Lp. Für die evangelischen Missionen in den deut­schen Schutzgebieten. Am Sonntag, 15. Juni d. I., als dem Tag, an dem des Regierungsjubiläums des Deutschen Kaisers in den Kirchen gedacht wird, ordnet ein soeben ausgegebener Konsistorialerlatz eine all­gemeine Kirchenkollekte für die Nationalspende zum Besten der evangelischen Mission in den deutschen Schutzgebieten an. Die Kirchenkollekte kann in den Gemeinden unterbleiben, in denen eine solche für die Nationalspende schon stattgefunden hat.

t. Schutz den Vögeln gegen Katzen! DerWürt- tembergische Tierfreund" schreibt folgendes:Häufig hört man von Vogelfreunden Klagen darüber, dass die Katzen den Vögeln während der Nistzeit nach­stellen. Ich versuchte, den Angaben von Kisch fol­gend, die Katzen auf eine einfache und doch sichere Weise von den Nestern fernzuhaletn. Ich tränkte alte Lappen mit Oleum animole foetidum (Fran­zosenöl) und befestigte diese in den Sträuchern oder auf den Bäumen, und siehe da, mein Mittel wirkte wahre Wunder. Es empfiehlt sich jedoch, die Lappen vor dem Nisten der Vögel, oder nachdem die Jungen dem Ei entschlüpft sind, anzubringen, da sich die Vögel leicht beängstigt fühlen, wenn man während der Brut­zeit in die Nähe der Niststätten kommt. Ich versuchte es, eine Katze mit Gewalt in ein Gebüsch, in welchem sich derartig präparierte Lappen befanden, hinein­zudrängen: sie war nicht dazu zu bewegen. Ferner warf ich einer Katze, einer vorzüglichen Mäusejäge­rin, eine Maus vor, die ich mit diesem Oel bestrichen hatte; sie nahm sie nicht an. Mein Mittel schont unsere Katzen, fördert aber gleichzeitig den Vogel­schutz. Während der Vogelbrütezeit ist es übrigens auch Pflicht der Katzenbesitzer, über Nacht ihre Katzen im Hause zu behalten, damit sie nicht die Vogelnester ausplündern.

sob. Mutmaßliches Wetter. Für Mittwoch und Donnerstag ist weiterhin warmes, meist trockenes, aber zu Gewittern geneigtes Wetter zu erwarten.

Herrenberg, 2. Juni. In Nufringen konnte ein Jagdaufseher der Versuchung, das Jagdglück auch ein­mal selber zu erproben, nicht widerstehen. Die Beute, ein feister Hirsch, wurde heimlich heimgeschafft, zer­legt und verwurstet. Als alles fertig war und die Würste im Rauchfang hingen, kamen die Landjäger und machten der Freude ein Ende. Gestern nach­mittag hatten wir im Bezirk ein schweres Hagel­wetter. In Nufringen und Affstädt gab es Schlossen von 60 bis 70 Gramm. Tausende von Dachplatten wurden zerschlagen

Leonberg, 2. Juni. Der hochbetagte Rutesheimer Bürger Bauer hat heute mittag ^1 Uhr auf seinen 40 Jahre alten, verheirateten Sohn meuchlings einen Schutz abgefeuert, als dieser auf dem Hofe beschäftigt war. Der Schutz ging in die Herzgegend. Der Ge­troffene dürfte kaum mit dem Leben davon kommen. Den Anlatz zu der furchtbaren Tat sollen Familien­zerwürfnisse und das Rachebedllrfnis des Vaters ge­geben haben. Die Frau des Getroffenen ist eine geborene Französin, die mit ihm vor noch nicht langer Zeit in dessen Heimat zurückgekehrt war. Sie spricht kaum ein Wort deutsch.

Württemberg.

