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Nr. 28«. (Dritter Blatt.)
Elve MMardeil-SMbiichfe für das deutsch Reich.
Einen Vorschlag eigener Art macht Professor I. Simson in der „Ethischen Kultur"; wir sollen in einer Reichssparbüchse einige Millionen anlegen, die für unsere Nachkommen zu unermeßlichen Summen anwachsen sollen:
Als wir in der Schule in die Geheimnisse der Ztnses- zins-Rechnung eingeweiht wurden, da rechneten wir eines Tages die berühmte Aufgabe aus, zu welchem Betrage ein Pfennig heute angewachsen wäre, wenn man ihn bei Christi Geburt auf Zinseszins zu fünf Prozent angelegt hätte. Aus der Eins wird dabei in 1900 Jahren eine mit den Ziffern 1818 beginnende, ganz unvorstellbare Zahl von 41 Stellen! Mit ihr verglichen ist eine Milliarde — eine Eins mit neun Nullen — eine völlig verschwindende Größe. Und diese riesige Zahl entsteht dadurch, daß die Eins, vermehrt um den scheinbar so unbedeutenden Zinszuschlag von Fünfhundertstel, beständig mit sich selbst vervielfacht wird, sie ist nichts anderes als 1,05 in der Potenz 1900.
Legen wir eine Million zu vier Prozent auf Zinseszins, so müssen wir, oder vielmehr unsere Erben über ein Jahrhundert warten, bis sie auf 64 Millionen angewachsen ist. Dann aber fleckt es besser: zwei weitere Perioden von 17^/s Jahren bringen uns die Viertel-Milliarde, ja, sogar 24 Millionen darüber.
Wollen wir unser Geld jetzt verbrauchen? Es wäre schade, denn die nächsten 17>L Jahre verdoppeln die Milliarde bereits, die folgenden vervierfachen sie usw. Nun, das mögen sich unsere Rechtsnachfolger überlegen. Vielleicht heben sie einen Teil ab und lassen den andern weiter wachsen. Und damit kommen wir endlich zum Zweck dieser Betrachtungen.
Wir haben 1871 einen Kriegsschatz von 120 Millionen Mark in barem Gelde zu Spandau in den Juliusturm gelegt, eine Summe, die heute auf etwa 620 Millionen angewachsen sein würde. Wir haben sie zinslos hingelegt, um für den Augenblick einer Mobilmachung mit barem Gelde versorgt zu sein. Heute belehrt man uns, daß es nötig sei, diese Summe zu verdoppeln. Wir bringen sie ohne Murren auf; oder vielleicht auch murrend, aber wir bringen sie auf und legen weitere 120 Millionen zinslos fest, auf unabsehbare Zeit, ja mit dem stillen Wunsche, daß es niemals nötig sein möge, sie anzugreifen. Wir bringen daneben die Milliarde für die Wehrsteuer auf. Sollte es da nicht möglich sein, einige von diesen vielen Millionen zinstragend anzulegen mit der ausdrücklichen Bestimmung, sie zu einem Reichsschatze anwachsen zu lassen, über den erst in ferner Zukunft verfügt werden soll?
Denn, das haben wir vorhin gesehen, erst eine ferne Zukunft bringt das mächtige Anwachsen des Kapitals. Aus jeder Million werden in den ersten hundert Jahren nur etwa 50 Millionen, so daß 20 Millionen erforderlich wären, um nach einem Jahrhundert eine Milliarde zu ergeben. Aber auch eine einzige Million wächst in 159 Jahren bereits auf reichlich eine halbe Milliarde an, die sich in weiteren 17 Jahren verdoppelt. Gewiß, die Wartezeit ist lang, und mancher wird denken: „Wozu sollen wir auf so ferne Zeiten für späte Enkel sorgen?" Darauf ist zu erwidern: Eine weitsichtige Politik zu treiben, ist für ein großes Staatswesen, das mit Jahrhunderten unbedenklich rechnen darf, wohl kein Fehler. Ist nicht auch unsere Waldwirtschaft, das Anlegen von Forsten, darauf berechnet, erst späteren Geschlechtern Nutzen zu bringen?
Die Vieh-Ein- und Ausfuhr.
