Nr. 295.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

89. Jahrgang.

«rsHelnungrwets«: 6mal wöchentlich, «nzetgenprel»: Im Oberamt«. t»tirk Lalw fiir die einspaltige Lorgiszeile lO Psg., außerhalb desselben 12 Psg-, stevamen Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 llhr vormittag«. Telefon S.

Donnerstag, den 17. Dezember 1914.

Bezugspreis: In der Stadl mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierieljährliw, Post» bezugSpreiS für den OrtS- und NachbarortSverkehr Mk. 1.20, Irn Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Psg., in Bayern und Reich 42 Psg.

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Unsere Flotte an der englischen Küste.

(W.T.V.) Berlin. 16. Dez. Teile unserer Hoch­seestreitkräfte haben einen Vorstotz nach der engli­schen Ostküste gemacht und am 16. Dezember früh die beiden befestigten Küstenplätze Scarborough und Hartlepool beschossen, lieber den weiteren Verlauf der Unternehmung können zurzeit noch keine Mittei­lungen gemilcht werden.

Der Chef des Admiralstabs: (gez.) v. Pohl.

(W.T.B.) Berlin. 16. Dez. Nach englischen Meldungen wurden in Hartlepool über 26 Personen getötet. 80 verwundet und beträchtlicher Schaden an­gerichtet. Die Beschietzung der Festung West-Hartle- pool begann zwischen 8 und 9 Uhr früh. In Scarbo­rough find zwei Kirchen beschädigt worden und meh­rere Dächer eingestürzt. Zn Whitby soll die histo­rische Abtei teilweise zerstört sein. Die Bevölkerung flieht ins Landinnere.

Rotterdam. 16. Dez. Der "Deutschen Tageszei­tung" wird von hier berichtet: Die englische Admi­ralität teilt mit: Eine wichtige deutsche Flottenbewe­gung fand heute früh in der Nordsee statt. Scarbo- rouAh und Hartlepool wurden beschossen. Unsere Flottillen find an verschiedenen Punkten in einem Kampf mit der deutschen Flotte verwickelt. Die Ak­tion wird fortgesetzt.

London, 16. Dez. Reuter meldet, laut Depesche derDeutschen Tageszeitung", noch weitere Nach­richten über die Beschietzung von Scarborough: Das Wetter war neblig, als die Beschietzung begann. Biele Frauen und Kinder eilten in ihren Nachtklei­dern auf die Stratze. Es verlautet, datz gegen 56 Schüsse abgegeben wurden.

Aus Hüll kommt die Nachricht, datz die Behör­den von Scarborough zu früher Stunde die Nachricht von dem geplanten Angriff auf die Küste empfingen. Die Verteidigung wurde sorgfältig vorbereitet. Alle Einheiten, Artillerie und Infanterie befanden sich auf dem Posten.

Daily Chronicle" meldet aus Nero-Castle: Man glaubt, datz 3 deutsche Kreuzer an der Beschie­tzung von Hartlepool teilnahmen. Kaum hatten sie das Feuer eröffnet, als sie von 4 englischen Zerstö­rern angegriffen wurden.

* Auf die durch übermächtige feindliche Kräfte erfolgte Vernichtung unserer Äuslandskreuzer ist nun schnell die deutsche Gegenaktion gefolgt, die der Welt zeigen soll, datz durch diesen vorauszusehenden Verlust der Kampfesmut der deutschen Flotte nicht gesunken ist, im Gegenteil, datz dieser Heldenmut an­gesichts der Trauer um die verlorenen Seehelden nur neue Nahrung erhalten hat.

Es ist geradezu von vernichtender Wirkung für das Ansehen der englischen Seemacht, datz nun zum zweitenmal deutsche Seestreitkräfte ungeachtet der englischen Seeminen, ungeachtet der erdrückenden zahlenmäßigen Uebermacht der englischen Nordsee­flotte, die Nordsee durchkreuzt haben und sogar be­festigte englische Küstenplätze mit Erfolg beschießen konnten. Die beiden geschützten Hafenplätze liegen etwa auf der Höhe von Lancaster.

