Nachen hinuntergerissen und verschwanden in den Flu­ten. Dem Fischer Käfer gelang es, das Ufer zu ge­winnen, der 44jährige Lausterer und der 33jährige Oberer ertranken. Ihre Leichen wurden noch nicht ge­funden. Lausterer htnterläßt eine Frau und 8 unmün­dige Kinder, Oberer wird von einer Frau und 4 un­mündigen Kindern betrauert.

Württembergische Arbeiterbewegung. >

Im letzten Viertel des vergangenen Jahres hatte Württemberg in 53 Betrieben 9 Ausstände und Aus­sperrungen, wovon ein Fall von vollem, 5 von teil­weisem und 3 von keinem Erfolg begleitet waren. Von den betreffenden Betrieben kamen 13 vollständig: zum Stillstand. Beteiligt waren insgeseamt 4237 Arbeiter.

Oberndorf, 12. Jan. Heute: vormittag halb 12 Uhr fand im Rathaus im Beisein der bürgerlichen Kollegien, der staat­lichen und städtischen Behörden, der Geistlichkeit beider Kon­fessionen, der Schullehrer und eines großen Teils der Bürger­schaft die feierliche Amtseinf-rtzung des neuen Stadtschult- heißen Hecker statt.

Göppingen, 10. Jan. Der Hohenstaufen berichtet: In Erfüllung gegangen ist ein Traum, den der Ober­lehrer Traub von Jebenhausen an seinem 43. Geburts­tag hatte. Er sah eine Erscheinung, die wie ein Engels­bild gestaltet war. Sie hielt eine Tafel empor, auf der geschrieben stand, daß er noch 14 Jahre leben werde. Am letzten Dienstag beging er iM Kreise seiner Familie seinen 57. Geburtstag die 14 Jahre waren abge- lausen. Gestern früh 4 Uhr, also 3 Tage später, bekam er eine Herzschwäche, die aber rasch wieder oorüberging,. so daß er sich morgens wie immer vom Bett erhob und' an seine Schularbeit gehen wollte. Aus dem Weg zu seiner Klasse ereilte ihn aber ein: Herzschlag und raffte ihn dahin.

Geislingen a. St^ 12. Jan Am Samstag nacht K-12 Uhr wollre der 28jährige irr Stuttgart verheiratete 'Brenyer Kaufmann noch einmal aus dem bereits in Pewegung befindlichen Zuge steigen und kam zu Fall. Der eine Fuß: wurde ihm oberhalb des Knöchels, der andere unterhalb des Knies abgefahren.. In nahezu hoffnungslosem Zustand befindet sich der Verunglückte im hiesigen Krankenhaus.

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4 Tragische» Unglück.

Konstanz» 12. Jan. Heut» früh verunglückte ein. mit vier Personen besetztes Boot auf dem Untersee bei Dehniagen. Mer aus Oehningen stammende junge Leute, die tägLich von dort nach dem Schweizer Ufer zur 'Arbeit fahren» gerieten infolge des heftigen Oststurmes in den Wellengang, der das Bdot stffort mitritz, füllte und zum Siscken brachte. Z wei der jungen Leute, der 29jährige August Schmidt, und der. 14jährige Anton Ruf stinken sogleich in die Tiefe, während die beiden anderen: von der Besatzung eines- Nachens ausgenom­men werde» konnten. Der? 23jährige August Duttler starb jedoch seinen Rettern unter den Händen, während- der 16 jährige Hugo Ruf, kaum ans Land gebracht, ver» schied:

Einbrüche und Diebstähle.

Saarbrücken, 12. Jan. In der Billa des Ingenieur» und Gutsbesitzers Fritz Rexroth in der Bismarckstratze

Nicht der Sonnentod ist es, der mir dann das

Herz weit machhr; die? Viertelstunde nachher, die blaß- graue, liebe ich mehr, mit ihren leisen, langsame« ll'ebergängen, wenn alle Umrisse sich verwischen, alle Einzelheiten vergehen, wenn die Kleinigkeiten die Augen nicht mehr stören, und das Herz dem große« Ein­drücke sich öffnen kmn.

Nur deshalb ljebe ich die Jagd so.. Nichts bringt uns die Natur so nahe, wie diese Viertelstunde zwi­schen Tag und Nacht, und nur die Jagd ist es, die uns dazu erzieht, diese kurze Spanne Zeit zu verstehen in ihrer großen Feierlichkeit, in ihrer, geheimnisvolle« Andacht.

So wundervoll hell und sonnig war es vor einer Stunde hier; im alten Laube leuchteten gelbe und weiße Sterne, rundherum sang und klang, pfiff und trillerte es aus Hunderten von kleinen Kehlen, in der breit­ästigen alten Eiche jauchzte der Schwarzspecht sein wil­des Liebeslied, der Tauber schwebte klatschend über den Kronen und rief tief und zärtlich seiner Taube..

Jetzt ist all das laute Leben verstummt; der letzte» Drossel Weise verklang, Rotkehlchens Silberlied erstarb; ein Mausepfiff im Dürrlaub, ein Kiebitzschrei vom Moor, ein Rebhahnruf vom Felde kommt dann und wann zu mir heran. Aber die verlorenen Laute mache» die Stille nur noch stummer, sie sind wie einzelne Stern- am tiefen dunklen Nachthimmel,