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Schwarzwiilder TageszeitungAus den Tannen*

Nr. 145

dah in der gegenwärtigen Zeit ein Teil der Mieterschaft eine Erhöhung der Miete schwr empfinden würde, fand es aber an­dererseits auch verständlich, dah sich der Hausbesitz gegen eine einseitige Belastung wehrt. Auf jeden F all werde eine Umlage zu technischen Schwierigkeiten führen. Abg. Winker (Soz.) wandte sich gegen den partikularistischen Schwanengesang des Abg. Bock und gab dem Zentrum den Rat, seine Wünsche bei der eigenen Reichstagsfraktion vorzutragcn. Abg. Mergentha­lei (völk.) machte die Zustimmung zu dem Entwurf davon ab­hängig, dah nicht nur der Landwirtschaft, sondern auch anderen Schichten Vefreiunge gewährt werden. Abg. Mautbe (Dem.) kündigte eine Steigerung der Erregung in Wirtschaftskreisen ge­gen die Gebäudeentschuldungssteuer an. Finanzminister Dr. Deblinger betonte noch gegenüber dem Vorredner, dah der Entwurf der Wirtschaft unter die Arme greife und sie entlaste. Der kommunistische Antrag, die Rente der Königin zu streichen, wurde bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten gegen die Stimmen der Kommunisten abgelehnt. Der Antrag Dr. Häcker (B.B.) betr. bedeutende Ermäbigung der Erund- erwerbssteuer wurde angenommen und der Jnitiativgesetzent- wurf auf Aenderung des Schullastengesetzes mit 44 gegen 27 Stimmen der Demokraten, Sozialdemokraten und Kommunisten abgelehnt, desgleichen der kommunistische Antrag, das Schul­lastengesetz von 1925 sofort außer Kraft zu setzen, ferner ein Aus­schußantrag auf alsbaldige Beseitigung der Eemeindegetriinkc- steuer. Angenommen wurde der Ausschuhantrag betr. Dienstprä­mien für Waldarbeiter, abgelebnt wurde der soz. Antrag betr. Aufwandsentschädigung für die Förster und der komm. Antrag auf Aufhebung der Ministerialzulagen, desgleichen der Antrag Rath (D. Vv.) betr. eine andere Staffelung der Schullasten und der Antrag Pollich (Ztr.) betr. schrittweise Uebernahme der per­sönlichen Schullasten auf den Staat, dagegen angenommen der Antrag August Müller (BB.) betr. Berücksichtigung der finan­ziellen Lage des Landes und der Gemeinden beim Finanzaus­gleich. Zur Eebiiudeentschuldungssteuer wurden die Ausschuh­anträge angenommen, wonach die Gebäudeentschuldungsstencr beträgt zur Förderung des Wohnungsbaues 20 Prozent, des staatssteuerpflichtigen Gebäudekatasters, zur Deckung des allge­meinen Finanzbedarfs der Gemeinden 9 Prozent des gemeinde- pflichtigen Eebäudekatasters. F-rner wurde angenommen die Ausnahmebestimmung der landw. Gebäude und der Antrag Dr. Wider betr. völligen oder teilweisen Nichteinzug der Steuer bei entsprechenden wirtschaftlichen Verhältnissen. Dagegen wurde abgelebnt der Antrag Roth (Dem.) btr. Erlassung, Rückerstat­tung oder Niederschlagung der Steuer.

