Nr. 237.

Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk (Lalw.

88 . Jahrgang.

IrlchelnungSweise: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts­bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Psg., außerhalb desselben 12 Psg., Reklamen 25 Psg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon g.

Freitag, den 1 ( 0 . Oktober 1915.

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich. Post- brzugspreis für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestellgeld in Württemberg SO Psg., in Bayern und Reich 42 Psg.

Amtliche Bekanntmachungen.

An die Standesämter.

Tie Leichenregister werden vielfach nach Ablauf eines Quartals unrichtigerweise deür Oberamt vorge­legt. Es ist deshalb Anlatz gegeben, auf 8 4 der neuen Verfügung der Ministerien betr. die statistischen Er­hebungen über die Bewegung der Bevölkerung und über die Todesursachen vom 13. Dezbr. 1911 Reg.Vl. Seite 673 hinzuweisen.

Calw, den 7. Oktober 1913.

K. Oberamt Amtm. Rippmann.

Der neue amerikanische Zolltarif.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben einen Schritt getan, der von allen Schutzzoll-Ländern mit Interesse verfolgt werden wird. Das neue ameri­kanische Zollgesetz, das eine durchgreifende Herabsetzung der amerikanischen Zollsätze bringt, ist endgültig ange­nommen worden, und das Ausland kann nun in einigen Produktionszweigen, die bisher durch die Höhe der Zölle vollständig vom amerikanischen Markt ausgeschlossen waren, mit der amerikanischen Industrie wieder in Wettbewerb treten. Man darf aber nicht denken, datz nun der fremden Konkurrenz Tür und Tor offen stün­den, denn der neue Tarif gewährt der amerikanischen Produktion durchschnittlich noch immer einen Zollschutz von 20 A, so datz für eine ganze Reihe von Artikeln das Ausland nach wie vor nicht an eine Einfuhr nach Amerika denken kann. Für andere Produkte besteht die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Exports nach Amerika, wenn auch in beschränktem Matze und nur für recht wenig Waren, meist Rohprodukte, deren ver­billigte Einfuhr der verarbeitenden Industrie als Ent­schädigung für die Zollermätzigungen gewährt wurde, wurde vollständige Zollfreiheit zugestanden. Eine ganze Anzahl von Zollpositionen blieb auch unverändert, wie beispielsweise die für Anilinfarben, während für das zur Herstellung nötige Rohprodukt, das Anilin, Zoll­freiheit gewährt wurde. In diesem Falle bedeutet also dieZollermähigung" eher ein Entgegenkommen gegen die amerikanische als gegen die ausländische speziell gegen die deutsche Industrie, da der amerikanischen das Rohprodukt in Zukunft billiger als bisher zur Ver­fügung gestellt wird. Im allgemeinen wird Deutsch­lands Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten allerdings einen Aufschwung nehmen können, nicht nur in den Artikeln, in denen jetzt schon die Möglichkeit einer Ausfuhr bestand, wie in Porzellan- und Stein­gutwaren, sondern auch in solchen Artikeln, deren Ein­fuhr durch die Höhe der Zölle bisher sogut wie ausge­schlossen war, wie beispielsweise Textilwaren. Be­sonders für bessere Wollstoffe hat sich die Einfuhrmög­lichkeit gebessert, da die Zölle für diese im Verhältnis um viel mehr herabgesetzt wurden, als der erhobene Einfuhrzoll für Wolle betrug. Gerade die Textilsabri- kanten haben während der Beratung des Zollgesetzes mit am lautesten über den Ruin der amerikanischen Industrie durch die Zolltarif-Revision geklagt und jetzt erklären sie, datz sie den Wettbewerb des Auslan­des nicht fürchten. Tatsächlich wäre auch ein anderes Verhalten sehr unklug, da es eine direkte Empfehlung der ausländischen Konkurenz für das amerikanische Pub­likum wäre. Wie das wohl in Deutschland gehen würde? Man sagt, ebenso wie in Amerika die amerikanischen, werden bei uns deutsche Produkte, beispielsweise Eisen und Getreide, im Inland teurer bezahlt, als im Aus­land, ein Zustand, der ja hauptsächlich den Anlatz zur amerikanischen Tarifrevision gegeben hat, um dem Trustwesen einigermatzen entgegenzutreten. Die deut­schen Zollgegner sehen nun in dem Umstand, datz die ermötzigten amerikanischen Eisenzölle keineswegs die be­fürchtete europäische Konkurrenz Hervorrufen, eine Be­rechtigung ihrer Forderung auf Ermützigung der deut­schen Eisenzölle um den Aufschlag von 5 den der deutsche Abnehmer mehr bezahlen müsse als der aus­ländische. Sie sagen ferner, datz gerade die deutsche

und englische Schwerindustrie eine Beteiligung an der Weltausstellung in San Franziska ablehnten weil sie ins nordamerikanische Geschäft doch nicht hinein­kommen könnten und glauben, datz unsre Eisenindustrie viel zu gut entwickelt ist, als datz sie bei gleichen Eisen­preisen in Deutschland und im Ausland die ausländische Konkurrenz fürchten mützte. Man wird also gerade bei uns das amerikanische Experiment der Zollermätzi- gung mit gröhtem Interesse verfolgen.

