88. Jahrgang.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk (Lalw.

Nr. 282.

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Orscheinunglweise: Smal wSchentllch. Snzetgenprei«: Im vberamtr- krzirl Laim für die «inspultige BorgiLzeile 10 Pfg außerhalb desfelben 12 Pfg-, Itülamen 2L Pfg. Schluß für Jnferatannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Dienstag, dsn 2. Dezember 191».

Bezugspreis: In der Stadt mtt Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugspreis für den Otts- und Nachbaivrtsoeriehr Mk. 1.20. im Fernverkehr . 1L0. Bestellgeld in Württemberg SO Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Sekanntmnchung.

Die Schweineseuche ist in dem Bestand des Michael Mayer Taglöhners in Oberreichenbach ausgebrochen und sind die erforderlichen Schutzmaßregeln gemäß 8 292 ff. Min. Vers, vom 11. Juli 1912 Reg Bl. S. 293 angeordnet worden.

Calw, den 29. November 1913.

K. Oberamt:

Amtmann Rippmann.

Sekannimachung,

betreffend die Preußisch-Süddeutsche Klassenlotterie.

Für die genannte Lotterie wurde zum Lotterieeinnehmer in Calw an Stelle des verstorbenen Bankkassiers Georg Eberhard der Kassier der Kreditbank für Landwirtschaft und Gewerbe E. G. m. b. H.,

Herr EugenRitter,

bestellt.

Derselbe wird die Geschäfte der Lotterieeinnahme von der 4. Lotterie ab übernehmen, während sie bis dahin stell- vcrtretungsweise von dem Bankkontrolleur Leopold Lutz be­sorgt werden.

Dies wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht.

Calw, den 29. November 1913.

K. Oberamt:

Reg.-Rat Binder.

Geheimvertrag gegen den Dreibund.

Der bulgarisch-serbische Geheimvertrag, von dem die Welt jetzt erfahren hat, war ein hinterlistiger Anschlag Ruß­lands gegen den europäischen Frieden. Bulgarien sollte Ser­bien gegen Oesterreich unterstützen:

1. im Fall, daß Oesterreich-Ungarn Serbien angreift: 2. im Fall, daß Oesterreich-Ungarn, unter welchem Vorwände immer, im Einverständnis oder ohne Zustimmung der Tür­kei, mit seinen Truppen in den Sandschak Novibazar einbricht, so daß Serbien deshalb Oesterreich-Ungarn den Krieg er­klärt; oder 3. im Fall, daß Serbien, um seine Interessen zu schützen, seine Truppen nach dem Sandschak schickt und dadurch einen bewaffneten Konflikt zwischen sich und Oester- rcich-Ungarn herbeiführt. Dieser serbisch-bulgarische Bündnis­vertrag ist datiert vom 29. Februar 1912. Um jeden Zweifel auszuschließen, daß Rußland bei diesem Vertrag die Paten­stelle übernommen hatte, bestimmte der Artikel 3 des Geheim­abkommens:Eine Abschrift des Vertrages wird einverständ­lich der kaiserlich russischen Regierung übermittelt, die zu gleicher Zeit gebeten wird, davon Notiz zu nehmen und ihr Wohlwollen für die durch die Verträge verfolgten Ziele zu bekunden, sowie Se. Majestät den Zaren zu ersuchen, das seiner Person in dem Vertrage zugedachte Schiedsrichteramt anzunehmen und auszuüben."

Die russische Bombe ist nicht explodiert. Oesterreich ahnte, wie Graf Berchtold jetzt zugibt, Rußlands böse Absichten und unterließ die Besetzung des Sandschaks, die den Dreibund einerseits und den Dreiverband andererseits zur Mobilmachung gezwungen und den gefürchteten europäischen Brand tatsächlich herausgesührt hätte. Es wird jetzt auch klar, daß die russische Probemobilmachung an der galizischen Grenze recht ernste Zwecke verfolgte, und daß Frankreich mit Rußland und dem Balkanbund Hand in Hand arbeitete, um den Tag der Revanche gegen Deutschland womöglich anbrechen zu sehen. Glücklicherweise hatte sich unser Verhältnis zu England so gebessert, daß dieses mit uns an der Erhaltung des Frie­dens arbeitete, während es ein Jahr früher vielleicht noch ge­glaubt hätte, die günstige Abrechnung mit Deutschland be­nützen zu müssen. Vor allem aber hat Deutschlands beruhigender Einfluß auf Oesterreich Europa vor einem allge­meinen Krieg bewahrt und man wird jetzt vielleicht auch in jenen Kreisen Oesterreichs, die es bisher noch nicht verstehen konnten, wamm die österreichischen Truppen nicht in den Sandschak einrückten, Ansehen, daß diese Zurückhaltung sich besser bezahlt gemacht hat, als blindes Draufgängertum.

