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Zweites Blatt zu Nr. 27^.

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Das Gleichgewicht in der Natur.

Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen," sagt ein bekanntes Sprichwort, das nicht nur für diesen besonde­ren Fall gilt, sondern überall. Oft scheint es zwar, daß das biologische Gleichgewicht gestöri sei, so bei plötzlich auftretenden Seuchen oder wenn die Zahl gewisser Schädlinge über Nacht gleichsam riesen­haft anwächst; aber das dauert immer nur wenige Monate oder Jahre, die höchstens uns kurzlebigen Menschlein manchmal arg lang erscheinen, in Wirk­lichkeit aber nur einen Tropfen im unendlichen Meer der Zeiten bedeuten. Und gerade der Mensch ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, der das Zünglein der Wage oft so empfindlich zu verschieben vermag, daß er es am eigenen Leibe verspürt. Das gilt bei­spielsweise bei der heute vielfach üblichen rücksichts­losen Verfolgung der Raubtiere. So ist in England dem Wanderfalken, der allerdings über alles gern Taubenbraten frißt, so nachgestellt worden, daß er dort kaum noch vorkommt; die Folge ist, daß auch die Rebhühner auszusterben beginnen; es brach un­ter ihnen eine Seuche aus, die Tausende hinweg­raffte, und man nimmt mit Recht an, daß diese Seuche sichnur deshalb so ausbreiten konnte, weil die Raubvögel nicht mehr die Schwächlinge unter den Bö­ge l n, die ja zuerst von der Seuche befallen werden, wegholten." Jeder Jäger weiß, daß da, wo der Fuchsbestand der richtige ist, auch der der Hasen lauter gute und kräftige Tiere zählt, und erst kürzlich wurde in den Zeitungen berichtet, daß in Schleswig die Kaninchen derart überhand genommen haben, daß man sich ihrer kaum noch erwehren könne, und daß das nur die Folge davon sei, daß man Meister Reineke fast ausgerottet habe. Denn die Raubtiere üben, wie Dr. Sturm im ersten Wintervortrag des Bundes für Vogelschutz ausführte, nicht nur eine Art gesundheitspolizeiliche Aufsicht aus, sondern ar­

beiten auch einer Uebervölkerung vor, die nament­lich durch die sich so rasch vermehrenden Pflanzen­fresser droht. So suchte die Verwaltung eines indi­schen Distrikts bei der Regierung Hilfe zum Schutz für den Tiger, da man sich der Ueberfälle der wilden Schweine und Affen nicht mehr erwehren konnte, deren Zahl früher durch diese großen Raubtiere in den nötige Grenzen gehalten wurde; dieselbe Rolle spielt in Ostafrika der Leopard als Affenvertilger, und auch dort haben die Pflanzer um seinen Schutz nachgesucht. Aehnlich ist's, wie gesagt, auch bei uns; daß in unfern Wäldern Eichhörnchen, Häher und Ra­benvögel so oft die Nester der Singvögel plündern, ist eine Folge davon, daß der Habicht und die an­dern Raubvögel so unverständig abgeschossen werden, und derartige Beispiele ließen sich noch in Menge ansühren, Das Utilitätsprinzip, das streng zwischen nützlichen und schädlichen Tieren unterscheidet, läßt sich eben gar nicht mehr aufrechterhalten und ist des­halb von Naturkennern längst aufgegeben worden; freilich ist sogar noch das Vogelschutzgesetz vom Jahre 1908 auf diesem Grundsatz aufgebaut worden, und manche Mängel dieses Gesetzes hätten sich vermeiden lassen, wenn man wirkliche Naturbeobachter und -kenner vorher um Rat gefragt hätte.

Alter.

Alte, vereinsamte religiöse Menschen kommen mir vor wie ein abgelegener einsamer Waldsee, den kein Windeshauch und kein Sturm berührt, der träu­mend in sich selbst ruht, in den die Sternlein Gottes herabschauen und ihn mild verklären. So sitzt in Städten, in Dörfern, auf einsamen Höfen manch ein Mütterlein in tiefmonotoner Stube, vergessen und verlassen von der Welt, aber sie lebt den Frieden Gottes und ihre Tage verrinnen, sie weiß nicht wie und es wachsen lauter Himmelsblumen auf dem Bo­den solcher Seelen. Heinrich Hansjakob.

*

Man lernt es, all die kleinen Leiden des mensch­lichen Daseins mit heiterem Eemüte lächelnd hinzu­nehmen und weiß die dem Augenblick so wichtigen Dinge, welche auf dem Tagesmarkt der Welt mit­unter gewaltige Aufregung erzeugen, nach ihrem richtigen Wert abzuschätzen, indem man den Blick über das Alltägliche hinweg auf das Bleibende und Unvergängliche richtet.

v. Völderndorff.

Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei. Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner.

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Das Hlngtückshaus.

47 Roman von Georg Türk

(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)

Ihre Augen hafteten auf dem Namen.

Hans Ringer . . . Sollte er es sein? . . . . Aber . . . das ist doch nicht möglich ... Er ist doch Assessor . . irgendwo! . . . Freilich . . . eine herr­liche Stimme hatte er damals . . . Damals! O Gott!"

