221. Amts-, rmd Anzeigeblalt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

Erscheinungsweise: 6mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamts- dezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg.» Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Montag, den 22. September 1913.

Amtliche Bekanntmachungen.

K. Bersicherungsamt Calw.

Bekanntmachung,

betreffend die Festsetzung des Werts der Sachbezüge für die Zwecke der Reichsversicherung.

Nach 8 160 Abs. 2 der R.-V.-O. wird der Jahres-Wect der zum Entgelt im Sinne der R.-V.-O. gehörigen Sachbezüge für den ganzen Oberamtsbezirk Calw mit Wirkung vom 1.

Januar 1914 ab folgendermaßen festgesetzt:

1. freie Kost für männliche Personen . . . .: 340

2. weibliche.: 300

3. Wohnung für Einzelpersonen . . . .: 35

4 eine Arbeiterfamilie . .: 120 .>//.

5. freier Holzbezug für eine Einzelperson . .: 25 ^

6. Arbeiterfamilie . .: 50 ^

7. für einen ledigen Betriebsbeamten:

a) freie Kost.: 400 ^

d) Wohnung.: 120

c) freies Holz und Licht.: 50 ^

8. freie Wohnung eines verheirateten Betriebs­

beamten .: 250

Durch diese Festsetzung tritt die Bekanntmachung vom 13. August 1908 (Calwer Wochenblatt Nr. 190) am 31. De­zember 1913 außer Kraft.

Calw, den 17. September 1913.

Regierungsrat Binder.

König Konstantin in Frankreich.

Paris, 21. Sept. Der von der ganzen französischen Presse mit Spannung erwartete Empfang des Königs von Griechenland, das sich daran knüpfende Frühstück und die Festreden sind vorüber. Um den Gesamtein­druck gleich vorweg zu nehmen, so erscheint es dem un­befangenen Beobachter, als ob sich in der Lage selbst absolut nichts geändert habe. Der König erschien um 12 Uhr in Begleitung der griechischen Botschaft im Elysee. Er trat sofort mit dem Präsidenten Poincare in eine angeregte Unterhaltung ein und ließ ihm durch den Oberstleutnant Levidis das Großkreuz des Erlöser­ordens überreichen. Um 1L1 Uhr folgte das Festessen, an dem fast der gesamte französische Ministerrat, der französische Gesandte in Athen, General Eydoux und die Mitglieder der hiesigen griechischen Gesandtschaft teilnahmen. Zum Schlüsse des Banketts erhob sich Poincare und entbot dem König in kluggesetzten und wohldurchdachten Worten den Willkommgruß. Der Prä­sident erklärte, daß die Geschicke des tapferen Griechen- volkes Frankreich niemals gleichgültig gelassen hätten. Er wies mit Nachdruck auf die Unterstützung hin, die Frankreich Griechenland im letzten Kriege erwiesen habe, und auf die Freude, die man in Paris bei den griechischen Siegen empfunden habe. Zum Schluß ver­sicherte Poincare den König, daß die Gefühle Frank­reichs gegen sein Land stets unveränderlich sein würden. Darauf erhob sich König Konstantin zur Er­widerung. Obwohl er sicher genau wußte, welch' un­geheuren Wert man seinen Worten hier beimißt, zeigte sich weder im Ton noch in der Haltung die geringste Befangenheit. Er dankte zunächst dem Präsidenten für die liebenswürdigen Worte, die er gesprochen habe. Dann erklärte er:Ich bin auch meinerseits glücklich, dem ersten Beamten der Republik meine lebhafte Dank­barkeit für die kostbare Unterstützung auszudrücken, die Frankreich den Forderungen Griechenlands hat ange­deihen lassen, von seinem Erwachen zur Unabhängig­keit bis zu den glorreichen Kämpfen und bis zu ihrem Schluß." Nachdem der König des weiteren die Be­schützerrolle Frankreichs während der letzten Zeit erläu­tert hatte, erklärte er zum Schluß:Griechenland hat sich im Vertrauen auf seine Stärke und sein Recht auf den Kampf vorbereitet, aus dem es größer und geach­teter hervorgegangen ist,' und auch bei dieser so wich­tigen Vorbereitung hat Griechenland noch einmal die Unterstützung Frankreichs genossen. Die Regierung der Republik hat uns eine Mission bewilligt, zusammen­

gesetzt aus hervorragenden Offizieren aller Waffen, die unter der Leitung des Generals Eydoux ihre Aufgabe mit Verständnis, Arbeitseifer und einem mitreißenden Enthusiasmus in Angriff genommen haben. Es ist mir ganz besonders angenehm, Ihnen auf diese Weise vollste Anerkennung widerfahren zu lassen." Der König schloß mit der Versicherung, daß er der Freundschaft Frankreichs den größten Wert beilege, und daß beide Länder in Zukunft durch gleich enge Bande verknüpft bleiben werden. Wie man sieht, ist in dem Toast des Königs mit keinem Worte des vorhergegangenen Zwischenfalles gedacht. Von einerAufklärung" oder gar von einerEntschuldigung" ist in dem würdig ge- rrencn Toast keine Rede.