Es ist sehr wahrscheinlich, datz die deutsche Flotte von überlegenen englischen Kräften angegriffen ivird, und wie die Meldungen lauten, ist dies auch schon zum Teil geschehen. Wir können daher wohl in den nächsten Stunden auf schwerwiegeicke Nachrich­ten warten, denn man weitz noch nicht, wie groß die deutschen Formationen sind und welche Bedeutung deshalb dem anscheinend im Gange befindlichen Seegefecht zuzumessen ist.

! Das aber können wir heute schon sagen, wie auch der Kampf ausgehen mag, und bei dem unglei­chen Kräfteverhältnis kann leicht sine Wendung zu unseren Ungunsten eintreten, dem Prestige der englischen Seemacht ist durch diesen kühnen Angriff unserer Flotte ein weiterer empfindlicher Stotz ver­setzt worden, und wenn auch die heldenmütige Tat, was wir bis jetzt noch nicht hoffen wollen, uns wei­tere größere Seeverluste bringen sollte, die moralische Wirkung wird doch die bleiben, daß die Engländer auf ihrer Insel noch mehr in hysterische Angstanfälle geraten, datz die englische Flotte bei einem späteren Entscheidungskampf unter dieser Depression zu lei­den haben wird, und datz das neutrale Ausland die Furcht vor der englischen Seemacht wohl bald oble­gen wird.

Gehe es, wie es wolle, der wiederholte Vorstotz der deutschen Seestreitkräfte nach der englischen Küste ist eine nicht wieder gut zu machende Blamage für England.

Die Lage auf den Kriegsschauplätzen.

* Die Lage der verbündeten deutschen und öster­reichisch-ungarischen Heere auf dem östlichen Kriegs­schauplatz ist andauernd günstig. Nach der Besetzung von Lodz haben die Russen wieder starke Reserven herangezogen, und haben sich in der neueingenom­menen Defensivstellung östlich Lodz anscheinend gut verschanzt, so datz die deutschen Angriffe hier wieder langsamer vorwärts kommen. Daß unsere Truppen aber trotzdem die Offensive beibehalten, zeigt uns der letzte Generalstabsbericht, der von der Wegnahme eines starken russischen Stützpunktes zu melden weitz.

Unser kräftiger Vorstotz im Norden hat eine Ent­lastung unserer Verbündeten im Süden (Südpolen und Galizien zur Folge gehabt, wo jetzt die Russen unter schweren Verlusten an Gefangenen andauernd zurückgetrieben werden.

Auch im Zentrum der Ostfront kommen die ver­bündeten Heere vorwärts. Der Stand auf dem öst­lichen Kriegsschauplatz ist also für uns durchaus be­friedigend und, nach den feindlichen Meldungen eher noch hoffnungsreicher, als unsere offiziellen Nach­richten durchblicken lassen.

Im Westen haben unsere verbündeten Feinde beinahe auf der ganzen Front Vorstöße unternom­men, jedenfalls in der falschen Annahme, datz wir in­folge der Offensive gegen Rußland Truppenverschie­bungen vorgenommen hätten. Die Abfuhr, die un­sere Feinde auf allen Punkten erhalten haben, wird sie vielleicht eines Besseren belehren.

Datz unsere Verbündeten in Serbien wieder einen strategischen Rückzug angetreten haben, ist aus der militärischen Gesamtlage, die bei dem Kräfte­verhältnis natürlich nicht eine Offensive nach zwei Richtungen ermöglicht, und vielleicht auch aus poli­tischen Beweggründen heraus verständlich. Wir wer­den wohl auch hier bald einsehen, datz die Rückwärts­bewegung zugunsten der Gesamtlage sich vollzogen hat. *

Der deutsche Tagesbericht.

