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Amts- und Auzelgeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.
88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamls- bezirk Calw für die einspaltige Bvrgiszeile 10 Pfg.. außerhalb desselben 12Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseralannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Mittwoch, den 3. September 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Lrägerlohn Mk. I.2L vierteljährlich, Post» bezugsprei« für den OrtS- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. I.M. Bestellgeld in Württemberg M Pfg., in Bagern und Reich 42 Pfg.
Amtliche Bekanntmachungen.
K. Oberamt Calw
K. Bauhandwerkerschulen in Biberach, Hall und Rottweil.
An den unter Aufsicht der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel stehenden Bauhandwerkerschulen in Biberach, Hall und Rottweil beginnt im November 1913 ein neues Schuljahr mit zwei Kursen. Der Zweck der Bauhandwerkerschulen ist, Vauhandwerker, und zwar Maurer, Steinhauer und Zimmerleute, in zwei je fünfmonatlichen Winterkursen soweit auszubilden, daß sie den Anforderungen gewachsen sind, die bei einer ernst genommenen Meisterprüfung auch in theoretischer Beziehung an sie gestellt werden müssen. Der Unterricht erstreckt sich auf Bauzeichnen, Baukonstruktion, Eebäudekunde, Bauführung, Baukostenberechnung, Buchführung und Eesetzeskunde. Die Schulen sind nunmehr dadurch zu der Meisterprüfung in engere Beziehung gesetzt, daß die Schulvorstände in den betreffenden Handwerkskammerbezirken zu Vorsitzenden der Meisterprüfungskommissionen für die Dauhandwerker bestellt sind.
Die Aufnahmebedingungen sind aus dem „würt- tembergischen „Eewerbeblatt", welches bei den Herrn Ortsvorstehern eingesehen werden kann, zu entnehmen.
Gesuche um Aufnahme in die Schulen sind bis zum 15. Oktober d. I. bei den Vorständen der Bauhandwerkerschulen in Biberach, Hall und Rottweil einzureichen. Den Ausnahmegesuchen für den ersten Kurs sind eine kurze Darstellung des bisherigen Ausbildungsganges und etwaige selbstgefertigte Fachzeichnungen, sowie ein Altersnachweis und das Eesellenprüfungs- zeugnis anzuschließen. Die Schulvorstände werden die Gesuchsteller von ihrer Zulassung zu der Aufnahmeprüfung und von ihrer Aufnahme in den zweiten Kurs benachrichtigen.
Den 1. September 1913.
Regierungsrat Binder.
Das Bölkergeiverbe
und die Bereinigung süddeutscher rheinischer Mühlen.
Dieser Tage versammelten sich zu Mannheim unter dem Vorsitz des Bäckermeisters Wagner-Pforzheim eine große Zahl von Vertretern der Bäcker-Innungsver- bände Baden, Hessen, Mitteldeutschland, Mosel-, Saar- und Nahetal, Pfalz, Rheinland und Westfalen zu einer Konferenz. An derselben nahm auch ein Vertreter des 660 000 Mitglieder zählenden Zentralverbandes Deutscher Bäcker-Innungen teil. Die Konferenz beschäftigte sich eingehend mit der Vereinigung süddeutscher rheinischer Mühlen, genannt Mühlensyndikat. Um dasselbe zu keiner Monopolstellung gelangen zu lassen, vereinigten sich genannte Bäckermeisterverbände zu einer wirtschaftlichen Arbeitsgemeinschaft. Hierbei wurden unter anderen folgende Leitsätze aufgestellt:
1. Der Preispolitik des MUHlensyndikats ist dauernde Aufmerksamkeit zuzuwenden und mit allen Mitteln zu begegnen, um eine ungerechte Brotverteuerung zu verhindern.
2. Bei der Gesetzgebung ist auf eine Aenderung der Ein- und Ausfuhr von Getreide und Mehl hinzuwirken.
3. Das Genossenschaftswesen ist in den Bäcker-Innungen weiter zu pflegen und zu stärken. Beim Mehl- einkauf der Genossenschaften sind diesen von den Müllern die gleichen Preise einzuräumen wie den Händlern.
