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Schwarzwälder Sonntagsblatt"

Nr. 20

gefeiert hatte, starb ihr Onkel. Das war wieder ein schwe­rer Verlust. Aber voll Eottvertrauen und fester Hoffnung trug sie das Leid und schaute getrosten Blickes in die Zu­kunft. Nur ein Kummer nagte an ihrem Herzen, nämlich das schöne Heim verlassen zu müssen, in dem sie so glückliche Tage verlebt hatte. Aber auch dieser Zweifel wurde bald gehoben. Einige Tage nach des Onkels Beerdigung wurde sie zum Notar gerufen, der ihr freundlich erklärte, daß ihr Onkel sie zu seiner Alleinerbin eingesetzt habe als Lohn und Dank für die gute und aufopferungsvolle Pflege, die sie ihm zuteil hat werden lassen.

Fortsetzung folgt.

Dir Entstehung der Tnrdine.

Die Natur verfügt über ungeheure arbeitsfähige Kräfte, die unmittelbar in den Dienst des menschlichen Betriebes gestellt werden können, nämlich die Ausnützung der Was­serkräfte in ausgedehntem Mähe. Allerorts sieht man heute gewaltige Stauanlagen und Turbinenwerke ent­stehen, die weite Länderstriche mit elektrischer Kraft ver­sorgen. Die so durch die weihe Kohle erzeugte elektrische Energie wird meilenmeit bis zur Verbrauchstelle geleitet. Ganz ungeheure Leistungen hat da unsere moderne Tech­nik schon vollbracht und vollbringt sie noch weiter.

Die Ausbildung der Wasserräder, jenes ehrwürdigen Ueberbleibsels früherer Jahrhunderte, ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ganz besonders, seit die Ausnützung der fließenden Gewässer zur Erzeugung von elektrischer Energie in großem Maßstabe herangezogen wird, aus eine wunderbare Weise fortgeschritten. Die ganze Entwicklung des Baus unserer Wasserkraftmaschinen oder Turbinen hängt eng mit der Bedürfnisfrage zusammen. Und das Bedürfnis reicht Jahrtausende zurück. Uns ist der Erfinder des Wasserrades, des Vorläufers der Turbinen, völlig unbekannt geblieben. Jedenfalls ist aber die An­wendung der Wasserräder, der sogenannten Strom- oder Stauräder, uralt, sie dienten vornehmlich zum Antrieb von Getreidemühlen und sind den historischen Nachrichten zu­folge schon den alten Aegyptern und Assyrern sowie auch den Chinesen bekannt gewesen. Die älteste genaue Be­schreibung einer Wassermühle stammt von Vitruvius Pol- lio, dem Kriegsbaumeister Caesars, etwa aus dem Jahre 11 vor Christi Geburt. In Deutschland traten sie erst im 4. Jahrhundert nach Christi Geburt auf. Bemerkenswert ist aber, daß schon frühzeitig neben den Stromrädern auch Schaufelräder mit senkrechten Achsen, ähnlich wie unsere heutigen Turbinen, vorgeschlagen wurden. Jedoch erst im 16. und 17. Jahrhundert fing man an, über die Wirkungs­weise und Konstruktion der Wasserräder wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen. Hierüber geben uns die WerkeMaschinae novae Faustii Verantii" (um 1600 in Venedig) sowieKünstlicher Abriß allerhand Wasser-, Roß- und Handmühlen durch den Edlen und Besten Herrn Jacobum de Strada (Frankfurt a. M., 1629) Aufschluß.

Der rechte Ausbau der Wasserkraftmaschinen jedoch be­gann erst im 18. Jahrhundert, nach dem David Bernvulli im Jahre 1730 die Reaktionswirkung des Wassers bewiesen und Segner in Göttingen im Jahre- 1750 sein bekanntes Reaktionsrad konstruiert hatte. Im gleichen Jahre ent­wickelte bereits Leonhard Euler die Turbinentheorie aus­führlich. Euler war der erste, der vorschlug, das Waffe» dem Laufrad durch gekrümmte Schaufeln zuzuführen und wurde somit der Erfinder des Leitapparates. Eine Ver­vollkommnung in mathematischer Beziehung erfuhren die Wasserräder noch durch die im 18. Jahrhundert angestellten Untersuchungen von Parent, Borda, Eerstner, Lineaton und Vossul.

