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Drittes Blatt zu Nr. 268.
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Wie Hermann Kurz draußen (an fremdem Ort) seine erzählende Heimatkunst ausüdte.
Mitgeteilt von August Holder.
Der Dichter schöpfte als Reutlinger Chronist aus der eigenen Jugenderinnerung und einer mündlichen Überlieferung, als Erzähler großen Stils aus wissenschaftlichen anerkannten Quellen, als Verfasser von Familiengeschichten aber aus der schwäbischen Volkskunde, wie sie am Platze selbst sich ihm offenbarte. Ein wahres Schulbeispiel seiner letzteren Arbeitsmethode haben wir im „Weihnachtsfund".
Es war im Frühjahr 1855, als Buchhändler Meidinger in Frankfurt, der Verleger des „Sonnenwirts", eine Christfestgeschichte von ihm wünschte. Kurz konnte nach seiner Veranlagung nul etwas Boden st ändiges schaffen. Den Stoff hiezu erhielt er von seinem Freund Stadtpfarrer Buttersack in Liebenzell, bei dem er sich selbigen Sommer zur Erholung aufhielt. Die ganze Geschichte hatte sich in und bei Liebenzell abgespielt, und so mußte die Erzählung sogar in der Darstellung von Nebenumständen und in der seelengeschichtlichen Begründung liebenzellisch gefärbt sein. Er beschäftigte sich eingehend mit der örtlichen Volkskunde, machte sich mit den abergläubischen Bräuchen und abweichenden Sitten der Bevölkerung vertraut, und sammelte deren sprichwörtliche Redensarten, die gerade in der Mundart ihn um so mehr anheimelten, weil die ihnen inwohnende Lebensweisheit dann recht unmittelbar zum Herzen sprach.
Zur Pflege der kleinen Kinder hatte Kurz ein aufgewecktes Mädchen vom Städtchen gewonnen, Justine Eengenbach (geb. 1841, bereits 1854 konfirmiert). Diese fand Verständnis für das, was der Dichter erfahren wollte und zu wissen brauchte; auf seine diesbezüglichen Fragen wußte sie stets raschen und zuverlässigen Bescheid, und aus ihrem kindlichen Munde strömte Volksphilosophie für seinen Zweck in reichem Maße. Hermann Kurz fühlte sich ihr zum Danke verpflichtet; wie wollte er sie für ihre treuen Dienste belohnen? Er nannte die Heldin der Weihnachtserzählung nun auch „Justine" und gab derselben das innere und äußere Bild seines hübschen und gescheiten Kindsmädchens. Eine weitere dichterische Freiheit gestattete er sich noch dadurch, daß er das ganze Ereignis, welches er schildert, um zwei Jahrhunderte zurückverlegte.
Den wohlgeordneten Stoff seinem Gedächtnis eingeprägt, und die volkskundlichen Zutaten in sein tiefes Gemüt versenkt: so begab sich der Dichter jeden schönen Tag — die Schreibmappe unter dem Arm — in den nahen Burgrvald. Im Duft der Tannen arbeitete er unermüdlich an dieser Geschichte, die wie ein Bächlein dahinfloß, als er sie zu Papier brachte. Nur ein Baumstumpf diente ihm zur äußeren Stütze. Der würzige Erdruch des Volks- und Waldbodens bildete für ihn in gegenseitiger Durchdringung eine eigene Lebenslust höherer Art, die auch seiner Schöpfung zugute kam. So wurde der „Weihnachtsfund" unter seinen Händen eine wahre Meisterarbeit der erzählenden Heimatkunst und ist heute unumwunden anerkannt als eine der edelsten Perlen der gesamten Weihnachtsliteratur. Liebenzell schickt sich an, dem lange verkannten Dichter zum hundertsten Geburtstag (30. Nov.) eine Gedenktafel mit Inschrift an einem Felsen zwischen üppigem Efeu zu widmen.
Während meines heurigen Aufenthalts in Bad Liebenzell suchte ich die leibhaftige Justine auf (Gasthaus zum Herzog Eberhard), erzählte ihr von der späteren Geschichte des Kurz'schen Hauses und von der hervorragenden Bedeutung dessen, was der Dichter im „Weihnachtsfund" durch ihre gelegentliche Mithilfe geschaffen hatte, und wies darauf hin, daß am 30. November d. I. das deutsche Volk und besonders der schwäbische Stamm den hundertsten Geburtstag dieses Wegbereiters einer erzählen den Heimatkunst festlich begehen werde. Ihre Augen leuchteten vor Freude, als sie das erfuhr; ihr gutes
Herz wurde aber tief gerührt, als sie einige Tage später auf meine Fürsprache hin das schöne Büchlein, in welchem sie verewigt ist, in vornehmem Einband vom Vertreter der Erben des Dichters (Staatsrat E. v. Mohl-München) als freundlichen Erinne- rnngsgruß erhielt.
