Nr. 286. (Erste- Blatt) Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Lalw. 88. Jahrgang.

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VrscheinungSweife: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OberamtS- »ezirk Lalw siir dt« einspaltige BorgiSzetle 10 Psg., außerhalb desselben 12 Pfg-, Nellamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittag«. Telefon 9.

Samstag, den 6. Dezember (Y(S.

ÄLzUFSpre.S An der Stadt mit Trägerlohn Mk. L.2S viertelMhrlich, Post- bezugSprei- für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30» Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 43 Pfg:

Die heutige Nummer umfaßt 14 Seiten.

Des Kaisers Entscheidung.

Donaueschingen, 5. Dez. Der Kaiser hatte heute vor­mittag, wie gemeldet, den Reichskanzler, den Statthalter Grafen Wedel und den kommandierenden General v. Deim­ling nach Donaueschingen befohlen, um weitere Vorträge über die bekannten Vorgänge in Zabern entgegenzunehmen. Der Kaiser hat darauf bestimmt, daß die Garnison von Zabern bis auf weiteres nach dem Truppenübungsplatz verlegt wird. Die schwebenden kriegsgerichtlichen Verfah­ren werden mit Beschleunigung zu Ende geführt.

Der Kaiser hat nun gesprochen. Sein Spruch lautet, daß die militärische Bevölkerung Zaberns von der Bürgerschaft räumlich getrennt werden soll. Inzwischen kann die gericht­liche Untersuchung ihren Gang gehen und nach ihrem Ergeb­nis werden weitere Entscheidungen folgen. Damit hat der Kaiser weder eine Maßregelung der Garnison Zabern, noch eine Strafe für die Bürgerschaft in Form einer Versetzung der Truppe aus ihrem bisherigen Garnisonort vollzogen. Er hat den goldenen Mittelweg gefunden und so bewiesen, daß er der Kaiser für die Bürgerschaft geradesogut ist wie der für seine Soldaten. Durch das kaiserliche Eingreifen ist die un­geheure Spannung, die sich seit dem Beginn der Affäre Forst- ner auf das Bürgertum wie ein driickender Alp gelegt hatte, befreiend gelöst worden und der ungute Eindruck der ersten Reden von Reichskanzler und Kriegsminister, aus denen der Bürger nur allzudeutlich zu lesen gezwungen war, daß Mili­tärdiktatur sich über die Grenzen der Verfassung begeben darf ungestraft, glücklich behoben. Warum aber, muß man sich angesichts der nun beginnenden Beilegung der Aufregung über die Zaberner Vorgänge, fragen, ließ die Regierung die ganze traurige Angelegenheit so bis auf die Spitze kommen? Jetzt geht es doch auch gütlich! Alle Ausbrüche berechtigter, schnei­dender Kritik und alle Vertrauensuntergrabungen im Volk hätte sie sich erspart, wenn schon nach dem Bekanntwerden der Wackes"-Flegeleien v. Forstners Remedur geschaffen worden wäre. Schon, als nach der ersten Rede des Reichskanzlers der Sturm der Entrüstung ins maßlose anschwoll, mußte die Re­gierung einsehen, wie wenig die Erregung des Volkes be­schwichtigt war und wie die Entschuldigungen der Regierungs­redner nur Oel ins Feuer gossen. Es scheint, daß von Donau­eschingen aus daraufhin Winke ergingen. Der Reichskanzler rückte in seiner zweiten Rede wesentlich von dem Inhalt seiner ersten ab und die endgültige kaiserliche Entscheidung, daß die Garnison Zabern auf den Truppenübungsplatz ver­legt werden solle, darf als ein Wechsel für die Zukunft an­gesehen werden, daß die militärischen Hebelgriffe in Zabern gebührende Sühne finden. Allen Möglichkeiten vorgebeugt wird ohne Zweifel aber nur dann, wenn Leutnant v. Forstner versetzt wird; denn auch nach längerer Abwesenheit aus Za­bern selbst wird die Erinnerung an seine Taten und Meinun­gen in der Bevölkerung nicht so rasch ausgelöscht sein; zudem würde seine Rückkehr in die Garnison Zabern seinem eigenen Ansehen sicherlich nur nachteilig sein. Im großen ganzen kön­nen wir uns des Eingreifens unsres Kaisers nur freuen. Es war eine frohe Botschaft, die aus Donaueschingen kam!

Straßburg, 5. Dez. Um 6 56 Uhr abends trafen der Statthalter, Graf v. Wedel, und der kommandierende General des 15. Armeekorps, v. Deimling, von Donaueschingen kom- mend hier wieder ein.

Sta-t, Bezirk «nd Nachbarschaft.

Calw, den 6. Dezember 1913.

... Vom Rathaus.

Öffentliche Sitzung des Gemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz am Freitag nach­mittag von 4 Uhr ab. Anw. sind 12 Gemeinderäte.

