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^§ 153. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.
Erscheinungsweise: 6 mal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im Oberamls- bezirk Calw für die einspaltige Borgiszeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.
Freitag, deu 4. Juli 1913.
Bezugspreis: In der Stadt mit Trägerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- ! bezugspreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.S0. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg-
Der bulgarisch-serbische Krieg.
k. Die Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Streitfragen, die aus der Aufteilung des von den vereinigten Balkanstaaten den Türken abgenommenen europäischen Gebiets herauswuchsen, muß nunmehr völlig aufgegeben werden. Die Waffen, die noch vor wenigen Monaten gegen einen gemeinsam gehaßten Feind geführt wurden, kehren die Verbündeten jetzt gegeneinander: die Bulgaren gegen die Serben und die Griechen. Und die Kämpfe scheinen mit einer Erbitterung geführt zu werden, wie sie rücksichtsloser gar nicht geführt werden könnten. Das geht schon daraus hervor, daß die Feldarmeen, ohne eine offizielle Kriegserklärung ihrer Regierungen abzuwarten, losschlugen — welche zuerst, die griechische, oder serbische, oder bulgarische, das zu untersuchen, verlohnt sich schon deshalb nicht, weil es in dieser Entfernung vom Schuß unmöglich ist. An sich ist die Beantwortung dieser Frage auch ohne Bedeutung. Wichtiger ist, zu wissen, was den Anlaß zum kriegerischen Austrag der über die Verteilung des eroberten Gebietes strittigen Fragen gab. Und die Antwort hierauf lautet: Die Serben und die Griechen begnügen sich nicht mit den Abfindungen, die Bulgarien ihnen als Preis für ihre Mitwirkung gegen die Türken zugedacht hatte. Sie berufen sich beide aus den Bündnisvertrag, der vor dem Ausmarsch gegen die Türkei von den Regierungen Bulgariens, Serbiens, Griechenlands und Montenegros untereinander abgeschlossen worden ist, der nach der gemeinschaftlichen Niederringung des Gegners von Bulgarien in bezug auf die darin sesigelegten Entschädigungen an die genannten Staaten, vor allem Griechenland und Serbien, nicht eingehalten werde. Bulgarien ist nach serbisch-griechischer Auffassung vertragsbrüchig geworden. Diesen Vorwurf begründet Griechenland in einer in Sofia zu Beginn dieses Monats überreichten Note, in der das Bündnis, das Bulgarien mit Griechenland geschlossen hat, als ein Betrug bezeichnet wird, denn das daneben gegen die griechischen Interessen mit andern geschlossene Uebereinkommen sei ihm verschwiegen worden. Unter Aufzählung einer Reihe Einzelheiten, die das beweisen sollen, behauptet die Note, auch die Art und Weise, wie Bulgarien den Vertrag ausgeführt habe, verstoße gegen Treu und Glauben. Bulgarien habe die im Bündnisvertrag eingegangenen Verpflichtungen auf Schutz und Unterstützung der griechischen Armeen nicht gehalten, habe vertragswidrig den Waffenstillstand ohne griechische Einwilligung abgeschlossen und hinterlistig oder mit Gewalt Zivil- und Militärbehörden in von Griechen besetzten Gebieten eingesetzt. Die Note nennt schließlich alle Gewalttaten, gegen griechische Staatsangehörige von Bulgaren begangen, trotzdem die bulgarische Regierung wiederholt versichert habe, sie habe Befehl gegen dieses Unwesen gegeben. — Ser iens Standpunkt gründet sich auf folgende Argumente: „Bulgarien hat das ganze Gebiet, das ihm nach dem Vertrag nicht bestritten werden kann, im Besitz, während Serbien von dem ihm im Vertrg unbestreitbar zustehenden Gebiet den Teil westlich des Schar-Dagh mit der Küstenlandschaft am Adriatischen Meer verlor. Während die Großmächte gestattet haben, daß Bulgarien im Osten des Kriegsschauplatzes Thrazien mit Adrianopel über das ihm vertragsmäßig zustehende Gebiet hinaus behält, haben sie im Westen Serbien den wichtigsten Teil seines ihm nach dem Vertrag unstreitig zusiehenden Gebiets fortgenommen, indem sie es Albanien einverleibten. Die neue Verteilungsbasis muß von allen Verbündeten festgestellt werden und Serbien einen Gebietszuwachs zusichern." — Diesen Forderungen der beiden verflossenen Verbündeten entgegen beruft sich Bulgariens Ablehnung auf folgende Umstände: „Serbien verlangt das bulgarische Land von Monastir, Prilep, Ochrida und Weles für sich, es will im Süden an Griechenland grenzen. Es hat im Laufe des Feldzuges, als die Bulgaren ihre weltgeschichtlichen Schlachten in Thrazien gegen das türkische Hauptheer schlugen, ohne wesentliche Opfer, mit einiger Gemütlichkeit, allmählich das umworbene Gebiet be- setzi, zum Entsetzen der dortigen Bulgaren eine serbische Verwaltung eingeführt und die im Laufe der Zeit unter den Türken mühsam erworbenen Vorrechte der bulgarischen Gemeinden beseitigt; es hat den Nachweis verlangt, daß die Kirchen des Exarch als wirklich ihm gehören, und überhaupt
