Darum, wollt ihr Vögel hegen, dann habt acht auf die Katzen, besonders jetzt, zur Brutzeit! Diese Mahnung gilt natürlich auch dem Katzenbefitzer. Noch genießt die Katze unter allen Haustieren das Vorrecht, ihres Be­sitzers Gebiet zu verlaßen, ungestraft fremdes Eigentum zu betreten und dort dem Vogelmord nachzugehen. Die Rücksicht auf die ästhetischen Interessen des Nachbars, der an dem Gesang der lebensfrohen Vögel seine Freude hat; die Rücksicht auf die wirtschaftlichen Inter­essen der Allgemeinheit, die es sich etwas kosten läßt, die insektenvertilgende Vogelwelt in der deutschen Heimat zu hegen und zu pflegen, müßten es jedem Katzen­besitzer, der seiner Verantwortlichkeit sich bewußt ist, nahelegen, seine Tiere scharf im Auge zu behalten, und während der Brutzeit der Vögel, das ist etwa von An­fang April bis Ende Juli, wenigstens nachts, in seinem Haus oder in seinem Stall einzusperren!

Pforzheim, 27. April. Gestern nachmittag 1 Uhr landete in der Nähe unserer Stadt auf dem Feld an der Eisinger Landstraße ein MilitärballonKönig Friedrich August". Er kam von Chemnitz und war mit 4 Offizieren besetzt. Führer war Major Held von Chemnitz. Der Ballon wurde hier eingepackt und nach Chemnitz zurückgeschickt.

Pforzheim. 27. April. Die hiesige Bank Greb u. Frühauf E. m. b. H. ist insolvent geworden. Der Platz Pforzheim ist kaum beteiligt. Die Ursache wird auf Effektenverluste zurückgeführst. Die beteiligten Ban­ken in Frankfurt a. M., Paris und London gelten als gedeckt, das Kapital dagegen wahrscheinlich als ver­loren.

Württemberg

Gewerbliche Fortbildungsschule, Handwerkslehre, Gesellenprüfung, Meisterprüfung.

Unter dieser Ueberschrift sendet ein Handwerks­meister nachstehende Betrachtung, die mit ihrem Pessi­mismus einen nicht uninteressanten Einblick in die Psyche des Handwerkerstandes gestattet.

Der Handwerksmeister schreibt: Obige Einrichtun­gen sind gesetzlich geregelt und eingeführt, um einen tüchtigen, richtig rechnenden Handwerksmeisterstand her­anzubilden. Einsender dieses möchte nun den Lesern unserer Zeitung eine Anregung zu der Berechnung ge­ben:Was kostet dem Gewerbestand als solchen ein geprüfter Meister? Man berücksichtige zuerst den Lehrling. Wieviele Ungeschicklichkeiten gehen da auf Kosten des Meisters? Wieviele Stunden ist der Lehr­ling durch die gewerbliche Fortbildungsschule in drei Jahren dem praktischen Unterricht in der Werkstätte ent­zogen? Wieviel an Arbeitsverdienst geht dem Lehr­meister in drei Jahren durch den Besuch der Schule ver­loren? Wieviel an Unkosten für die Arbeitsstunde be­rechnet, kostet der leere Arbeitsplatz während des Unter­richts, dem Lehrmeister? Nebenbei, welche Gefühle er­greifen den Lehrmeister, wenn er in seiner Werkstätte die leeren Arbeitsplätze betrachtet und oft so notwendig eine Arbeit abliefern sollte und gedrängt und gepreßt wird? Weiter berechne man die Kosten der Schule, zu denen der Eewerbestand durch die Steuern seinen An­teil noch extra beiträgt. Die Kosten für die Lehrmittel, das Schulgeld, dann, nachdem die Gesellenprüfung mit ihren Kosten absolviert ist, hat der junge Geselle Ge­legenheit, je nach Lust, sich im Handwerk weiter aus­zubilden oder auch nicht, aber zum mindesten Zeit, das gelernte Theoretische wieder möglichst schnell zu ver­gehen. Beweis dafür ist die überall und allseitig aner­kannte Notwendigkeit der Vorbereitungskurse usw. zur Meisterprüfung, die auch wieder Geld und Zeit kosten.