Die neue Grenze.

Am vergangenen Mittwoch ist die neue bulgarisch­türkische Grenze in einer Sitzung der beiderseitigen Un­terhändler in Konstantinopel geregelt worden. Die Grenze beginnt an der Mündung der Maritza und endigt an der Reswemündung, nördlich von Jniada. Dimotika, Adrianopel, (um das Bulgarien den Krieg führte) und Kirkkilisseh verblei­ben der Türkei, Malko Tirnowo, Mustafa Pascha und Ortaköi fallen Bulgarien zu. Die Grenze nach dem Londoner Vertrag sollte die Linie EnosMidia sein, ein gut Stück mehr schneidet die neue Grenze von der bulgarischen Beute aus dem ersten Kriege ab. Bei Enos beginnend, läuft sie nicht mehr in gerader Richtung nach Midia; sie geht die Maritza entlang bis Adrianopel und von dort nach Jniada am Schwarzen Meer. Es bleibt durch diese Regelung bei Bulgarien in Thrakien nur mehr das Stück westlich der Maritza bis zur griechischen Grenze und das Stück, das bezeichnet wird durch die neue und die ehemalige Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei. Im Hinblick auf die Ver­luste Bulgariens an Menschenleben und auf das Ge­biet, auf das zu verzichten es zugunsten Rumäniens gezwungen wurde, schrumpft der Zuwachs, den der furchtbare Krieg Bulgarien bringen sollte, auf null zusammen. Der türkisch-bulgarische Friedens- ver trag spricht in seiner Einleitung nicht, wie der Londoner Vertrag, von ewiger Freundschaft. U. a. wird den Bewohnern der den Vulgaren verbleibenden Gebiete eine Frist von 4 Jahren gewährt, nach deren Ablauf sie entweder auswandern oder die bulgarische Nationalität annehmen können. Während dieser vier Jahre sollen die Muselmanen nicht zum Militärdienste herangezogen werden können. Sie sollen aber dieselben politischen Rechte genießen, wie die christlichen Bul­garen. Der Friede von London bleibt in Kraft, so­weit er nicht durch den gegenwärtigen Vertrag abge­ändert ist.

Vom sozialdemokratischen Parteitag.

(Schluß.)

Jena, 20. Sept. Vor gelichteten Reihen veran­staltete der Parteitag eine Maifeierdebatte, die in den Beschluß hinauslief, neben allen bestehenden Resolutionen noch eine neue zu verkünden, nämlich daß die Partei von den Gewerkschafts-Angestellten und den Parteigenossen erwartet, daß sie im Hinblick auf die Opfer, die die Arbeiter im Kampf um die Maifeier bringen, ihren Tagesverdienst am 1. Mai an den Mai­feierfonds abliefern. Dann urteilte der Parteitag als höchste sozialistische Eerichtsinstanz über eine Reihe von Ausschlußverfahren niederer Instanzen. Der Fall Radek wurde endgültig durch den Beschluß erledigt, daß Personen, die aus einer dem internationalen sozia­listischen Bureau angeschlossenen Bruderpartei wegen ehrloser Handlung ausgeschlossen worden sind, in der deutschen Partei ohne Zustimmung der Partei, die den Ausschluß vollzogen hat, die Mitgliedschaft nicht er­werben können. Nach diesem Beschluß ist die deutsche Genossenherrlichkeit Radeks zu Ende, der wegen Unter­schlagung aus der polnischen Parteiorganisation ausge­schlossen worden war und in der Bremer Organisation

Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.2S vierteljährlich, Post. bezugSpreiS für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20. inr Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

der deutschen Sozialdemokratie ein Asyl gefunden hatte. Ihm half auch die Unterstützung einer radikalen Gruppe um Rosa Luxemburg und Liebknecht nichts mehr. Die Wahl des Parteivorstandes hatte folgendes Ergebnis: Haase und Ebert als Vorsitzende, Braun als Kassierer, als Sekretäre Bartels (Altona), Eehrisch, Molkenbuhr, Herm. Müller, Pfannkuch, Echeidemann und Luise Zietz, als Beisitzer: Wels und Wengels. Bei der Beratung verschiedener Anträge wurde be­schlossen, die Einigungsbedingungen mit der polnischen Partei aufzuheben und die in Deutschland lebenden pol­nischen Sozialdemokraten aufzufordern, sich der deut­schen Partei anzuschließen. Die Mehrzahl der übrigen Anträge war parteiorganisatorischer Natur. Den Ort des nächstjährigen Parteitages zu bestimmen, soll dem Parteivorstand überlassen bleiben. Nach über 5stün- diger Beratung konnte'die heutige Sitzung und damit der ganze Parteitag geschlossen werden. Der Vorsitzende .Ebert kündigte in seinem Schlußwort einen Massen­sturm gegen die Kapitalisten zur Beseitigung der Ar­beitsnot an. Wenn die Dreiklassenschmach nicht beseitigt werde, werde man auch zum Massenstreik greifen. Das Ergebnis des Parteitages sei die Feststellung der innern Festigkeit der Partei, des entschiedenen Willens zur Einheit und Geschlossenheit. Selten habe das ein Par­teitag stärker zum Ausdruck gebracht als dieser. Mit der Mahnung, den Geist Bebels allzeit wachzuhalten, schloß der Parteitag.

Stadt» Bezirk »ad Aachbarschaft.

Talw, 22. September 1913. v. Wie man 1813 vor 5V Jahren in Württemberg feierte. Als nationales Fest wurde der 18. Okt. 1813, der Tag der Entscheidungsschlacht bei Leipzig, vor 50 Jahren besonders herzlich und würdig vom württem- bergischen Volke gefeiert. Gerade weil man in Würt­temberg den Bruderkampf bis hinein in die Leipziger Schlacht als ein Unglück ansah, umsomehr aber die Be­teiligung Württembergs an dem glücklichen Ausgang der Befreiungskriege für das deutsche Vaterland hoch und dankbar schätzte, wollte man diesem Danke und der deutschen Gesinnung gebühenden Ausdruck verleihen. Wenn nun heute auch keine württ. Veteranen aus den Befreiungskriegen mehr mitfeiern können und wenn vor 50 Jahren auch die Sehnsucht nach der inzwischen glücklich erreichten deutschen Einheit die Gemüter ge­rade anläßlich der Völkerschlachtfeier mächtig bewegte, so sollte man doch erwarten, daß Württemberg am 18. k. Mts., als dem 100jährigen Erinnerungstag an die Leipziger Schlacht, in einer würdigen Feier des natio­nalen Gedenk- und Dankestages den anderen deutschen Gauen nicht nachsteht und daß wir uns hiebei an der württ. Generation vor 50 Jahren ein Beispiel nehmen. Damals wurde der Tag bis in die kleinsten Dörfer hinaus von der Bevölkerung kirchlich und bürgerlich gefeiert und in allen Reden der hohen Bedeutung dieses Tages und der Befreiungskämpfe für das Deutschtum gedacht; am Abend aber wurden wohl auf 500 Höhe­punkten Württembergs Freudenfeuer abgebrannt, die einen mächtigen, erhebenden Eindruck hinterließen. I n dem mit Fahnen r e i ch g e sch m ü ck t e n Calw fand mittags 12 Uhr eine Bewirtung von 34 Veteranen Calws und der Umgebung im Badischen Hof statt, der mit Waffen, Draperien und Transparenten mit den Namen der Helden von 1813 und den Büsten des Kö­nigs Wilhelm I, Schiller und Uhland reich geschmückt war. Um 3 Uhr begannen auf dem Brühl die Turn­spiele, eingeleitet durch eine Rede v. Emil Eeorgii. Abends 6 Uhr sammelte man sich auf dem Hohen Fel­sen zum Fackelzug; sowohl auf diesem Felsen als auf der Altburger Höhe wurden mächtige Freudenfeuer abge­brannt. Um 8 Uhr fand ein stark besuchtes Bankett mit Festrede von Eugen Horlacher statt. Auch in einer Reihe von Bezirksorten (auch in Weilder- stadt), Deckenpfronn, Eechingen, Stammheim, Neu­bulach, Möttlingen, Althengstett, Neuweiler fanden ge­lungene Feiern und Höhenfeuer statt.