Beendigung der zweiten Lesung des Etats im Landtag Stuttgart, 24. Juni. Der Landtag genehmigte am Donners­tag zunächst den 4. Nachtragsetat, demzufolge der aus der Er­höhung der Kraftwagensteuer in Aussicht stehende Steuermehr­ertrag von 1,1 Millionen für 1926 und 1,7 Millionen für 1927 zum Umbau der Staatsstraßen mit starkem Kraftwagenverkehr verwendet werden. Dann wurde die Beratung des Finanzetats zu Ende geführt. Beim Kav. 81 (Grund-, Gebäude- und Ge­werbesteuer teilte der Finanzminister Dr. Dehlinger mit, dah die Neugestaltung der Gewerbesteuer in Bearbeitung sei und dah das Gesetz unter Rückwirkung auf 1. Avril 1926 Ende September dem Landtag, vorgelegt werde. Verschiedene soziali­stische und kommunistische Anträge zu diesem Kapitel wurden abgelehnt. Zum Kav. 82 (Eebäudeentschuldungssteuer) wurde mitgeteilt, dah infolge der gestern beschlossenen Milderungen der Reinertrag dieser Steuer nur noch 23,4 statt 35,6 Millionen beträgt. Davon entfallen für die Wohnungskreditanstalt 11,1 statt 13,6 Millionen. Dieser letztere Rückgang wurde von mehre­ren Rednern bedauert. Der Finanzminister erklärte, dah die bis 1. Avril 1926 eingekommenen Baugesuche ausnahmslos be- schieden werden. Von den später eingekommenen Gesuchen sol­len zunächst die dringendsten Berücksichtigung ifnden. Für die neuen Gesuche müssen die Mittel auf dem Wege der Anleihe aufgebracht werden. Bezüglich der Beteiligung des Staates an den Jura-Oelschieferwerken im Betrag bis zu 1 Million Mk. bezweifelte der Abg. Roth (Dem.), daß das Werk in Holz­heim sich jemals rentieren werde. Der Abg. Pflüger (Soz.) vertrat dagegen die Auffassung, dah das in das Werk gesteckte Geld nicht binausgeworfen sei und der Finanzminifter trat eben-

Die köstliche Pcrle

. ' Original-Roman von Karl Schilling

15) (Nachdruck verboten)

Dennoch war es ihm fast unglaublich gewesen, als er eines Morgens erwachte und in seinem Bewußtsein die Tat­sache vorfand, daß er sich am vorhergehenden Sektabend bei Wohlbrinks heimlich mit Theosine verlobt hatte. Anfangs erschrak er über diesen Schritt. Als Ehrenmann mußte er aber handeln. Schon acht Tage später wurde das Verlöbnis öffentlich proklamiert und er war der vielbeneidete Bräu­tigam der Millionärstochter.

Die Hingabe an seinen Beruf, die Fülle seiner Arbeit, die Feste im Hause Wohlbrink ließen ihm grübelnde Ge­danken gar nicht aufkommen. Und nun wollte ihn gar dieser schöne Märztag nachdenklich und schwermütig machen? Nein und abermals nein!

Er schaute sich um. Kein Mensch war zu erblicken. Der Doktor nahm seinen Hut vom Kopse, stieß einen Juchzer aus und warf ihn, wie ein Schulbube, hoch in die Luft, um ihn dann springend wieder aufzufangen.

Wenn er glaubte, niemand sei Zeuge seiner Lebensfreude gewesen, irrte er sich doch.

Durch ein breites Dornengestrüpp gedeckt, hatte ein Mann mit arglistigen Augen das sonderbare Gebühren des Dok­tors beobachtet.

Es war Heler. In einem Eifer, der einer edlen Sache würdig war, umlauerte er Falkner, hatte dessen Wohnung ausspioniert und schlich ihm nun in schützender Entfernung nach.

^etzt der Freudenruf des Doktors! Gab das nicht zu den­ken ? Ja, Frau Kommerzienrat sollte Bericht erhallen, aenau und gründlichst!

Keine Minute ließ er sein Opfer aus dem Auge. Mit erstaunlicher Geduld harrte er sogar, als Falkner in eine kleine Dorfschenke trat und kurze Rast hielt.

< Gegen sieben Uhr langte Falkner daheim an.

falls dem übertriebenen Pesimismus des Abg. Roth entgegen. Das Staatsbauhaltsgesetz vurde genehmigt. Der Fehlbetrag für 1926 beträgt jetzt 3 359 (94, der für 1927 2 400 454 RM., zu­sammen 6 259 548 RM. Der Steuersatz der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer wurde vm 5,5 auf 7 Prozent als Ausgleich für die Milderung der Gebcudeentschuldungssteuer erhöbt. Da­mit war die zweite Lesung d>s Etats beendigt, die dritte Lesung erfolgt in der nächsten Sitzung am Samstag. In der gleichen Sitzung werden dann auch noch zweite und dritte Beratungen einiger kleiner Gesetzentwürfe vorgenommen. Auch die neue Geschäftsordnung steht auf der Tagesordnung dieser Sitzung, nach der sich der Landtag in die Sommerferien begeben wird.

Aus Stadt und Land.

Altensteig, den 25. Juni 1926.

