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Ailenllrig. Dienstag -en 17 . Juni.

I Jahrgang 1924

Ministerpräsident Herriot.

Mit Herriot erlangt zwar ein Politiker die Würde des französischen Ministerpräsidenten, der noch nicht oft eine führende Stelle im Staate inehatte, aber eine Persönlich­keit, deren ausgesprochene Eigenart seine bisherige Lebens­führung deutlich erkennen läßt. Zm Jahre 1872 in Troyes geboren, gehört er eine Seltenheit für französische Po­litiker nicht dem Advokatenstande an wie fein Vor­gänger Poincare. Seine Politik wird daher wohl nicht so sehr von rein juristischen Gesichtspunkten ausgehen wie die seines Vorgängers. Herriot hat vielmehr den Ruf, eher die wirtschaftlichen Fragen in den Vordergrund zu pellen. So hat er bereits als Oberbürgermeister vi n Lyon die Lyoner Messe gegründet, eine Tat, die ihn zwar heftigen Angriffen durch die wirtschaftliche Interessen­gemeinschaft aussetzte, deren Erfolg aber bewiesen hat, daß Herriot zu den wenigen französischen Politikern zählt, die Einsicht in die wirtschaftliche» Bedürfnisse des Staates ho­he». llebrigens hat sich Herriot nicht immer als Verwal- -tungsbeamter betätigt; er hat sich vielmehr zunächst der Gelehrtenlaufbahn gewidmet, wurde Literarhistoriker und Professor an der Lyoner Universität. Als Bürgermeister gehörte er dem Generalrat des Rhone-Departements an, 1912 wurde er in den Senat gewählt, dessen Mitglied er bis 1919 war. Briand berief ihn im Jahre 1916 für sein Kabinett zum Ernährungsminister. Als solcher ist es ihm gelungen, die auf dem Bahnhof von Zory lagernden Mas­sengüter, die die Kaufleute dort in Erwartung höherer Preise aufgestapelt hatten, zur Verteilung zu bringen. Ganze Straßen standen damals voll Wagen mit Stein­kohlen, was angesichts der in Paris herrschenden Kohlen­not ein seltsamer Anblick war. Im Jahre 1920 übernahm er als Mitglied der Kammer die Führung der Radikal- sozialistischen Partei und damit die Opposition. Er hat vor allem Kritik geübt an der Haltung des Nationalen Blocks gegenüber Deutschland und Rußland; gegenüber Rußland dürfte man, so sagte er, sich nicht allein von machtpoliti­schen Beweggründen leiten lasten; man solle vielmehr wieder. Geschäftsverbindungen mit ihm anknüpfen und die Räteregierung anerkennen. Mit der Besetzung des Ruhr­gebiets habe die französische Politik in Rheinland und Westfalen auch Eroberungs- und Zerstückelungspläne ver­folgt; die deutsche Frage ließe sich bester durch Verhand­lungen diplomatischer Art lösen. Dieser Ansicht ist Herriot später nicht ga«z Pen geblieben. Er hat vielmehr die hart­näckige Politik PRncares mit der Begründung verteidigt, datz die Franzose--, da sie einmal das Ruhrgebiet besetzt hatten, auch an ihrem Pfand festhalten müßten.

Seinem bisherigen Lebensgang nach scheint Herriot ein Mann kluger Gedanken zu sein. Ob er aber der Mann ist, Pe gegen eine starke Opposition zu verwirklichen, ist nicht ohne weiteres zu erwarten. Er besitzt anscheinend weder die Hartnäckigkeit Poincares noch d,ie Zähigkeit Mille­rands. Beim Sturz Millerands war Herriot übrigens keineswegs der Wortführer. In dem Kampf, den der Links­block gegen Millerand führte, hat sich Herriot vielmehr sehr zurückgehalten. Noch eine weitere Erinnerung ist bezeich­nend für ihn: Als im Oktober 1918 die Sozialisten und Menschenrechtler eine Kundgebung gegen den Chauvinis­mus veranstaltet hatten, versprachen einige Vertreter der Radikalen, diese Kundgebung auch vom radikalen Kongreß Unterschreiben W lasten. Herriot aber erhob sich gegen meses im Grunde sehr kernlose Schriftstück und bewirkte leine Verwerfung, weil man den deutschen Sozialisten nicht ft mel Vertrauen entgegenbringen dürfe. (Nach der »Köln.