4. Zur Erreichung eines gleichmäßigen und soliden Geschäftsverkehrs, namentlich um beim Einkauf von Mehl einen zuverlässigen Anhaltspunkt bezüglich der Qualität gegenüber dem jeweiligen Preis zu erhalten, werden sowohl im Interesse der Bäcker wie des mehlkaufenden Publikums die einzelnen Verbandsleitungen gehalten, die in ihren Bezirk liefernden Mühlen aufzufordern, ab 1. Januar 1914 Roggen- und Weizenmehle sowohl für Bäcker wie für den gesamten Handel nur noch mit den Qualitätsmarken 0, l, 2, 3, 4 und 5 zu bezeichnen. Die entsprechenden Marken sind auf den
Etiketten und aus Metallplomben anzubringen, desgleichen der Name der betreffenden Mühle. Irreführende Phantasienamen müssen in Zukunft unter allen Umständen unterbleiben. Nachträglich von Händlern nach Entfernung der Ursprungsmarke angebrachte andere Marken sind von den Mitgliedern znrückzuweisen und Zuwiderhandlungen gegebenenfalls seitens der Innungsvorstände aus Grund des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb vor Gericht zu bringen.
5. Fakturen über Mehllieferungen sind erst rechtsgültig vom Tage des Eintreffens des Mehles, und ist bei Barzahlung der Termin des Mehleintresfens allein maßgebend für Skontoabzug.
6. Bezeichnet Punkte sollen zwecks einer allgemeinen Durchführung in ganz Deutschland dem nächstes Jahr in Leipzig stattsindenden Zentralverbandstag des Germaniaverbandes Deutscher Bäcker-Innungen zur Annahme unterbreitet werden.
Die Zwecke, die hier die deutschen Bäcker-Organisationen verfolgen, sind durchaus wirtschaftlicher Natur. Sie sollen neben der Väckerwelt auch dem Brotverbraucher, dem großen Publikum dienen.
Stadt. Bezirk «nd Nachbarschaft.
Takw, 3. September 1913.
September. Der September, der Herbstmonat, ist gekommen. Er hat seinen Namen von dem lateinischen Zahlworte septem, zu deutsch sieben, da er nach dem altrömischen Kalender nicht der neunte, sondern der siebente Monat des Jahres war. Wenn der September auch häufig noch schöne, sonnig-warme Tage bringt, so spüren wir doch deutlich an der verringerten Vegetation und dem beginnenden Fallen der Blätter, daß der Sommer nun zur Neige geht, un wir müssen jetzt für jeden heiteren Tag dankbar sein: denn immer seltener werden die freundlichen Sonnenblicke. Der Abend senkt sich schon zwei Stunden früher hernieder als zur Zeit von Sommers Anfang, und auf die warmen Mittagstunden folgt nach Sonnenuntergang eine merkliche Abkühlung. Die Zeit vergeht. So schön auch der Tisch der Natur gedeckt sein mag, einmal wird er doch abgeräumt, bis zuletzt die Gläser süßen Mostes aneinander klingen, Trost und Vergessen spendend dem Wandersmann, über dessen Haupt der letzte Vogelzug nach dem Süden streicht. Dem Landmann ist ein feuchter September willkommen: denn in den alten Bauernregeln heißt es:
An Septemberregen Für Saat und Reben Ist dem Bauer gelegen.
Der September ist der eigentliche Monat der Obsternte. Birnen, Pflaumen, Aepfel und Nüsse werden jetzt gepflückt, von den Feldern her aber kommen die Wagen mit Rüben und Kraut, und die Vorratskammern füllen sich. Hier und da steigt noch eine Lerche ins Blaue empor, und Papierdrachen segeln in den Lüften. Eine Lust ist es jetzt, bei mildem Sonnenschein über das bunt aufleuchtende Gelände zu wandern. Auf der Wiese blüht die krokusartige, lilafarbene Herbstzeitlose. Im Garten erblüht die letzte Rose, und Georginen, Sonnenblumen, Malven und Astern, ein paar letzte Reseden und Ringelblumen suchen den Blumenflor zu erhalten. Hier und da zeigt sich auch wohl noch ein bunter Schmetterling und ein Mückenschwarm. Für uns Deutsche ist der September in neuerer Zeit von besonderer Bedeutung geworden, denn der 2. September, der Sedantag, erinnert uns jahraus, jahrein an eine große Zeit in Deutschlands Geschichte.
Militärisches. Es rückten gestern zur Hebung ein . Beim Trainbataillon Nr. 13 ehemalige Einjährig-Freiwillige (Nicht-Ofsizier-Aspirantenj auf 8 Wochen und bei allen Earnisonlazaretten des Armeekorps Sanitätsmannschaften der Reserve auf 4 Wochen. — Der kommandierende General wohnte gestern auf dem Truppenübungsplatz Münsingen der Besichtigung des Feldartil- terie-Regiments Nr. 49 an. — Bei dem auf dem Truppenübungsplatz abgehaltenen Schießen um den Königspreis errang die 12. Kompagnie Infanterie-Regiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen, Nr. 120, die höch
sten Treffergebnisse. Diese Kompagnie erhält den Königspreis zum dritten Male. Zur Konkurrenz waren außer der siegreichen Kompagnie zugelassen: die l. Kompagnie des Füsilierregiments 122, die 1. Komp, des Inf.- Regts. 125 und die 6. Komp, des Ins.-Regts. 127.
