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33. Jatzvgang

Brünings Erfolg

Als Erfolg starken Willens, ernsten Pflichtgefühls und kluger Besonnenheit wird die Ablehnung des sozialdemo­kratischen Mißtrauensvotums überall dort freudig begrüßt werden, schreibt das Hamburger Fremdenblatt, wo diese Eigenschaften bei Staatsmännern höher eingeschätzt werden, als der Parteigeist. Die kritische Stunde, in der sich und dem Kabinett Reichskanzler Dr. Brüning diesen Erfolg gesichert hat, war, als er den Wunsch der Deutschnationa­len, die entscheidende Abstimmung um etwa 12 Tage ver­schoben und in der Zwischenzeit das Agrarprogramm ver­öffentlicht und angenommen zu sehen, kurzerhand ablehnte, den Deutschnationalen also überließ, ihr Verhalten nach dem Reichskanzler und dem Kabinett zu richten.

Reichspräsident von Hindenburg hat die Genugtuung, daß der Rückhalt den er dem neuen Reichskanzler gewährt hat, in richtiger Weise benutzt worden ist und zur ersten Etappe des Erfolgs geführt hat. Während noch gestern nach­mittag mit der Möglichkeit der Regierungsniederlage ge­rechnet werden mußte oder günstigenfalls eine kleine Mehr­heit erhofft wurde, stehen wir jetzt vor der Tatsache, daß die Urheber des Mißtrauensvotums mit 66 Stimmen in der Minderheit geblieben sind.

Nach diesem unerwarteten Erfolg des Kabinetts Brüning kann noch nicht gesagt werden, daß die Krise vorüber sei. Noch liegt das Agrarprogramm nicht vor, noch hat es keine positive Abstimmung gegeben. Das Schwert der Auflösung hängt noch immer über dem Reichstag und Schicksal des deutschen Volkes. Zum guten Zeichen aber kann trotz dieser Vorbehalte die Tatsache des ersten großen Erfolges ge­nommen werden. Dr. Brüning und die Seinen können, weil sie mutig und tapfer gekämpft haben, auch bei ihren weiteren Schritten auf Glück und Erfolg rechnen.

Interessant war an der Abstimmung, daß neben den kranken und beurlaubten Abgeordneten (9 Sozialdemo­kraten, 2 Demokraten und 2 Deutschnationale) an der Ab­stimmung weitere 30 Abgeordnete fehlten, so allein bei der Sozialdemokratie 16, der Rest fiel auf Nationalsozia­listen und Kommunisten. Es waren diejenigen, wie aus Berlin gemeldet wird, die sich rechtzeitig in Sicherheit brachten. Denn vor dem Reichstag warteten bereits Kri­minalbeamte, die mit der Auflösung des Parlaments and damit dem Fortfall der Immunität der Abgeordneten' rechneten.

Die Haltung der Deutschnationalen und die peinliche Rede Hugenbergs bilden noch immer den Mittelpunkt der Presseerörterungen. So wird dazu aus Berlin berichtet:

In parlamentarischen Kreisen fragt man sich, was wohl oer Hauptgrund für den einmütigen Umfall der Deutsch- nationalen gewesen ist, der allen Parteien so völlig über­raschend kam, offenbar auch dem deutschnationalen Partei­führer Hugenberg selbst. Hugenberg war offenbar im letz­ten Augenblick genötigt, seine Rede umzufrisieren,' das ist ver Grund, warum sie für die neue Situation nicht mehr jo recht paßte. Tatsache ist, daß Hugenberg in seiner Frak­tion eine restlose Niederlage erlitten hat. Er wollte abends zuvor noch die ganze Fraktion einheitlich für die Miß­trauensanträge umstimmen. Zwölf deutschnationale Ab­geordnete aber erklärten ihm, daß sie sich einem solchen Diktat nicht fügen und daß sie aus der Partei austrete» würden. Aus Angst vor der Spaltung zog es Hugenberg daher vor, sich mit der Ablehnung der Mißtrauensanträge einverstanden zu erklären und sich sogar zum Wortführer der Fraktion zu machen. Er ist also dem Druck des Land­bundes und des gemäßigten Flügels in der deutschnatio­nalen Fraktion völlig unterlegen und hat heute somit die »rößte Niederlage während seiner ganzen politischen Lauf­bahn erlitten. Zwar ist die deutschnationale Fraktion nach rußen hin noch nicht gespalten, aber der innerliche Bruch ist vollzogen, wenn Hugenberg, was seine Rede deutlich be­weist. weiterhin opponieren will.

Glückwunsch der Bayerischen Bolkspartei

Die Bayerische Volkspartei-Korrespondenz schreibt zur Ent­weihung im Reichstag:

Als Ganzes genommen hat sich der Reichstag auf seine Auf- jabe besonnen, indem er durch seine Abstimmung der Regie- ung den Weg zu regelmäßiger verfassungsmäßiger Arbeit frei- lemacht hat. Das Wagnis Dr. Brünings ist geglückt. Dem Ahnen Mut tatkräftigen Eingreifens ist der verdiente Erfolg »«schieden, zu dem man den neuen Kanzler herzlichst beglück- I

wünschen kann. Zum erstenmal seit langer Zeit ist wieder so j etwas wie ein mitreißender Führerwille in der deutschen Politik fühlbar geworden."

