den verhandeln. Der Verband Württ. Industrieller verlangte dies schon im Oktober 1912 und besteht seither darauf Schiffahrtskommissar Hoffman-Heilbronn forderte im Juli 1913 die einstweilige Durchführung der Kanalisierung durch Württemberg mit den Nachbarstaaten und alsbaldigen Ausbau des Großschiffahrtswegs auf dem Neckar. Zu dieser Initia­tive drängten auch folgende Vorgänge. Ausdehnung der Bin­nenschiffahrt auf dem Oberrhein gegen den Bodensee, auf dem Main bis Aschaffenburg und auf der Donau bis Ulm, weil sonst Württemberg und seine Industrie wirtschaftlich ins Hintertreffen kommen gegenüber diesen benachbarten deut­schen Gebieten. Diese Initiative wird nicht bloß in Würt­temberg gefordert, sondern auch in Mannheim begrüßt, bei Stadt und Handelskammer, die dem Gedanken der Neckar­schiffahrt durchaus sympathisch gegenüberstehen. So ist jetzt vom Standpunkt der württ. Industrie aus zu sagen, daß gegenüber 1910, da Württemberg Badens Vorschläge als zur Zeit untunlich ablehnte, jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, da Württemberg und Baden und auch Hessen in Verhandlungen eintreten müssen über die Schiffbarmachung des Neckars auf der Strecke Mannheim-Heilbronn nach Analogie des Vor­gehens von Bayern, Preußen und Hessen in der Mainkanali­sierung. Die Kosten wären von den beteiligten Bundesstaa­ten lediglich vorschußweise auf Grund der von ihren Regie­rungen erwarteten Einführung des Schiffahrtsabgabengesetzrs auch im Rheinstromgebiet zu tragen. In Württemberg ist Regie­rung, Mehrheit des Landtags, Industrie, Handel u. Gewerbe von der Notwendigkeit des Großschiffahrtsweges auf dem Neckar durchdrungen, am Nieder- und Mittelrhein und in Mannheim steht man der Frage ebenfalls sympathisch gegenüber und vom gemeindeutschen Standpunkt muß diese neue Wasserstraße wie jeder neue Binnenschiffahrtsweg begrüßt werden. Unter die­ser Gesamtstimmung muß es, wie am Main, so auch am Neckar den beteiligten Bundesstaaten in bundesfreundlichem Zusam­menwirken gelingen, dies nach der wirtschaftlichen, technischen und finanziellen Seite hin durch und durch geklärte und zur raschesten Ausführung mit am meisten berechtigte Stück des deutschen Binnenschiffahrtsstraßennetzes in aller Bälde zu verwirklichen, nicht bloß und nicht einseitig zum Nutzen Württembergs, sondern auch zu dem der anderen, an der Rhein- und Neckarschiffahrt beteiligten Bundesstaaten und mit ihnen und durch sie auch zum weiteren Gedeihen des ganzen deutschen Wirtschaftsgebietes.

Cannstatt, 21. August. Einzelne Blätter haben Zweifel über die Aussage des angeblich am Kernen überfallenen Feilenhauers Joseph Kästner geäußert, der vom Samstag abend 6 Uhr bis Sonntag mittag be­wußtlos im Walde gelegen sein will. Nunmehr scheint aus den Vernehmungen und einigen auffälligen Um­ständen hervorzugehen, daß es sich um eine Räuberge­schichte handelt, die der anscheinend hysterisch veran­lagte und durch das Lesen von Kriminalgeschichten, vielleicht auch durch allzu häufigen Besuch des Kinos in seiner Phantasie verwirrte junge Mann erfunden hat. Er soll in seiner letzten Stelle nach dem Zahltag ohne Kündigung verschwunden sein Nach einer Blät­termeldung nimmt man an, daß die Bewußlosigkeit, in

der Kästner aufgefunden wurde, auf Schwäche und eigene Machenschaften zurückzuführen sei.

Botnang bei Stuttgart, 21. Aug. Der Vater des 13jähr. Buben, der zwischen Klingenberg und Bückingen tot auf den Schienen aufgefunden wurde, ist, wie jetzt bekannt wird, der hies. Landwirt Gottlob Weber. Seit 3 Wochen war der Bube bei seinen Großeltern, den Landwirten Oppenländer in Großingersheim OA. Be­sigheim, und weilte noch am Samstag mit ihnen auf dem Felde, worauf er plötzlich verschwand. Die Groß­eltern dachten, er sei nach Botnang heimgelausen, und in Botnang vermutete man ihn in Großingersheim. Damit suchen die Angehörigen die verzögerte Ermitt­lung zu rechtfertigen. Der Vater des Buben sagt, er sei geistig nicht ganz normal gewesen; von anderer Seite verlautet, der Vater habe von seinem Züchti- gungsrecht allzu reichlich Gebrauch gemacht. Aber da­durch ist die Frage, ob der arme Bursche in der mond­hellen Eamstagnacht durch llnglücksfall oder Absicht un­ter die Schiene geraten ist, noch nicht beantwortet.