(W.T.V.) Großes Hauptquartier. 16. Dez., vor­mittags. (Amtlich.) Im Westen versuchte der Geg­ner erneut einen Borstotz über Nieuport, der durch Feuer seiner Schiffe von der See her unterstützt wurde. Das Feuer blieb gänzlich wirkungslos. Der Angriff wurde abgewiesen, 456 Franzosen wurden zu Gefangenen gemacht. Auf der übrigen Front ist nur die Erstürmung einer vom Feind feit vorgestern

' zäh gehaltenen Höhe westlich Sennheim erwähnens- ^ wert.

^ Von der ostpreutzischen Grenze ist nichts Neues zu melden. In Rordpolen verlaufen unsere Angriff- bewegungen normal. Es wurden mehrere starke ^ Stützpunkte des Feindes genommen und dabei etwa ! 3600 Gefangene gemacht und 4 Maschinengewehre ! erbeutet. Zn Südpolen gewannen unsere dort im Verein mit den Verbündeten kämpfenden Truppen Boden.

Oberste Heeresleitung.

Der österreichisch-ungarische Tagesbericht.

(W.T.B.) Wien. 16. Dez. Amtliche Mitteilung vom 16. Dez., mittags: Zn Galizien und Südpolen wird der zurückgehende Feind auf der ganzen Front verfolgt. Bei Lisko, Krasns, Zaslo und im Biala- tale leisteten gestern russische Kräfte Widerstand. Zm Dunajeztale drangen unsere Truppen kämpfend bis Zaklicyn vor. Auch Bochnia ist wieder von uns genommen. Zn Südpolen mutzten die feindliche» Nachhuten überall nach kurzem Kampfe vor de» Ver­bündeten weichen.

In den Karpathen haben die Russen ihren Vor­marsch im Latorczatale noch nicht aufgegeben. Zm oberen Tale der Wadwardnaer Vyftrzyca wurde ein Angriff der Feinde zurückgewiesea.

Die Besatzung von Przemysl unternahm einen neuen großen Ausfall, bei dem sich ungarische Laich­wehr durch Erstürmung eines Stützpunkts mit Draht­hindernissen auszeichnete. Wie gewöhnlich, wurden Gefangene und erbeutete Maschinengewehre in die Festung gebracht.

Kritische Lage der Russen.

(W.T.B.) Berlin, 16. Dez. (Nicht amtlich.) DieNordd. Allg. Zeitung" erfährt aus Bukarest: WieUniversal" aus Petersburg erfährt, meldet der Kriegsberichterstatter derNowoje Wremja" aus Russisch-Polen, datz die russische Offensive voll­kommen gescheitert ist. Die russischen Truppen be­finden sich in einer äußerst kritischen Lage. Dies ist der ungeheuren Wucht und Stoßkraft der hinden- burgischen Offensive zuzuschreiben. Die Verpflegung und die Verproviantierung der russischen Truppen stößt auf beinahe unüberwindliche Schwierigkeiten, da die Truppen von den Deutschen östlich und west­lich bedroht werden. Nur eine verzweifelte und un­geahnt starke Anstrengung oder der vollständige und allgemeine Rückzug kann die Russen aus dieser Lage retten. Auf jeden Fall aber wird es sehr große Opfer fordern. Diese Meldung des russischen Blattes, die der Zensur vor Erscheinen nicht vorgelegt wurde, hat in Petersburg die verzweifelte Stimmung noch vergrößert. Die Nowoje Wremja wurde auf Änord- nung des Gouverneurs polizeilich beschlagnahmt.

Die Kämpfe am Kanal.

(W.T.B.) Berlin, 17. Dez. lieber einen Land- sisg unserer Marine berichtet dieKreuzzeitung" aus dem Großen Hauptquartier vom 16. Dez.: Am 11. Nov. hat eine ganze französische Division bei Lombartzyde, nördlich Nieuport, einen Durchbruch zu versuchen beabsichtigt. 11 Bataillone Matrosen­artillerie und Marineinfanterie kamen dem Feind zuvor und gingen im Sturm, voran ein Marine­infanteriebataillon mit entfalteter Fahne, gegen die starke französische Stellung an. Da der Dünenflug­sand Gewehre und Maschinengewehre teilweise un- verwendbar machte, entschied das Bajonett und nach