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SchwarzwSlder TageszeitungAas den Tannen"

Vertagung der Kalipreiserhöhuug Berlin, 28. Juli. Der Reichskalirat beschloß heute einstim­mig, entsprechend dem Vorschlag der gestrigen Ausschuß» fitzung, die Erhöhung der Kalipreise zu vertagen, bis eine weitere Prüfung der Unterlagen, sowie sine Verständigung mit den Verbrauchern genauere Ergebnisse gezeitigt hat.

Amerikaner und Franzose«

London, 28. Juli. Nach Vlättermeldungen aus Reuyork ist Präsident Coolidge der Ansicht, daß die den Amerika­nern in Frankreich erwiesenen Feindseligkeiten und die Erklärung französischer Regierungsbeamter eine Bewegung in den Vereinigten Staaten auslösen werde, die sich gegen das Schuldenabkommen in Frankreich wendet und stren­gere Bedingungen fordert. Der Präsident glaube, daß in­folge der Agitation für Annullierung oder für günstigere Bedingungen die Ratifizierung des Abkommens unmöglich fein werde, wenn Frankreich sich nicht selbst bereit zeige, die Bedingungen des Abkommens anzunehmen.

Kein Nachgeben Amerikas in der Schuldenfrage Paris, 28. Juli. Nach Meldungen aus Washington hat Präsident Coolidge den gegenwärtig in der Bretagne wei­lenden Staatssekretär Mellon wissen lasten, er halte es für notwendig, daß Mellon nach Paris gehe, um mit der fran­zösischen Regierung Verhandlungen über die Schuldenfrag« zu führen. Ferner verlautet, daß die amerikanischen Bot­schafter in London und Paris sich in der nächsten Woche nach Washington begeben, um mit Coolidge über die Schulden­srage zu verhandeln. Die Auffassung des Präsidenten Coo- ldge in der Schuldensrage wird dahin gekennzeichnet, daß dieser das bisherige Entgegenkommen der Vereinigten Staa­ten gegenüber den europäischen Schuldnern für so weit­gehend halte, daß ein weiteres Entgegenkommen nicht mehr möglich sei. Er beabsichtige deshalb, an den bisherigen Schuldenabkommen keine Aenderungen oder sogar eine völ­lige Annullierung der Abkommen zuzulassen.

Die Vorgänge an der litauischen Grenze Warschau, 28. Juli. Der Regierungskommissar hat dsn gestrigenDodatek Nocey" beschlagnahmt, da er über die in Warschauer politischen Kreisen viel besprochene Mobilisie­rung der zivilen, aber bewaffneten Pilsudski-Kampftruppe der Jäger in der Gegend von Wilna und an der litauischen Grenze berichtete und darüber, daß diese Organisation Vor­bereitungen treffe, in Litauen einzufallen. DieRzeczpospo- lita" schreibt heute unter das amtliche Dementi dieser Mel­dung, daß dieses Dementi gleichfalls beschlagnahmt werde« müßte.

5 rumänische Spione in Rußland erschossen Ein russischer Schritt in Rumänien

Moskau, 28. Juli. Nach dem Beschluß des Hauptkriegs­gerichts sind 5 rumänische Spione erschossen worden. Die Spione, bei denen Aufnahmen und Skizzen über die Lag« der Roten Armee gefunden wurden, wurden bei dem Ver­such, di« russisch-rumänische Grenze zu überschreiten, verhaf­tet. Das Außenkommissariat hat durch den russischen Ge­sandten in Kiew eine Protestnote an die rumänische Regie­rung gerichtet.

Der Konflikt zwischen Staat und Kirche iu Mexiko

Mexiko, 28. Juli. In den katholischen Kirchen im ganze« Lande ist eine lebhafte Bewgung im Gange, mit RücMcht darauf, daß die übliche Form des Gottesdienstes am Sonn­tag ihr Ende findet. Messe« werden alle Halbs Stunde vor großen Mengen Andächtiger gelesen und Tausende von Kindern werden getauft. Dies wird wahrscheinlich bis Samstag Mitternacht andauern, wo die neuen Gesetzes­bestimmungen i n Kraft treten.

Nr. 174

Aus Stadt und Land.

Altensteig, den 29. Juli 1926.

Amtliches. Uebertragen wurde das Forstamt Hirsau dem Oberförster Na st in Weingarten und eine Forstmei­sterstelle der Gruppe 10 bei der Forstdirektion dem Ober­förster Evers in Obertal, ferner die Oberförsterstelle Liebenzell dem Forstassestor Pfleiderer.