Umschau.
Peter Rosegger über die Liebe.
Peter Rosegger hat unter dem Titel „Mein Leben" ein neues Buch erscheinen lassen und behandelt darin im Kapitel „Nebenbei gesagt" auch die Liebe. Die Kapitelüberschrift läßt schon erkennen, daß der Verfasser dem Thema für seine Person nicht die weit- und menschenerschiitternde Bedeutung beizulegen scheint, die andere darin gefunden haben. Man liest da also u. a. was folgt: „Ich bin mit mancherlei Leidenschaftlichkeiten ausgestattet worden, ber die Liebeswoiselei und die Liebesraserei, mit der so viele ihre Mitmenschen beunruhigen, ist mir versagt geblieben. Ein Wegkamerad hat mir gern geraten, recht viele Weiber kennen zu lernen und zu lieben, um ein guter Dichter zu werden. Ich habe auf diese Schule verzichtet. Wenn mich ein Beichtvater um nähere Umstände fragen wollte — an Dorfgasseln in Samstagnächten, Almiwanderungen, Aufenthalt in Großstädten erinnernd — so wäre ich am Ende in derselben Verlegenheit, wie das Bauern- bübel, dem am Beichtstuhl zu wenig Sünden einfallen. Vorhanden werden ihrer ja sein, aber einfallen tun sie einem nicht. Als ich im Leben stand, da habe ich viel Liebe gesehen und viel Liebe gedacht. In hundertfachem Reigen. Sie ließ sich von mir besingen, beschreiben, ohne besonderen Schaden zu tun. Obschon mich ein schwäbischer Mönch einmal in allem Ernst aufgefordert hat, die Alimenten zu zahlen für einen, der von meinen Liebesgeschichten verführt worden sei . . . Ansonsten hatte ich zur Liebe selten Zeit. Große Eindrücke und große Absichten verstauen dazu auch die Stimmung. Auf schönen Reisen, unter der Spannung größerer Arbeiten, unter der Last von Pflichten sind meine Sünden nicht zu finden; auch bei schönen edlen Frauen nicht — je mehr sie mich seelisch innerten, je weniger meldete sich die Versuchung. „Zum Sündigen eignen sich die Gemeinen besser", hat einmal einer gesagt. Der Liebesqualität wegen könnte man den Verliebten fragen: Rühmst du dich der Liebe? Schämst du dich ihrer? Hast du Ehrfurcht vor ihr? Der Unzüchtige rühmt sich, der Unschuldige schämt sich — der wahrhaft Liebende hat Ehrfurcht. Das eine darf gesagt werden, ich habe keiner das „Lebensglllck zertreten", keiner das „Herz gebrochen". Von allen, die mich „nicht kriegten", hat sich jede getröstet, und wahrscheinlich recht leicht. Es gab Zeiten, da ich triumphieren zu dürfen glaubte über sonst viele herrischere Dichterkollegen, die unter der Tyrannei Kupidos immerfort gar erbärmlich wimmerten und nichts mehr im Kopfe und im Blute zu haben schienen, als Mädchenjägerei und Weibsgelllste. Aber dann kamen schon andere Zeiten. Man will eine Lebensgefährtin und sucht nur das Weib. Als bei mir die rechte erschien, sah ich zunächst nicht das Weib, sondern den sympathischen Menschen, der mir einzig gut ist, dem ich einzig gut bin, mit dem ich zusammen sein möchte immer und immer. Und dann erst, bei dem Zusammensein mit diesem Menschen, ist sachte die Liebe gekommen, die es offen sagte, was sie meint. Soll das ein Bekenntnis sein? Ist das alles? Nebenbei gesagt, mehr wüßte ich kaum an,zu deuten. Sollte ich in der Jugend wirklich etwas versäumt haben, so hat Amor, der streng rechnende Bub, es mir für spätere Tage gutgeschrieben".