Der Name Turbine rührt von Burdin her, der im Jahre 1824 ein horizontales Wasserrad seiner Erfindung so benannte. An der Vervollkommnung der Wasserräder hat der französische Artilleriekapitän Poncelet hervorragenden Anteil, der im Jahre 1825 ein nach ihm benanntes Wasser­rad konstruierte. Er brachte mit seinen gekrümmten Schau­feln, die die Energie des Wassers ohne Stotz und Schlag und dadurch auch ohne erhebliche Kraftverluste in Rotation umsetzten, den ersten belebenden Zug in die Entwicklung der Wasserkraftmaschinen. Im Jahre 1826 hatte dann die Societe d'encouragement in Paris einen Preis von 6000 Franken für Herstellung einer brauchbaren Turbine aus­gesetzt. Lange Zeit waren die Bewerbungen ohne Erfolg, bis es erst im Jahre 1833 dem französischen Zivilingenieur Fourneyron gelang, den Preis mit der nach ihm beannten Turbine zu erlangen. Bereits im Jahre 1837 haben sich dann die Deutschen im Bau von Turbinen führend hervor­getan. Es war die Firma Henschel u. Sohn in Cassel, die ein Patent auf ihre Axialturbine erhielt. Im gleichen Jahre ließ sich der Werkmeister Jouval in Mülhausen eine ähnliche Turbine patentieren. Diese Henschel- (Jou- val-)Turbinen waren bis Ende des 19. Jahrhundert in Deutschland führend gewesen. Die erste Turbine solcher Art wurde im Jahre 1841 in Holzminden in Tätigkeit ge­setzt. Sie hat im Laufe der Jahrzehnte manche vervoll­kommnende Abänderung erfahren. Hervorgetan im Tur­binenbau hat sich ferner der Schweizer Zuppinger. Im Jahre 1849 schuf dann der amerikanische Ingenieur Fran­cis seine erste Turbine mit äußerer Beaufschlagung. Anre­gend hierzu haben die bahnbrechenden Werke des Karls­ruher Professors Rettenbacher gewirkt, dessen Anregungen leider in Europa unbeachtet blieben. Hervorragenden An­teil an der Vervollkommnung der Turbinen hatte auch Ei- rard, dessen Erfindungen ebenfalls grundlegend für den Bau von Wasserkraftmaschinen waren. Den letzten An­schlag zur Vervollkommnung der Turbinen, wie wir sie

heute in ganz gewaltigen Ausmaßen entstehen sehen, gab im Jahre 1880 der Ingenieur Pelton mit seinem Pelton-

rad.

Von dieser Zeit an hat der Vau der Turbinen unauf­hörlich gewaltige Fortschritte gemacht, und es werden heute Millionen von Tonnen Kohlen durch die Ausnützung der Wasserkräfte, den weißen Kohlen, wie man sie genannt hat, ersetzt. R. W. M.

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^ Emanuel Eeibel

! Wer recht in Freuden wandern will, der geh der Sonn' ! entgegen! Da ist der Wald so kirchenstill, kein Lüftchen s mag sich regen. Noch sind nicht die Lerchen wach; nur im j hohen Gras der Vach singt leise den Morgensegen.

Die ganze Welt ist wie ein Buch, darin uns aufgeschrie- s ben in bunten Zeilen manch ein Spruch, wie Gott uns treu « geblieben. Wald und Blumen nah und fern und der Helle Morgenstern sind Zeugen von seinem Lieben.

s Da zieht die Andacht wie ein Hauch durch alle Sinnen s leise; da pocht ans Herz die Liebe auch in ihrer stillen i Weise pocht und pocht bis sich's erschließt und die Lippe überfließt von lautem jubelndem Preise.

Und plötzlich läßt die Nachtigall im Busch ihr Lied er- ' klingen; in Berg und Tal erwacht der Schall und will sich - aufwärts schwingen, und der Morgenröte Schein stimmt . in lichter Glut mit ein:Laßt uns dem Herrn lobsingen!"