Der Eemeinderat hat zunächst den Vertrag mit der Firma Chr. Ludw. Wagner über Liefe- ^ E s ch e n Stromes durchzuberaten. Der Vertrag ist aufgebaut auf dem zwischen der Stadt und dem Gemeindeverband Teinach Station abgeschlossenen Stromlieferungsvertrag, der es zu­läßt, daß Großabnehmer entweder vom städt. Werk direkt versorgt werden, oder direkt vom Verband aus

und in diesem Falle durch Vermittlung der Stadt in Form eines Vertrags, in welchem die Stadt z. B. den Preis zu bestimmen hätte. Die Firma Christian Ludwig Wagner hat den zweiten Weg gewählt. Der Strompreis hält sich in einem alle drei Teile befrie­digenden Rahmen. Der Eemeinderat ist mit dem Vertrag grundsätzlich einig. Ein Ministerial- Erlaß erteilt dem Eemeindeverband die Ge­nehmigung zur beabsichtigten Führung der Leitung des elektrischen Stromes nach Calw und Ernstmühl. Auf die neuerliche Anregung des Ge­meinderats, die 7. Klasse des Realprogymnasiums in­folge ihres steigenden Zulaufs an Schülern beizube­halten, kam von Stuttgart die Antwort, daß über eine dauernde Beibehaltung noch kein endgiltiger Entscheid getroffen werden könne; die Beibehaltung wird aber unter gewissen Voraussetzungen in Aus­sicht gestellt. Der Eewerbeoberschulrat bewilligte am Abmangel der Gewerbeschule 2085 staat­lichen Beitrag; die Frauenarbeitsschule er­hielt 360 -N. In der letzten Sitzung ist beschlossen worden, die Turnhalle künftig täglich, nicht nur wie bisher drei mal, reinigen zu lassen. Dem­entsprechend verdoppelt der Gemeinderat der Putz­frau die bisherige Vergütung von 80 auf 160 Zl. Die Feuerwehrdienstpflicht eines Vau- schreibers hier wird von der Generaldirektion ver­neint; der Eemeinderat will keine ministerielle Ent­scheidung anrufen. Zur weiteren Vorberei­tung des Neubaus des Realprogym­nasiums erhält das Stadtbauamt den Auftrag, den im Juli schon vorgelegten Ueberschlag über den Umbau des früheren Oberamtsgefängnisses in ein Armenhaus zu einem endgiltigen Plan und Kosten­voranschlag auszuarbeiten. Die weiteren Bera­tungsgegenstände beziehen sich auf Erundstücksschätzun- gen, Rechnungen, Teerverkauf an einen anderen als den bisherigen Abnehmer usw.

Winterwetter.

Der starke Sturm, der in den gestrigen Abendstunden ein­setzte, gestaltete sich auf den Höhen des Schwarzwalds und der Alb zu einem Schneesturm. Auf den Abhängen der Gebirge, besonders im Schwarzwald und im Albtrauf, ging leichter Schnee nieder. So meldet heute früh Ebingen eine Schnee­schichte von 10 Ztm. Höhe bei mehreren Grad Kälte. Weitere Meldungen liegen vor aus Münstngen, Biberach, Wangen und Waldsee, wo es schon gestern abend kräftig schneite und wo auch heute früh ein leichtes Schneetreiben herrschte. Wie uns gemeldet wird, ist dort der Winter in aller Form eingezogen. Aus Freudenstadt wird berichtet, daß der Schneefall die ganze Nacht hindurch anhielt und die Schneedecke heute früh 10 bis 15 Ztm. betrug. Noch spärlicher hat Frau Holle in der Um­gebungen von Münstngen geschüttelt, wo zwar gleichfalls eine geschlossene Schneedecke liegt, die aber zum Schlittenfahren noch lange nicht ausreicht. Tübingen meldet leichte Schnee­fälle. In Gmünd, Bückingen und Hall schneite es heute vor­mittag, doch bleibt der Schnee nicht liegen. Das Unterland und auch Stuttgart sind fast noch schneefrei.

Messerstecher. Ein hiesiger Handwerksmeister wurde von seinem Arbeiter bei der Entlassung ange­fallen und durch einen Stich in das Bein' schwer verletzt. Wenn der Stich etwas tiefer gegangen wäre, hätte es den Meister das Leben gekostet.

Der Kaiser in Württemberg.

Dem Kaiser zum Gruß.