Stuttgart, 2. Juni. Die Zweite Kammer be­schäftigte sich heute mit der Einzelberatung des Etats des Innern und überwies beim KapitelOberamts­tierärzte" einen Antrag Graf (Ztr.) auf Neurege­lung des Diätenregulativs an den Finanzausschuß. Minister v. Fleischhauer stellte fest, datz der Versuch der Zusammenlegung der Oberamtstierarzt­stellen als nicht gelungen bezeichnet werden müsse, die Stelle in Hall z. B. müsse bald wieder neu besetzt werden. Von den Abgeordneten Wolff, Kör­ner (B.K.) und Speth-Wangen (Ztr.) wurde be­hauptet, jeder Oberamtsbezirk brauche seinen Ober­amtstierarzt. Das, sagte darauf Linde mann (Soz.), solle Körner einem anderen weismachen, was vom Präsidenten gerügt wurde. Beim Kapitel Landesgrenzberichtigungen wurde der Antrag des Zentrums an den staatsrechtlichen Ausschutz verwie- ! sen, der die Ausübung des Landtagswahlrechts für die an nicht württembergischen Orten stationierten Beamten ermöglicht haben möchte. Angenommen wird ein Antrag der Sozialdemokraten, den Inhabern von Arbeiterfahrkarten auf den privaten Bahnen an den Tagen der Reichs- und Landtagswahlen dieselbe Be­rechtigung einzuräumen wie auf den Staatsbahnen, Dann wandte sich das Haus dem interessanten Thema der Landespolizeizentrale zu. Der Mi­nister bezeichnete die Eingabe der Stadt Stuttgart, die die staatliche Zentralstelle an ihre städtische Po­lizeidirektion angliedern will, als einseitig. Die Re­gierung wolle die Landespolizeizentrale als selbstän­dige unmittelbar unter dem Ministerium stehende Gewalt schaffen. Schließlich verlas Hautzmann (Vpt.) die erwartete Gegenerklärung gegen den v. Kieneschen Brief und wies die darin enthaltene Wie­derholung der an ihm geübten Kritik zurück. Die Sitzung wurde um ^8 Uhr auf morgen vormittag 9 Uhr vertagt.

Stuttgart, 2. Juni. Nachdem bereits am Sams­tag die Arbeiter der Werkzeugmacherei bei der Firma Robert Bosch die Arbeit niedergelegt hatten, ist ihrem Beispiel heute eine weitere Abteilung aus dem Grund gefolgt, weil ein Arbeiter wegen Verweige­rung einer Arbeitsleistung entlassen worden war. Da durch die Arbeitseinstellung in zwei wichtigen Be­triebszweigen der gesamte Betrieb der Firma in Frage gestellt wurde, hat diese ihre sämtlichen Be­triebe von heute abend ab geschlossen.

Der Wirbelsturm.

Plochingen, 2. Juni. Die Folgen des gestrigen Wirbelsturmes sind auf dem Bahnhof nur noch an dem Gebäude selbst zu erkennen. Auf den Gleis­anlagen sind die Aufräumungsarbeiten beendigt. Um so schlimmer sieht es im Dorf und dessen nächster Um­gebung aus. In der Braunschen Werkzeugfabrik wurde ein hoher Fabrikschornstein niedergelegt, ein zweiter traf ein kleines Wohnhaus und zertrümmerte es zum Teil. Die Straßen im Dorf selbst sind in der Hauptsache von den Trümmern frei gemacht, aber hier gehen die Arbeiten langsamer vonstatten als auf dem Gebiet der Staatsbahnverwaltung, wo be­reits gestern abend mit einem halben Dutzend Hilfs­zügen mehrere hundert Mann geschultes Personal