Zur Stadtschultheißenwahl. Wie s. Zt. berichtet, wurde 3 Bewerbern um die Stadtschultheißenamtsstelle, die unter 30 Jahren sind, sowie einem Bewerber, der im 48. Lebens­jahre steht, nahegelegt, ihre Bewerbung zurückzuziehen. Dem haben zwei Bewerber unter 30 Jahren entsprochen, sowie der ältere Bewerber. Nicht zurückgezogen hat seine Bewerbung Stadtschultheißenamtsverweser Krapf, hier, der kandidieren. möch te. Es blieben also noch 10 Kandi- daMi, die sich um ow Stadtschultheißenamtsstelle bewer­ben. Die am kommenden Sonntag, nachmittags halb 2 Uhr in der hiesigen Turnhalle stattfindende Vorstellung der Kandidaten dürfte zur Klärung der engeren Wahl we­sentlich beitragen.

Der Verein für Lichtbildkunst Altensteig hatte auf ge­stern abend in die Vahnhofsrestauration eingeladen zu einemTechnischen Aben d", der auf der Terrasse stattfand, die in ihrer neuen Aufmachung bei warmem Wei­ter einen angenehmen Aufenthalt bietet. Gestern abend war es aber recht kühl und trotzdem kamen die Mitglie­der des Vereins zahlreich und auch Gäste und hielten wacker aus. Dies war dem Umstand zuzuschreiben, daß Herr Ar­nold Petersen aus Hamburg einen ausgezeichneten Vortrag über technische Fragen der Photographie hielt und anschließend prachtvolle Lichtbilder aus der norddeut­schen Tiefebene gezeigt wurden, die aus einem Wettbewerb stammen und zu denen Herr Petersen interessante Erläu­terungen gab. Eine Ausstellung hervorragender Bromöl­drucke von Herrn Dr. O l s h a u s e n-Schömberg, der bei der Versammlung anwesend war und auch wohlgelungene Aufnahmen, die er machte und im Lichtbilde bot, sau- - den größtes Interesse und boten nebst anderen zur Vor­zeigung kommenden Bildern einen reichen Genuß für die . Mitglieder und Freunde der Photographie. Der gestrige Abend zeigte, auch durch die Aufnahmen der Mitglieder, wie Laien ganz Hervoragende Leistungen auf photographi­schem Gebiet Hervorbringen, wenn sie mit Lust und Liebe bei der Sache sind. Jedenfalls hat der Verein hier während der kurzen Zeit seines Bestehens schon Erfreuliches geleistet. Neben dem Dank an die auswärtigen Gäste von Hamburg und Schömberg, wurde deshalb auch dem Vorstand des Vereins, Herr Mäckle, der Dank für seine Aufopferung zum Ausdruck gebracht.

Der deutsche Jrukertag in Uli» a. D. I« der Zeit vom 30. Juki bis 4. August wird die alte Donauftadt Gäste m ihren Mauern beherbergen, die für das Volkswohl sehr viel leisten. Die Bienenzüchter halten ihre Tagung, verbünde« mit bienenwirtschaftlicher Ausstellung ab. Die Tagung be­ginnt am Freitag, den 30. Juli, mit einer Vertreterver- samkung des Wnrtt. Landesvereins. Am Samstag wird die bienenwirtschaftliche Ausstellung in der Wagnersckule er­öffnet. Der Sonntag, 1. August ist als Jmkerfesttag ge­dacht. Am Montag beginne« die Fachvorträge im Saalbau. Der Dienstag und Mittwoch ist für die 64. Wanderver­sammlung der Bienenwirte deutscher Zunge belegt. Hier werde« Kapazitäten auf dem Gebiete der Ernährung und der BienenwisterüLaLt Vorträge ha t ten .

Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten durch die Las- desverficherungsanstakt. Rach einem Bericht im Amtsblatt der Landesversicherungsanstalt Württemberg mußten auch im Jahre 1925 für die Bekämpfung der Geschlechtskrank­heiten erhebliche Aufwendung gemacht werden. Die Zahl der Beratungen stieg von 800 im Jahre 1M4 auf 2257 ^ Berichtsjahr. Davon schieden wegen mangelnder örtlicher Zuständigkeit oder weil für nicht geschlechtskrank befunden aus 507, sodatz noch 1750 und zwar 967 Männer 7A Frauen und 65 Kinder unter 14 Jahren in Behandlung waren. Wenn auch der größere Geschäftsansall nicht un^ dingt für die entsprechende starke Zunahme der Neuerkran- kungen spricht, so ist aber zweifellos eine wesentliche Ab­nahme dieser Krankheiten noch nicht eingetreten. Auch im Jahre 1926 hat die Zunahme der Meldefälle gegen nur 900 iu der gleichen Zeitspanne des Vorjahres erstattet strH An Beratungskosten sind erwachsen: 23 952P0 Mk.

