Samstag»

17. Mai 1913.

Aus Höhen und Tiefen.

Erbet für meinen Buben!

All' was schön ist, gut und groß,

Sei mein Ziel und sei mein Los:

Mitleid mit den Armen haben,

Stolz nicht sein auf Glückes Gaben,

Schwachen gerne Hilf' und Schutz,

Hand am Schwert, dem Feinde Trutz.

E'rad aufs Ziel, nicht drum herum,

Niemandem den Rücken krumm!

Mut und Stolz und Eigenkraft,

Ohne Dünkel, Großes schafft.

Werd' ich so durchs Leben gehn,

Kann ich Gott ins Auge sehn!

Hanns Holzschuher in derJugend".

Wie man die Affen in Abessinien sängt. Karl Hagenbeck, der geniale Organisator des europäischen Tierhandels, der in Hamburg gestorben ist, hat uns in einem BuchVon Tieren und Menschen" (Vita, Deutsches Verlagshaus) vieler­lei Interessantes aus seinem wild bewegten und arbeits­reichen Leben erzählt. Wir greifen hier einen kleinen Ab­schnitt aus dem KapitelVom Einfangen wilder Tiere" heraus, in dem erzählt wird, wie man im Gebiet des Mareb und des Gasch der braunen Paviane habhaft wird. Zunächst werden alle Wasserlöcher der Gegend bis auf eines mit Dorn­büschen verstopft.Auf diese Weise," so heißt es wörtlich bei Hagenbeck,waren die Paviane gezwungen, alle dieselbe Tränke zu benutzen, und zwar diejenige, an die auch unsere Tiere geführt wurden. Mit der größten Ungeniertheit nah­men die Affen unsern Vorschlag an, eine Folge unserer Ee- schäftspolitik, die es uns zur Pflicht gemacht hatte, die Tiere vorher nie zu stören oder zu beunruhigen. Sie hatten sich längst an unsere Anwesenheit gewöhnt. Nun hatten sie ihre Scheu so weit verloren, daß sie mit unsern Tieren zugleich an die Tränke gingen und, nur 50 Schritt von unsern Leuten entfernt, ihren Durst löschten. Um die Affen noch sicherer und vertraulicher zu machen, wurde in der Nähe des Wasser­lochs regelmäßig Durrha (eine Hirsenart) gestreut, welches die großen Männchen mit Gier annahmen; sie ließen über­haupt keines der kleineren oder schwächeren Tiere an den kostbaren Fund heran. Während dieser heuchlerischen Freund­lichkeit von unserer Seite wurde die Falle hergerichtet, die unsere Gäste zu Gefangenen und alsbald zu Emigranten machen sollte. Man darf sich unter dieser Falle keinen kom­plizierten Apparat vorstellen, sondern muß seine Ideen ge­wissermaßen auf eine primitive Urwaldsanschauung zurück- schrauben. Die Falle besteht ganz einfach aus einer aus Baumzweigen geflochtenen Rotunde, die durchsichtig ist, wie ein Käfig, und in ihrem Aeußeren dem kegelförmigen Dach einer Eingeborenenhütte gleicht. Zuerst wird aus zähen Ruten ein Kranz von etwa 2 Meter Durchmesser geflochten, das Fundament- In diesen Kranz werden starke Stangen in Abständen von 30 Zentimeter gesteckt, die an der Spitze zusammenlaufen und festverbunden werden. Der ganze Kegel wird mit dünnen Zweigen und Stricken, die man aus der Rinde des Baobab dreht, verbunden und bildet dann einen ganz soliden Käfig von ziemlichem Gewicht. Wenigstens hatten unsere Leute schwer zu schleppen, um eine solche Falle vom Bauplatz nach der Fangstelle zu schaffen. Auch das Aufstellen der Falle ist mehr als primitiv. Man stellt sie eben hin, hebt aber die eine Seite empor und stützt sie durch einen starken, in den Sand getriebenen Knüppel. Zu­nächst geht es aber noch nicht an den eigentlichen Fang, sondern es wird noch weiter geheuchelt. Man verstreut die täglichen Durrhaportionen nicht mehr auf dem Sande, sondern legt sie in die Falle. Erst als die Tiere auch in die Rotunde gingen und sich hier seelenruhig ihr Futter holten, inachte der Meister Abdalla (ein Straußenjäger vom Stamme der halbwilden Basas, der die Jagd leitet) Ernst. Im Dunkel der Nacht wird ein langer Strick an dem Knüppel befestigt, der die Falle offen hält; der Strick wird im Sande ver­borgen und führt nach einem versteckten Platze, der die Aus­sicht auf den Fangapparat gestattet. Und nun kommt die Tragödie. Heiß brennt die Mittagssonne hernieder und ein Trupp durstiger Paviane eilt schnatternd zur gewohnten Tränke. Einige der stärksten Männchen, die sich das Monopol bereits erkämpft haben, eilen in die Rotunde und machen sich über den Schmaus her. Der Jäger sieht alles, wartet

