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Nr. 263. Amts- und Anzeiseblatt für den Vberamtsbezirk Lalw. 88. Jahrgang.
NezugSpreiS: In oer Stadt rrrtr Lrägerlohn Mk. i.2S vierlet>ährilch. Post- bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarorrsverkehr Mk. 1.20. im Fernverkehr Mr. L.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg,
Amtliche Bekanntmachungen.
UrschetnungSwets«: 6mal wöchentlich. Lnzetgenpreis: Im OberamtS- dezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 2S Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
tNsntag, den tO. November t^t^.
K. Oberamt Calw.
Än die Gemeindebehörden.
Für die im Monat Dezember vorzunehmenden Eemcinderatswahlen sind die erforderlichen Einleitungen rechtzeitig zu treffen. Es wird hiebei darauf aufmerksam gemacht, daß die Wählerliste spätestens 3 Wochen vor dem Wahltag zur allgemeinen Einsicht aufgelegt werden mutz.
Im übrigen wird auf die Bestimmungen der Art. 11—27 der Gemeindeordnung und der M 12—24 der Vollz.-Verf. zur genauen Beachtung hingewiesen.
Nach vollzogener Beeidigung der neu eingetretenen Mitglieder des Gemeinderats sind die Namen derselben dem Oberamt anzuzeigen.
Den 7. November 1913.
Reg.-Rat Binder.
Teure Kohlen —Arbeitsnot—Kalte Stuben.
Die Kohlenschätze Deutschlands bildeten bis zum Jahre 1865 Staatsregale. Der Staat konnte für sich Kohlenfelder reservieren, und wenn er Schürfungsrechte an Private verlieh, so mutzten sie den „Zehnten" des Bruttoertrages an den Fiskus entrichten. Durch Aufhebung dieser Abgabe wurde aber die Beiglmrks-Giuutnrute'ltüchtsinnig denn Privatkapital ausgeliefert. Das schlimmste aber war, datz unter der Losung „Bergbaufreiheit", das Gesetz vom 24. Juni 1865 jedem In- und Ausländer das Recht verlieh, auf noch freien Stellen nach Bodenschätzen zu schürfen mit der Bedingung, datz der Staat verpflichtet war, ihm für sage und schreibe 15 Silbergroschen das Mutungsrecht für eine Fläche von über 2 Millionen gin Fläche zu verleihen, wenn der glückliche Schürfer ein abbaufähiges Lager entdeckt hatte. Und die Kohlenaktionäre sind, nachdem sie sich zu machtvollen Syndikaten vereinigt haben, auch sämtliche Mutungsrechte an sich gebracht, unumschränkte Herren über unsere Kohlenpreise geworden. Es kostete Ruhrkohle an der Schachtmllndung 1886 4.66 pro To., 1907 aber schon 9.52 — Bedenkt man
nun, datz allein die Steinkohlenproduktion bis 1912 auf über 177 Millionen To., also um das zwölffache stieg, so lätzt sich unschwer berechnen, wie grotz die Summe ist, die der Kohlenkonsument gegen 1886 hat mehr bezahlen müssen! Die Motivierung der Preissteigerung mit steigenden Löhnen ist nun gerade für den Kohlenbergbau nicht zutreffend. Der Jahresdurchschnittslohn war: für Oberschlesien im^ Jahre 1900 <4t 983.—, 1911 -ü 980.—; für Rheinland- Westfalen i. I. 1900 -N 1592.—. 1911 .tt 1446.—.
Der ganze Riesengewinn wandert alio in die Taschen der 20, 30 und mehr Prozent Dividenden beziehenden Aktionäre, sehr zum Schaden nicht nur der Bergarbeiter, sondern auch unserer Industrie und eines jeden Hausstandes. Durch Einschränkung der Zahl der Betriebe — wodurch ganze Ortschaften brotlos gemacht worden sind — und technische Verbesserungen wird aber bei steigender Produktion das Geschäft nur noch lukrativer gemacht, ohne datz der Staat sich auf seine Pflicht und Schuldigkeit besinnt, das Mutungsrecht bei Nichtförderung aufzuheben, wenn das öffentliche Interesse darunter leidet!
