schusses jedesmal ein Defizit vorhanden war. Das Betriebskapital der Stadtpflege im Betrage von 10000 Mark ist nicht mehr da und mutz aus den Taschen der Steuerzahler nun ergänzt werden. Der Grundstock (also das Vermögen der Stadt) ist auch nicht mehr intakt und mutz ebenfalls nach den gesetzlichen Vorschriften ergänzt werden. Der Ab­mangel von 67100 Mark mutz durch Umlage auf die Steuerzähler aufgebracht werden. Er hätte eine Umlage von 25°/s°/» ergeben. Datz eine Er­höhung von seither 18°/» auf nun rund 26°/» viele unserer Mitbürger unter Berücksichtigung auch der allgemeinen Lage an den Rand des Ruins gebracht hätte, verfehlen sich die Kollegien nicht, und manches herbe Wort mutzte sich der erst 1'/- Stunden nach Beginn der Sitzung erschienene Stadtvorstand sagen lassen.Der Not gehorchend nicht dem eigenen Triebe" beschloß daher das Kollegium eine weitere Schuld von 10 000 Mark aufzunehmen und 20°/» (seither 18°/») umzulegen.

Herrenberg, 26. Juni. Nach einem gering­fügigen Wortwechsel schlug vor etwa 4 Wochen der verheiratete Küfer Georg Nützle von Oberje- fingen dem Schreiner Georg Riehm von da im Wirtshaus mit einer Bierflasche und, nachdem diese zerbrochen war, mit einem Glas mehrmals auf den Kopf. An den Folgen war Riehm einige Zeit arbeitsunfähig, auch klagt er jetzt noch über Schmerzen. Das Schöffengericht verurteilte den Nützle zu 6 Wochen Gefängnis, außerdem hat er dem Mißhandelten eine Butze von 117 zu zahlen.

Horb, 26. Juni. Nach näheren Nachrichten sind Lei dem gestrigen vierten Hagelschlag, den ein Gewitter im Bezirk brachte» in Ahldorf sowohl die Feldfrüchte als auch der Hopfen beinahe ver­nichtet worden. Bekanntlich ist die Gemeinde auch durch den Wirbelsturm am 4. Juni schwer betroffen worden.

Freudenstadt, 26. Juni. Während die Land­wirte in der letzten Woche mit dem Verlauf und Ergebnis der Heuernte wohl zufrieden sein konnten, ist das Einbringen des Heus in dieser Woche vom Wetter wenig begünstigt. Der Sonnenschein fehlt und zu allem Ueberflutz regnet es von Tag zu Tag. Tritt nicht bald eine Aenderung des Wetters ein, so leidet die Beschaffenheit des Grases, das zum großen Teile noch nicht abgemäht ist, und es ent­steht ein recht erheblicher Schaden.

Bleichstetten, OA. Urach, 26. Juni. Die 26 Jahre alte Ehefrau des Bauern Philipp Dollinger, Mutter von 4 Unmündigen Kindern, wurde bei dem letzten Gewitter aus freiem Felde, unweit dem Ort, von einem Blitzschlag getötet. Die Getötete trug «ine eiserne, dreizinkige Heugabel auf der Schulter; tn diese schlug der Blitz.

Ulm, 26. Juni. Kantinepächter Hilsenbeck, im Begriff, die Gleise zu überschreiten, wurde von einem Eilgüterzug erfaßt, schrecklich verstümmelt und eine beträchtliche Strecke weit geschleift. Der Verunglückte war früher Bäckermeister in Neu-Ulm und seit 10 Jahren Pächter der Kantine für Eisen­bahnangestellte beim Eüterbahnhof. Die Ver­letzungen waren so schwer, datz Hilsenbeck alsbald nach Einlieferung in das Krai^enhaus verschied.

Ulm, 26. Juni. Die Generalversammlung des Konsumvereins hat die vor 3 Jahren durch eine Ueberrumpelungstaktik in den Aufsichtsrat ge-

gar nicht mehr dieselben, die er gestern getragen, aber er erinnerte sich doch an alles so deutlich, datz er endlich sein Nachsinnen aufgab und rief:Der Kohlenmunk­peter bin ich, das ist ausgemacht, und kein anderer."