Amtsversanmlung in Nagold

Am gestrigen Donnerstag fand im Rathaussaal in N a- gold unter dem Vorsitz von Oberamtmann Baitinger die diesjährige ordentliche Amtsversammlung statt. Diese hatte diesmal einige wichtige Punkte auf der Tagesordnung, so die Neubesetzung der Oberamtspfleger­stelle, welche durch den altershalber erfolgten Abbau von Oberamtspfleger Rapp notwendig wurde, den Antrag auf Erstellung eines zweiten Bezirkskrankenhauses in Alten­steig und den Antrag auf Erweiterung und Verbesserung des Bezirkskrankenhauses in Nagold, weshalb dieser Ta­gung allgemein mit Interesse entgegengesehen wurde. Oberamtmann Baitinger eröffnete die Amtsversamm­lung mit Bsgrüßungsworten, widmete dem verstorbenen Amtsversammlungsmitglied Schultheiß Ziegler in Schönbronn einen Nachruf und zum ehrenden Gedenken desselben erhoben sich die Anwesenden von ihren Sitzen. Er gedachte dann einiger durch Krankheit abwesenden Amts­versammlungsmitglieder, besonders des Stadtschultheißen Welker von Altensteig, welcher infolge seiner Krankheit zurllcktrete, was besonders zu bedauern sei. Er hob die Ob­jektivität und Sachlichkeit desselben hervor und betonte, daß er sich große Verdienste erworben habe. Er bedauerte, daß Stadtschultheiß Welker nicht nur von seinem Amt zu­rllcktrete, sondern daß er auch eine Wiederwahl in den Be­zirksrat abgelehnt habe und wünschte ihm eine baldige Wiedergenesung. Der Vorsitzende begrüßte dann die neu eingetretenen Mitglieder der Amtsversammlung und warf einen Rückblick über das abgelaufene Jahr, das unter dem Einfluß der verheerenden Krise der Wirtschaft ge­standen, die eine Folge des Versailler Vertrags sei. Auch die in unserem Bezirk vorherrschende Landwirtschaft liege darnieder. Sie leide unter den niederen Preisen ihrer Er­zeugnisse, an dem letztjährigen Obstausfall und der zuneh­menden Verschuldung. Er wies auf die große Arbeitslo­sigkeit im Reiche hin, die sich jedoch in unserem Bezirk er­freulicherweise nicht so sehr auswirkte, wo nur 8 Arbeits­lose auf 1000 Einwohner kommen. Er gedachte dankbar der Gemeinden, die dem Erwerbslosenelend gesteuert und be­tonte, daß die Wirtschaftskrise auch auf die Finanzen der Amtskorporation wirke, denn von der Staatssteuer seien nur drei Viertel, von dem Amtsschaden nur ein Viertel be­zahlt. Infolgedessen sei die Oberamtspflege auf Schulden angewiesen. Das Wohlfahrtsamt hat im letzten Etatsjahr ausgegeben für Kleinrentner 29 000 Mark, für Minder­jährige 13 200 Mark, für Sozialrentner 27 900 Mark, an Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene 2000 Mark und für Wochenfürsorge 1300 Mark. An dem Gesamtaufwand von rund 73 500 Mark wurden ersetzt von der Staatskasse 18 400 Mark, vom Landesfürsorgeverband 8 200 Mark, von den Gemeinden wurden 13 700 Mark bezahlt, von einem anderen Bezirksfürsorgeverband 300 Mark. Der Restaufwand, welcher der Amtskörperschaft endgültig für 1925 verblieb, beläuft sich auf rund 33 000 Mark, im Vor­jahr belief er sich auf 30 400 Mark. Da der Landesfür-

- sorgeverband seine Kosten wieder auf sämtliche Amtskör­perschaften des Landes umlegt, so mußte die Amtskörver-

° schaft Nagold hieran im Jahre 1925 17 800 Mark bezahlen i gegenüber 13 400 Mark im Vorjahr. Trotz der schlechten

- Wirtschaftslage sei ein erfreulicher Fortschritt im Spar- j wesen zu verzeichnen, sodaß es bei Eirokasse und Oberamts- j sparkasse doch langsam wieder aufwärts gehe. Dank des i zunehmenden Vertrauens und der zunehmenden Sparsam­keit seien die Verhältnisse bei der Oberamtssparkasse

