Drilles Blatt zu Nr. 27H.
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Brief aus Bad Liebenzell.
G Bad Liebenzell, 21. Nov. Schon seit einigen Jahren befindet sich das Pflaster der Kirchstraße in einem ziemlich schlechten Zustand, was einem besonders deutlich wird, wenn man die Strecke zwischen „Ochsen" und „Hirsch" mit dem Auto befährt. Wohl wurden alljährlich kostspielige Ausbesserungsarbeiten vorgenommen, aber immer mehr gewann man die Ueberzeugung, daß hier nur eine „Radikalkur" helfen kann. Aber nur mit schwerem Herzen sind die Stadtväter dieser Frage näher getreten, war doch die Schuld, die das alte Pflaster verursachte, immer noch nicht ganz abgetragen. In der letzten Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde die Sache nun entschieden. Von der Kgl. Stratzenbauinspektion Calw lagen 3 Projekte vor. Das erste Projekt sieht ganze Pflasterung für die rund 250 Meter lange Strecke vor, was eine Ausgabe von 20 000 Mark verursachen würde. Auf 14 000 Mark käme die Sache, wenn die Strecke zur Hälfte gepflastert, zur Hälfte chauffiert würde. Ganze Chaussierung ist mit 10 000 Mark veranschlagt. In diesen Voranschlägen sind je auch die Kosten für die zu beiden Seiten der Straße anzulegenden Gehwege enthalten. Die bürgerlichen Kollegien haben sich nun auf das erste, wohl teurere, aber trotzdem empfehlenswertere Projekt geeinigt. Für die dadurch entstehende Schuld ist eine 25jährige Amortisation vorgesehen. Das „Städtchen", wie man den oberen Teil von Liebenzell nennt, wird also auch in Zukunst gepflastert sein, nur mit dem Unterschied, daß statt des weichen Sandsteins hartes Porphyrgestein verwendet wird. Bei der Wahl dieses Gesteins waren für die bürgerlichen Kollegien die guten Erfahrungen maßgebend, die man in einer größeren Stadt mit Porphyrpflasterung gemacht hat.
In derselben Sitzung wurden die aufgestellten Ortsbausatz ungen von den bürgerl. Kollegien endgültig gutgeheißen. Zur Ausstellung von Ortsbausatzungen und Anbauvorschriften sah sich die Stadtverwaltung durch die rasche Entwicklung unseres Kur- und Badeorts genötigt. In dem neuen Bauquartier darf nur in landhausartigem Stil gebaut werden. Was die Bebauung im allgemeinen betrifft, so haben sich die Kollegien für die sog. Abstandsregel entschlossen. Je nach der Höhenlage des Bauquartiers säireiben die Ortsbausatzungen Straßenabstände von 8, 9 und 10 Meter für beide Seiten zusammen vor. In diesen Satzungen sind auch die Beiträge, die die Angrenzer bei Straßenbauten zu entrichten haben, genau geregelt. Zur Kanalisation hat der Eigentümer 5 Mark pro laufenden Meter beizutragen. Die Kosten der Gehwege tragen die Angrenzer und die Stadtgemeinde je zur Hälfte und zwar sowohl was Anlagen als auch Unterhaltung betrifft. Letztere Vorschrift wird bei dem Umbau der Kirchstraße erstmals praktisch werden.
Als letzter Gruß des verstorbenen Lehrers Beutelspacher wurde den bürgerlich. Kollegien eine Summe Geldes zur freien Verfügung gestellt. In der letzten Sitzung wurde nun beschlossen, diese Summe zur Anschaffung eines Leichenversenkungsapparats zu verwendön. Dadurch wird einem längstgehegten Wunsch entgegen gekommen, welchen hauptsächlich diejenigen immer wieder äußerten, die einer Beerdigung in der Oberamtsstadt beiwohnten. — Die Stelle des Totengräbers wurde dem Gärtner Träuble übertragen.