Die jüngsten Enthüllungne, so tröstet die WienerN. Fr. Pr.", beweisen wieder einmal, daß die Politik nicht mit Gefühlen gemacht wird und daß sie ein Geschäft ist, das Be­

werbern um den Tugendpreis nicht empfohlen werden kann. Deshalb müssen wir nach dem Worte handeln, daß die Toten ihre Toten begraben mögen. Die Vergangenheit ist aber War­nung und Lehre, und der neue Tag hat seine besonderen Be­dürfnisse, von deren Erkenntnis auch der Groll nicht ablenken soll. Die Enthüllungen wurden gemacht, damit Bulgarien durch Vereinsamung in den Balkanbund zurückgezwängt wer­de. Nichts wäre törichter, als die Unterstützung dieses Planes durch eine zornige Politik gegen das bulgarische Volk. Der Bukarester Friede ist, nachdem Graf Berchtold den Verzicht auf die Revision mitgeteilt hat, auch für uns der Schlußpunkt großer Ereignisse geworden.

Sofia, 1. Nov. Das Regierungsblatt Narodni Prawa veröffentlicht drei Beschlüsse des Ministerrats vom September, November und Dezember 1912, denen zufolge das Kabinett Geschow an König Nikolaus von Montenegro im ganzen 21t Millionen ausgezahlt hat, ohne daß hierüber die Sobranje ent­schieden gehabt hätte. Die Summe hätte für den Ankauf von Waffen gedient, mit denen Montenegro später gegen Bulgarien gekänipft hätte. Die letzte Zahlung am 27. Dezember 1912 sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Kabinett Geschow schon von den geheimen Bündnisoerhandlungen zwischen Serbien und Griechenland gewußt habe, und wäre daher offe­ner Landesverrat gewesen.

Zabern.

Die Unruhen in Zabern, die Aufregung, die der jüngste Fall Forstner neu in die elsässtsche Bevölke­rung getragen haben, verflauen nur langsam. Land­auf, landab werden Protestversammlungen abgehal­ten, die sich in erster Linie gegen die rechtlich uner­laubte Vornahme von Verhaftungen von Bürgern durch das Militär richten. Erfreulich ist, datz der Reichskanzler nun gesprochen und seine rückhaltlose Aeutzerung über den Fall zugesagt hat. (Siehe unter D. Reichstag.) Die Presse bringt spalienlange Betrachtungen und ist ziemlich einig darin, datz das Militär zu schneidig vorging. Ein nationallibera­les Blatt betont, datz niemand den Janhagel von Zabern verteidigen wolle, datz aber die Offiziere durch übertriebene Schnefdigkeit die Lage verwickel­ter gemacht haben. Nach ihm wäre vornehme, ver­ächtliche Zurückhaltung besser am Platze gewesen als eine Militärdiktatur auf der Stratze. Das dürfte die Auffassung sein, die die meisten Anhänger hat. Das aber, worauf das ganze Volk wartet, die Ver­setzung des Urhebers der ganzen schlimmen Affäre, des Leutnants v. Forstner, ist amtlich bis zur Stunde noch nicht erfolgt. Privatim meldete zwar der Be­obachter gestern schon aus Berlin:

Wie gemeldet wird, wird infolge der Zaberner Unruhen ein umfassender Personenwechsel eintreten. Der Statthalter Graf v. Wedel soll durch den Kom­mandeur des 14. Armeekorps, Frhrn. v. Heiningen, der Staatssekretär v. Bulach, durch einen jüngeren süddeutschen Minister ersetzt werden. Das Jnf.Regt. 99 wird von Zabern verlegt und der Oberst Reutter erhält seinen Abschied. Leutnant v .Forstner ist be­reits in eine altdeutsche Garnison versetzt worden. Auch General Deimling soll außerhalb Elsaß-Loth­ringens eine Stelle erhalten.

Am günstigsten wirken würde diese durchgreifende Aenderung. Inwieweit die Nachricht aber stimmt, mutz noch abgewartet werden.