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Die Kammer Hat am Samstag nachmittag eine kurze Sitzung von nur 5 Minute« Dauer abgehatten. Als Kam­merpräsident Painleve de» Saal betritt, wurde er von der gesamten Linke« mit starkem Beifall begrüßt. Während der Beifallskundgebung ruft ein Abgeordneter aus der Mitte: »Demission!" Die Abgeordneten der Linken pro- bchtieren und bringen nochmals stehend ihrem Präsidenten eine Huldigung dar. Die Kammer vertagte sich hierauf auf Menstag 3 Ah«. Als Kammerpräsident Painleve den Sit- Snngssaal verließ, brachte« ihm die Abgeordneten der Lin­ke« und ei« ziemlich große Zahl von Abgeordneten aus der Mitte «nd der Rechten eine Ovation dar.

*

H e rrio t Wer de» «eue» französische« Kriegsminister. Paris» 16. Juni. Die Ernennung des Generals Nollet zmn Kriegsminister erläuterte Herriot den Journalisten wie folgt: Rollet hat mich aufgeklärt über das, was sich in Deutschland ereignet und was ich zum Teil schon gewußt habe. Er, der Deutschland gut kennt, hat den sehr klaren Eindruck, daß es sich unter den gleichen Bedingungen wie Preußen nach 1806 wieder organisiert. Ich bin entschlossen, gegenüber der deutsche« Demokratie eine liberale Politik zu treiben, aber es ist nötig, daß sie die Rationalisten verhin­dert, ihre Propaganda «nd ihre Organisationen weiter zu betreiben. Es ist notwendig, daß das jetzige System sich än­dert. Wenn wir keine Befriedigung erlangen können, so Heien Sie überzeugt, daß wir viel schärfer gegen Deutschland Hei« »»erde» als andere. Wir werden es sein, weil es sich darum handelt, de« Frieden zu sichern, sowie sie Achtung vor unseren Rechte« und die Entwicklung der demokrati­sche« Bewegung. Deutschland muß wissen, daß wir liberal sind, daß wir uns aber nicht täuschen lasten. Die Teil­nahme Nollets an der Regierung ist für die Nationalisten nnd alle Deutsche» das sicherste Zeichen, daß wir ihnen nicht gestatten werde«, «ns M täuschen «nd den Frieden zu kom- s ^prornittieren.

^ Aus den drohenden Erklärungen Herriots geht hervor, , was man von Herriot zu erwarten hat. Auch Herriot ist zuerst ! Franzose und dann Parteimann. Beim Deutschen ist es bekanntlich umgekehrt!

dürfe, «k Löfnug der NHMWftnftage und die Mag« der Ausgetviesenen fei organisch mit dem SachverMrS digeMrlachtr» verbunden. Ist das Gutachten, sagt« der Minister, eine Lösung der Reparationsfrage, dannl ist es auch das Ende «Wer Methoden, die während des Ruhrkampfes als Kriegsmethoden angewandt wurden. Das gifi auch für die militärische Räumung des Nuhr- gebietes, die zu einem bestimmten Termin in Aus­ficht genommen werden mutz.