Ankunft -erEuropa" in Bremen

Bremerhaven, 4. April. Freitag 1.30 Uhr nachmittags kam die Europa" in Sicht. Kurz nach 2 Uhr machte sie an der Colum- bus-Kaje fest. Trotz des schlechten Wetters hatten sich viele Hunderte von Schaulustigen eingefunden. Im Trockendeckrestau­rant fand eine Begrüßungsfeier statt. Senator Dr. Apelt be­grüßte das Schiff im Auftrag des bremischen Senats. Es sei derEuropa" gelungen, jo betonte er, den Atlantischen Ozean westwärts mit der gleichen Schnelligkeit zu überqueren, wie sie von der nach glückhafter erster Reise hier vor acht Monaten be- willkommnetenBremen" ostwärts erreicht wurde. Kommodore Johnsen dankte namens der Besatzung für den herzlichen Emp­fang. Es wurde ein Begrüßungstelegramm an Rudolph Blohm gerichtet, der sich zurzeit aus dem HapagdampferAlbert Ballin" befindet. Die Stadt Bremerhaven hatte schon vorher in der Wohnung des Kommodore Johnsen als persönliches Geschenk eine silberne Schale mit roten und weißen Blumen überreichen lassen.

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Reichssinanzminister Dr. Moldenhauer im Steuerausschutz des Reichstages

Berlin» 4. April. Der Steuerausschutz des Reichstages begann mit der Beratung der Deckungsvorlagen, zu denen der Venzi«» und Benzolzoll gehört, sowie die Aenderung des Tabak- und Znckersteuergesctzes, die Mineralwassersteuer, die Aenderung der- Bierfteuer, die Erhebung der Aufbringungsumlage für 1930 und! die Verordnung über den Kraftsahrzeugsteuerzr>skbs"g.

Reichssinanzminister Dr. Moldenhauer eröffnet« die allgemein» Aussprache mit dem Hinweis, daß die Deckungsvorlage die Auf­gabe enthält, das Defizit des Etats 1930 auszufüllen. Dies« Defizit war berechnet auf etwa 292 Millionen Mark. Es hat sich aber ergeben, daß es etwas höher sein wird. Durch Ein» nahmeausfälle und Mehrausgaben wird sich das Defizit min» desteus auf 304 Millionen Mark, möglicherweise auf 315 Mil­lionen Mark erhöhen. Das hängt auch von der Gestaltung de» Etats für 1930 ab. Nach Erläuterungen über die einzelnen Ge­setze bat der Reichsfinanzminister um ein Ermächtigungsgesetz, um im gegebenen Zeitpunkt die Kapitalertragssteuer aufzuhebe» und die Kapitalverkehrssteuer zu seukeu, damit das notwendig« Einfliegen ausländischer Kapitalien erleichtert wird. Der Mi­nister bat, die Vorlagen möglichst schnell zu verabschieden. Sie müßten noch vor der Osterpause erledigt werden, weil sonst di« in der Sanierung befindliche Kassenlage wiederum gefährdet werde.

Wim« Brüning im Spiegel der -stenMen

Meinung Frankreichs

' , c» < ^ ^ L ^ ^ I agrarpolitischem Gebiet, zu verlieren, während die Linke,

Paris, 4. April. Das Kabinett Brüning hat gestern nn I ^ die Sozialdemokraten, durch eine allzu scharfe

Reichstag eine Mehrheit erreicht, die in Frankreich über- i Opposition den Vorteil der von ihnen seit Jahren betrie- rascht. Das neue Reichsministerium findet, und zwar bei ' denen Locarnopolitik preisgeben würden. Im ganzen allen politischen Parteien mit Ausnahme der auf der genommen also glaubt man in maßgebenden französischen

äußersten Linken stehenden, insofern Vertrauen, als es seine Existenz nach der hier betonten Meinung der Not­wendigkeit verdankt, rasch und unverzüglich die Finanz­reformen durchzuführen, die nach französischer Ansicht eine Gewähr für die glatte Durchführung des Youngplanes, vor allen Dingen aber eine Vorbedingung für die Kom­merzialisierung der deutschen Annuitäten aus den auslän­dischen Märkten sind. Man erblickt in Reichskanzler Dr. Brüning den starken Mann, dessen persönliche Fähigkeiten wohl geeignet seien, die ihm gestellte schwierige Aufgabe durchzuführen. Die Art und Weise, wie er seine Mehrheit zusammenbrachte, wird als ein Beweis dafür angesehen, daß er im gegebenen Augenblick unter Anwendung aller in der Verfassung vorgesehenen Mittel sich durchzusetzen verstehen werde. S