Unsere teuren, die englischen bereits übersteigen- den Steinkohlenpreise haben ein Steigen der Braunkohlenförderung, die 1912 bereits über 89 Millionen To. betrug, hervorgerufen, und viele Fabriken haben, um am Brennmaterial sparen zu können, dafür besonders geeignete Kesselanlagen gebaut. Besonders wird die Braunkohle aber für die Erzeugung elektrischer Ueberlandzentralen noch eine sehr grotze Bedeutung haben. Und da kommt plötzlich die Nachricht, datz nunmehr auch die deutsche Braunkohlenproduktion monopolisiert werden soll und zwar durch den böhmischen Braunkohlen-Magnaten Petschek, der mit Hilfe von Wiener Banken überall soviel deutsche
! Bravnkohlenkuxe aufkauft, datz er dadurch einen ausschlaggebenden Einfluß auf unsere Braunkohlenpreise gewinnen mutz. Das bedeutet eine neue ungeheure Belastung unseres ganzen Wirtschaftslebens und zwar noch zu Gunsten ausländischen Kapitals! Denn man vergesse doch nicht, datz unsere Braunkohle d a s M a- terial zu den Briketts liefert, die schon jetzt so teuer sind, datz in den meisten kleineren Haushaltungen im Winter die Stuben gar nicht oder nur sehr ungenügend geheizt werden. Dazu kommt die allenthalben steigende Arbeitslosigkeit, die mit eine Folge der unablässig steigenden Köhlenpreise ist. Denn ohne billige Kohlen wird es unserer Industrie immer schwerer, mit ihren Erzeugnissen auf dem Weltmärkte zu konkurrieren, geschweige denn neue Absatzgebiete zu erobern!
In Erkenntnis dieser Sachlage hat der Bund deutscher Bodenreformer auf der diesjähr. Tagung in Stratzburg seinen Vorstand beauftragt, eine Eingabe an Regierung und Volksvertretung auszuarbeiten, damit der unserer Braunkohlenindustrie drohenden Gefahr entgegengewirkt werde, solange es noch nicht zu spär ist. K a r l i k.
Der Prozeß Krupp.
Das Urteil.
Berlin, 8. Nov. Nach ^ständiger Urteilsbera- tung verkündete um 5 Uhr 25 Min. im Prozetz gegen Brandt und Eccius der Vorsitzende folgendes Urteil: Die Klage auf Verrat militärischer Geheimnisse wird bei B randt fallen gelassen. Er wird nur wegen Bestechung ohne Zubilligung mildernder Umstände zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt, die durch die Untersuchungshaft von 4 Monaten und 9 Tagen als verbüßt betrachtet werden. Der Angeklagte Eccius erhält wegen Beihilfe zur Bestechung 1 2 0 0 Mark Geldstrafe. Mildernde Umstände wurden ihm in weitestem Matze zugebilligt. Vor dem Eerichts- aebäude hatte sich eine ungeheure Menschenmenge angesammelt, die das Urteil mit grötzter Spannung erwartete. Ein größeres Polizeiaufgebot war erschienen, brauchte jedoch nicht in Tätigkeit zu treten, da es zu keinerlei Kundgebungen kam.
Die Begründung
führt aus: Bis vor einiger Zeit nahm die Firma Krupp bei uns auf dem Gebiete des artilleristischen Waffenwesens eine besondere Stellung ein, die sie mit der Zeit verloren hat wegen der Höhe ihrer Preise. Nach der Ansicht des Gerichtes erblickte der damalige Dezernent für Kriegsmaterial, Direktor Budde, den Grund hierfür in der schlechten Vertretung in Berlin, die schlechter informiert war, als die Konkurrenz. Der Zeuge Dräger hat hier ausgesagt, datz es der Firma nicht gelang, auf wnziellem Wege zum Ziel zu gelangen. Es wurde daher nach einer- geeigneten Persönlichkeit gesucht, die mit militärischen Personen in Verbindung treten konnte. Dazu schien Brandt geeignet. Herr von Schütz wies demgemäß Brandt auf die Möglichkeit hin, Nachrichten zu erhalten, indem er mit Feuerwerkern, Zeugoffizieren usw., Fühlung gewinnen sollte. Die so erlangten Informationen hat Brandt für die Kornwalzer verwertet. Die Kosten des Verkehrs hat Brandt ae- traacn, und er hat sich, als er den Erfolg seiner Berichte sah, bald dazu verleiten lassen, in der Gewährung der Geschenke weiterzugehen. Das Gericht hat die verschiedenen Akte der Bestechung als eine fortgesetzte Handlung angesehen. Was den Verrat militärischer Geheimnisse anlanat, so ist das Gericht den Ausführungen des Oberstaatsanwalts beigetreten. Nach dem Gutachten des Sachverständigen ist eine Geheimhaltung der Brandt gemachten Mitteilungen im Interesse der Landesverteidigung der Firma Krupp gegenüber nicht notwendig. Eccius, der das Dezernat erst einige Jahre nach der Errichtung der Brandtschen Stelluna übernommen, hat wissen müssen, datz Beamte und Militärpersonen