Deutschlands Ein- und Ausfuhr an Pferden, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen ist nach der letzten Nachweisung wiederum gewachsen. Die Mehreinfuhr an Pferden im dritten Vierteljahr 1913 beträgt 1215 Stück; der größte Teil davon (1188 Stück) entfällt auf Luxuspferde. Diese Einfuhrsteigerung ergibt mit jener im ersten Halbjahr 1913 (8075 Stück) eine Gesamtzunahme von 9220 Stück in den Monaten Januar bis September 1913. Am bedeutendsten ist die Einfuhr aus Rußland (5107 Stück). Nach der vorläufigen Wertberechnung ist der Wert der Einfuhr in den ersten neun Monaten des Jahres 1913 um 6883 000 -4t höher als der wirkliche Wert für die gleiche Zeit des Vorjahres. Die Ausfuhr zeigt demnach auch im dritten Vierteljahr 1913 ein weiteres Nachlassen gegen das Vorjahr, in der Zeit vom 1. Januar bis 30. September 1600 Pferde weniger. Die Einfuhr an Rindvieh weist im dritten Vierteljahr eine Zunahme von 18 655 Stück auf. Mit den Einfuhrsteigerungen in den beiden ersten Vierteljahren 1913 ist eine Eesamtzunahme der Rindvieheinfuhr um 50 593 Stück zu verzeichnen. Der größte Teil der Mehreinfuhr kam aus Dänemark (32 979 Stück). Der vorläufig festgestellte Wert der Einfuhr ist um 14185 000 -4t höher, als der wirkliche Wert für die gleiche Zeit des Vorjahres. Der Wert der unbedeutenden Ausfuhr ist vorläufig festgestellt auf 699 000 -4t. Die Einfuhr an Schafen hat um 2774 Stück zugenommen, die der Schweine um 4604. In der Zeit vom Januar bis September
Samstag, den 2Y November
1913 kamen aus Oesterreich-Ungarn nur 863 Schweine herein, trotzdem 60 000 Stück hätten eingeführt werden dürfen. Die Einfuhr aus Rußland hat zwar mit 112 454 Stück die Steigerung um 16 511 Stück erfahren, aber die zulässige Einfuhrzahl ist nicht voll erreicht worden.
Zur RurzmM.
Wodurch man den Franzosen am meisten imponieren kann. Aus dem ersten der berühmten parlamentarischen Abende, die Fürst Bismarck vranstal- tete, und an dem auch zahlreiche Abgeordnete des norddeutschen Reichstags teilnahmen, — es war am 24. April 1869 — wurde von dem stets zu Scherzen aufgelegten Herrn von Unruh-Magdeburg die Frage aufgeworfen: „Wodurch können wir den Franzosen am meisten imponieren?" — „Durch unser starkes Heer" wurde u. a. geantwortet. Doch Herr von Unruh schüttelte den Kopf und sagte: „Das ist falsch! Unser Heer wird den Franzosen nicht imponieren, da sie das ihre für weit besser halten. Aber ganz gehörig werden wir ihnen imponieren, wenn wir verraten, daß unsre drei Reichstagspräsidenten Simson, Ujest und Bennigsen zusammen nicht weniger als 27 Kinder haben. Jeder hat nämlich neun." Lachend wurde die Richtigkeit dieser Behauptung zugegeben."
Versteigerung eines Schneiderkarpfens im Submissionswege. Ein witziger Schneider in Zittau, den die behördlichen Submissionen über Kleinigkeiten u. die pedantischen Bestimmungen ärgerten, hat seine Kollegen gerächt, indem er seinerseits folgende Submission ausschrieb: „Ich beabsichtige, am nächsten Freitag mittag einen Schneiderkarpfen, sogenannten Hering, zu verzehren, und will die Lieferung dieses Seefisches öffentlich mindestfordernd im Submissionswege vergeben. Der Hering soll aus der Nordsee stammen, männlichen Geschlechtes, nachweislich jung, frisch, fett und weichfleischig, sowie gut gesalzen sein, und muß folgende Mindestmaße besitzen: Länge voni Kopf bis zum Schwanz 25,25 Zentimeter, Breite am Kiemenansatz 5,0 Zentimeter. Die Zugabe von einigen Zwiebelscheiben, sowie Abfällen anderer Heringe erhöht die Zuschlagsmöglichkeit. Ich ersuche lieferungslustige Unternehmer, versiegelte und verschlossene Offerten bis zum Submissionstermine Don-
<> Cholera.
Erzählung aus Nordfricsland von Jngeborg Andresen.
Jann Dirk'sche saß mit einigen Nachbarinnen im Schummern auf der Treppe vor ihrer Haustür, um vorm Zubettgehen noch einmal die Tagesereignisse zu besprechen. In jede Gesprächspause hinein hörte man aus der Dunkelheit auch von weiterher murmelnde Stimmen — dann und wann ein Helles Lachen dazwischen, das sich aber gleich wieder erschrocken duckte, als ob es sich scheute, die Ruhe des Abends zu stören.
Plötzlich klang durch die stille Straße ein harter, eiliger Schritt. Zwei, drei Häuser passierte der Wanderer; dann wurde er angerufen. Laut und grell lief die Antwort über die Straße, weckte ebenso lauten Gegenruf, und im Nu war der Lärm des Tages wieder wach.
Jann Dirk'sche hatte beim ersten Ton angestrengt hingehorcht. Als die Unruhe größer wurde, stand sie auf, rieb sich einen Augenblick mit der Hand den steifen Rücken und sagte entschlossen und ehrlich: „Kinners, — ick mutt wäten, wat dor los is; tövt mal 'n Ogenblick!" Und schon klapperten ihre Holzpantoffeln über das Pflaster dem Stimmengewirr zu.
Nach kurzer Zeit kam sie wieder, atemlos und aufgeregt. Sie stemmte die Arme in die Seite und stand so breit und drohend vor den Neugierigen, die mit ungeduldigen Fragen ihr Schweigen zu brechen suchten. Nach tiefem Verpusten gab sie schließlich Antwort: „Ja, nu is 't so Wied! Nu häbbt wi ehr!" Und als man sich mit dieser Auskunft nicht begnügte, setzte sie trocken hinzu: „De Cholera!"