Nun suche man den Prozentsatz zu finden, wieviele von 100 Handwerkslehrlingen die Meisterprüfung machen, und diesen wenigen rechne man die Kosten aus, die dem Eesamtgewerbestand entstanden sind, um diese, wenn es gut geht, 5 Proz. zu geprüften Handwerksmeistern zu machen. Wenn dann der geprüfte Meister ein Ge­schäft gründet, dann wird er erst geprüft werden. Wenn er dann billiger arbeitet oder liefert wie seine Kollegen, so kann er ja Kunden finden. Mit dem Meistertitel wird er nicht viel anzufangen wißen, denn nicht e i n Handwerker oder sonst jemand wird ihm ab­kaufen, wenn er seine Arbeit und Ware richtig berech­net und daneben ist ein anderer, der braucht kein Mei­ster, auch nicht einmal Fachmann zu sein, wenn dieser billiger ist, so sitzt unser Meister trocken. Ich möchte keine Summe aufstellen, die ich herausgerochnet habe. Ich möchte nur angregen, daß sich der Handwerkerstand selbst auf diese Kosten besinnt und sich nicht immer durch allerlei Schönrederei einlullen läßt, ohne selbständiges Denken. Dann lese man noch im BeiblattFür Bau­platz und Werkstatt" Nr. 1, Januar 1914Die wirt­schaftliche Entwicklung Deutschlands im ersten Jahr­zehnt des 20. Jahrhunderts". Zuerst die kolossale Stei­gerung der beschäftigten Arbeiter von 18951907 von 2 693 000 auf 4 198 000, schon fast das Doppelte. Dann lese man weiter, dagegen nimmt die Zahl der Betriebe im Jahr 1907, verglichen mit derjenigen des Jahres 1895 ab, und zwar um 100 000. Daß diese 100 000 Be­triebe, die eingegangen sind, nicht den Großbetrieben angehörten, ist doch wohl mit Sicherheit anzunehmen. Dies werden wohl die Kleinen und Kleinsten gewesen sein, die von der Vildfläche des großen Konkurrenz- Schlachtfeldes verschwunden sind.

An diesem Rückgang wird auch der geprüfte Meister nicht viel oder wahrscheinlich gar nichts aufhalten. Der Große frißt den Kleinen und wenn der Adler nichts an­deres erreicht, dann frißt er Mäuse, braucht aber dann sehr viele, bis er satt ist.

Solange jeder, ob gelernt oder nicht gelernt, geprüft oder nicht geprüft, alt oder jung, kurzum, mag er sein, was er wolle, jedes Geschäft nach Belieben anfangen und treiben kann, so lange wird es nicht beßer werden. Wenn auch ab und zu ein oder der andere geprüfte Meister mal ein gutes Geschäft hat, so haben dies nicht Geprüfte auch und noch häufiger als Geprüfte.

Freudenstadt, 27. April. Im Anschluß an die or­dentliche Amtsversammlung fanden sich am Samstag mittag im Saale des Hotels Post die Mitglieder der­selben sowie zahlreiche Beamte und Bürger aus Stadt und Amt zu einer offiziellen Abschiedsfeier für Reg.Rat Wiegandt ein, der in wenigen Tagen sein neues Amt in Riedlingen antreten wird. Die Einladung war vom Verein der Gemeinde- und Körperschaftsbeamten er­gangen, dessen Vorstand Oberamtspfleger Wünsch, die Gefühle der Dankbarkeit und Verehrung für den Schei­denden zum Ausdruck brachte. Während seiner 7jährigen Amtstätigkeit sei es Regierungsrat Wiegandt beschieden gewesen, mitzuwirken an der Hebung des mitten in einer aufstrebenden Entwicklung stehenden Bezirks. So haben sich die Einlagen in die Oberamtssparkasse in den letzten 7 Jahren verdoppelt und erhebliche Beträge sind außerdem in die Württ. Sparkasse gefloßen. Das Gebäudesteuerkataster habe betragen auf 1. Jan. 1906 rund 32 Millionen, aus 1913 aber rund 53 Millionen, also eine Zunahme in 6 Jahren um rund 21 Millionen. Das Eewerbekataster betrug 1913 932 488 -K gegen 642 241 -K im Jahre 1906. Ferner habe der steuerbare

Kapitalertrag, also die Kapitalzinsen in den letzten 7 Jahren um 859 770 -4t zugenommen, was in 7 Jahren einer Kapitalzunahme von 21)4 Millionen, gleich durch- schnitlich 3 Millionen im Jahr, entspreche. Im weiteren Verlaufe wurden noch weitere herzliche Abschiedsworte gesprochen.

Epsendorf, O.-A. Oberndorf, 27. April. Die Fa­milie des Bierbrauereibesitzers und Gasthofinhabers Joh. Sauer zur Krone hier wird von einem unerbitt­lichen Schicksal verfolgt. In den letzten Jahren strü» der Familie von 8 Kindern 7 dahingestorben, dar­unter 5 erwachsene im Alter von 1625 Jahren ste­hend, in sehr rascher Folge. Jetzt ist gestern mittag auch das Oberhaupt und der Vater der Familie im Alter von 58 Jahren gestorben. Ein schmerzliches Nieren- und andere innere Leiden haben den von Kraft strotzenden, starken Mann in kurzer Zeit dahin­gerafft. Er war in landwirtschaftlichen, aber auch sonst in weiten Kreisen geradeso wie sein Haus be­kannt. Von der Familie haben den Verlust eine Witwe und noch ein Sohn zu tragen.