Brandt Nachrichten zukommen lieben, und datz Brandt den Verkehr mit den Militärpersonen mit dem Gelde der Firma Krupp bestritt, und zwar aus dem Dispositionsfonds. Das Gericht ist der Ansicht gewesen, datz Eccius sich bewußt war, datz eine Ber- letzung der Amtsverschwiegenheit vorlag. Datz Zeugoffiziere sich disziplinarischer Vergehungen schuldig gemacht haben, war ihm bekannt. Was die Strafzumessung anbelangt, so wirkt erschwerend, datz die Straftaten Jahre hindurch verübt worden sind, und datz sie eine schwere Schädigung der Heeresverwaltung darstellen. Als strafmildernd dagegen ist zu berücksichtigen, datz es sich bei Brandt und bei Eccius um die Beschaffung von Informationen im Interesse der Firma Krupp handelte und datz die zur Bestechung gewährten Mittel verhältnismäßig gering waren. Schließlich konnte die bisherige völlige Unbescholtenheit beider als strasmildernd in Betracht gezogen werden. Da er keinen Ueberblick über die Tätigkeit Brandts gehabt hat, ist er nur wegen Beihilfe zu verurteilen.
-ta-t, Bezirk Nachbarschaft.
Calw, den 10 November 1913.
Lutherfeier der evang. Gemeinde.
Am gestrigen Vorabend von Luthers Geburtstag kam die hiesige evangelische Gemeinde im Saale des Bad. Hofes zusammen, um gemeinschaftlich das Gedächtnis an Martin Luther und seine Zeit zu begehen.
Stadtpfarrer Schmid begrüßte die Gemeindeglieder und Glaubensgenossen. Er gab seiner Freude darüber Ausdruck, datz der Einladung zu einem Lutherabend in so reichem Matze Folge geleistet worden war, und er bezeichnete diese Veranstaltung als einen Versuch, das, was in andern evangelischen Orten schon seit Jahren Brauch sei: Lutherabende zu feiern, auch in Calw einzubürgern. Leider aber falle ein Schatten auf unsere Feier durch die schwere Erkrankung des Herrn Dekans Roos. Er habe selbst seine Mitwirkung für den heutigen Abend zugesagt, nun könne er nicht kommen. Herr Stadtpfarrer sprach wohl die Empfindung aller Anwesenden aus, als er herzlich wünschte, datz Herr Dekan Roos recht bald wieder gesunden inöge und Gott ihm seine Rüstigkeit, über die der so plötzlich Erkrankte verfügte, wieder schenke. — Infolge dieser Erkrankung mutzten auch die in das Programm aufgenommene Eesangsquartette ausgeschaltet werden. So war der Abend sparsam und bescheiden in seinen Darbietungen, aber trotzdem schön. — Nachdem der erste Vers des Lutherliedes gesungen war, (Rektor Beutel begleitete am Klavier), hielt Stadtpfarrer Schmid einen Vortrag über Luthers Leben. Er stellte in allgemein verständlicher Sprache und in gut faßlichen Gedankengängen unfern Reformator, sein bewegtes, mit Mühe und Arbeit gesegnetes Leben vor die Zuhörer und auch für den, der sich mit dem bloßen Kennen des Lebensgangs Luthers innerlich nicht zufrieden geben kann, der Luther als Problem, als ein Stück deutscher Kulturgeschichte immer tiefer verstehen und bestaunen lernt, fiel von den gemütvollen, schlichten, aber plastisch malenden Aus- führungn ein befriedigend Teil ab. Recht abwechslungsreiche, dankbar aufgenommene Unterstützung fanden sie in der Vorzeigung von mehr denn 50 farbigen und nichtfarbigen Lichtbildern und dazwischen eingestreuter Wiedergabe passender Gedichte von Mitgliedern des Christi. Vereins junger Männer hier. Die grotze Pause zwischen dem ersten und zweiten Teil des Vortrags füllte ein auf Violine, Viola, Cello und Klavier (HH. Rektor Beutel, Handelslehrer Kauffmann, Kaufm. Otto Pfau und llnter- lehrer Trippner) gespieltes, ganz weihnachtlich stimmendes Adagio Mendelssohns aus. — An Stelle des erkrankten Herrn Dekans Roos. der die Schlutzan- sprache zu übernehmen gedacht hatte, dankte Stadt-