so gewirtschaftet, daß die dortigen Bulgaren heute die Türken als Erlöser von dem serbischen Joch begrüßen würden. Serbien will jene Gebiete eben behalten und bemüht sich, in ihnen schon jetzt das Bulgarenium zu ersticken, um Kundgebungen des Volkes gegen die serbische Herrschaft zu verhindern." Und Griechenland gegenüber will der Bulgare keinen Grund sehen, dieses an der Teilung des strittigen Gebietes teilnehmen zu lassen: da die griechischen Ansprüche auf Gebiete abzielten, die entweder unzweifelhaft griechisches oder mazedonisches Gebiet sind, auf die Serbien keinen Anspruch zu erheben sich verpflichtet habe." —
Trotz allem und allem aber: wir glauben auch in dieser ernsten Stunde nicht daran, daß die Kriegsfackel, die neu und mit beängstigender Heftigkeit auf dem Balkan emporlodert, im Entstehen nicht noch erstickt wird. Bulgariens Kriegsglück scheint nach den Meldungen vom Kriegsschauplatz im Wanken, und es wäre Verblendung, wollte es sich über Rumäniens Drohung, gegebenenfalls gegen Bulgarien zu marschieren, hinwegsetzen. Und Rumänien ist schon auf dem Sprunge, wie nachstehendes Telegramm beweist:
Bukarest, 3. Juli. (Telegr.) Der König hat die allgemeine Mobilisierung der Armee angeordnet.
Wenn darum Bulgarien nicht klein beigibi, wird ihm ein weiterer und gefährlicher Gegner erstehen; Bulgarien wäre, von drei Seiten bedrängt, verloren.
Bukarest, 3. Juli. Die rumänische Regierung hat die Mobilisierung von vier Armeekorps, des 1., 2., 3. und 5., angeordnet. Der Mobilisierungsbefehl wurde gegeben, nachdem die rumänische Regierung aus Belgrad und Athen die Antwort bekommen hatte, daß Serbien und Griechenland sich im Kriegszustand befinden.
Rumäniens Armee
steht unter dem Oberbefehl des Königs Karl. Die nächsthöchste Stelle nimmt Korpsgeneral Prinz Ferdinand ein. Die Truppenmacht ist gegliedert in 5 Armeekorps zu 10 Divisionen Infanterie, 20 Reiterregimentern, 480 Geschützen fahrender, 12 reitender Batterien, insgesamt 576 Geschützen. An Infanterie können einschließlich 5 Reservedivisionen, ohne Ersatztruppen und Miliz, mindestens 255 000 Mann gestellt werden, an Kavallerie 12 000 Mann. Rumänien hat in 17 für das Feldheer bestimmten Jahrgängen 400 000 Mann verfügbar. Seine beste Waffe ist die Artillerie, die in der Hauptsache mit Kruppschen Geschützen ausgerüstet ist, die zum Teil aber noch alten Modells sind. Der Geist der rumänischen Truppen ist ein guter; das Offizierkorps bezeichnen Sachverständige als brauchbar.
Das Wesentlichste aus den neuesten Nachrichten ist^daß die bulgarische Regiemng alle von serbischer Seite verbreiteten Siege über die Bulgaren als entschieden unwahr bezeichnet. Daß dieses Dementi kommen werde, darüber war man sich klar sofort nach dem ersten Eintreffen der zugunsten der Serben lautenden Meldungen. Man wird sich noch erinnern, daß die Türken zuerst auch über glänzende Siege berichteten, die sie erfochten haben wollten. Die Frage ist, ob die serbischen Siege sich auch nur als Maulsiege Herausstellen. Der Leser tut mit uns gut daran, jede Mitteilung vom neuen Kriegsschauplatz kritisch aufzunehmen. Unter diesem Gesichtspunkt entnahmen wir dem heute früh eingegangenen Material folgendes:
Sofia, 3. Juli. Die „Ag. Bulg." ist ermächtigt, alle Belgrader Meldungen von Siegen über die bulgarische Armee entschieden zu dementieren. Nach den ersten serbischen Herausforderungen ergriffen die bulgarischen Truppen, nachdem sie die serbischen Angriffe zurückgewiesen hatten, die Offensive und besetzten bei der Verfolgung der Serben einige Ortschaften auf dem rechten Ufer des Slatanowska. Die Bulgaren stellten hierauf gemäß dem vorgestern vormittag um 10 Uhr erteilten Befehl das Feuer ein und zogen sich in ihre früheren Stellungen auf dem linken Ufer des Slatanowska zurück. Zu den Serben wurden Parlamentäre gesandt, um die Einstellung des Feuers zu fordern. Die Serben hielten jedoch die Parlamentäre zurück und ergriffen die allgemeine Offensive mit allen Truppen. Das ist jene Offensive, die in den Meldungen als Verfolgung der Bulgaren bezeichnet wird. Gestern nachmittag griff die ganze serbische Armee von neuem
an, wurde jedoch unter großen Verlusten zurückgeschlagen. Auch die Meldung, den bulgarischen Truppen sei eine Kriegs- Proklamation verlesen worden, ist eine reine Erfindung.