Zweites Blatt zu Nr. 112.

den günstigsten Moment ab ein Ruck an dem Strick, die Falle schlägt zu Boden und drei große Affen sind gefangen. Die Szene, die nun folgt, ist urkomisch, fast dramatisch, und spottet jeder Schilderung. Einen Augenblick sitzen die Ueber- rumpelten wie erstarrt, in ihren Augen glüht das Entsetzen, dann suchen sie auf allen Seiten nach einem Auswege und drehen sich dabei wie ebensoviele Kreisel. Die Herde draußen, nicht minder überrascht, ist im ersten Schrecken geflohen, nun kehrt sie zurück, sammelt sich in der Nähe und feuert die Gefangenen durch ohrenbetäubendes Grunzen und Schreien an, das Aeußerste zu versuchen. Die Kühnsten springen dicht an die Falle heran und führen ein erregtes Zwiegespräch mit den Gefangenen. Wahrscheinlich beraten sie sich über die Möglichkeiten der Rettung. Das wäre so etwas für den amerikanischen Professor Earner, der ja seit Jahren - am Werke ist, mit mehr Phantasie als Wissenschaftlichkeit eine Affensprache zu konstruieren. Die Jäger lassen es aber natürlich nicht einmal bis zu einem Versuch einer Selbst­befreiung kommen; sobald die Falle geschlossen ist, eilen sie aus ihrem Versteck herbei, um zu verhindern, daß die Ge­fangenen, die über große Körperkräfte verfügen, das Geflecht durchbrechen. Nun heißt es, die Gefangenen herausnehmen und unschädlich machen. Mit starken, aus Dompalmenfasern geflochtenen Stricken wird das Maul gut verbunden, dann Hände und Füße gefesselt und der ganze Körper zur Sicher­heit noch einmal fest in ein Tuch gewickelt, so daß der Ge­fangene schließlich aussieht wie eine zum Räuchern präpa­rierte Wurst. Das Paket wird an eine Stange gehängt und von zwei Leuten im Triumph zur Station getragen."

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.

Calw, 17. Mai 1913.

Vom Rathaus.

(Etatberatung vom Donnerstag.)

(Schluß.)

Das Stadt. Wasserwerk rechnet 1913 mit einem Einnahmeposten von 19 445 -4t und mit 18 489 Mark Ausgaben: Ueberschutz 956 -4t. Ctadtschultheitz Conz versichert, daß die Vorbereitungen zur Kontrolle des Wasserrohrnetzes eifrig betrieben werden. Ein Ueberschutz von 7 064 -4t ist im Voranschlag für das Stadt. Elektrizitätswerk eingesetzt; 34 520 -4t an Einnahmen und 27 456 -A an Ausgaben. Die Mie­ten für Zähler wünscht G.-R. Baeuchle ermäßigt. Er ist ferner sehr befriedigt über den Etat dieses Werkes. G.-R. Eeorgii fragt wieder, ob in andern Städten kaufmännische Buchführung statt der verwal­tungsmäßigen bei den Stadtverwaltungen eingeführt sei. Der Vorsitzende erwidert, daß Städte von der Grütze Calws nicht die kaufmännische Buchführung ein­geführt haben. Der Voranschlag für beide Werke be­gegnet keinem Widerspruch. Im Zusammenhang mit der Beratung des Voranschlags sür das Elektrizitäts­werk bringt alsdann Stadtsch. Eonz eine sehr wichtige Angelegenheit,

die Vergrößerung des Stützt. Elektrizi­tätswerks

zur Sprache. Die Verwaltung sei der Meinung, daß der jetzige Umfang des Werkes nicht genüge, namentlich nicht für die Anforderungen des Winters. Darum hat sie nach Mitteln und Wegen gesucht, wie die Anlage verstärkt werden könnte. Unter Beiziehung von Ver­tretern beider Kollegien haben Besprechungen stattge­funden. Es ist dabei sehr wesentlich für unser Werk die Versorgung der Deckenfabrik, die einen wesentlichen Faktor für die Produktion und den Gewinn des Werkes bedeutet. Der Vertrag mit ihr geht auf 5 Jahre und wenn geändert wird, stehen wir vor einer einschneiden­den, bedeutsamen Entscheidung. In Zeiten der streng­sten Abnahme war das Werk an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Die Verhandlungen sind in ganz unverbindlicher Weise geführt und der Sachverständige, Ingenieur Eberhard-Baden-Baden ist um ein Gut­achten über die Frage angegangen worden: Wie kann das Elektrizitätswerk eingerich­tet w e r d e n , um inehr l e i st e n zu können? a) durch Aufstellung eines weiteren Dieselmotors? oder k) durch Erweiterung der Batterie? oder c) durch A n - schlutz an den Eemeindeverband Station Teinach auf der Grundlage eines Stromkauss?