! Bom Wandern

! Run ist sie wieder da, die frohe Zeit des Manderns, Hat > auch der Winter für den echten Naturfreund, für den gesun­den Menschen längst seine ihm angedichteten Schrecken ver- i loren, so sinds doch die lauen Lüfte des Frühlings, der warme Strahl der Sonne, die uns hinauslocken und das Herz wieder aufjubeln lasten, wenn der Wald sein grünes Laubdach über uns spannt und in den Wipfeln das Gezwit­scher der Vögel erschallt.

Wandern kann jeder: Dazu ist keiner zu jung oder zu alt, keiner zu arm oder zu reich, da muß man nur ein ewig jun­ges Herz mitbringen und Augen, die das Schöne zu sehen verstehen. Und welch Gefühl der Freude nicht nur, sondern auch der Kraft strömt durch den ganzen Körper, wenn die Glieder den Tag über sich ordentlich geregt haben. Gesun­der Schlaf ist der erste Lohn guten Werkes, neue Kraft und Schaffensfreude zur Berufarbeit des Alltags weiterer Ge­winn.

Aber wie alles im Leben, so will auch das Wandern ge­lernt sein. Man darf nicht einfach der Landstraße nach von Dorf zu Dorf ziehen und dabei womöglich noch in jedem Ort das Gasthaus heimsuchen, man soll auch nicht kreuz und quer ohne Ziel und Sinn im Wald herumlaufen, nur um ja mit möglichst wenig Menschen zusammenzutreffen, man soll weder Kilometer fressen, noch das Rasten als den Zweck einer Wanderung ansehen. Körperliche Kräftigung und Ge­sundung, Pflege von Heimatliebe und Heimatstolz, Erzie­hung zu natürlichem Empfinden und seelischer Einstellung sind die Werte und damit die Ziele echten Manderns.

Die Lust zum Wandern, der Wandertrieb, der schon von Urzeiten an in germanisches Volkswesen eingewurzelt ist müssen um dieser Werte willen vor allem in unsere Ju­gend hineingepflanzt werden. Die Kultur, dieser Erbfeind der Natur, die Zivilisation der Großstadt entfernen unsere Jugend immer mehr und mehr von der Erdhaftigkeit. Wol­len wir sie aber in Massen hinausführen an den Quell und den Jungbrunnen des Lebens, dann müssen die dazu nötigen Wege geebnet werden. Das früh genug erkannt und mit vorbildlicher Energie in die Tat umgesetzt zu haben, ist ein nicht hoch genug anzuerkennendes Verdienst des Zentral­oerbands für deutsche Jugendherbergen, der das ganze Reich mit einem Netz solcher Herbergen überzogen hat, wo­durch überhaupt erst eine längere Ausdehnung der Wan­derfahrten und damit ein wirklicher Gewinn für den Jn- gendwanderer geschaffen worden ist. Luftig gebaut stehen diese Herbergen nur selten innerhalb eines Ortes, meist grüßen sie den Wanderer vom aussichtsreichen Bergesgipfel oder liegen im Tale am rauschenden Vach, inmitten des Waldes. Geräumige Helle Zimmer laden ein. Auf Holzprit­schen mit sauberen Strohsäcken und warmen Decken wird übernachtet. Bei Gruppen schläft der Führer mit den an­deren zusammen, bei Einzelwanderern sorgt der Herbergs­vater für Ruhe und Ordnung. Die Traulichkeit, mit der die Räume mit einfachen aber zweckmäßigen Möbeln ausgestat­tet sind, die peinliche Sauberkeit tun es gleich jedem an. Küche und Geschirr sind überall vorhanden und stehen ko­stenfrei zur Verfügung. Die Herbergsordnung sorgt für strenge Zucht, aber sie läßt der Fröhlichkeit genug Raum. Mit Spiel und Gesang vergehen meist die letzten Stunden vor dem Schlafengehen. Ist die laute Fröhlichkeit etwas ai- geflaut, dann unterhalten sich der Führer oder Herbergs­vater noch mit dem Jungvolk über das Erlebte und Ge­sehene und schaffen Anlaß zu tieferem Nachdenken. Man kann dieses Jugendherbergswerk darum nicht stark genug unterstützen.