Zabern, 1. Dez. Heute abend um 7 Uhr traf hier Generalmajor Kühne, Kommandeur der 30. Feldartilleriebrigade in Stratzburg, ein und begab sich alsbald zur Kaserne. Die Mehrzahl der am Freitag von Militärpatrouillen Verhafteten, bis jetzt 20 an der Zahl, haben bei der Staatsanwalt­schaft Strafanzeige wegen ungesetzlicher Festnahme erstattet. Außerdem ist von denselben eine Reihe von Zivilprozessen anhängig gemacht, betreffend Schadenersatz durch den Militärfiskus.

Deutscher Reichstag.

Berlin, 1. Dez.

Zabern und der Reichskanzler.

Die Interpellation der Elsässer wegen der Vor­gänge in Zabern steht an der Spitze der Tagesord­nung. Lautlose Stille herrscht im Saal, als der Schriftführer das Telegramm des Zaberner Gemein- derats verliest, der dringend bittet, Maßregeln zu ergreifen, um der Bürgerschaft den ihr gebührenden Schutz angedeihen zu lasten. Die Linke des Hauses begleitet die Verlesung des Telegramms mit leb­haften Zwischenrufen, und die Unruhe wird beson­ders groß bei der Stelle:Die Inhaftierten wur­den trotz des Einspruchs der Zivilbehörden in einem Keller die Nacht über eingesperrt gehalten." Dann tritt man sofort in die Tagesordnung ein. Der Reichskanzler teilt mit, daß die Zaberner In­terpellation sofort nach Beendigung der sogleich ein­geleiteten Untersuchung, vielleicht am Mittwoch, be­antwortet werden werde.Es haben sich in Zabern Vorgänge ereignet, erklärte von Bethmann Holl­weg, von so bedauerlicher Art, daß ich selbst den größ­ten Wert darauf lege, baldmöglichst dem Reithstag und dem ganzen Land Auskunft darüber zu geben, um jeden Zweifel darüber zu beseitigen, daß die Autorität der Gesetze ebenso geschützt wird, wie die öffentliche Ordnung und die Autorität der öffent­lichen Gewalt." Diese kurzen und bündigen Er­klärungen machten auf den Reichstag den besten Ein­druck.

Zur Beratung kam dann das Handelspro­visorium mit England. Die Regierungs­vorlage will das Provisorium, das am 31. Dezbr. ds. Js. abläuft, auf 2 Jahre verlängern. Die Konservativen lehnen die Erneuerung des Proviso­riums ab, der Abg. Hoesch hielt selbst einen Zoll­krieg für vorteilhafter. Für die Verlängerung er­klären sich dagegen alle übrigen großen Parteien. Die Vorlage wird denn auch in erster und zweier Lesung angenommen. Darauf folgte die erste Lesung des Gesetzentwurfs über die Wi ederaufnahme eines Disziplinarverfahrens. Die Wiederaufnahme, die dem deutschen Disziplinarrecht bisher unbekannt war, soll jetzt in das Reichsbe­amtengesetz von 1873 ausgenommen werden. Dazu waren zwei Wege offen: Schadloshaltung des zu Un­recht bestraften Beamten durch eine entsprechende Geldsumme oder Wiedereinsetzung in die frühere Stellung. Der Entwurf hat den zweiten Weg ge­wählt, weil, wie Staatssekr. Dr. Delbrück aus­führte, der erste die Beamtenehre, die durch die Dis­ziplinarstrafe geschädigt worden ist, nicht wieder her­zustellen vermag. Es sprachen Dr. Landsberg und Dr. Liebknecht von der Sozialdemokratie, Bolz (Z.), Dr. Thoma (Ntl.), Liesching (F. Vp.), Veit (Kons.). Die Vorlage geht an eine Kommission. Dann gelangen Petitionen zur Erledigung. Schluß i/47 Uhr._

Stabs, Bezirk ««- Nachbarschaft.

Calw, den 2. Dezember 1913.

Dezember.

Der Christmonat ist angebrochen. Mit Freude sieht Jung und Alt ihn einziehen, bringt er doch das schönste Fest des Jahres, Weihnachten. Für die Kleinen gibt es jetzt überhaupt nur noch einen Unterhaltungsstoff, den vom Christbaum, von dem, was das Christkind bringt und die Großen machen sich allgemach daran, die Erfüllung der Träume ihrer Kleinen vorzubereiten und die Erwartungen derer Aller, denen zu schenken das Herz sie zwingt, nach Möglichkeit zu verwirklichen. Der Dezember ist der erste eigentliche Wintermonat. Die alten Rö­mer begannen einst das Jahr mit dem Monat März; daher erhielt der zehnte Monat den Namen Dezem­ber und dieser verblieb ihm auch später. Karl der