! der besser geworden. Der Bezirksrat werde seiner Aufgabe j weiter im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden suchen i Der Vorsitzende erwähnt dann, wie das Gewitter der Ober- ? ämteraufteilung vorübergezogen sei. Ob dabei auch der s Nagolder Bezirk zur Aufteilung vorgesehen gewesen sei ^ habe nicht festgestellt werden können, aber die Gefahr sei i vorhanden gewesen und es sei mit Befriedigung festzustel- j len, daß sie vorübergegangen sei. Er gab der Hoffnung ! Ausdruck, daß der Bezirk weiter blühen und seiner Aus- ' gäbe gerecht werden möge.

i Es wurde in die Tagesordnung eingetreten ! welche zunächst die üblichen Wahlen vorsieht, diesmal auch i die Neuwahl der Vezirksratsmitglieder i Da Stadtschultheiß Welker-Altensteig gebeten hatte, von j seiner Wiederwahl abzusehen, so wurde von Altensteig an j seine Stelle Sparkassendirektor W a l z-Altensteig vorge- ! schlagen, welcher die Erklärung abgibt, daß er nach der s Wahl des neuen Stadtvorstands von Altensteig zu dessen s Gunsten aus dem Vezirksrat zurllcktrete. Mit dieser Aen- i derung wurden sämtliche seitherigen Bezirksratsmitglie- s der wiedergewählt. Siebenerausschuß und Für­sorgeausschuß wurde in der seitherigen Zusammen- s setzung wiedergewählt. Diesen Ausschüssen wird also auch i Stadtschultheiß Welker-Altensteig weiterhin -angehören, s Der Steuerausschuß wurde nach den Vorschlägen des s Bezirksrats gewählt. Der Vorsitzende betonte, daß man

> bemüht gewesen sei, dabei alle Erwerbsstände zu berücksich- ! tigen. Zum Schriftführer des Vezirksrats r und der Amtsversammlung wurde wie seither ! Obersekretär Bohlinger einstimmig gewählt. Die jähr- j liche Entschädigung beträgt Mark 200.. Genehmigung ^ fand ein Vertrag mit der Stadt Nagold bezüglich der neu

> zu errichtenden Landw. Winter sch ule, für welche

> Nagold den leerstehenden 2. Stock der Präparandenanstalt ! unentgeltlich zur Verfügung stellt, zunächst auf 3 Jahre, i An dem einmaligen Bauaufwand zur Herrichtung der

> Schullokale, der auf 2000 Mark veranschlagt ist, über­nimmt die Amtskörperschaft 500 Mark, ebenso die laufen-

j den Aufwendungen außer dem Lehrerhonorar, das der i Staat bezahlt. Der Fürsorgeaufwand für Kranke ; usw., der seither mit 25 Prozent von den Gemeinden ge- s tragen wurde, wird künftig von dem Bezirksfürsorgever- i band entsprechend dem Vorschlag des Bezirksrats über- ' nommen. Einer notwendig gewordenen Aenderung i der Satzung des württ. Sparkassengiro- i verbandes, die nur formelle Bedeutung hat, wurde zugestimmt. Bezüglich der Aufwertung der Pa- , p i e r m a r k s ch u l d e n der O b e r am t s pf lege ! wurde entsprechend dem Antrag des Bezirksrats beschlossen, s daß die Markanleihen alten Besitzes, welche von Obrr- i amtspflege und Krankenhausverwaltung ausgenommen

- worden sind, zu 12,5 Prozent aufgewertet werden. Ferner ^ bestimmt der Beschluß, daß die Aufwertungssumme voy ^ 44 225 Mark in 20 Jahresraten zurückbezahlt wird. Die : gesetzliche Tilgungsdauer wurde also von 30 auf 20 Jahre ^ herabgesetzt. Auch sollen die Zinsbeträge von 6 Prozent

nicht erst bei der Einlösung der einzelnen Ablösungsan- ' leihen, sondern für jeden Inhaber dieser Anleihen all- s jährlich, erstmals auf 1. Januar 1927, bezahlt werden. Der , Vorsitzende glaubt, daß man damit auf die betrogenen ' Sparer Rücksicht genommen habe. Schultheiß Wagner- Spielberg war dagegen der Ansicht, daß man sich an dem durch die Aufwertung vorgesehenen Betrug nicht beteili­gen solle und meinte, man solle mit dieser Aufwertung ab- warten bis das Volksbegehren der Sparer erledigt ist.