Unsere Aufgabe ist es, einen Weg zu finden, der das Nebeneinanderlebev von Frankreich und Deutsch­land sicherstem, die auf ein friedliches Zusammen­leben angetviese« find und vielfach wirtschaftlich und finanziell vor dem gleichen Problem stehen. Zürn "Schluß richtete der Minister einen Appell an allg Volksgenossen, den Parteigeift zu überwinden und be­sonders die Außenpolitik von parteipolitischer Ein­stellung zu befteien. Unsere Aufgabe sei es, daH Reich zu erhalten, die besetzten Gebiete von allen! vertragswidrigen Lasten zu befreien und so die Grund­lage für den künftigen Wiederaufstieg Deutschland- zu sichern. __ . M

Nemerun^-

Huldigung verbrachte. Am Sonntag ^ ^ «Mrei-

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cher Mitglied« des «neu Kabinetts st. buchen Bildhauer «emüer Lasten- Denkmal

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de«, um d« Regierungserklärung ftstsulege«, ^ «-«tag 8 Ahr di- nr« «eswrung vor

da« Parlament trete« wird. . .

Herriot will am nächste» Samstag nach London roy ,

«» schen «n Sonntag in Lheqner» mit Macdonald F h-

iikftg z» nehme».

Dr. Stresemann zur politischen Lage.

Karlsruhe, 16. Juni.

Zn einer anläßlich der Tagung der StMvestdeutschen Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Bolkspartei hier ver­anstalteten öffentlichen Versammlung sprach Reichsmi- »kster des Auswärtigen Tr. Streseman« Über die pofi- fische Lage. Ausgehend von der Veröffentlichung einer Denen Serie der Aktenpubltkation des Auswärtigen Mutes führte der Minister ans, diese Publikationen Würben Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Dann Aei eS Zeit, auf Grund dieser Gesamtdarstellung der Deutschen Politik in den entscheidende» Jahrzehnten der europäischen Entwicklung die Fordern^ an die nndsren Mächte Ul richten, auch ihrerseits ihre Ar­chive zu öffnen, um so die Grundlagen für eine Unparteiische Erörterung der Schukdftage z» schafft«. Gegenüber der heutigen Kritik vertrat der Minister de» ! Standpunkt: Wir ziehe« die Konsequenzen ans de» r verlorenen Krieg und zahlen deshalb KriegSentschü- ! vigung, aber wir lehren es ab, als die moralisch Ber- ! «mtwortlichen irgendwelche Wiedergutmachung zu lei- ' Wen.

! Weiter betonte der Minist«, daß in düeser Zeit der ' Verhandlungen über das Sachverständigengutachten die Behauptung ausgestellt worden sei, daß die gegenwör- : ttge Regierung keine verfassungsmäßige Grundlage Habe. Seit aber die neue Verfassung bestehe, Hab« nüe- , «and daran gezweiftlt, daß die Regierung erst dann ' was Vertrauen verliere, wenn die Mehrbeit ihr da« Mißtraue» aussprech«. Harte fthe« wir, BMk Mr Mi­nister u. a den Zusammenbruch der Wirtschaft in den besetzten Gebieten durch die Erpressung der Micum- Verträge und die ungeheuere Belastung des Reiche» durch die Besatzungskosten nnd die Reparationsabgabe. Wir sehen 12 Millionen Deutsche ohne politisch« Frei­heit und ohne Rechtssicherheit ungeheuren materielle« Leiden «nd seelische« Bedrückungen ausgekeftrt. Wir i stehen heute trotz der durch die Zahlungsunfähigkeit veranlaßt«« Aussetzung der normale« Reparations- : »eistunge« vor etnor deutsche» AchresHeistnu» von «per ein« «Wliard* Hwkdmurk. Die normale» Leistun­gen Drntschchmds seien von de« Sachverständigen über»

^ schätzt worden. Si^ mit dieser Leistung abzufindea,, sei nur«gfich im Hinblick ans die Bestimmungen! über die Transferierung deutscher Guthaben, di« nur . bet UeborMüSen der deutschen Wirtschaft stattfinde«

Neues vom Tage.

Einigung mit de« Liftnbahnarbeitern.