Ludwigsburg, 21. August. Im Alter von 83 Iah en ist hier der aus Murrhardt gebürtige Gene­ralarzt a. D. Albert v. Ceegcr gestorben. Er hat die Feldzüge von 1859, 1866 sowie von 1870/71 mitgemacht und war Ritter des Eisernen Kreuzes. In seiner aktiven Dienststellung war er 22 Jahre lang beim Dragoner-Regiment Königin Olga Nr. 25 und zuletzt Chefarzt des hiesigen Earnisonslaza- retts. Im Jahre 1910 hat er seine goldene Hoch­zeit gefeiert.

Kirchheim u. T., 22. Aug. Zwei junge Mädchen im Alter von 16 Jahren brannten dieser Tage mit zwei Italienern unter Mitnahme einer Barschaft von 20 durch. Die Reise führte bis Lindau, wo die Ausreißer von den lieblosen Söhnen Italiens schmäh­lich verlassen wurden. Da die Mädchen nunmehr ohne alle Mittel waren, wurden sie von der Lindauer Polizei aufgegriffen und per Schub in die Heimat befördert, um ihren besorgten Eltern wieder zugeführt zu werden.

Ravensburg, 21. Aug. Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, das Gehalt des Stadtvorstands von 8000 -N derart zu erhöhen, daß es vom 1. April näch­sten Jahres an zunächst 9000 -N und dann weiterhin 10 000 -N beträgt.

Au» Wett und Zeit.

60. Katholikentag. (Schluß.)

Metz, 21. Aug. Die geschlossene Versammlung des heutigen Morgens beschäftigte sich zunächst mit der Fortbildungsschulfrage. Man verlangte, daß diese 1) obligatorisch, 2) konfessionell, und 3) daß der dort ge­gebene Religionsunterricht dem Alter der Jugend an­gepaßt sei. Ebenso verlangte man die Konfessionalität für die gehobenen Volksschulen. Nach der sozialen Seite wurde die Wanderfürsorge befürwortet. Insbesondere müsse auf katholischer Seite mehr Aufmerksamkeit den Arbeiterkolonien geschenkt werden. Bisher stehen 27 protestantischen Anstalten nur neun katholische entgegen.

Ebenso fand die Rekrutenfürsorge eingehende Befür­wortung. Den Abschluß des Katholikentages bildete die um 10 Uhr begonnene 4. öffentliche Versammlung. Zu­nächst sprach Reichstagsabgeordneter Eerstenber- ger über die Pflicht des katholischen Volkes gegenüber der katholischen Presse. Angesichts des immer mehr wachsenden Einflusses der Presse überhaupt, die zur Großmacht geworden sei, müssen die Katholiken ihre Presse heben und unterstützen. Wirksamer als das ge­sprochene Wort erobere sich das geschriebene seine Welt. Orden und Schulen haben wir notwendig, aber ebenso notwendig haben wir die katholische Presse. Die gute Predigt in der Kirche wird oft im Hause durch die schlechte Presse verdrängt. Redner wandte sich sodann gegen die farblose Presse und stellte das Wort auf: In jedes katholische Haus gehöre eine katholische Zeitung. In glänzender, mehr als 1>-stündiger Rede wandte sich sodann der Berliner Dominikanerpater Bonaven- tura gegen die Entchristlichung des öffentlichen Le­bens. Er predigte einen neuen Kreuzzug des 20. Jahr­hunderts. Gewiß ragen noch heute in unseren Städ­ten hohe Dome zum Himmel empor und viele Millionen bekennen ihr Christentum. Aber nichts desto weniger dürfe man sich den großen Gefahren der Entchristlichung, welche der heutigen modernen Zeit den Stempel auf- drllcken, verschließen. Der Mangel an Christentum im öffentlichen Leben; die Wissenschaft versuche die Tempel der Religion niederzureißen, Sozialdemokratie, Frei­maurerei und Monismus sind am Werk, um den kirch­lichen Einfluß niederzudrücken. Kunst und Bühne sind ihr entgegen. Er rief zum Kreuzzug auf die junge Welt, und namentlich die Studenten. Ihre Plätze seien in der Front. Er rief die Männer jeden Standes und nicht weniger die Frauen auf zum gemeinsamen Kampf. Der feurige Glaube, die vertrauende Hoffnung und die nie versagende Liebe seien die Waffen. Das Kreuz, das wir tragen, wird auch in diesem Kampf schließlich siegen. Hierauf hielt Präsident Für st Löwen st ein die Schlußrede, indem er allen Rednern und allen, die zum Gelingen des Katholikentages beigetragen haben, den herzlichsten Dank aussprach. Noch einmal ließ er in großen Zügen das Bild der glänzenden Tagung vor­überziehen. Bischof Benzler von Metz spendete hier­auf der Versammlung seinen bischöflichen Segen. Dar­auf ging die Versammlung unter dem GesangGroßer Gott, wir loben Dich" auseinander.