Dies Schreckenswort wirkte wie ein Blitzschlag — erst allgemeines Aufschreien und dann tiefe, ängstliche Stille, die erst Frie Sierkstche wieder unterbrach durch den wimmernden Ausruf: „Achott, achott, ich häff vundag noch Plum äten! Von min gälen .... achott — „Ja", unterbrach Jann
Dirk'sche sie hartherzig; „denn so is t' man beter, Du makst Din
Testament; kannst mi ruhi wat vermalen, ick häff keen Plum äten — dat schall man wull Malaien, wenn man sülm keen hätt un Nawerslüt nich an een denkt!"
Doch niemand freute sich in diesem Augenblick über ihre Spitzzüngigkeit gegen die geizige Stine Sierks. Als man erst wußte, daß sogar einer aus der „Straße" der erste Gast der Baracke geworden war, fühlte jeder schon mit Grausen den Griff des Todes im Nacken. Alles eilte zurück in die Häuser, als ob man die Tier verriegeln könne gegen den furchtbaren Feind.
Als sich alles verlaufen hatte, ging Jann Dirk'sche zögernd nach dem kleinen Häuschen des Schusters, das tot und lichtlos dalag. Aber als sie kräftig an die niedrige Haustür pochte, wurde sofort der Riegel zurückgeschoben, als ob man nur auf das Zeichen gewartet hätte. In dem Hellen Mondlicht sah Jann Dirk'sche deutlich die Enttäuschung auf Frau Lenes Gesicht bei ihrem Anblick — ja, die mochte wohl jemand anders erwartet haben. Mitleidig faßte die alte Frau nach der Hand der jungen, zögernd kam ein Wort um das andere aus ihrem Mund, ohne daß sie unterbrochen wurde. Nur ein Aufstöhnen und ein Paar große, erschreckte Augen zeigten, wie die Botschaft ausgenommen wurde.
Und diesen Augen gegenüber fand Jann Dirk'sche sich selber und der andern zum Trost auf einmal ihre Beredsamkeit wieder: „Kinners! Nasche!" sagte sie laut und herzhaft, „dat is je all dumme Tüg: Pe Mölk hätt eben so weni de Cholera as wi beiden! Wat schult he wull! He hätt to vel Grogk krägn in de Stadt. — De ol dumme Smid denkt natürii nix anners as Cholera. Rein verrückt is man je na bissen! Na — awer Pe' Mölk kann dat nich schaden. Lat em man utslapen in t' Krankenhus! Morgen fröh ward de Smid em ar rut- laten."
Sie schwieg plötzlich verwundert still: die kleine Schustersfrau trat aus die Straße hinaus, schlug die Tür zu und
drehte mit zitternden Fingern den großen Schlüssel um. Dann sah sie mit ihrem verstören Gesicht Jann Dirk'sche an und sagte tonlos: „Ick mutt hen na em . . . . is de nächste Weg nich öwer de Klockenfenn'?" — „Na, nu wardst dull!" polterte sie entrüstet los; „in Nach un Nebel, un denn um son Kirl?I" Doch das Letzte hörte Frau Lene schon nicht mehr; ihre eilenden Schritte klangen schon schwächer und schwächer durch die stille Straße.
Die Zurückbleibende stand nur einen Augenblick unentschlossen, dann fing sie an zu laufen, nicht ohne halblaut vor sich hin zu schelten: „Dumme Tüg ... son Kirl . . ." Vor dem Hause des Rademachers blieb sie stehen und klopfte an die Fenster der Wohnstube, hinter denen noch Licht schimmerte. Ein erschrecktes Aufschreien — eine scheltende Frauenstimme — dann die ärgerliche Frage: „Wat 's los?", die Jann Dirk'sche nicht minder ärgerlich beantwortete: „Wal schult wull los wän? Kumm man rut, Life, ick will blots 'n beten mit Di schludern." — Life Ramaker'sche konnte dieser Aufforderung nicht widerstehen; nach einigen Minuten stand sie draußen vor der Haustür, voll Neugierde, was Jann Dirk'sche wohl zu so nachtschlafender Zeit noch zu beschnacken hätte. Doch bevor sie eine Frage tun konnte, schob die Nachbarin sie wieder in den Hausflur zurück mit dem Befehl. „Binn Di' n Dook um, da 's kold so in de Nach, un Du mußt mit mi na de Mehlbüdelsdiek!" Vergeblich versuchte Lise Ramaker'sche eine Auflehnung gegen dieses Ansinnen; es nützte nichts: Jann Dirk'sche letzte ihr kurz und ärgerlich die Notwendigkeit dieses nächtlichen Spaziergangs auseinander, und so fügte sie sich seufzend und kopfschüttelnd, wie sie sich schon vor langen Jahren, als sie noch zusammen zur Schule gingen, gefügt hatte, wenn die Freundin ihre Teilnahme an einem neuen Streich wünschte.-
(Schluß folgt.)