Berlin, 16. Juni. Die Verhandlungen zwischen der Meichsregierung und de» Spitzenorganisatione« über die Differenzen der Reichsbahn haben zu einer Einigung ge­pikt. Damit kann der drohende Lerkehrsstreik als new miede» angesehen werden. Von Regierun^-ftite nahmen daran teil: der Reichskanzler, das Reichsverkehrsmiuiste- rium, das Reichsfinanzministerinm »nd das Reichswirt­schaftsministerium. Von Gewerkschaftsseite war« vertie­ft«: der Deutsche Gewerfichastsbund, der Allgemeine deut- Zche Gewerkschaftsbund, der Eewerkschaftsring und 'außer­dem je ein Vertreter der drei Eisenbahuerorganisatione». Wie aus gewerkschaftlichen Kreisen mitgeteilt wird, herrschte Lei den Gewerkschaftsvertretern allgemein der Eindruck, paß die Reichsregierung sich bemühe, den Interessen und Wünschen der Eisenbahner in jeder Beziehung entgegen­zukommen. Das erzielte Ergebnis entspricht zwar nicht ganz dem, was die Gewerkschaften gefordert hatten. Sie Erklären sich aber angesichts dieses Ergebnisses außerstande, Ähren Mitgliedern einen Streik zu empfehlen. Was die Lohnfrage angeht, so hat sich die Regierung bereit erklärt, den schlechter bezahlten Eisenbahnern statt 2 Pfennig S Pfennig auf den Stundenlohn zuzulegen. Ferner hat sich die Regierung bereit erklärt, auf die zehnte Arbeitsstunde der Oberbauarbeiter (Streckenarbeiter) zu verzichten. Da­gegen ist es den Gewerkschaften nicht gelungen, einen be- ftnder Zuschlag für die neunte Stunde zu erreichen. AÄer die Dienstdauervorschriften soll in kurzer Zeit neu verhandelt werden. Am Montag fanden im Reichsfinanz­ministerium mit den Eisenbahnerorganisationen Bespre­chungen über die weitere Durchführung des spielten Er- igebnisses statt.

Der rätselhafte politische Mord.

Rom, 16. Juni. Mussolini hatte nach der Kammersitzung jeine Unterredung mit Frau Matteotti, die ihn wohl auf Grund der umlaufenden Gerüchte über Auffindung ihres tote» Mannes bat, ihr die Leiche herauszugeben. Musso­lini versicherte bei dieser Gelegenheit Frau Matteotti, daß die Regierung alles aufbieten werde, um alle Schuldigen ausfindig zu machen. Da in dem Automobil, in dem Matteotti entführt wurde, Bkutspuren gefunden wurden, wird übrigens allgemein angenommen, daß der Abgeord­nete tatsächlich ermordet und die Leiche entweder im Vico- see versenkt oder in de« großen Wäldern der Amgegend vergraben worden ist.

Mailand, 16. Juni. Politisch wichtig fit, daß Anter- paatssekretär im Jnnenminiüerium, Finzi und der Presse­chef der Regierungskanzlei, Rosst, ihre Entlassung ««ge­deicht haben, um als Privatleute die Verdächtigungen, dir gegen sie laut werden, zu zerstreue«. Mussolini hat ihre Entlassung angenommen. Die Entlassung von Finzi «nd Rosst indet, nach demEiornale d'Jtalia", in der Öffent­lichkeit, die an hohe? Regierungsstellen nun unantastbare Männer sehen wollte, volle Zustimmung. Die Polizei solle aufhören, sagt das Blatt, die Antersuchüng auf eigene Faust zu führen, dann würden Männer, die in tue Sache verwiaelt und unbegreiflicherweise noch frei seien, in Un­tersuchungshaft genommen werden. Die Bemerkung rich­tet sich gegen den Herausgeber desCorriere Jtaliano", der such von anderen Blättern besckmldiat wird, seine Freiheit