Was Worte erzählen

Oft geschieht es, daß man beim Sprechen oder Lesen eines Wortes plötzlich stutzt. Komisches Wort . . . warum heißt das nun Stuhl oder Tisch? Tisch! Man kann sich so gar nichts dabei denken. Hat man nun Interesse für Etymologie, so beginnt man zu grübeln und weiterzuforschen. Tisch das klingt an das englische dish an oder an das lateinische discus. Statt Tisch pflegen wir auch Tafel zu sagen, und da finden wir wieder eine Aehnlichkeit mit dem englischen table oder mit dem lateinpHen tabula heraus. Irgendwie muß nun doch in diesen gleich- und ähnlich lautenden Wörtern eine Verbindung sein, ein gemeinsamer Ursprung. Tisch ... dish .. discus . . Tafel., table, , tabula. Man wird auf­merksam, ahnt Zusammenhänge und tastet sich langsam zum Ursprung zurück. Wie durch ein Wunder wird da graue Vorzeit lebendig, primitive Sitten und Gebräuche enthüllen sich und haben in diesem einen Wort, das wir nun wie «neu Schlüssel gebrauchten, ihre sinngemäße Bezeichnung gefunden.

Für uns ist heute der Tisch ein Gebrauchsgegenstand, der sich über dem Fußboden erhebt und eine Platte mit vier Beinen darstellt. Im Laufe der Zeiten, gewissen Veguem- lichkeitsanforderungen entsprechend, hat er sich zu diesem Aussehen verwandelt. Ehemals aber spielten sich fast alle häuslichen Verrichtungen auf dem Fußboden ab. Die Men­schen kauerten auf der Erde und bedienten sich zu den Mahl­zeiten anstelle des Tisches entweder eines gemeinsamen Bret­tes (Tafel, table, tabala) oder der Einzelne bekam eine flache Scheibe (discus), auf der sein Essensteil für ihn an­gerichtet war. Diese Scheibe, die ursprünglich flach war, ent­wickelte sich nach und nach zu runden, an den Rändern auf­gewölbten Holzschüsseln, wie man sie noch heute in alten Bauernhäusern antreffen kann. Daher stammt wohl auch das englische Wortdish" gleich Schüssel.

Was aber bedutet nun das WortWand"? Es klingt an wenden oder winden an. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Das neuhochdeutscheWand" hängt mit dem gotischenwaddjus" zusammen, das zu der Wurzelwi" gleich flechten gehört. Auch um diese Zusammenhänge zu verstehen, müssen wir weiter zurückgehen und zwar in jene Zeit pri­mitiven Bauens, da man Mauern und Zwischenwände aus Rutengeflecht herstellte.Aus Ruten gewunden" oder eine Wand winden" heißt eine Redensart im Angel­sächsischen und es ist nicht, schwer zu begreifen, wieso Wand zu winden gehört. Ebenso wird das Wortwenden" nicht allzu weit davon entfernt sein und aus derselben Wurzel stammen, denn beim Flechten wird das entstehende Flecht­werk hin und hergewendet". Merkwürdig ist es, daß auch das russischeplotnik" gleich der Baumeister, vonplestr" gleich flechten hergeleitet ist.

Und nun zum Schluß noch etwas Interessantes, etwas, das in seiner Wortbezeichnung eigentlich schon ein Stück Ur­geschichte verrät. Wer hat schon einmal über den Sinn der Worte:Buch, Buchstabe. . . und lesen" nachgedacht? Wir wissen, daß die alten Germanen sich geschälter Buchen­stäbchen bedienten, in die sie Runen ritzten, um sie vonein­ander zu unterscheiden. Ein jedes solcher Stäbchen hatte eine besondere Bedeutung. Zum Zwecke der Schicksalserfor­schung oder um den Rat der Götter einzuholen, warfen sie diese Buchenstäbe (Buchstaben) auf die Erde und die weisen Alrune«lasen" sie, je nachdem wie sie gefallen waren, nach­einander auf und verkündeten ihren Sinn. So ist nun die Bedeutung des Worteslesen" leicht aus dem Worteauf­lesen" herauszufinden, und das WortBuch" ist nur eine Kürzung von Buchstabe.

Der exakte Wortforscher könnte sicher noch viele Wort- ^heim nisse entschleiern, die zu interessanten Rückblicken auf Titten uiü> Gebräuche früherer Zeiten führen würden.