Arbeiterbewegung.

Stuttgart. 21 Aug. der christlich-nationale Wald- und Landarbeiterverband hat an den Reichstag eine Eingabe gerichtet, worin er die Parteien bittet, den Reichskanzler zu ersuchen, 1) die in den verschiedenen deutschen Staaten bestehenden gesetzlichen Bestimmungen über die Rechtsverhältnisse des Gesindes und der länd­lichen Arbeiter zusammenzustellen, ferner die Bestim­mungen wichtiger nichtdeutscher Staaten beizufügen; 2) die Bestimmungen aus den Gewerbeordnungen Deutsch­lands und wichtiger nichtdeutscher Staaten, welche sich auf diesen Gegenstand beziehen, zufammenzustellen; 3)

Erziehung zurück zur Natur.

Von Johanna M. Lankau.

Goethe hat im Jahre 1780 einenaphoristischen Auf­satz" wie er es selbst nennt Tie Natur geschrieben ooer besser gedichtet, denn es ist ein Hymnus, wie er tiefer und schöner über dies Thema nie gesungen worden ist. Jeder Lehrer, jeder Erzieher sollte ihn auswendig lernen und im Herzen bewegen. Nur durch innigen Anschluß an die Natur kann man zur Natur erziehen, kann man Natur lehren. Daß sie selbst die beste und größte Lehrmeisterin ist, hat Pestalozzi gewußt: er führte seine Kinder zu ihr, er lebte und webte in ihr. Aus ihr schöpften er und seine Zöglinge Freude. Man denke nur an den Rebenhügel von Granson, den er einst sei­nen Schülern in Jfferten als Herbstfreude schenkte er selbst, selig wie ein Kind, plünderte die vollen Weinstöcke und jubelte mit den Kleinen um die Wette. Jeder Zögling zu Jfferten hatte ein Gartenbeet zur Bestellung, erzählt sein Bio­graph. War Pestalozzi doch selbst in seiner frühesten Jugend von der treuen Magd Babeli, einem schlichten, urwüchsigen Naturkinde zu liebevollen Beobachtungen in Wald und Feld ar.geleitet worden und lernte er dann bei dem Großvater, dem freundlichen Pfarrer von Hongg, den Frieden und die Genüg­samkeit des Landlebens kennen.

Und es ist so leicht, Kinder die Natur lieben zu lehren, wenn der Erzieher von warmer Liebe zur Natur erfüllt ist. Mit Methode kann da nichts erreicht werden. Ein lebendig sprudelnder Liebesquell, flammende Begeisterung, inbrün­stiges Einssein weiht dich sonst zu ihrem Lehrer.Wer ihr zutraulich folgt, den drückt sie wie ein Kind an ihr Herz", sagt Goethe in jenem Aufsatze und ferner:Sie hat keine Sprache noch Rede, aber sie schafft Zungen und Herzen, durch die sie fühlt und spricht". Deshalb heißt das oberste Gebot: Erzieher, sei ein Kind der Natur, lebe mit ihr und von ihr, nur dann kannst du wahrhaftig von ihr zeugen und deine Kleinen zu ihr leiten! Auch hier darf sich die Schule nicht auf das Haus verlassen, denn die Eltern tun heutzutage darin wenig oder nichts. Selbst viele von den sogen. Gebildeten stehen der Natur fremd gegenüber und sie weisen jede Frage ihres Kindes mit den Worten ab:Ach, da mußt du deinen Lehrer fragen! Das weiß ich nicht!" Sie würden sich zu

Tode schämen, diese oder jene Wagneroper oder das neueste Buch ihres Modeschriftstellers nicht zu kennen aber drau­ßen in Feld und Wald können sie keine Blume, keinen Baum, keinen Vogel mit Namen nennen. Hier stehen die Aller­weltsklugen den forschenden Fragen ihres Kindes hilflos ge­genüber. Zuweilen versucht der Vater seine gefährdete Au­torität mit Hilfe des Konversationslexikons zu retten, die Mutter aber bekennt meistens lachend ihre Unkenntnis. Sie hat einst viel Zeit mit Klavierüben, Oelmalen und manch anderen halbgelernten Dingen, die man später nie im Leben brauchen kann, vergeuden müssen wie hätte sie da Zeit ge­funden, mit der Natur Freundschaft zu schließen?