Sobald die Verhandlungen weiter gediehen sind und die Untersuchung abgeschlossen ist, will der Vorsitzende weitere Mitteilungen machen. In der Einzelberatung des Stadtpflegevoranschlags beantragt G.-R. H. Wagner künftige Streichung der für den Frem­denverkehr eingestellten 500 -4t. Dagegen wendet sich T.-R. Baeuchle ganz entschieden. Stadtsch. Conz bedauert wiederholt, daß die Erwerbsstünde, die den Hauptnutzen von einem gesteigerten Verkehr haben, ihre Beiträge herabsetzen, aber er möchte den Beitrag nicht missen, namentlich für dieses Jahr nicht, da der neu herauskommende Führer Geld koste. B.-A.-M. Zahn befürwortet die Belastung des Betrags; K.-R. Hippe- . lein, ebenso B.-A.-M. Zügel sind gleichfalls nicht ! sür Streichung. Der Antrag Wagner: der Po­sition500 -4t für den Fremdenverkehr" beizusügen: Künftig wegfallend, wird von beiden Kollegien gegen je eine Stimnie abgelehnt. Daraufhin gab es eine frische Debatte über die F l e i s ch p r e i s e. Anlatz da­zu gab der Titel: Eesundheits- und Wohlfahrtspflege mit der Position Fleischbeschau. E.-R. H. W a g n e r be­zeichnet als eine Irreführung der öffentlichen Meinung, daß von den Metzgern gesagt werde, sie verdienten am Schwein ganze 2 -4t, wie das in Backnang geschehen sei. Ihm entgegnete G.-R. Widmaier und B.-A.-M. Zügel. Letzterer hob hervor, in nichts werde von denen, die nichts davon verstehen, mehr dreingeredet, als ins Metzgergewerbe. Man müsse Einsicht in die Arbeits- und Betriebsbedingungen des Metzgergewerbes haben, wenn man mitreden wolle. Ueber die Fleisch­preise in Calw könne man sich nicht beklagen und wenn jetzt geschwind eine Baisse in den Preisen für Schweine­fleisch eingetreten sei, sei nicht auch gesagt, daß die Metzger, nachdem sie 2 harte Jahre hinter sich hätten, gleich heruntergehen müssen. Stadtsch. Conz dagegen war der Ansicht, daß die Fleischpreise wohl einen Ruck heruntergehen dürften. Auf seinen eigenen Antrag erhält der Feldschütz Aufbesserung von 50 -4t, er bezieht darnach 750 -4t ab 1. April. Ehe dann über die Annahme des Etats entschieden wird, schreiten die Kollegien zur Abstimmung über den Antrag Wagner betr. Easpreiserhöhung. Der Antrag wird ab gelehnt vom Gemeinderat mit 4 gegen 7 und im VUrgerausschutz mit 2 gegen 8 Stimmen. Dar­nach st eilt der Vorsitzende die Annahme des Etats durch allgemeine Zustim­mung fest. Er dankt den Kollegialmitglicdern für ihre Mitarbeit, hofft, daß die verwilligten Mittel zum gesunden Fortschreiten unserer Stadt dienen und dankt auch den Beamten, die an der mühevollen Arbeit der Zusammenstellung des Voranschlags tätig waren, be­sonders Stadtpfleger Dreher. Dann ergriff Eemeinde- rat Georg ii das Wort zu kurzen Dankesworten an den Vorsitzenden für die übersichtliche Gliederung des Etats. Nach einer fast 5stündigen Sitzung konnte Schlutz gemacht werden. Die Kollegien trafen sich zu einem Abcndschoppen imRötzle".

k. Die Eesamtoereinigung ehemaliger 126er, deren Zweck ein Zusammenschluß aller Kameraden zur würdi gen Begehung des 200jührigen Negimentsjubiläums im Jahre 1916 ist, hielt in Stuttgart die Jahressitzung der Zentralleitung ab. Anwesend waren der Stuttgarter Verwaltungsausschutz, die Vertreter des Neckar-, Schwarz­wald- und Donaukreises, der Vorsitzende der Rechnungs­prüfungskommission und 14 weitere Kameraden von Fellbach, Eßlingen, Nürtingen, Plochinge, Pfauhausen, Deizisau, Backnang und Metzingen als Gäste. Der Mit- oliederstand der Gesamtvereinigung beträgt 122 Orts­gruppen mit 3458 Mitgliedern.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschlägcr'schen Buchdruckerei.

Reklameteil.

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