Stadt, Bezirk «ad Nachbarschaft.

Calw, den 10. Oktober 1913.

Vom Rathaus.

Oefsentliche Sitzung des Eemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheitz Conz am Donnerstag nachmittag von 4 Uhr ab. Anwesend waren 13 Ge­meinderäte. Den wichtigsten verhandelten Gegenstand bildete die von Stadtschultheitz Conz abgesatzte Eingabe an das Ministerium des Auswärtigen, bezüg­lich der beabsichtigten Verlegung der Eisenbahnbau­inspektion nach Pforzheim.

Die Eingabe wurde absichtlich verzögert, weil noch schriftlich Verhandlungen geführt werden mutzten und die Eröffnung des Landtags abgewartet werden wollte. Zn der Eingabe werden alle die Gründe besprochen, die der Eeneraldirektion für die Verlegung der Eisen­bahnbauinspektion matzgebend sind. Sie führt gegen diese Gründe an: Gegen die Verlegung spreche zunächst die Verminderung der Steuereinnahmen aus dem Diensteinkommcn der ansässigen sowohl als auch der von Pforzheim nach Calw zu verlegenden Beamten; der Einfluß auf Calws allgemein wirtschaftliche Verhält­nisse, als da sind: die Verminderung der Bautätig­keit, der Verdingungen und Arbeitsvergebungen und die Verminderung der Möglichkeit, die Wohnungen zu vermieten. Unter der Verlegung hätten auch unsre Schulverhältnisse zu leiden, insofern, als gerade viele Beamtenkinder unsre Schulen besuchen; weiterhin die gesellschaftlichen Verhältnisse und die ganze Stellung der Stadt als einer bevorzugten Oberamtsstadt mit so und so viel mehr Beamtungen, als sich sonst in den Oberamtsstädten befinden, und an denen fortgesetzt ab­gebröckelt werde. Die Gründe, die aus den Verhält­nissen der Beamten heraus gegen eine Verlegung der Eisenbahnbauinspektion sprechen, liegen in den erhöh­ten Steuern in Pforzheim im Gegensatz zu Calw, in den in Pforzheim zum mindesten nicht billigeren Nahrungs­mitteln, in der Unmöglichkeit für diese Beamten, ihr württembergisches Wahlrecht auszuüben, in gesellschaft­lichen Verhältnissen usw. Die Eingabe glaubt, datz eine Behörde auch daraus ihr Augenmerk richten dürfte, ihre Beamten und deren Kinder nicht ohne Not in die Großstadt zu drängen und am Schluß kommt sie zu­sammenfassend zu dem Wunsche, beide Inspektionen be­stehen zu lassen, oder bei Aufhebung jedenfalls die in Baden gelegene württembergische Bauinspektion nach Württemberg zu verlegen und nicht umgekehrt zu­mal in der Denkschrift für die Vereinfachung der Staatsverwaltung nicht von der Aufhebung der Calwer, sondern der Psorzheimer Eisenbahnbauinspektion die Rede sei. Die Verlesung der Eingabe und ihre aus­führliche, beweiskräftige Begründung, aus die wir nach­träglich noch zu sprechen kommen werden, rief unter den anwesenden Gemeindcrarsmitgliedern einmütig An­erkennung hervor. Die Eingabe geht sofort nach Stutt­gart.

Bei Benützung des elektrischen Fahrstuhles im neuen Bezirkskrankenhaus läßt die Voltspannung nach, sodatz die Veleuchtungskrast an den Lampen im Krankenhaus vermindert wird, und Störungen namentlich im Rönt­gen-Apparat, aber auch in der ganzen Lichtleitung in die Stadt hinein verursacht werden. Das Städtische Elektrizitätswerk wird eine, vom Hengstettergützle ab­zweigende besondere Leitung für das Krankenhaus le­gen, die bestehende Leitung in der Stuttgarter Straße bleibt. Die Kosten für die neue Leitung werden auf 3000 M berechnet und vom Eemeinderat genehmigt. Zusammenhängend mit dieser Angelegenheit wurde auch

