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Zweites Blatt zu Nr. 136

14. 3uni 1913.

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Aus Höhen und Tiefen.

Aufs Wohl des Kaisers!

Von Johannes Trojan,

ehemals Festungsstubengefangener in Weichselmiinde.

Gern denk' ich heut an etwas, wißt,

Was einstmals mir begegnet ist.

Als Majestätsbeleidiger,

Den leider sein Verteidiger Nicht vor Bestrafung konnte retten,

Ward ich zwar nicht gelegt in Ketten,

Doch wurden durch Kondemnation Zwei Monat Festung mir zum Lohn.

Weshalb? Ein Bild, harmlos und heiter,

Das ich vor Jahren als der Leiter Des Kladderadatsches in dies Blatt Aufnahm, war's, was verschafft mir hat Zwei Monde Festungsaufenthalt.

Es würde heut' ein Staatsanwalt Solch eines Scherzes wegen, glaubt es,

Darin liegt jetzt nichts Unerlaubtes,

Um keinen Preis Anklag' erheben

Viel eher nahm' er sich das Leben!

Der Kaiser selbst war sicherlich Nicht bös auf mich, noch ärgerlich:

Denn als ich alt war siebzig Jahr,

Noch kein Jahrzehnt vergangen war,

Seit ich verbüßt hatt' meine Schuld,

Eeschah's, daß durch des Kaisers Huld,

Die mich der Ehrung wert befand,

Ich zum Professor ward ernannt.

Es ward mir dieses Titels Zier,

Obwohl belastend lag auf mir Ein crimen laesas majestatis- Das, meine ich, beweist wohl satin,

Daß nicht als etwas Arges maß Der Kaiser das, weshalb ich saß.

Im übrigen hat meine Haft Recht viel Vergnügen mir verschafft.

Froh saß ich da imFort Carlo"

An meiner Heimat blauer See,

Von Sorgen frei und Kümmernissen.

Hatt' ich ja doch ein gut Gewissen Und war auch wohl versorgt mit Wein,

Drum schenk' ich heut' auch froh mir ein Und füll' ein Glas, das ich erhebe,

Ausrufend: Kaiser Wilhelm lebe!

(Aus der Jubiläumsnummer vonUeber Land und Meer".)

Montenegrinische Hochzeitsgebräuche.

Nach den Vorschriften der in Montenegro herrschenden griechisch-katholischen Kirche soll kein Mädchen unter 12, und kein Jüngling unter 14 Jahren heiraten. Gleichwohl kommt es vor, daß schon kleine Kinder von ihren Eltern einander zur Ehe gegeben werden. Häufig ist das bei Priestersöhnen der Fall, sie ihrerseits wieder zu Priestern bestimmt sind. Sie dürften die sonst bei den griechisch-katholischen Weltpriestern allgemein übliche Ehe nach empfangener Priesterweihe nicht mehr eingehen. Deswegen werden sie frühzeitig mit der für sie bestimmten Braut kopuliert und holen diese, die zunächst bei ihren Eltern im Mädchenstande verbleibt und lediglich im Sckerz Popadia (Priesterin) genannt wird, erst, wenn die rechte Zeit gekommen ist, unter den gewöhnlichen Ge­bräuchen heim.

Die Heiratswahl ist Elternsachc. Es kann Vorkom­men, daß sich Braut und Bräutigam früher nie gesehen haben. Ein großes Gewicht bei der Entscheidung hat der Nuf der betreffenden Familie. Sind die Eltern entschlafen, für ihren Sohn um ein Mädchen anzuhalten, so wird ein Braut­werber ausgeschickt. Meistens ist das der Vater oder Bru­der des Jünglings, der sich verheiraten soll. Wenn diesen nächsten Verwandten aber die nötige Beredsamkeit mangelt, sind es auch fernstehende Personen. Gegen Abend, wo man die Leute am ehesten zu Hause trifft, kommt der Werber zu der Familie der Braut. Eine verzierte Flasche Brannt­wein oder Wein begleitet ihn. Nimmt der Vater des Mäd­chens nach erfolgter Werbung ven ihm angebotenen Trank an, so rst das ein bejahendes Zeichen und die erhaltene Zu- >age wrrd sofort durch ein paar Pistolenschüße verkündet, «sind dre Eltern des Mädchens der Werbung abgeneigt, so °Eerhand möglichst vorsichtige und nicht kränkende Ausfluchte, bis schließlich bei wiederholtem Anhalten die Antwort erfolgt: in jeder anderen Angelegenheit sei der Werber im Hause stets willkommen, in dieser jedoch möge

er es verschonen. Einen Rücktritt nach erhaltener Zusage gibt es nicht; jedenfalls wäre das eine tödliche Beleidigung. Ebensowenig darf man die jüngere Tochter vor der erst­geborenen zur Ehe begehren.