Wildberg, 27. Juli. (Die Sieger beim Schäferlauf.s 1. Verheiratete Schäfer: 1. Preis Eottlieb Wagner aus Nebringen, 2. Emil Schmid aus Neusten, 3. Eottlieb Bauer aus Oberjesingen, 4. Wilhelm Bauer aus Mötzingen 5. Al­bert Kienzle aus Eündringen, 6. Fritz Müller aus Unters jettingen. 2. Ledige Schäfer: 1. Sprung: 1. Preis Karl Lichtenberger aus Eochsheim, 2. Rudolf Holderle aus Owingen, 3. Robert Phillipin aus Rutesheim, 4. August Kern aus Althengstett. 2. Sprung: 1. Preis Karl Müller aus Kaiseringen, 2. Georg Mast aus Egenhausen, 3. Anton Erieble aus Kaiseringen, 4. Adolf Weiß aus Schönaich. 3. Schäfermädchen: 1. Sprung: 1. Preis Karoline Müller aus Unterjettingen, 2. Luise Böckle aus Altingen, 3. Elsa Kienzle aus Sulz, 4. Emilie Dongus aus Dürrn. 2. Sprung: 1. Preis Emma Eberhardt aus Deckenpfronn, 2. Erna Bauer aus Hausen, 3. Lina Schill aus Nagold, 4. Julie Marquardt aus Oberjettingen.

Freudenstadt, 28. Juli. (Zum Liebesdrama.) Das am Montag abend durch zwei Revolverschüsse lebensgefährlich getroffene Fräulein aus Köln ist im Bezirkskrankenhaus seinen Verletzungen erlegen.

Schramberg, 28. Juli. Im Alter von 65 Jahren ver­starb hier Rentamtmann und Verwaltungsaktuar F. Haag, der mehr als 30 Jahre das Rentamt der Eräfl. v. Bissingenschen Familie mit großer Sorgfalt verwaltet hat. Graf Cajatan v. Vissingen widmete dem treuen Beamten einen dankbaren Nachruf. Der Verstorbene hat auch an dem öffentlichen Leben Anteil genommen und war hier ge­achtet und beliebt. Er war eine zeitlang Bezirksvorsitzen­der der Zentrumspartei. Wenn die Arbeitslosig­keit weiter andauert, soll die geplante neue Straße Schramberg-Aichhalden baldigst in Angriff genommen werden.

Trossingen. Durch Beschluß des Vezirksrats sind der Gemeinde von der Oberamtssparkaste 300 000 Mark als Hilfe für die Unwettergeschädigten zur Verfügung gestellt worden, von welcher Summe 150 000 Mark sofort ange­wiesen wurden. Auch vom Staate werden Hilfsmaßnahmen erwartet, nachdem vom Ministerium des Innern Ministe­rialdirektor Schmidt und Oberregierungsrat Himmel am Donnerstag die Verheerungen in Augenschein genommen haben. Neben den Vertretern des Bezirks, die schon hier gewesen sind, wird auch die Forstdirektion die Zerstörungen in Gemeinde- und Privatwaldungen besichtigen lasten. Schwerbetroffene, die bedürftig sind, sollen einen bestimm­ten Herstellungsbetrag erhalten, den vermöglicheren wer­den amtlich festgelegte Beiträge verwilligt, die ganz gering verzinst zu werden brauchen.

Wie köstliche Perle

Original-Roman von Karl Schilling , 38) (Nachdruck verboten)

'Lin gequältes Stöhnen war die einzige Antwort. ^Sekunden schrecklicher Spannung verstrichen.

^,Ja, ja ... ich muß Ihnen-" Seine Stimme brach

<Sb.

-'Heler, erleichtern Sie Ihr Herz!"

'Man sah, wie es in Helers Seele kämpfte und rang. Endlich drang es aus dem Röcheln heraus:Charlotte" Um Gott, was ist mit ihr?" Der Doktor schrie es heraus, cr fühlte, hier war ein Geheimnis, und nur der Mund des en konnte es lüften.

^Rur jetzt nicht sterben! Fast roh rüttelte er ihn auf. DSprechen Sie, sprechen Sie! Jeder Augenblick ist kostbar!" -''Da schlossen sich die Augen des Sterbenden. Röchelnd kam Ss aus seinem Munde:

'Charlotte. . ist . . nicht . ."

Weiter, weiter, Heler, nur noch ein Wort!" In Ver­zweiflung rief es Falkner.

Aber es war zu spät.

Noch einmal versuchte der Sterbende die Worte zu bilden, jdoch es war nur ein unverständliches Gemurmel, nun ein ^langer Seufzer, ein letztes Zucken, dann Stille, Stille.

^Die Männer falteten unwillkürlich die Hände.

<Man hörte das Summen der Gasflamme. lHeler war gestorben. Sein Geheimnis nahm er mit in das Mig schweigende Grab.