die elektrische Beleuchtung des Staffelauf­gangs zum Krankenhaus erörtert. Von einigen Red­nern wurde eine Beleuchtung dieses Aufgangs für un­nötig befunden, weil er zur Nachtzeit verschwindend wenig benützt werde; berechtigter wäre bessere Beleuch­tung im Hengstettergützle. Schließlich einigle sich der Gemeinderat darauf, die elektrische Beleuchtung zu ge­nehmigen. Ein Antrag Stauden meyer, gleich­zeitig auch im Hengstettergützle die dort ebenso not­wendige Beleuchtung durchzuführen, wird gegen 3 Stim­men angenommen. Dort soll eine Easlampe erstellt werden. Der Stasselausgang zum Krankenhaus wird mit zwei Lampen, oben und unten, beleuchtet. Heiter­keit erregten zwei im Verlauf der Besprechung aus­tauchende radikale Vorschläge, von denen der eine die Abschaffung aller Lampen der Stadt mit Ausnahme von vieren, an jeder Stadtecke zu belassenden, verlangte, und der andere als Ersatz dann die Ausrüstung der Einwohnerschaft mit elektrischen Taschenlampen auf städ­tische Kosten wünschte! Die Fischwasserver­pachtung der Nagold für die Zeit von Martini 1913 bis Martini 1923 ergab einen Erlös von 150 M. Die Strecke von Tanneneck bis an das obere Wehr der Ver. Deckensabriken pachtete Fabrikant Baumann für 100 Mark, die untere Strecke von da bis zur Lalw-Hirsauer Grenze die Ver. Deckensabriken. Für die Pachtperiode 19031913 wurden seinerzeit insgesamt 270 M erlöst. Der Eemeinderat genehmigte den Pachtvertrag. Er nahm dann unter Vorbehalt weiterer Schritte Kenntnis von einem Schreibe ndes Gemeinderats Stammheim, nach welchem die Gemeinde Stamm­heim die Herstellung des Eechinger Weges auf ihre Ko­sten zu Zwecken der Steinabfuhr, die ihr vom Eemeinde­rat Calw nahegelegt worden war, ablehnt. Um 6 Uhr war der für die Oessentlichkeit wichtige Teil der Sitzung beendet.

Die Vorbereitungen zur Gedächtnisfeier von 1813

sind in vollem Gange. Der Eemeinderat bewilligte in seiner gestrigen Sitzung die Mittel, die zur Beschaffung von Kulissen, Kostümen, Fackeln usw. usw. notwendig sind. Es handelt sich um eine Summe von etwa 300 M, die aus verschiedenen schon im städt. Haushaltungsvor­anschlag für 1913/14 vorgesehenen Ausgabeposten ent­nommen werden können. Der Stadtvorstand- hat mit den Bezirksgemeinden sowohl, als auch mit Weilder- stadt vereinbart, datz die Höhenfeuer zu gleicher Zeit am Vorabend des Festes abgebrannt werden.

Der Befehlsstab bei der Bahn. Wie wir in der Cannstatter Zeitung lesen, soll demnächst die preußische Einrichtung des Befehlsstabs auch auf der württem- bergischen Eisenbahn eingesührt werden. Anstatt der bisherigen Pfeisensignale, die der Zugmeister auf Wei­sung des Aussichtsbeamten zur Abfahrt eines Zuges er­teilte, wird künftig der Aussichtsbeamte selbst dem Loko­motivführer den Wink zur Abfahrt geben und zwar mit Hilfe des Befehlsstabs, bei Dunkelheit mit der Stab­laterne. Der Stab ist 30 cm lang und hat eine runde weiße Scheibe, in der Dunkelheit eine grünleuchtende Laterne. Als Abfahrtszeichen hält der Aufsichlsbeamte dem Lokomotivführer den aufrechten Stab eine Weile hin und senkt ihn sodann; das Senken ist das Zeichen dafür, die Lokomotive in Gang zu setzen. Dadurch soll im Interesse der Reisenden die Abfahrt mit noch we­niger Geräusch erfolgen, als bisher. Früher wurden bekanntlich sogar drei Glockenzeichen gegeben. Eine be­sondere Eigentümlichkeit unserer württembergischen Zug­meister wird dadurch gleichfalls in Wegfall kommen. Wem ist es nicht schon ausgefallen, datz fast jeder Zug­meister (abgesehen davon, datz er auch zumeist einen Zwicker trägt) alsbald, wenn er auf den Wink des Auf­sichtsbeamten den Abfahrtspsiff hat ertönen lasten, sich in einen gelinden Galopp versetzt und beileibe nicht an der Stelle, wo er sich gerade befindet, sondern immer möglichst weit weg davon auf den fahrenden Zug aus­springt. Da die Zugmeister größtenteils über die jüngsten Jahre hinaus sind, so wird auch ihnen die Neuerung willkommen sein.