Ein heftiges Schluchzen durchbebte ihren Körper. Dann legte sie die Zeitung zusammen. Jedenfalls", sagte sie bestimmt,gehe ich heute Abend ins Theater!'^

Das Theater war dicht besetzt. Eine glänzende Gesellschaft war versammelt.

Das schwatzte und lachte durcheinander.

Im ersten Rang saß eine Frau, stumm und ge­spannt. Ihre Hand rollte unablässig das Programm aus und zusammen.

Sie sah mit leeren Blicken in das Gefunkel der vielen Lichter; das Plaudern und Lachen klang wie fernes Rauschen an ihr Ohr ...

Endlich ertönte das Glockenzeichen.

Feierlich klang das Motiv des heiligen Grals durch die Stille . . .

Das Vorspiel verhallte. Der Vorhang hob sich.

Wie in einem Banne lagen die Zuhörer. . . bis zum Schlüsse.

Und dann, wie mit einem Male, brach der Sturm der Begeisterung los.

Das war ein Händeklatschen, ein Jubeln, ein Tücherschwenken.

Hans Ringer verneigte sich wieder und wieder.

Um ihn her war ein Stürmen und Brausen, in ihm war es feierlich und still.

Das war die Geburtsstunde eines neuen Lebens bei Hans Ringer.

Hans Ringer verließ das Theater.

Sein Wagen wartete auf ihn.

Rechts und links bildeten die Menschen, die ihm noch nicht genug zugejubelt hatten, Spalier. Er merkte nicht, wie eine Frau mit brennenden Augen aus ihn sah.

Da löste sich aus der Menge ein Mann los, der ging auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte: Ich gratuliere von ganzem Herzen! Kennen Sie mich nicht?"

Hans Ringer sah dem Fremden ins Gesicht.

Ah!" rief er erstaunt. Pfarrer Altheimer?"

Stimmt! Meinen Sie, ich hätte heute Abend fern bleiben mögen? Aber kommen Sie! Die Leute werden schon aufmerksam. Sie haben meinen Titel vernommen! Der Pfarrer beim Komödianten! Ich fürchte Anspielungen ... Ich werde mit bis zu Ihrer Haustüre fahren!"

Sie stiegen beide ein. Der Wagen fuhr ab.

O, könnten Sie mir ins Herz schauen!" sagte Hans Ringor.Ich bin glücklich, ganz glücklich! . . . Und Ihnen verdanke ich's!"

Altheimer lachte.

Die Hauptsache ist, daß Sie befriedigt sind! . . Und nun will ich aber meine Glückwünsche aus Er- lenstadt bringen. Meinhardt und Frau lassen grü­ßen und Karl und seine Frau lassen auch grüßen, desgleichen Hedwig, die im Pfarrhaus Kinds­magd ist."

Was ist mit dem Unglückshaus?"

Es steht leer . . . Nun noch eine Neuigkeit: Ich habe mich um die erste Pfarrstelle bei Sankt Martha in hiesiger Stadt beworben. Ich habe die Stelle erhalten. Am ersten trete ich an. Ich denke, Sie werden sich manchmal bei uns sehen lassen! Franziska freut sich schon auf Ihren Gesang."

Welch eine freudige Botschaft!" entgegnete Hans Ringer.Sie hier, Sie, dem ich soviel ver­danke! Sie sollen mich häufig be Ihnen sehen. Das verspreche ich Ihnen!"

Der Wagen hielt.

Schlafen Sie wohl und ruhen Sie gut auf Ihren ersten Lorbeeren!"

Ich will's versuchen! Wenn ich heute nicht schla­fen kann, kann ich es nicht vor Glück! Gute Nacht, Herr Pfarrer!"

Als Herr Großkaufmann Hammerstein nachts einhalb zwei Uhr heimkam, fand er seine Frau im Schlafzimmer. Aber sie war nicht im Bett, sondern saß völlg angekleidet auf einem Stuhl am Fenster.

Na!" sagte er ärgerlich.Was soll das heißen?"

Er war etwas angetrunken.

Ich war im Theater."

So! Ich dachte, das wäre nichts für deine Nerven!"

Ich hatte eben Lust!"

So! Hm! Und warum bist du nicht im Bett?"

Ich-ich hatte eben Lust, aufzubleiben,

zu sehen, wann mein Herr Gemahl nach Hause zu kommen beliebt!"

Ah! So! Unsinn!"

Er hatte sich ausgezogen und warf sich ins Bett.

Lösch das Licht aus und leg dich nieder!" brummte er noch und gleich darauf kündete sein lau­tes Schnarchen, daß er eingeschlafen war.

Die Frau lachte nervös auf, indem sie ihre Kleider ablegte und das Licht ausdrehte.

Er schläft, mein Herr Gemahl! . . . Wenn du wüßtest, daß meine Gedanken bei einem anderen sind. Aber . . . vielleicht wäre dir auch das gleichgültig, wie ich dir schon lange gleichgültig bin . . ."

Sie legte sich ins Bett und warf sich schlaflos hin und her bis zum Morgen . . .

Und während des Wachens reifte in ihr ein Plan.. . . Ich ließ mir damals das Glück aus den Händen gleiten . . . Vielleicht . . . kann ich es wieder fassen. . . ." dachte sie.

(Fortsetzung folgt.)