Schramberg, 27. April. Am Samstag abend machte der in den 50er Jahren stehende verheiratete Uhrmacher Bernhard King, der an Herzschwäche ge­litten hatte, noch einen Spaziergang, von dem er nicht mehr zurückkam. Seine besorgten Angehörigen suchten die ganze Nacht nach ihm, konnten ihn aber nicht finden. Erst am Sonntag vormittag 8 Uhr wurde er auf dem Bühlberg am Wegrande halb be­wußtlos aufgefunden und von der Sanitätskolonne in das Spital verbracht, wo er um Mittag verschied. Die kalte Reifnacht hat sein Ende beschleunigt.

Alpirsbach, 27. April. Auf einer hier abqehal- tenen Versammlung wurde nach Vorträgen der Tier­ärzte Speidel-Oberndorf und Hohenecker-Freuden­stadt ein Ziegenzuchtverein für unsere Stadt und Umgebung gegründet. Dieser soll dem Verein Schramberg-Lauterbach angereiht und dann dieser mit einem für Oberndorf und Umgebung zu grün­denden Verein zu einem Bezirksziegenzuchtverein Oberndorf zusammengeschlossen werden.

Pfaffenhofen» O.-A. Brackenheim, 27. April. Hier ist der Totengräber Biedermann gestorben, der 46 Jahre lang das Amt des Totengräbers versah und als solcher mehr als 1100 Personen beerdigte. Das ist m?br als die hiesiae Gemeinde Einwohner zählt.

Göppingen, 27. April. Unter dem Stichwort Allzugroße deutsche Höflichkeit" wurde dieser Tage in einem Stuttgarter Blatte gerügt, daß in einem hiesigen Hotel auf dem Tisch, an dem zwei Ausländer speisten, eine kleine französische Fahne prangte und gefragt, ob man in Frankreich den deutschen Gästen zu Ehren wohl eine schwarz-weiß-rote Fahne auf­stelle. Dazu bemerkt der Hohenstaufen: Der höfliche Hotelier war Fritz Pfeifle. Wer bei ihm verkehrt, der weiß, daß jeder Ausländer, der als Gast eines Einheimischen an der Hoteltafel erscheint, seit langer Zeit sein Fähnchen auf den Tisch gestellt bekommt. Das Fähnchen, um das es sich hier handelt, war llbri- aens ein italienisches, es galt also einem deutschen Bundesbruder, den der Reisende, der das patriotische Aergernis nahm, mit einem französischen Erbfeind verwechselte. Es schadet übrigens gar nichts, wenn die Welt, die in den letzten Jahren so viel über den Eöppinger Sauherdenton erfahren hat, auch einmal etwas von der Eöppinger Höflichkeit zu hören be­kommt.

Das Iischermädchen.

39) Novelle von Björnstjerne Björnson.

Während Petra mit dem Seemann ging und plauderte, saßen der Propst und Signe im Wohnzimmer und sprachen über sie, die sie beide herzlich liebgewonnen hatten. Da kam der Oberknecht herein, und nachdem er Bericht über die Tages­arbeit abgestattet hatte, fragte er. ob jemand von den Herr­schaften eigentlich wisse, daß das fremde Fräulein des Nachts auf einer Strickleiter aus ihrem Fenster steige und wieder hinaufklettere. Er mußte seine Aussage dreimal wiederholen, ehe sie begriffen, was er meinte; denn er hätte ebensogut er­zählen können, sie klettere auf den Mondstrahlen auf und nie­der. Es war dunkel im Zimmer, und jetzt wurde es ganz still; nicht einmal die Pfeife des Propstes war zu hören. End­lich fragte er mit gedämpfter Stimme: Wer hat das gesehen? Ich habe es gesehen. Ich war aufgestanden und fütterte die Pferde: es mochte etwa ein Uhr sein. Sie stieg an einer Strickleiter herunter? Und wieder hinauf. Aber­mals langes Schweigen.