Er wunderte sich über sich selbst, datz er gar nicht wehmütig werden konnte, als er jetzt zum erstenmal aus der stillen Heimat, aus den Wäldern, wo er so lange gelebt, auszog. Selbst nicht, als er an seine Mutter dachte, die jetzt wohl hilflos und im Elend satz, konnte er eine Träne aus dem Auge pressen oder nur seufzen; denn es war ihm alles so gleichgültig.Ach freilich," sagte er dann,Tränen und Seufzer, Heimweh und Wehmut kommen ja aus dem Herzen, und dank dem Holländer Michel das meine ist kalt und von Stein."

Er legte seine Hand auf die Brust, und es war gnaz ruhig dort und rührte sich nichts.Wenn er mit den Hunderttausenden so gut Wort hielt, wie mit dem Herz, so soll es mich freuen," sprach er und fing an, seinen Wagen zu untersuchen. Er fand Kleidungsstücke von aller Art, wie er sie nur wünschen konnte, aber kein Geld. Endlich stieß er auf eine Tasche und fand viele tausend Taler in Gold und Scheinen auf Hand­lungshäuser in allen großen Städten.Jetzt Hab' ich's, wie ich wollte," dachte er, setzte sich bequem in die Ecke des Wagens und fuhr in die weite Welt.

Er fuhr zwei Jahre in der Welt umher und schaute aus seinem Wagen links und rechts an den Häusern hinauf, schaute, wenn er anhielt, nichts als den Schild seines Wirtshauses an, lief dann in der Stadt umher und ließ sich die schönsten Merkwürdigkeiten zeigen. Aber es freute ihn nichts, kein Bild, kein Haus keine

wählten Vertreter der Sozialdemokratie wieder herausgewählt, nachdem schon früher einer von ihnen aus persönlichen Gründen hatte zurücktreten müssen. Die Generalversammlung gab 1500 Stim­men für die vorgeschlagenen bürgerlichen Namen und nur 200 Stimmen für den sozialdemokratischen Zettel ab, der die Namen von 3 Sozialdemokraten und den eines neutralen Bürgers trug._

««, Welt und Zeit.

Leipzig, 26. Juni. In dem Spionageprozetz gegen den früheren Schutzmann Jaenicke, der Teile des Signalbuches der deutschen Marine an Eng­land verraten hat, erkannte das Reichsgericht auf 9 Jahre Zuchthaus und 10 Jahre Ehrverlust.

Koblenz, 26. Juni. Der Kaiser hat das Ab­schiedsgesuch des Generals der Infanterie v. Ploetz, des Kommandeurs des 8. Armeekorps, genehmigt und ihn mit gesetzlicher Pension zur Disposition gestellt. Zum Kommandierenden General des 8. Armeekorps wurde Generalleutnant von Tülff, bis­her Kommandeur der 12. Infanteriedivision in Neisse ernannt.

Berlin, 26. Juni. Eine bemerkenswerte Ge­nugtuung hat der Kaiser seinem früheren Pächter So Hst zuteil werden lassen. In seiner Rede im Deutschen Landwirtschaftsrate vom 12. Februar sagte der Kaiser nach dem damals aufgenommenen stenographischen Bericht:Mit einem Teil des le­benden Inventars will ich demnächst ein Vorwerk besetzen, umso mehr, als ich meinen Pächter hinaus­geschmissen habe, weil er nichts mehr taugte, und das ich in eigene Regie übernehmen will." In dem jetzt erschienenen Verhandlungsbericht jener Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschafts­rats, abgedruckt imArchiv des Deutschen Land­wirtschaftsrats", lautet der betreffende Satz nur: Es kommt dazu, datz ein Teil dieses lebenden In­ventars dazu bestimmt ist, ein Vorwerk neu zu be­setzen, das ich jetzt in eigene Regie übernehmen will." Der Kaiser hat aus dem ihm vorgelegten, zum Abdruck bestimmten Stenogramm der Rede die Stelle über den Pächter eigenhändig herausgestrichen.

Prag, 26. Juni. Bei einer Revision in der hiesigen Wohnung Redls fand man ein seit Jahren mit außerordentlicher Sorgfalt geführtes Tagebuch über seine Spionagegeschäfte. Trotzdem sich Redl vollkommen sicher fühlte, hat man doch in einem Geheimfach ein Fläschchen mit der Aufschrift Strychnin 1902" gefunden, das beweist, datz Redl schon vor 1902 Spionage getrieben hat und für den Fall der Entdeckung ein sicher wirkendes Gift zur Hand haben wollte.