Kopulation und Hochzeitsfeier finden im Wohnort des Bräutigams statt. Ist der Zeitpunkt der Eheschließung gekommen, so zieht ein genau bestimmter Teil der Hochzeits­gäste, festlich geschmückt, mit Waffen und Fahne, wie zum Kriege, zur Abholung der Braut aus. Jeder, der dem Zuge unterwegs begegnet, wird mit Brot, gebratenem Fleisch und Wein gelabt, während ebenso den Hochzeitsgästen beim Durchzug durch Dörfer Gastfreundschaft erwiesen und ihre leere Flasche für die Weiterreise neu gefüllt wird. Ist man dem Wohnort der Braut nahe gekommen, so melden die bei­den Brautführer meist sind es Brüder des Bräutigams oder doch seine nahen Anverwandten diese Tatsache. Eine festliche Bewirtung empfängt die Reisenden. Bei dieser Ge­legenheit wird der vom Bräutigam für die Braut aus­gemachte Preis dem Brautvater ausgehändigt: denn nicht die Braut bringt eine Mitgift, sondern der Bräutigam zahlt. Auf ein verziertes Weizenbrot legt der Führer der Reise­gesellschaft (Start Svat) rings im Kreise die betreffende Summe, meist aber noch ein wenig mehr, und überreicht das Ganze dem Svat vom Hause, der seinerseits gewöhnlich etwas weniger nimmt, als vereinbart wurde, und dann den Rest samt dem Brote für den abwesenden Bräutigam zurückgibt, was von den Hochzeitsgästen mit lautem Dank erwidert wird.

Inzwischen kleidet sich die Braut, die bei dieser ganzen Reise wenig angenehme Augenblicke hat, in einer verschlosse­nen Kammer im Kreise ihrer Freundinnen und Verwandten weinend an. Ein Bruder oder sonstiger Angehöriger führt sie endlich verschleiert heraus und übergibt sie dem Braut­führer. Ehe die Abreise erfolgt, wird auf einem ausgebrei­teten Teppich, auf den das Mädchen hinkniet, der gute Segen (Dobra Molitva, wörtlich: das gute Gebet) über die Schei­dende ausgesprochen:Gebe Gott, daß wir den großen, glück­lichen Augenblick getroffen haben, Töchterlein! Gott schenke dir schöne Nachkommenschaft, neun Söhne und zum zehnten eine kleine Tochter zur Liebe. Gehe mit Gott, mein Töchter­lein! Mögest du zu glücklicher Stunde dieses Haus verlaßen, und zu noch glücklicherer in deine neue Wohnung eintreten! Gott gebe, daß deine Arbeit wächst und gedeiht wie das Laub und das Gras um Eeorgii und das Wasser zu Weihnachten! Daß ein jeder deiner Brüder und Freunde dich beneide um das Gute, und daß du nicht mehr zurückkehrest in dies Haus anders als ein Gast!" Die Hochzeitsgäste sprechen zu jedem Satze dieses Segens:Amen." Noch wird aus einem Becher, der auf einem Laib Weizenbrot steht, von jedem Anwesenden unter Segenswünschen Kr die Braut in der Weise getrunken, daß der Becher nicht berührt, sondern nur das Brot gehalten wird: dann kommt dre Trennung.

Ähnlich wie seinerzeit das Wohnhaus der Braut, wird nun von dem herannahenden Brautzug auch das des Bräuti­gams in Kenntnis gesetzt, und ehe die Erkorene in ihr neues Heim eintritt, manche sinnbildliche Handlung vorgenommen. Bei der Kopulationsfeier wird aufs neue aus dem Seaens- oder Eebetsbecher (Molitvena Chascha) getrunken. Das Hoch­zeitsmahl, zu dem jeder der eingeladenen Gäste Speisen und Getränke, manchmal lebendige Widder, Spanferkel u. dgl. liefert, verläuft unter großer Heiterkeit. Die Braut hat sich beständig zu verneigen, namentlich wenn sie jemandem die Hand küßt oder wenn die Hochzeitsgäste Trinkgebete aus­sprechen; überhaupt muß sie in jeder Weise eine demütige Haltung bekunden. Ihre Kleider und sonstigen Habselig­keiten werden erst nach der Hochzeit in ihr neues Haus ge­bracht und jedes Stück einzeln in Gegenwart des Schwieger­vaters und der Schwiegermutter vorgezählt. Denn wenn ihr Mann sterben und sie als kinderlose Witwe zurücklaßen sollte, würden ihre Verwandten sie samt ihrer Habe wieder in das elterliche Haus zurückholen. Daß Tanz und Pistolen­schießen bei der Hochzeitsfeier nicht fehlen, ist selbstverständ­lich. Am Tage nach der Hochzeit holt die junge Frau unter Begleitung der Brautführer von der Quelle, die ihren neuen Wohnort mit Waßer versorgt, einige Gefäße voll, nimmt oann ein Waschbecken und ein Handtuch und gießt jedem Gaste Wasser auf die Hände. Die Gäste ihrerseits erwidern diefen Dienst dadurch, daß sie ein Geldstück in das Becken werfen. Manchmal dauert die Hochzeitsfeier mehrere Tage. Wenn aber endlich die Brautleute zusammengeführt werden, was nicht gleich in der Hochzeitsnacht geschieht, so ruft unter Pistolenschüssen der Chausch (einer von der engeren Hochzeits­gesellschaft):Es ist aus mit dem Mädchen (der Jungfer­schaft), die Hochzeitsgäste sollen nach Hause gehen!" und am andern Tage wird der jungen Frau unter allerhand Ge­sängen und Gebräuchen die weibliche Kopfbedeckung auf­gesetzt.