Wehrbeitrog. Ueber den Termin, zu dem die Vermögenserklärung zum Wehrbeitrag zu erfolgen hat, sind jetzt die näheren Bestimmungen getroffen worden. Die Frist für die Abgabe der Erklärungen ist auf die Zeit vom 4. bis 20. Januar 1914 festgesetzt worden. Außerdem sind verschiedene wichtige Bestimmungen über die Berechnung des Wehrbeitrags und über die Beschlußfassung der Veranlagungskommission getroffen worden.
Schwache Kinder. Letzte Woche fand in einigen Orten des Oberamtsbezirks Wangen durch Oberamtsarzt Dr. Kästle die ärztliche Untersuchung der Schüler des eisten, vierten und siebenten Schuljahres statt. Die Untersuchung ergab, daß die Kinder mit wenigen Ausnahmen sehr schlecht genährt sind. Schuld daran ist die Nahrung der Kinder, das zu frühe Aufstehen und die Ueberhäufung mit körperlichen Arbeiten. Es ist geradezu traurig, wenn man hören muß: Frühstück: Kaffee und Kartoffeln; Vesper: nichts; Mittagessen: Kartoffeln und Kaffee; Abendessen: Kaffee und Kartoffeln. Von Mrlch ist keine Spur, sondern sauren Most und schlechtes Bier muffen die Kinder trinken, ja sogar Schnaps muß in den Kaffee, damit die Kinder besser schlafen können. Und, schreibt der Oberschw. Anzeiger, wann müssen die Kinder aufstehen? — Morgens 5 Uhr, ja 4 Uhr und dann müssen sie arbeiten, bis sie zur Schule müssen. Es werden daher schon zur Schulzeit die Kinder die reinsten Krüppel. Welche Verantwortung tragen da die Eltern?
Schwäbische Gedenktage. Anfang September 1634 wüteten die Kaiserlichen nach der Schlacht bei Nörd- lingen besonders stark in Nürtingen; damals wurden auch 49 Häuser und Scheunen niedergebrannt. — Am 1. September 1480 starb in Leonberg Graf Ulrich von Württemberg mit dem Beinamen der Vielgeliebte. — Am 2. September 1780 ist in Kölbingen OA. Tuttlingen geboren Anton Straub, zuletzt Propst des Chorherrenstifts Reichersberg in Oberösterreich, gestorben 1860. — Am 3. September 1746 wurde in Gegenwart des Herzogs Karl der Grundstein zu dem neuen Schloß in Stuttgart gelegt. — Am 4. September 1071 wurde die Aureliuskirche in Hirsau von Bischof Heinrich von Speyer eingeweiht. — Am 6. Septbr. 1634 wurde Eiengen a. Br. durch den Herzog von Parma und sein spanisches Heer (nach der Schlacht bei Nördlingen) vollständig niedergebrannt. Nur vier Häuser und eine Scheune blieben stehen. — Am 7. September 1796 starb auf der Solitude Schillers Pater, als Vorstand der Hofgärtnerei. Er ist auf dem Friedhof in Gerlingen begraben. — Am 8. September 1749 suchte ein Brand- unglllck die Stadt Ehingen heim, wodurch 70 Haupt- und 40 Nebengebäude in Asche gelegt wurden.
scb. Mutmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist mehrfach trübes und zu Gewitterstörungen geneigtes Weiter zu erwarten.
Neuenbürg, 2. Sept. Heute sind es 25 Jahre, daß Direktor Römpler in Schömberg das Höhenluftkurhans für erholungsbedürftige Lungenkranke dem Betriebe übergeben konntet» Bald zeigte sich, daß in dem 660 Meter ü. d. M. gelegenen Schömberg ein selten günstiger Höhenlustkurort gefunden war, und das Lustkurhaus wurde in eine ärztlich geleitete Heilanstalt — das Sanatorium Schömberg — umgewandelt. Nacheinander erfolgten Erweiterungen der Anstalt, heute verfügt sie über 100 Betten. Ferner sind in Schömberg entstanden: die Neue Heilanstalt, das Sanatorium Waldheimat und seit vorigem Jahr eine Heilanstalt für Jugendliche. Das Sanatorium Schömberg ist die erste Heilanstalt in Württemberg gewesen. Tausende aus allen Weltteilen sind ein- und ausgegangen, viele wieder ganz hergestellt