103. Amts- und AnzeigeblaLt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

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Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung betr. den Transport von Schlachttieren.

Nachstehend werden die Bestimmungen der Minist.-Verf. vom 1. Februar 1903, betr. den Verkehr mit Schlachtvieh und Fleisch, über den Transport von Schlachttieren zur Nach­achtung bekanntgegeben:

8 8 .

Die Fesselung der Schlachttiere sür den Transport hat so zu geschehen, daß weder eine auf die Dauer schmerzhafte Haltung des Körpers der gefesselten Tiere, noch ein Wund­reiben einzelner Körperteile, noch ein Einschneidcn der Fes­seln in die Gliedmaßen veranlaßt wird.

Der Transport gefesselter Tiere darf keine unnötige Ver­zögerung erfahren.

Hunde dürfen zum Treiben von Schlachtticrcn nur mit einem das Beißen sicher verhindernden Maulkorb verwendet werden.

Der Vorschrift des Z8 Abs. 1 kann bei Verwendung von ganz oder teilweise freiliegenden Stricken nicht genügt wer­den: sie setzt vielmehr die sorgfältige Anwendung von Rie­men, Gurten, Selbenden oder Strohseilen von genügender Breite voraus. Durch einfaches Unterschieben von Stroh­wischen läßt sich ein Wundreiben einzelner Körperteile und ein Einschneiden der Fesseln in die'Gliedmaßen nicht ver­meiden (vgl. Min.-Erl. vom 17. Februar 1908, Abs. I, Min.- Amtsbl. S. 211.

8 9.

Die zum Transport von Schlachttieren benützten Wagen müssen so beschaffen sein, daß die Tiere hinlänglich Raum haben, nicht abspringen und nicht nach unten oder seitlich mit den Füßen oder sonstigen Körperteilen durchgleiten kön­nen. Auch muß durch reichliches Streumaterial ein Aus­gleiten oder ein zu hartes Aufliegen der Tiere verhütet werden.

llebereinander dürfen die Tiere nur auf verschiedenen, im Wagen übereinander angebrachten Böden, wobei jeder Schichte ein genügender Luftraum gesichert ist, geführt werden.

Schweine und Kälber müssen bei gleichzeitigem Trans­port auf demselben Wagen in verschiedenen Abteilungen untergebracht werden.

Beim Transport gefesselter Kälber zu Wagen müssen die Tiere in der Weise gelegt sein, daß keines von dem andern belästigt wird, und daß kein Körperteil anschleift oder über den Wagen hinaushängt. Auch sind gefesselte Kälber auf dem Transport gegen Hitze und Kälte tunlichst zu schützen.

Mit schmerzhaften Leiden behaftete oder aus sonstigen Gründen am Gehen behinderte Schlachttiere dürfen nur zu Magen transportiert werden.

Beim Auf- und Abladen der Tiere ist mit Schonung zu verfahren.

Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden entweder nach tz 360 Ziff. 13 RStEB. oder Art. 7 Ziff. 2 PStGB. mit Geldstrafe bis zu 150 -K oder mit Haft bestraft.

Calw, den 1. Mai 1913.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Friedliche Lösung.

König Nikita von Montenegro hat nachgegeben. Die österreichischen und italienischen Truppen brauchen nicht nach Albanien zu marschieren. Die unerträgliche Spannung, die auf der politischen und wirtschaftlichen Welt lag, hat nun ein befreiendes Ende gefunden, lieberblickt man die Um­stände, die dazu geführt haben, daß ein Stäätlein, von dem die Welt nur im Tone der Geringschätzung zu re­den berechtigt zu sein glaubte, diese Welt in Atem hielt, so steht das bedingungslos fest: vom rechtlichen Gesichtspunkt aus ist dem Herrscher von Montene­gro beizupflichten, wenn er mit aller Entschiedenheit auf der Zuteilung eines Landstrichs bestand, das seine Truppen mit ihrem Blute gedüngt haben und das sein Volk als selbst­verständliche Siegesbeute aus dem blutigen, opfervollen Kriege in Empfang zu nehmen hoffte. Aber, der ist Herr, der die stärkere Faust hat. Oesterreich und mit ihm Italien