Das Recht des Kindes.
Von Ellen Key.*)
Ein junger italienischer Künstler sandte mir neulich eine Zeichnung zu, die ein nacktes, neugebor- nes Kind darstellt, das von zwei blumenstielenähn- lichen Frauenarmen aus trüben Wassern emporgehoben wird, während die Türme und rauchenden Fabrikschlote der Großstadt sich dunkel vom Hintergründe abheben.
Der Gedanke des Künstlers kann derart gedeutet werden: wie der Stiel der Heckenrose die weiße Blume gegen die Sonne hebt, müssen starke und zugleich zarte Hände die Blüte unserer Generation, das Kind, gegen das Licht und in die Luft, die die Großstadt und der Großbetrieb immer schwerer zugänglich machen, heben.
*) Ein Kapitel aus dem neuen streitbaren Buch der Verfasserin „Die junge Generation", das bei Georg Müller in München erschienen ist.
Von der zukünftigen Gesellschaft weiß ich mit aller Sicherheit folgendes:
Das erste und wichtigste Kapitel in ihren Gesetzen wird das Recht des Kindes sein.
Dieses Kapitel wird bestimmen:
Das Recht aller Kinder auf gesunde, für diesen Beruf erzogene Eltern.
Das Recht aller Kinder auf eine, während der ganzen Wachstumszeit andauernde körperliche und geistige Entwickelung durch vollständigen Genuß eines allseitigen Gesundheitsschutzes, einer examenlosen Natur- und Kulturaneignung, einer fähigkeitsmäßi- gen — also nicht standesgemäßen — Berufsausbildung.
Das Recht aller Kinder aus Erblosigkeit, also auf die glücksbringende Notwendigkeit angewiesen zu sein, seine voll entwickelten Kräfte zu gebrauchen, gebrauchen.
Ob dieses Rechtskapitel geschrieben — oder gar befolgt — werden wird, bevor die erwachsenen Menschen wirklich beginnen, kindlich zu fühlen, das heißt, seelenvoll statt reichstumstoll sein werden? Sicher ist, daß die Gesetzgebung für die vollen Menschenrechte des Kindes nicht früher Zustandekommen wird, bevor sich nicht jene Wandlungen vollzogen haben, die die heutigen „Stützen der Gesellschaft" als „ge- sellschaftsumstürzlerisch" bezeichnen.
Die Zukunft wird dazu gelangen, das Kulturniveau der Gegenwart ebenso zu beurteilen, wie wir jene Zeitepochen beurteilen, in denen die Neugeborenen ausgesetzt oder die Säuglinge der eroberten Städte gegen die Mauern geschleudert wurden.
Ja, das Urteil über unsere Zeit wird strenger sein. Denn die Völker der Vorzeit wußten nicht, was sie taten, als sie Kinderblut gleich Wasser rinnen ließen. Aber unsere Zeit läßt Kinder ausnützen, hungern, mißhandeln, verkommen, in der Schule peinigen, entarten, verbrecherisch werden und kennt doch die Folgen, die für die Generation und für die Gesellschaft daraus entstehen. Und warum? Weil man noch immer nicht mit dem Werte des Lebens, statt mit dem Werte des Geldes rechnen will.
Jeder Tag des Jahres müßte vor allem anderen ein Tag des Kindes sein, so daß die Kinderjahre unter jenen Bedingungen durchlebt werden können, die für das Entstehen von gesunden, starken und guten Menschen unentbehrlich sind.
Jeder Staat, der diese Forderung zuerst zur Tat werden läßt, wird das vorgeschrittenste Kulturland der Welt werden, die „pädagogische Provinz", die Goethe ersehnte.
Landwirte, mehr Achtung vor euch selbst!