Zweifel an der Zukunft der neuen Regierung werden namentlich in der Rechtspresse laut, die mit dem Gedanken spielt, als könne Dr. Brüning die Zustimmung der Deutsch­nationalen durch irgend welche Versprechungen erkauft haben. Die Organe der Linken und die gemäßigten Par­teien jedoch sind davon überzeugt, daß in der Partei Hugen­bergs die Führung nicht mehr der Führer, sondern die Er­eignisse hatten. Sie betrachten das als ein gutes Vor­zeichen für eine etwa neue Parteigruppierung auf dem rechten Flügel der Regierungsmehrheit, die vielleicht auch neue Gruppierungen innerhalb der bürgerlichen Mittelpar­teien nach sich ziehen könnte. Was die Außenpolitik Deutsch­lands anbelangt, so ist man allgemein davon überzeugt, daß die loyale Durchführung der internationalen Verein­barungen, namentlich der Haager Abkommen, sowie das Festhalten an der Locarnopolitik nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann. Zum Beweis dessen wird vor allen Dingen die Stellungnahme des Reichspräsidenten von Hindenburg angeführt, der, wie hier gesagt wird, in ge­radezu mustergültiger Weise mit Unterstützung des jetzigen Reichskanzlers Dr. Brüning dafür gesorgt habe, daß inner­politische Erwägungen die Außenpolitik nicht beeinflussen dürfen. Selbst ein Blatt wie derTemps" gibt zu, wenn auch vielleicht die gestrige Abstimmung das Kabinett Brü­ning nicht auf die Dauer konsolidiert habe, so unterliege es doch keinem Zweifel, daß der Reichskanzler entschlossen an der bisher verfolgten Außenpolitik festhalten wolle» und wenn etwa rechtsstehende Fraktionen sich nach dieser Richtung gegen ihn stellen wollten, so müßte die Möglich­keit einer Mehrheitsbildung im Reichstag als ausgeschlos­sen angesehen werden. DasJournal des Döbats" scheint den Standpunkt zu vertreten, daß die Position des Kabi­netts Brüning deshalb keine schlechte sei, weil die rechts­stehenden Parteien befürchten müssen, durch seinen Sturz den Vorteil innerpolitischer Reformen, namentlich auf

politischen Kreisen, daß das neue Reichsministerium sich am Ruder erhalten könne und daß ihm die notwendige Zeit zur Durchführung der Wirtschafts- und Finanzrefor­men gelassen werde, die man hier in Frankreich als die Grundlage einer ständigen und fortschreitenden Entfpan- nungspolitik in Europa bezeichnet.

Ms ms Weiteres"

Berlin, 3. April. Das Ergebnis der heutigen entschei­denden Reichstagssitzung ist: Das Kabinett Brüning ist gerettet! Man kann auch sagen: Der Reichstag ist ge­rettet! In beiden Fällen muß aber der Zusatz gemacht werden: bis auf weiteres!

Mit 252 gegen 187 Stimmen sind die sozialdemokrati­schen und kommunistischen Mißtrauensanträge gegen das neue Kabinett abgelehnt worden, weil auch die deutsch­nationale Neichstagsfraktion geschlossen gegen diese An­träge gestimmt hat. In der Opposition standen also nur die Sozialdemokraten» die Kommuniste« und die National­sozialisten.

Als beim Beginn der heutigen Sitzung der National­sozialist Graf zu Reventlow die Gründe darlegte aus denen seine Freunde das neue Kabinett bekämpfen, hörten ihm nur seine engsten Parteifreunde zu. Alle übrigen Ab­geordneten debattierten laut und ungeniert über die Frage, was wohl aus der Fraktionssitzung der Deutsch­nationalen, die zur gleichen Stunde die endgültige Ent­scheidung treffen wolle, herauskommen werde. Als dann der Kommunist Rädel das Wort nahm, war schon einiges aus der vertraulichen Fraktionsberatung durchgesickert und Rädel kündigte bereits an, daß die Deutschnationalen trotz Poungplan und Polenvertrag dem Kabinett Brüning das Leben retten würden.

Reichskanzler Dr. Brüning nahm dann das Wort zu einer kurzen Erklärung, in der er die Agrarvorlagen und das Osthilfsprogramm schon für die nächsten Tage aukuu- digte. Er betonte dabei auch, daß die Anwendung des Artikels 48 nur für den Notfall und nur im Rahmen der

Verfassung geplant sei. ^ .. ,

Mit lautem Hallo wurde dann der deutschnationale Parteiführer Hugenberg empfangen, als er an das Redner­pult trat. Seine Erklärung, die langer war als man er­wartet hatte, wurde oft durch Gelachter und höhnische Zu­rufe von links unterbrochen. Er teilte zunächst nnt, daß seine Fraktion gestern noch mit -/«-Mehrheit sich für ein Mißtrauensvotum der neuen Regierung entschieden habe, nur die Rücksicht auf die Notlage der Landwirtschaft und auf die Wünsch« des Reichslandbuudes habe die Fraktion