herangebracht waren. Der Neubau des Werkmeisters Zerweck ist ein vollständiger Steinhaufen. Die Feuer­wehr war die ganze Nacht hindurch damit beschäftigt, die schlimmsten Spuren des Orkans zu beseitigen. Auch haben sich Verletzte vorgefunden, die zum Teil transportiert werden mutzten, so ein Mann mit einem Beinbruch und ein anderer mit starken Ver­letzungen. Im Johanniterkrankenhaus sind ungefähr 30 bis 40 Personen zum Verbinden erschienen, die aber meist nur von schlagenden Türen und Fenstern, oder umhersliegenden Glassplittern leichte Schnitt- und Quetschwunden davongetragen hatten. Wenn man die Lücke an Stelle der großen Riegelwand be­trachtet, die am Empfangsgebäude des Bahnhofs auf den Bahnsteig fiel, so kann man es als ein ungeahn­tes Glück bezeichnen, datz die zahlreichen Fahrgäste und Beamten sich kurz vorher vor dem Sturm ins Empfangsgebäude geflüchtet hatten. Sie wären sonst von den Eisen- und Steintrümmern erschlagen wor­den. Die Zahl der beschädigten Eisenbahnwagen wird jetzt auf etwa 30 angegeben. Gut abgelaufen ist auch der Orkan in einer hier weilenden Menagerie, deren Wagen zwar beschädigt wurden, aber größtenteils der Gewalt der Elemente standhielten. Einige Tiere wurden freilich frei, fürchteten sich aber selbst so sehr, daß sie schnell wieder eingefangen werden konnten. In der Umgebung des Ortes sieht es fürchterlich aus. Der äußere Teil der neuen Vrühlstratze, dann der Deizisauer Gemeindewald und die großen Obstgärten sind größtenteils zerstört. Auch im Schurwald droben gab es noch viel Winddruck. Es dürften dort 500 Fest­meter und im Deizisauer Wald etwa 200 entwurzelt worden sein. Die Burgkelter ist bis auf den ersten Stock rasiert. Die Isolierbaracke im Johannitsrkran- kenhaus wurde samt den Gerätschaften und Betten weggewirbelt. Es befanden sich auch 7 Kranke in der Baracke, die wunderbarerweise zumeist ohne Scha­den, höchstens mit kleineren Verletzungen, davon­kamen. Die Einrichtungsgegenstände wurden bis hinauf in die Weinberge getragen und mußten dort noch gestern abend zusammengesucht werden. Der Ortsvorsteher schätzt die Zahl der beschädigten Ge­bäude auf mehr als 300 und den Eebäudeschaden auf etwa 100 000 Alles in allem, namentlich auch wenn man den Schaden der Staatsbahnverwaltung mit einrechnet, dürste eine Schadensumme von etwa einer halben Million Zusammenkommen. Da die Versicherungsgesellschaften für Sturmschäden nicht aufkommen, hofft die Einwohnerschaft, die sich zum Teil in finanziell schwachen Verhältnissen befindet, auf Staatshilfe. Nachträglich wird die Zeitdauer der Katastrophe, die gestern mit 10 Minuten an­gegeben wurde, noch als viel zu lang bezeichnet. In höchstens 2 bis 3 Minuten hat sich das ganze Unglück ereignet. Der Minister des Innern v. Fleisch­hauer weilte heute vormittag hier. Er wurde vom Schultheißen Eitel, dem Oberamtmann Regierungs­rat Pommer und dem Etzlinger Oberbürgermeister Dr. v. Mülberger empfangen und durch das ver­wüstete Gebiet geleitet. Der Minister überzeugte sich von der Größe des Unglücks und versicherte die Betroffenen des Wohlwollens der Staatsregierung. Zur Beschleunigung der Hilfsaktion ist ferner die Einleitung einer öffentlichen Sammlung im Bezirk Eßlingen beabsichtigt.

Stuttgarter Brief.

G Stuttgart, Ende Mai. Die weiß und rosa schimmernden Kerzen der Kastanienbäume, die den Schlotzplatz säumen und seine Umgebung zieren, waren dieses Jahr eine besonders freudig begrüßte Aguenweide für viele auswärtige Besucher der Resi­denz, namentlich für solche, deren Heimat, wie z. B. das Filstal, so schwer unter dem unerwartet schwer und spät eingetretenen Frost zu leiden hatte. Aber mehr als die Kastanienblüte, auch mehr als die drei großen Ausstellungen, die im Mai feierlich vom König eröffnet worden sind, lockten die M a i f e st s p i e l e der Königl. Hoftheater fremde Besucher nach Stutt­gart. Diese anderen Kunststätten nachgeahmte Ein­richtung zeigte unsere Hoftheater am Schluß der ersten genutz- und erfolgreichen Spielzeit auf einer glänzen­den Höhe. Vor allem ist die Oper zu erwähnen: Mit einer Neubearbeitung von Hektor Verlioz' gigan­tischem WerkDie Trojaner", wobei es Emil Ger- Häuser und Max v. Schillings gelang, die zwei Teile des Werks zu einem an einem Abend aufzuführen­den Stück zusammenzuschweitzen, begannen die Fest­spiele. Wuchtig und himmelstürmend kündet hier der Meister die Entwicklung an, die zu Richard Wagner hinfllhrt. Wenn er auch noch nicht dessen Höhe er­reicht hat, so sind doch herrliche Stellen in dem Werk, und die Phantasie darf schwelgen im Ton und auch im Bild: denn auf die Ausstattung ist viel Pracht verwendet worden. Groß in der Wiedergabe waren Lilly Hoffmann-Onegin als Kassandra und Sofie Palm-Cordes als Dido, glänzend in den Stimmitteln, wenn auch noch unfrei im Spiel Rudolf Ritter als Aneas, voll herrlichen Wohlklangs der Gesang von