Der Staatsanzeiger schreibt:Der Kaiser kommt diesmal nach Stuttgart und ins Württemberger Land als Chef eines württembergischen Reiter-Regiments, das auf eine hundert­jährige, ehrenvolle Geschichte zurückblickt und stets in nahen Beziehungen zum königlichen Hause gestanden ist. In Ge­meinschaft mit dem König will der Kaiser den Regimentsfest­lichkeiten die Auszeichnung seiner Anwesenheit schenken. Die­ses Jubiläum gemahnt auch wieder an die große Zeit der Befreiungskriege, in deren auch für uns Wistttemberger mit stolzen Erinnerungen verknüpften Fortführung das damals

neuerrichtete Reiterregiment seine erste Feuerprobe bestanden

hat. Die vaterländischen Gedanken, die sich deshalb mit die­sem Regimentsjubiläum in besonderer Weise verbinden, machen uns den Besuch des Kaisers umso werter. Das württem- bergische Volk schätzt es sich zur Ehre, daß das Oberhaupt des Reichs sich mit einem Gliede des württ. Armeekorps treulich verbunden weiß, und freut sich des neuen Beweises der engen Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem allverehrten Lan­desherrn, den es in diesem Besuche erblicken darf. Der aufrich­tigste, herzlichste Willkommen ist dem Kaiser im württember­gischen Lande gewiß."

Die Ankunft.

Stuttgart» 5. Dez. Der Kaiser, der heute zum 8. mal in Stuttgart einzieht, traf abends 1/26 Uhr im sonderzug aus Donaueschingen hier ein. Zur Begrüßung hatten sich im Bahnhof eingefunden: Der König in Kürassieruniform, die Herzöge Philipp, Albrecht und Philipp Albrecht von Württemberg, so­wie die übrigen männlichen Mitglieder des Kgl. Hauses. Ferner waren erschienen: Kriegsminister von Marchthaler, der Komm. General von Fabeck, der Kommandeur des Dragoner-Regiments Nr. 25, Oberstleutnant von Gleich und zahlreiche andere Of­fiziere. Der Kaiser, der die Uniform seines Drago­nerregiments Nr. 25 trug, begrüßte herzlich den König und drückte den Mitgliedern des Kgl. Hauses die Hand. Nach Vorstellung der beiderseitigen Ge­folge verließen die Monarchen die Bahnhofhalle, an deren Ausgang die Bürgergarde Stuttgarts Aufstel­lung genommen hatte. Unter stürmischen Zurufen der nach tausenden zählenden Menschenmenge und des spalierbildenden Jungdeutschlandbundes fuhren der Kaiser und der König im Automobil nach dem Residenzschloß, wo der Kaiser von der Königin be­grüßt wurde. Im Gefolge des Kaisers befanden sich Hofmarschall Graf v. Platen, der Eeneraladju- tant General-Oberst v. Plessen, General der Jnfan terie Freiherr v. Lyncker und der Vertreter des Aus­wärtigen Amtes, Gesandter von Treutler. Im Resi­denzschloß fand um V--7 Uhr Tafel mit 60 Gedecken statt.

Nach dem Diner begab sich der Kaiser in Be­wertung des Königspaars in das Kgl. Hostheater Festliche otnnmung und Erwartung stand auf den Mwnen aller Theaterbesucher heute abend, die sick noch steigerte, als M Uhr Herzog Albrecht mit ei­nem sohne Herzog Philipp Albrecht, beide in- rassieruniform, in der Seitenloge des Kleinen Häufte Platz nahmen. Gleich darauf fand sich auch Herzoo Robert mit Gemahlin, Herzog Ulrich und Herzog von Urach mit seiner Tochter. Fürstin Elisabeth von Urach, ein. 1/29 Uhr war es, als unter der Führuno des Intendanten der Hoftheater, Baron von Putlitz der Kaiser in der Uniform seines Dragoner- regiments, am Arme die Königin, der König in Hu­sarenuniform, sowie die Herzogin Philipps in de, großen Hofloge erschienen, wo alsbald der 2. Akt von Figaros Hochzeit" in Szene ging. Links und recht- m den Diplomatenlogen hatte das Gefolge des Kai­sers und die übrigen Hofstaaten ihre Sitze eingenom­men. Nach Schluß des 2. Aktes verließ der Kaiser sichtlich befriedigt, wiederum am Arme der Königin und die übrigen Mitglieder der Königlichen Familir das Kleine Haus und begaben sich ins Große Haus wo SchillersLied von der Glocke" gegeben wurde Beide Häuser waren an diesem Abend schon lang« vorher ausverkauft. Auch hier waren aller Auger in der langen vorhergehenden Zwischenpause auf di, Loge, wo der Kaiser erscheinen sollte, gerichtet, i/fll Uhr hatte die Vorstellung ihr Ende erreicht und di, Majestäten begaben sich ins Schloß zurück, wo de, Kaiser in denOldenburg-Zimmern" Wohnung be zogen hat. Allgemein fiel das gesunde Aussehen de- Kaisers auf, der sich in liebenswürdiger untz de, freundlichsten Weise besonders mit der Königin uw terhielt.