Wie steht es nun um die Lehrer und Lehrerinnen? Wur­de ihnen in ihrer Lehrzeit Muße gegönnt, mit der Natur eins Zu werden, ihr Werden und Bewegen zu beobachten und ihre unwandelbaren Gesetze kennen zu lemen? Tritt man auf den Seminaren und den hohen Schulen der Natur näher? Freilich theoretisch wohl, da wird Naturkunde getrieben undgelernt", mit Ernst und Eifer und viel gutem Willen werden Aufsätze geschrieben: Mein Sonnenaufgang, Frühlingswunder, Der Wald ein Tröster, aber wieviel Phantasie und Dichtkunst wird da zu Hilfe genommen! Wie wenige erlebten einen Sonnauf­gang auf hohen Bergen oder eine Frühlingsnacht unterm Sternenhimmel? Wie wenige gingen selbst auf den Spuren der süßen, heiligen Natur, von der der Dichter singt?

Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen,

Wenn es nicht aus der Seele dringt. . . ."

Ja, seelenlos stehen heute so viele der Natur gegenüber! Viele Gelehrtheit, viel Bücherwissen aber aus dem lebendig rinnenden Quell, aus dem tiefen, allumfassenden Sinn der Natur holen sie sich nicht ihr Wissen. Kein Jahrhundert hat sich so viel wie das unsrige mit ihr beschäftigt man erforscht und erklärt sie, man zergliedert sie und bringt sie in ein System, man sucht ihr ihre Geheimnisse zu entreißen man versucht alles mit ihr außer dem einen: man liebt sie nicht. Deshalb zerstört man ihre Schönheit und ihren Frieden, be­schmutzt sie mit Reklame und vernichtet ihre Denkmäler, man rottet ihre Tiere und Pflanzen aus und schlägt ihre Wälder nieder. Man beraubt sie und nützt sie aus, anstast zu ge­nießen, anstast anzubeten. Schon das kleine Kind, das sich

zur weichen, braunen Erde hingezogen fühlt wie das Pflänz­chen zum Mutterboden, reißt man empor, verbietet ihm das Spielen mit Sand und Steinen, mit Gräsern und Blättern, dafür gibt man ihm als Ersatz ein sinnloses Spielzeug oder führt es geputzt in die Gesellschaft der Erwachsenen; sein Herz aber fühlt sich im schlichten Garten, auf der Blumen­wiese oder nur auf einem Sandhaufen viel besser heimisch. Wohl tritt dem Kinde während der Schulzeit die Natur theoretisch näher aber dieser wissenschaftliche Verkehr führt nur im allerseltensten Falle zu einem Leben mit der Natur. Auch beim besten Willen gebricht es Lehrenden vorausge­setzt, daß sie selbst Naturfreunde sind sowie Lernenden an Zeit, in ein inniges Verhältnis zur Natur zu treten. Auf das Elternhaus kann der Erzieher auch nicht rechnen Mu- siksiunden und allerhand Nebenbeschäftigungen, Vergnügungen und vorzeitige Genüsse rauben dem Kinde nur viel zu sehr die stille Muße und die innere Sammlung, die neben ausreichen­der Zeit die Hauptbedingungen eines fruchtbaren Naturver­kehrs bilden. Gegen das Ende der Schulzeit erlahmt meist vollständig die Lust an Naturbetrachtungen und Naturfreude. Das gesteigerte Kulturleben zieht das junge Gemüt so fest in seinen Bann, das Hasten und Treiben der Gegenwart, das Streben nach Erfolg und ehrgeizigen Zielen schaltet den Ver­kehr mit der Natur aus unnatürliche Arbeitskraft, un­natürliche Lebensweise entfremden die junge Seele immer mehr der Natur. Wohl zieht man hinaus ins Freie, doch lockt nur der Sport hinaus oder das Bestreben, einige Kilo­meter mehr durchmessen zu haben als die anderen. Man hastet einem Ziele zu, wo man tanzen oder gut essen kann, wo man Bekannte trifft und sich rühmt, den oder jenen Weg wie seine Tasche zu kennen. Sorennt" man durch die Natur, trägt das Geschwätz und die Fachsimpelei des Alltags mit hinein, lobt oder kritisiert sie aber sie zu beobachten, ihr zu lauschen fällt keinem ein. Und wenn solche Eltern die Stille draußen mit dürren Worten töten, vermögen sie auch nicht der Ja­gend Ehrfurcht und Liebe gegen die Allmutter einzuflößen. Sie lassen die Wiesen plündern, das Korn zertreten, die Disteln köpfen, die Falter fangen, den Wald mit Geschrei und Lärm erfüllen, ohne ein Machtwort zu sprechen. Die Reste der Mahlzeit, Scherben und Papier werden achtlos von groß und klein der Natur ins Antlitz geworfen: keine erbarmende