Mädchenhändler an der Arbeit. Die geradezu un­glaubliche Frechheit der amerikanischen Mädchenhänd­ler charakterisiert ein Vorfall, den ein Düne, als Augen­zeuge, kürzlich dem Skandinavischen Verein für junge Mädchen in Newyork mitteilte. Er befand sich auf einem Eisenbahnzug zwischen Newyork und Chicago, in dem auch etwa 150 Auswanderer aus Europa fuhren. Hinter Pittsburg tauchten plötzlich drei Herren auf, die von Wagen zu Wagen gingen und überall verkündeten.

daß auf der nächsten Station den mitfühlenden jungen Mädchen ein Frühstück serviert würde. Nach einiger Zeit machten sie dieselbe Mitteilung auf die gleiche Art noch einmal und fügten hinzu, daß der Zug au dem betreffende« Orte einen Aufenthalt von zehn Mi­nuten nehme. Bald darauf lief mau in Newcastle ein, und die jungen Mädchen, etwa 50 an der Zahl, ver­ließen den Zug und gingen in das Stationsgebäude hinein, um dort dasFrühstück" zu verzehren. Der Däne, der den Vorfall beobachtet hatte, und der wußte, daß der Zug in Newcastle nicht zehn Minuten, sondern nur eine Minute hält, eilte den Mädchen nach und warnte sie. Es gelang ihm auch einen Teil von ihnen zur Umkehr zu bewegen, aber 20 blieben im Stations­gebäude zurück. Im nächsten Augenblick setzte sich der Zug wieder in Bewegung, und von den 20 leichtgläubi­gen Mädchen hat man seitdem nichts mehr gehört. Keines von ihnen war im Besitze von Geld, da ja ihre Habseligkeiten im Zug zurückgeblieben waren, und keine verstand ein Wort Englisch. Es waren meist Polinnen und Spanierinnen, aber auch einzelne Schwedinnen und Norwegerinnen. Ohne Zweifel wurden die hilflosen Mädchen von der Station aus verschleppt. Als dem Skandinavischen Verein in Newyork dieser Fall mitge­teilt wurde, setzte er sich sofort mit dem Gouverneur des Staates Illinois und mit der Eisenbahngesell­schaft in Verbindung. Es wurden Nachforschungen an­gestellt, die aber zu keinem Ergebnis führten.

Vom Lagerhausburschen zum Petroleumkönig. In

seinem palastartigen Haus in Palm Beach (Florida) starb unlängst Henry Flagler, der bekannte Petro­leummagnat und Erbauer der Florida and East Coast Railway, die unter dem Namen der Uebersee-Eisen- bahn bekannt ist. Flagler war 83 Jahre alt und zog sich vor einigen Tagen durch einen Fall auf der Mar- mortrcppe in seinem Hause eine Verletzung zu, die die tödliche Erkrankung zur Folge hatte. Geboren in La- ! nandaigua im Staate Newyork, nahm er später eine ^ Stellung in einem Lagerhaus an und sparte sich so viel Geld, daß er in Michigan ein kleines Salzunter­nehmen gründen konnte. Hier hörte er von Rockefeller, der damals sein Petroleumunternehmen begann. Von seinen Schwiegereltern erhielt er 400 000 -4l vorgestreckt, womit er Teilhaber Rockefellers wurde. Man sagt, daß er die eigentliche Seele des Standard Oil Trusts gewesen sei und führt auf ihn die Panik vom Jahre 1887 zurück, bei der der Oil Trust einen Nettoverdienst von 40 Millionen Mark eingeheimst hat. Seine Lieb­lingsidee war jedoch der Vau der Uebersee-Eisenbahn in Florida, wo er als Tourist eines Tages erkannte, was für Geld aus den Vergnügungsreisenden heraus­zuziehen sei. Diese Eisenbahn steht auf einer langen Kette von Koralleninseln, Sandbänken und Riffen und ist 250 Kilometer lang. Sie läuft von dem äußersten südlichen Punkte von Florida nach Key West im Golf von Mexiko. Der Bau der Linie verschlang ungefähr 140 Mill. Mark und gab 3000 Leuten sechs Jahre lang Beschäftigung. Die Eisenbahn wurde im Januar 1012 eröffnet und verkürzt die Reise von Newyork nach Key West um 20 Stunden. Vom Endpunkt der Bahn kön­nen Havanna und Kuba in sechs Stunden erreicht wer­den. Am Alter von 72 Jahren ließ Flagler sich von seiner Frau, die unheilbar wahnsinnig sein soll, schei­den, setzte für ihren Unterhalt acht Millionen Mark aus und versorgte sie mit den ersten Aerzten, denen er ein fürstliches Einkommen sicherte. Hierauf verheiratete er sich mit einer Dame, die halb so alt war wie er.

Für die Schristleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschlüger'schen Buchdruckerei.

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