Pe'ras Zimmer lag im zweiten Stockwerk in der Ecke, die der Einfahrt gegenüberlag: sie war ganz allein dadroben; niemand außer ihr wohnte nach der Seite hinaus. Hier konnte also kein Mißverständnis vorltegen. Sie hat es wohl im Schlafe getan, meinte der Knecht und wollte sich wieder zurückziehen. Aber die Strickleiter kann sie doch nicht im Schlafe gemacht haben, sagte der Propst. Nein, das habe ich auch gedacht, und deshalb glaubte ich, es wäre am besten, wenn ich es dem Vater sagte; ich habe es zu niemand anders gesagt. Hat es außer dir noch jemand gesehen? Nein aber wenn der Vater daran zweifelt, so dürfte wohl die Strickleiter ein Beweis sein; wenn die

nicht in ihrem Zimmer liegt, dann habe ich mich vielleicht geirrt. Der Propst erhob sich scheu. Vater! bat Signe.

Bring ein Licht! sagte der Vater in einem Tone, der keinen Widerspruch duldete. Signe zündete es selbst an. Vater! bat sie noch einmal, indem sie es ihm reichte. Ja, ich bin auch ihr Vater, solange sie in meinem Hause weilt; es ist meine Pflicht, nachzusehen. Der Propst ging mit dem Licht voran, Signe und der Großknecht folgten ihm. In dem kleinen Zimmer war alles in bester Ordnung, nur lagen auf dem Tisch vor dem Bett eine ganze Menge Bücher, eins auf­geschlagen über dem andern. Liest sie des Nachts? Das weiß ich nicht, aber vor ein Uhr löscht sie das Licht nie­mals aus. Der Propst und Signe sahen einander an; man trennte sich im Pfarrhause des Abends zwischen zehn und halb elf Uhr und stand zwischen sechs und sieben Uhr wieder auf. Weißt du etwas davon? Signe ant­wortete nicht. Aber der Großknecht, der in einer Ecke auf den Knien lag und wühlte, sagte: Sie ist ja nicht allein! Was redest du da? Nein, denn es ist ja immer jemand bei ihr, der mit ihr spricht; oft sind sie sehr laut; ich habe sie um Barmherzigkeit bitten und drohen hören. Sie ist wohl in irgend jemandes Gewalt, armes Ding! Signe wandte sich ab, der Propst war leichenblaß geworden. Und hier ist die Leiter! fuhr der Großknecht fort, er zog sie hervor und stand auf. Zwei Wäscheleinen waren mit einer dritten zusammengeknüpft, die Knoten bildete und von einer Seite zur andern hinüberlief, dann in einer Entfernung von einer hal­ben Elle wieder einen Knoten bildete und so sott, bis die Leiter fertig war. Man nahm sie aufmerksam in Augenschein.

War sie lange fort? fragte der Propst. Der Großknecht sah ihn an: Wieso fort? War sie lange fort, nachdem sie heruntergekommen war? Signe stand da und zitterte vor

Kälte und vor Angst. Sie ging nirgends hin, sie stieg gleich wieder hinauf. Sie stieg wieder hinauf? Wer ging dann fort? Signe machte eine Bewegung und brach in Tränen aus. An dem Abend war wohl niemand bei ihr; das war gestern. Es war also niemand auf der Leiter außer ihr? Nein! Und sie stieg hinunter und gleich wieder hinauf? Ja.

Sie hat sie also auspropieren wollen, sagte der Propst und atmete etwas erleichtert auf. Ja, ehe sie jemand anders hinaufklettern ließ, fügte der Knecht hinzu. Der Propst sah ihn an: Du meinst also, daß dies nicht die erste ist, die sie gemacht hat? Nein, wie sollte sonst jemand zu ihr hinauf­gekommen sein? Hast du schon lange gewußt, daß jemand zu ihr kommt? Nicht vor diesem Winter, als sie anfing, Licht zu brennen; vorher war es mir nicht eingefallen, mich unter ihr Fenster zu stellen. Der Propst fragte streng: Du hast es also den ganzen Winter gewußt? Weshalb hast du es dann nicht früher gesagt? Ich glaubte, es sei jemand von den Leuten aus dem Hause bei ihr; als ich sie aber vorige Nacht auf der Leiter sah, kam mir der Gedanke, daß es jemand anders sein müßte. Hätte ich früher daran gedacht, würde ich es auch früher gesagt haben. Ja, das ist ganz klar, sie hat uns alle getäuscht. Signe sah flehend auf. Sie sollte nicht so weit von den übrigen entfernt schlafen, meinte der Knecht, indem er die Leiter zusammenwickelte. Sie sollte überhaupt nirgends mehr hier im Hause schlafen, sagte der Propst und ging; die andern folgten ihm. Aber als er hinuntergekommen war und das Licht auf den Tisch gestellt

hatte, kam Signe und warf sich ihm an die Brust.-

Ja, mein Kind! Dies ist eine bittere Enttäuschung.

(Fortsetzung folgt.)