-"Der Doktor ging, aber sein Herz war voll Verzweiflung. Ho nahe hatte er der Enthüllung des Geheimnisses gestan­den, und nun schlug ihm ein grausames Geschick die Tv^ zu. 'Ls war um wahnsinnig zu werden.^ lZ ^ - -

Falkner vermochte nicht in seiner furchtbaren Seelenerke«""* rig heimzukehren. Er fürchtete sich vor den schlaflosen «den auf dem einsamen Lager. ^

So durchwanderte er ziellos die Straßen der nächtlichen Stadt. Die düstere, fast unheimliche Stimmung tat seinem aufgeregten Gemüt« gut.

Die in den letzten Monaten mühsam gewonnene Ruhe war mit einem Maile verschwunden. Wieder stand Charlotte in ihrer Reinheit und Süße vor ihm, aber mit fast visionärer Kraft glaubte er den flehenden Ausdruck ihrer tiefblauen Augen zu gewahren, und mit Wirklichkeitssinn wähnt« er zu schauen, wie sie ihm bittend und hilfeheischend die Hände entgegenstreckte.

Er blieb stehen.

Unwillkürlich murmelte er Helers Sterbeworte vor sich

hin:Charlotte ist nicht-"

Er grübelte, was die Wörter ihm sagen wollten.

Der Sterbende hatte nicht vermocht, den Satz zu voll­enden. Ein einziges Wort fehlte, und doch konnte, ja mußte dieses lautentot".Charlotte ist nicht tot."

Woher wußte Heler dies? Stand er in irgend einer Be­ziehung zu der Entschwundenen? Wer waren seine Helfers­helfer? Wer konnte Interesse daran haben, daß Charlotte aus Falkners Lebenskreis schwand? Niemand, als einzig und allein Heler, der ja um sie warb, abgewiesen worden war und nun ihm und ihr Rache schwor.

Der Doktor stöhnte ans.

Ach, wer zeigte den Weg zur Losung des Rätsels, wer kün­dete ihm, wo die Geliebte weilte?

Seine Phantasie ängstigte ihn. Wie, wenn Heler die Schöne, die Reine verschleppt hätte. Ach, es streckten sich heimlich Hunderte von schmutzigen Händen nach einem schö­nen Mädchen aus!

Nein, nein, nur das nicht! Dann eher tot! So grausam konnte das Geschick nicht sein.

Der Doktor griff nach seinem wildschlagenden Herzen. Er fühlte, diese schreckliche Vermutung auszüdenken ging über seine Kraft.

' And wundersam, wie seine Angen zum dichtverschleierten EMmmel aufschauten, da zerriß im selben Augenblicke der

Wolkenschleier, und ein holder Stern lächelte friedlich und tröstend herab.

In Stunden heißer Bedrängnis ist das Herz so gläubig; da sicht es in dem kleinsten Zeichen den Ausdruck und das Symbol der Rettung und des Trostes.

So erging es auch dem Doktor. Wie Friede senkte es sich beim Anblicke des milden Sternes in sein Herz.

Gegen Morgen kam er heim.

Er hielt es für seine Pflicht, Frau Fertas von dem Kunde zu geben, was ihm die Nacht an Erlebnissen gebracht hatte.

Frau Fertas geriet außer sich. Ein wilder Seelensturm wütete in ihr, daß er für ihren Verstand fürchtete. Bald lachte sie, bald weinte sie, schrie auf vor Schmerz und war einige Tage der Tobsucht nahe.

Wer weiß, ob dieser Zustand nicht ihr zartes Leben ge» brachen haben würde, hätte nicht Falkner verstanden, jo gütig und mild ihr zuzusprechen, ihr darzulegen, wie nur Ruhe und Fassung zum Ziele führen könnten und «teer es als seine« Lebenszweck anseihe, die Spuren, die der ster­bende Heler angedenket, aufs neue zu verfolgen.

Und nun kamen wieder Wochen unausgesetzter Aufregung.

Die sofort benachrichtigte Polizei hatte Helers Leichnam beschlagnahmt. Das Ergebnis bot nichts Neues. Die Recher­chen nach dem Täter erwiesen sich als erfolgreich. Schon am anderen Abend ergriff man ihn in einer Winkelkneipe.

Aber das Verhör, die Untersuchung, förderte in der An­

gelegenheit Lharlottens nichts zutage.

Die beiden Männer waren bei Erörterung einer porm- schen Frage in Streit geraten. Heler hatte dabei dem anderm ein grobes Schmähwort zugerufen. Da hatte dieser in Wut sein Messer ergriffen und jene schreckliche Tat voll­

bracht.

Der Missetäter wußte nicht einmal den Name« Charge, Fertas. Selbst das gründlichste und peinlichste Kreuzveryor ergab nichts anderes, als daß er in keiner Weise an vemj Verschwinden des Mädchens beteiligt oder ern Kompzrze

Helers sein konnte. . .

(Fortsetzung kolak)