Ein wohlhabender Bauer in einer kleinen Kreisstadt der Provinz Posen äußerte einmal: Er habe drei Söhne, aber er lasse keinen von ihnen Landwirt werden; denn der Landwirt werde heute nicht mehr geachtet. Was der Mann damals als seine Absicht hinstellte, hat er später auch wirklich ausgeführt. Er hat alle drei Söhne auf höhere Schulen geschickt, um sie Beamte werden zu lassen, und die eigene Wirtschaft
hat er verkauft. Warum? — Nicht aus Mangel an Arbeitskräften, auch nicht aus Ueberdruß am landwirtschaftlichen Beruf, sondern aus gekränktem Ehrgefühl und aus Ehrgeiz. Wie in andern Ständen machte sich auch im Bauernstände das Bestreben bemerkbar, auf der Stufenleiter gesellschaftlicher Achtung und Wertschätzung emporzukommen, und weil viele Landwirte das Empfinden haben, daß andere Stände, z. B. die Beamten mehr Ansehen genießen als der Bauernstand, darum streben sie oder ihre Söhne oder Töchter aus dem bisherigen Stande hinaus. Man kann nicht ohne weiteres sagen, daß es die schwere Arbeit auf dem Lande ist, welche die Bevölkerung veranlaßt, vom Lande.fortzuziehen. Nein, — die geringe Achtung, welche diese Arbeit genießt, vor allem aber der Mangel an Selbstachtung und bäuerlichem Standesbewußtsein sind schuld daran, daß mancher Bauer einer falsch verstandenen mußereichen Vomehmheit, wenn sie aus den Städten an ihn herantritt, so wenig Widerstand entgegensetzt. Harte körperliche Arbeit verrichtet der Bergmann in den Bergwerken, denen so viele Arbeiter vom Lande zuströmen, auch. Aber trotz der großen Anstrengungen hängt der Bergmann an seinem Beruf. Er hält es sogar für unter seiner Würde, anderweitige Arbeit über Tage zu verrichten. Er fühlt sich als Bergmann und ist stolz auf seine Arbeit. Er besitzt eben das, was dem obenerwähnten Bauer fehlte, Selbstachtung und Standesbewußtsein. Würde beides auch in der landwirtschaftlichen Bevölkerung mehr gehegt und gepflegt werden, dann würde eine wesentliche Ursache der Landflucht verschwinden.
Dabei soll durchaus nicht verkannt werden, daß es in dieser Beziehung in letzter Zeit schon vielfach besser geworden ist. So haben z. B. die landwirtschaftlichen Winterschulen sehr segensreich gewirkt. Die jungen Landwirte, welche diese Schulen besuchten, haben neben vielen nützlichen Kenntnissen vor allem auch eine größere Achtung vor ihrem väterlichen Beruf mit heimgebracht. Sie haben erkannt, in welchem Umfang die Landwirtschaft eine Wissenschaft ist und wie gut man wissentliche Kenntnisse bei der Landwirtschaft verwer- ten kann. Das stärkt das Selbstgefühl ebenso wie das Selbstvertrauen, und darin liegt ein starker Schutz gegen die städtischen Einflüsse. In erster Linie kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Landwirt von der städtischen Bevölkerung geachtet wird, sondern darauf, ob er sich selber achtet und Grund hat, auf seinen Beruf stolz zu sein. Ist dies der Fall, dann verschafft er sich die Achtung der anderen Stände und Berufe im Laufe der Zeit schon von selber.
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Deutsche Alpenzeitung. Das erste Novemberheft dieser allen Wunder-, insbesondere Alpenfreunden in jeder Beziehung empfehlenswerten Halbmonatsschrift enthält wieder in reicher Abwechslung Aufsätze, Illustrationen, Gedichte, Erzählungen, die dem Leben der Alpenbewohner und der majestätischen Alpenwelt selbst entnommen sind. Im Anhang befinden sich Mitteilungen des Münchner Fremdenver- kehrsvereins. Die Zeitschrift erscheint im Verlag der Deutschen Alpenzeitung (Karl Junge) in München.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen BuO>rucker,i.
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