Kristiania, 26. Juni. In seiner heutigen Sitzung hat das Storthing mit 92 gegen 23 Stim­men das Vetorecht des Königs gegenüber den Stor- thing-Veschlüssen abgeschafft.

Belgrad, 26. Juni. Nach offiziellen Berichten versuchten große bulgarische Truppenmassen durch einen nächtlichen Ueberfall sich der serbischen Posi­tion längs des Flusses Sletowo zu bemächtigen. Sie wurden jedoch nach blutigem Kampfe zurück­geschlagen. Die Nachricht von dem nächtlichen Ueber­fall der serbischen Truppen durch bulgarische Truppen am Sletorooflutz wurde in der Stadt durch Extra­blätter verbreitet und rief starke Erregung hervor, zumal noch den Berichten der Vorfall als Beginn des Krieges ausgelegt wurde.

Musik, kein Tanz, sein Herz von Stein nahm an nichts Anteil, und seine Augen, seine Ohren waren abge­stumpft für alles Schöne. Nichts war ihm mehr geblie­ben als die Freude am Essen und Trinken und der Schlaf, und so lebte er, indem er ohne Zweck durch die Welt reiste, zu seiner Unterhaltung speiste und aus Langeweile schlief. Hie und da erinnerte er sich zwar, datz er fröhlicher, glücklicher gewesen sei, als er noch arm war und arbeiten mutzte, um sein Leben zu fristen. Da hatte ihn jede schöne Aussicht ins Tal, Musik und Gesang hatten ihn ergötzt, da hatte er sich stundenlang auf die einfache Kost, die ihm die Mutter zu dem Meiler bringen sollte, gefreut. Wenn er so über die Vergangenheit nachdachte, so kam es ihm ganz sonder­bar vor, datz er jetzt nicht einmal lachen konnte, und sonst hatte er über den kleinsten Scherz gelacht. Wenn andere lachten, so verzog er nur aus Höflichkeit den Mund, aber sein Herz lächelte nicht mit. Er fühlte dann, datz er zwar überaus ruhig sei, aber zufrieden fühlte er sich doch nicht. Es war nicht Heimweh oder Wehmut, sondern Oede, Ueberdrutz, freudenloses Leben, was ihn endlich wieder zur Heimat trieb.

Als er von Stratzburg herüberfuhr und den dun­keln Wald seiner Heimat erblickte, als er zum ersten­mal wieder jene kräftigen Gestalten, jene freundlichen, treuen Gesichter der Schwarzwälder sah, als sein Ohr die heimatlichen Klänge, stark, tief, aber wohltönend vernahm, da fühlte er schnell an sein Herz, denn sein Blut wallte stärker, und er glaubte, er müsse sich freuen und müsse weinen zugleich, aber wie konnte er nur so töricht sein, er hatte ja ein Herz von Stein. Und Steine sind tot und lächeln und weinen nicht.

Landwirtschaft und MSrtte.

Stuttgart, 26. Juni. Schlachtviehmarkt. Zu­getrieben : 212 Großvieh, 716 Kälber, 908 Schweine. Ochsen 1. Kl. 100104 Bullen 1. Kl. 9093 Bullen 2. Kl. 8289 Stiere 1. Kl. 102 bis 105 Jungrinder 2. Kl. 98101 Jung­rinder 3. Kl. 9598 Kälber 1. Kl. 98106 Kälber 2. Kl. 9298 Kälber 3. Kl. 8090 Schweine 1. Kl. 7173 Schweine

2. Kl. 6769 Schweine 3. Kl. 6364 Verlauf des Marktes: mäßig belebt.

Ludwigsburg, 24. Juni. Schweinemarkt. Zu­fuhr: 22 Läuferschweine, 193 Milchschweine; ver­kauft 10 Läuferschweine, 193 Milchschweine. Preis für ein Läuferschwein 6065 für ein Milch­schwein 1832 Die Zufuhr von Milchschweinen war heute eine starke, von Läuferschweinen eine schwache. Der Verkauf ging bei den Milchschweinen gut und rasch, bei den Läuferschweinen nur lang­sam von statten; alles seuchenfrei.