Hermann Weil als Choröbus. Den Höhepunkt der Festwoche aber bedeutete Richard Wagners persönlich­stes WerkTristan und Isolde", jenes Hohe­lied edler, entsagender, verklärter Liebe, das an sei­nem 100. Geburtstag, am 22. Mai, zur Aufführung gelangte. Man traf dabei die Musikfreunde des gan­zen Landes und sah in der Pause im Foyer tausende begeisterungsselige Augen an Richard Wagners Büste, die ein Jmmortellenkranz zierte, hangen und ihm Dank und Verehrung darbringen. Das Orchester unter Max v. Schillings hielt sich wundervoll, den Tristan gab Josef Tyssen mit überraschend großzügiger Auf­fassung, Sofia Palm-Cordes war eine Isolde voll Liebesschmerz, Frauenstolz und Minneseligkeit, wäh­rend Lilly Hoffmann-Onegin der Vrangäne ihre wunderbar tragende Altstimme zu ergreifender Wir­kung lieh. Und ein gottbegnadeter Künstler aus München, Prof. Dr. v. Kraus, gab dem alten, edlen König Marke ergreifend beseeltes Leben. Auf diesen Tristan", fast ganz mit einheimischen Kräften, kann unser Hoftheater stolz sein. Sein Leiter, General­intendant Baron zu Putlitz, verdient den Dank wei­tester Kreise wegen der Maifestspiele und wegen der nachfolgenden drei Wagnerabende, in denen Tann­häuser, Lohengrin und Die Meistersinger zu Schau­spielpreisen gegeben wurden. Noch einen berühmten East brachte die Oper, die gefeierte Dresdener Kolo­raturensängerin Margarethe Siems, die in Richard Strauß' prunkvoller ÖperAriadne auf Naxos" die Zerbinetta und in Verdis Violetta die Titelrolle mit vollendeter Meisterschaft sang. Das Schauspiel brachteTorquato Tasso" von Goethe mit 3 Gästen: Alfred Gerasch, einst in Stuttgart, nun als Nachfolger von Kainz an der Wiener Hofburg, Mathieu Pfeil,

früher auch in Stuttgart, nun in Frankfurt, und Lina Lossen vom Berliner Lessingtheater. Letztere bewährte sich als vornehme Darstellerin edelster Art, elfterer konnte, immer noch als Liebling von Stuttgarts Frauenwelt, tosenden Beifall einheimsen. Auch in H. v. KleistsPrinz von Homburg" errang er reiche Ehren, wobei er an Egmont Richter als Kurfürst Friedrich Wilhelm einen vorzüglichen Gegenspieler hatte. Eerhart HauptmannsEinsame Menschen" und O. E. HartlebensRosenmontag" waren zwar Stücke, deren naturalistischer, drückender Grundton keine festliche Stimmung erwecken konnte; dem Gast Gerasch aber gaben sie Gelegenheit, auch im mo­dernen Drama Lorbeeren zu pflücken. Hebbels Nibelungen" mit Gerasch als sonnenherrlicher Sieg­fried führte die Festspiele wieder auf erhebende Höhe. Die Maifestspiele zeigten, was Stuttgarts Hofbllhnen leisten können, und bewiesen, datz die Begeisterung, die Liebe zu den Prachtbauten trotz vorgerückter Jah­reszeit noch so warm und herzlich ist, wie sie bei der Eröffnung war. Das Schauspielhaus an der Kleinen Königstratze hatte noch in dem lustigen, die französische Justiz und Republik verhöhnenden SchwankDie Frau Präsidentin" von Hennequin und Veber ein Zugstück gefunden; dann hat es seine Pforten geschlossen, um sie einem neuen Ensemble Wiener Künstler zu öffnen, die allerlei lustige Neu­heiten, leichte Sommerkost bieten wollen. Und drunten in Cannstatt, in der idyllisch gelegenen Wil- helma, ist Direktor Gust. Müller wieder eingezogen und hat die Operettenspielzeit mit der wirkungsvollen OperetteDer Frauenfresser" von Edmund Eytzler aufs beste eingeleitet. So ist auch für den Sommer der Residenz mancherlei Anziehungskraft bewahrt.