Der Mittwochabend gehörte ihm. Das war die einzige Freiheit, die er sich bei der Verlobung seiner Braut aus- bedungen hatte. An dem Mittwochabend hielt er schon seit Jahren unverbrüchlich fest.

An diesen Abenden schuf er in der Welt des Geistes. Ein großes, wissenschaftliches Werk sollte hier entstehen und einst den ärztlichen Kreisen seine Studien offenbaren. Er schrieb eine tiefgründige Abhandlung über Nervenkrankheiten.

Man sah es dem Doktor an, daß sein Sinn und sein Herz ganz bei der Arbeit waren. In Denkerfurchen lag seine Stirn, seine Augen leuchteten, und mit markigen Zügen schrieb seine Hand die Erlebnisse seiner Beobachtungen und die Schlüsse seines Forschens hin.

Erst nach Mitternacht stand er von seinem Studiertische auf und überblickte, was er geschaffen. Das Werk neigte sich dem Ende zu. Kam dann das Glück, der Ruhm? Wer konnte es wissen!

So strich Tag für Tag i>m Lebenskreise Falkners hin, an­scheinend gleich wie die Zeiten vorher: Früh Arbeit in der Klinik, dann Krankenbesuche, nachmittags Vertretung für Haufeld, dann wieder Visiten.

Die freien Nachmittage und Abende gehörten Theofcne. Theater, Konzerte, Einladungen, Hausbülle, Spazierfahrten, alles wie früher, und doch war über Falkners Leben Neues gekommen, etwas, dem er selbst noch keine Beachtung schenkte und von dem er selbst nicht empfand, wie tief und einschnei­dend es für sein Dasein werden sollte: das waren die Be­suche bei Frau Fertas.

Anfangs kam er nur als Arzt, als nichts anderes. Aber seltsam, mit jedem Male wurden ihm die Gänge dorthin lieber. Sein Aufenthalt dehnte sich über die übliche Be­suchszeit weit hinaus; ja, ein so trauter Zauber von Heim­glück und Jugendsonne umspann ihn, daß er sich die Er­laubnis erbeten hatte, auch zu Zeiten kommen zu dürfen, an denen er sonst nicht Krankenvisiten unternahm.

Es war Tatsache, daß ihn eine Sehnsucht zu Frau Fertas trieb, eine starke, dunkle Sehnsucht, über deren Ziel und Ursprung er sich nicht Rechenschaft geben wollte.

So hatte er sogar seine Braut in den letzten Wochen unter leichten Vorwänden einige Abende entzogen und war zu Fertas gegangen, ja selbst den ihm lieben Samstagstamm- ttsch seiner ärztlichen Kollegen versäumte er und weilte da­für bei Charlotte und ihrer Mutter.

Den ganzen Sonntag darnach lag es wie Sonnenglück über seinem Antlitz, daß Theosine verwundert ihn befragte, was ihn denn so heiter stimme.

Da wurde er still, verstummte und erschrak. Er ent- sann sich, wie gemütlich, wie traut es gestern bei Fertas gewesen war.

Die Mutter erfreute sich wieder ihrer Gesundheit; nur noch eine leichte Schwäche verriet den überstandenen Krank­heitszustand.

Charlotte hatte eine Taste Tee aufgeg-ossen und ein ganz schlichtes Abendbrot zubereitet, und doch war ihm so wonne­sam, so wunderglücklich bei diesen Leuten gewesen.

Als sie dann von ihren Jugendtagen plauderten, als all das Vergangene grüßend und lächelnd an ihrem Geiste vor» überzog, als die Macht der Kindheitsgefühle sich hob, da legte es sich selig, so märchentraut um sein Herz, datz er Mühe hatte, die drängenden Tränen zu verbergen.

Charlotte aber schaute mit sinnenden Rätselaugen in das gedämpfte Licht der Lampe.

Und dann, nach vielen Bitten, griff sie zu ihrer Gui- tare, die noch wie früher an derselben Stelle an der Wand hing.

Leise, zart rissen ihre Finger die Saiten an, schwermütig erklangen die weichen Mollakkorde, und dann sang sie mit ihrer feinen, verschleierten Stimme das Lied, das doch erst in dieser Stunde so recht zur Seele ging:

Aus der Jugendzeit,

Aus der Jugendzeit Klingt ein Lied mir immerdar.

O wie liegt so w ,t,

O wie liegt so weit,

Was mein, was mein einst war!" >

(Fortsetzung folas,^