Sofia; 3. Juli. Danew richtete ein Ersuchen an Rußland, binnen 24 Stunden die Serben und Griechen zur Einstellung der Feindseligkeiten zu veranlassen, widrigenfalls die offizielle Kriegserklärung erfolgen müsse.
Belgrad, 3. Juli. Nach Mitteilungen aus militärischen Kreisen belaufen sich die Verluste der Serben in den bisherigen Kämpfen auf 7000 Tote und Verwundete, die Verluste der Bulgaren auf 23 000 Tote und Verwundete sowie auf 4000 Gefangene. Im Laufe der Nacht und des Tages trafen gegen 2000 Verwundete hier ein.
Wien, 3. Juli. Sofioter Privatmeldungen der Reichspost zufolge rücken die Bulgaren auf dem serbischen Kriegsschauplatz gegen die serbischen Stellungen bei Köprülü vor und umklammerten wichtige serbische Positionen auf der Höhe gegen Gratowo und bereiten die Umzingelung der Serben bei Sorypalanka vor.
London, 3. Juli. Heute vormittag traf eine türkische Note ein, in welcher gesagt wird, daß die Türkei sich im Falle eines neuen Krieges auf dem Balkan die Aktionsfreiheit Vorbehalte.
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Lalw, 4. Juli 1913.
Vom Rathaus.
Oeffentliche Sitzung des Eemeinderats unter dem Vorsitz von Stadtschultheiß Conz am Donnerstag nachmittag von Uhr ab. — Die Verhandlungen, an denen 10 Eemeinderäte teilnahmen, betrafen zunächst Mitteilung der Personen, die aus der Bürgerliste der Stadt gestrichen worden sind. — Als Ergebnis der Farrenschau gab der Vorsitzende bekannt, daß die Farrenhaltung beim hiesigen Farrenhalter sich etwas gebessert habe. Herr Kusterer halte zwei gute Farren 2. Klasse von 2 und 11L Jahren. Der Vorstand der Schau habe sich geäußert, daß diesem zweiten Farren ein Zulassungsschein 1. Klasse in Aussicht gestellt werden könne. — Der Eemeinderat beschließt nach eingehender Besprechung, das W i r t s ch a s t s k o n z esst onsg esu ch von Metzgermeister Schnaufer auf die Wirtschaft von K. Essig in der Lederstraße zu befürworten; er bejaht das Bedürfnis mit Rücksicht aus den dort vorwiegend mit Arbeitern besetzten Kosttisch.
— Ein Lehrgeldbeitrag, um den für einen in Stuttgart beschäftigten Lehrling nachgesucht wurde, wird bewilligt.
— Die Instandsetzung des Friedhofs wird neu geregelt. Der Eemeinderat will um einen Mann ausschreiben, der als Friedhofgärtner anzustellen wäre. — Die gegenwärtig offene Stellung eines Hilfsschutzmanns hat den Gedanken nahegelegt, mit Rücksicht darauf, daß sich niemand gefunden hat, der Hilfsschutzmann werden will, dem Schutzmann für den Nachtdienst einen Hund zum Begleiter zu geben. Man will sich zunächst damit behelfen, den Schutzleuten die Haltung von Hunden zu gestatten, wofür sie von der Hundesteuer befreit werden. Nach Rechnungsdurchgang wurde die Sitzung geschlossen.
b. Geschenk an die am 16. Juni 1913 Geborenen. Das unter dem Protektorat der Kaiserin Auguste Viktoria stehende „Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reich" will das Regierungsjubiläum des Kaisers durch die unentgeltliche Verteilung eines Leitfadens über Kinderpflege und Ernährung an jedes am 16. Juni d. I. in Deutschland geborene Kind bzw. dessen Mutter begehen. Das württembergische Ministerium des Innern ist im Einverständnis mit dem Justizministerium zur Unterstützung dieses Unternehmens bereit und es werden zurzeit die Zahl der Lebendgeburten des 16. Juni ermittelt.
Schwäbische Gedenktage. Am 1. Juli 1540 wurde in Riedlingen geboren Andreas Jerin, Fürstbischof in Breslau, wo er 1596 starb. — Am 2. Juli 1583 wurde in Ulm geboren Joh. Konrad Merck als Sohn eines Schneiders; er wurde Rektor in seiner Vaterstadt und machte sich bekannt als Dichter lateinischer und deutscher Schuldramen, gestorben 1659. — Am 3. Juli 1652 verheerte eine Ueberschwemmung