Kaiser Wilhelm als Wirt. Der deutsche Kaiser ist, was wenig bekannt sein dürste, auch Restau- rations- und Cafebesitzer. Als nämlich das allbekannte Cafe Blume an der historischen Mühle am Parke von Sanssouci einer großzügigen gärtnerischen Anlage Platz machen mußte, kam der Kaiser seinen Potsdamern dadurch entgegen, daß er etwas
abseits der historischen Mühle ein neues, schönes Restaurant mit Cafe errichten und davor auch einen geräumigen Sommergarten anlegen ließ. Das Hauptgebäude ist im Stile der friderizianischen Zeit gebaut und hat auch den historischen mattgelben Anstrich. Als Pächter setzte der Kaiser den früheren Oekonomen der Angestellten-Wirtschaft im Neuen Palais in seinen Restaurationsbetrieb ein. Beim Abschlüsse des Pachtvertrages sagte der Kaiser zu ihm: „Mein lieber Herr Moritz, Sie sollen die geringe Pacht von nur jährlich 6000 .1t zahlen. Sagt mein Restaurant den Potsdamern zu und rentiert sich der Betrieb, dann können wir ja späterhin die Pacht ein klein bischen erhöhen, damit ich auch etwas mehr daran verdiene. Aber eins mache ich zur Bedingung: Es muß hier den besten Kaffee von ganz Potsdam und Umgegend geben!" Das neue Restaurant und Cafe „Zur historischen Mühle" hat sich die Gunst der Potsdamer und der Fremden erworben und ist für die Potsdamer eines der beliebtesten Ziele ihrer Nachmittagsspaziergänge geworden. Auch der Kaiser weilt hier häufig als East. Wenn er seinen Vormittagsspaziergang unternimmt, dann kehrt er regelmäßig bei seinem Pächter ein, um mit seiner Begleitung ein Glas Wein oder auch einen kleinen Imbiß einzunehmen. Bei dieser Eelegen- und ist sehr erfreut, wenn er hört, daß „sein Restau- heit erkundigt er sich nach dem Stande des Geschäfts rant" nach wie vor gut geht.
Sonntagsgkdanken
Reichtum.
Nicht wer wenig hat, sondern wer viel wünscht, ist arm. S e n e c a.
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Auf das, was dir nicht werden kann,
Sollst du den Blick nicht kehren;
Oder ja, sieh es recht an,
Du bist gewiß, du kannst es entbehren.
R ü ck e r t.
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Man ist reich, wenn man ein freundliches Herz hat. Frenssen.
ch
Ein Gesichtspunkt, nach dem ich einen Menschen einschätze, ist immer der, ob und wie er danken kann. Wenn einer warm, herzlich, einfach danken kann, dann freue ich mich königlich; dann ist's mir, als lachte mir eine Maienwiese entgegen voll Blumen und Sonnenschein, weil ich dann weiß: du bist einer schönen, Hellen Seele begegnet! Diese Hellen Seelen messen nicht, rechnen nicht, überlegen nicht. Sie empfinden kein Verdienst, keine Notwendigkeit, beschenkt zu werden; sie stehen am Bächlein wie die blaue Blume und lassen sich tränken.
_ D. Schlotter.
Wunsch.
Hoch im Scheitel günstige Gestirne,
Früh den Kranz schon um die junge Stirne,
Fröhlich sein die kurze Zeit auf Erden,
Ein Geliebter seines Volkes werden, lieber Schutt und Staub auf starker Schwinge, Schwache stütze» mit bereiter Klinge,
Heimatsglocken in »ersehnten Herzen,
Und dereinst in frühen Todesschmerzen,
Kurz der Kampf und lächelnd das Entschweben —
Sieh, mein Herz, das war' ein Menschenleben!
Carl Busse.
Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchift, Druck und Verlag der B. Oelschlägcr'schen Buchdrucker,'
Rcklanielsil.
Die Meinung eines asthmakranken Arztes übe: Apotheker Neumeier's Asthma-Pulvcr und Asthma-Ciaa rillos. Derselbe schreibt wörtlich:
„Ich kann nicht genug danken für die gefällige Sendung d> e Asthma-Pulvers, das gerade zu einer Zeit eintraf, als t>t schwer an Asthma zu leiden batte. Die Wirkung war et», vorzügliche." Tr. Kirf ebner, Arzt, Polzin, Pommern Erhält!, nur in Apoth., Dose Pulver M. 1.50 od. Kurioi- Cig rillos M I 50 Apotheker Reumeier, Frankfurt a. M
Best.: jltitr. Broctincladu« s!r»'ul 4b, Lobrl Urirul ü «rolpt'lers. LL letrlgs. Noteun b, Rohrzucker Tctle.