Unsere Weinberge. Ueber den Stand der Reben schreibt der Weinbau:Die warme Juniwitterung hat in den Weinbergen Wunder vollbracht; sie hat die Entwicklung der Reben derart gefördert, datz der vor Monatsfrist noch vorhandene Rückstand reichlich wieder ausgeglichen wurde. Als Beginn der Rebenblüte in den besseren Lagen kann etwa der 10. Juni angenommen werden, was normalen Verhältnissen entspricht. Der Verlauf der Blüte ist bis jetzt gut. Es geht wie ein Aufatmen durch die Berichte der Vertrauensmänner, datz sich nun doch mehr Blüten eingestellt haben, als man nach den schweren Aprilfrösten erwarten durfte; von mehreren Gegenden des Unterlandes wird der gegenwärtige Stand der Reben hinsichtlich der Aus­sichten für den Herbst direkt als günstig bezeichnet.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Buchdruckerei.

Gottesdienste.

8. Sonntag nach Trinit., 29. Juni. Vom Turm: 107. Der Kirchenchor singt: Schmücke dich o liebe Seele. Predigt­lied : 10S, 13 (altes Gesangbuch 230), Wort des höchsten Mundes. 8 Uhr: Frühpredigt, Stadtpfarrer Schmid. gfs Uhr: Hauptpredigt, Dekan Roos. Abendmahl mit Beichte. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. Donnerstag, 3. Juli. 8 Uhr abends: Bibelstunde im Vereins- Haus, Stadtpfarrer Schmid.

Reklameteil.

Aus dem Schwöb. Liasschiefer, welcher vor 60 Jahren das erste Brennöl lieferte, gewinnt man heute ausgezeichnete Stoffe, welche ärztlich vielfach verwendet werden und Liasol- Produkte heißen. Auch die natürlichen Schwefelquellen in Württemberg, Hohenzollern usw. kommen meist aus diesem Posidonienschiefer, und für diese wird als Ersatz die Liasol- Schwefelbad-Efsenz chemisch hergestellt, so daß man jetzt überall diese Schwefelbäder zu Hause oder in jeder Bade­anstalt sich zubereiten kann, ebenso Fußbäder. Die Essenz kann auch mit Iichtennadelduft oder Quendel, (des. auch für schwache Kinder) bezogen werden in Fl. ä 50 A 75 und 1.75 -A. Diese Bäder sind vorzüglich bei allen Erkältungen, Gicht, Rheuma usw., des. auch für Frauen geeignet. Zu haben durch die Apotheken, auch Badeanstalten, oder direkt von Karl Haas, Apotheker, Liasolprodukte, Reutlingen.

Sein erster Gang war zum Holländer Michel, der ihn mit alter Freundlichkeit aufnahm.Michel," sagte er zu ihm,gereist bin ich nun und habe alles ge­sehen, ist aber alles dummes Zeug, und ich hatte nur Langeweile. Ueberhaupt, Euer steinernes Ding, das ich in der Brust trage, schützt mich zwar vor manchem. Ich erzürne mich nie, bin nie traurig, aber ich freue mich auch nie, und es ist mir, als wenn ich nur halb lebte. Könnet Ihr das Steinherz nicht ein wenig be­weglicher machen? Oder gebt mir lieber mein altes Herz. Ich hatte mich in fünfundzwanzig Jahren daran gewöhnt, und wenn es zuweilen auch einen dummen Streich machte, so war es doch munter und ein fröhliches Herz."

Der Waldgeist lachte grimmig und bitter.Wenn du einmal tot bist, Peter Munk," antwortete er,dann soll es dir nicht fehlen; dann sollst du dein weiches, rllhrbares Herz wieder haben, und du kannst dann fühlen, was kommt, Freud' oder Leid. Aber hier oben kann es nicht mehr dein werden! Doch, Peter! ge­reist bist du wohl, aber so wie du lebtest, konnte es dir nichts nützen. Setze dich jetzt hier irgendwo im Wald, bau' ein Haus, heirate, treibe dein Vermögen um, es hat dir nur an Arbeit gefehlt; weil du müßig wärest, hattest du Langeweile, und schiebst jetzt alles auf dieses unschuldige Herz." Peter sah ein, datz Michel recht habe, was den Müßiggang beträfe , und nahm sich vor, reich und immer reicher zu werden. Michel schenkte ihm noch einmal hunderttausend Gulden und entließ ihn als seinen guten Freund.

(Fortsetzung folgt.)