konnten es nicht zulassen, daß ihnen eine slawische Macht mit einem Zugang zur albanischen Küste in die Quere kam, was früher oder später zu Verwicklungen geführt hätte, da mit Montenegro eben Rußland an diese albanische Küste sich vorgeschoben haben würde ein gar unliebsamer Nach­bar für Oesterreich und Italien. Letztgenannte Staaten sind sich einig darin, daß keiner auf Kosten des andern sich bereichern will und zunächst sich jeder mit dem, was er besitzt, zufrieden gibt. Aber gerade darum liegt beiden gleich viel daran, nicht noch einen dritten großeuropäischen Angrenzer zu erhalten, sondern das albanische Küstengebiet, soweit es nicht schon in ihrem Besitze, einer neutralen Macht unter­stellt zu wissen. Und darum auch legten sie beide den Nach­druck in ihren Forderungen auf ein neutrales, unbeeinflußtes Albanien. An diesen wirtschaftlichen, nationalpolitischen Bedenken Oesterreichs und Italiens mußte der wenn nach seiner Beurteilung auch noch so sehr berechtigte Widerstand Nikitas brechen. Hätte er nicht in letzter Stunde seinen so lange mit Geschick unerwartet behaupteten Standpunkt aufgegeben, nachdem er alle Vorstellungen der Mächte in den Wind geschlagen, den in der Flottcndemonstration ge­äußerten sogenannten einstimmigen Willen Europas unbe­achtet gelassen hatte, dann hätte ihm und seinem Volke je nachdem ein herberes Geschick gewartet, als das der Preis­gabe Skutaris. König Nikita hat, nach den Gründen be- > trachtet, die sein Nachgeben veranlaßten, dem Weltfrieden! ein Opfer gebracht, das die Bedeutung eines heldenhaften! Verteidigungskampfes weit übersteigt. Essad Pascha, der ! verräterischeVerteidiger" von Skutari, der unter den Fitti­chen Montenegros sich zum Fürsten von Albanien ausrief,! wird nun seine Rolle auch rasch ausgespielt haben. Die! Türken stützen ihn nicht und Montenegro nunmehr auch nicht; man darf sich der Hoffnung hingeben, daß er für! die einem friedlichen Ausgange zutreibende Balkankrisis nicht mehr viel Bedeutung hat. ^

Die ersten Nachrichten über den montenegrinischen Ent-! schluß gingen von Budapest aus in die Welt. Dort erklärte! gestern der Ministerpräsident Lukacs im Abgeordnetenhaus, ^ daß nach einer Depesche des Gesandten in Cetinje König Nikita beschlossen habe, die Großmächte von der bedingungs­losen Räumung Skutaris zu verständigen. Die offizielle Verzichtleistung auf Skutari lautet:

Cetinje, 5. Mai. Aus amtlicher montenegrinischer Quelle wird gemeldet: Die Krise bezüglich der Forderung nach Räu­mung der Stadt Skutari ist in dem von den Großmächten gewünschten Sinne gelöst worden. Da sich Montenegro einer großen Pression Europa gegenüber befunden hat und keine Möglichkeit sah, daß es durch einen verlängerten Widerstand gelingen könnte, aus dieser Krise siegreich hervorzugehen, hat es gestern den Mächten nachgegeben und erklärt, das Schicksal in die Hände der Mächte zu legen. Der König hat sich im letzten Moment zu diesem schweren Schritt ent­schlossen. Der König ist tief überzeugt, hierdurch seinem Land und seinem Volk gegenüber ein großes Opfer für den allgemeinen Frieden zu bringen, ein Opfer, das einmütig von allen Seiten, sogar unter Androhung des Verlustes der Unabhängigkeit Montenegros, verlangt wurde. Bei seinem Entschluß ließ sich der König auch durch Rücksichten auf seine Verbündeten leiten, indem er befürchtete, daß, wenn er bei seinem Widerstande beharrte, er ihre mit so vielen Opfern erkauften Siege gefährden könnte. In der vergangenen Nacht hat der König durch Vermittelung des englischen Ge­sandten an Sir Edward Grey eine Depesche gesandt, welche in Kürze folgendes besagt: Meine Regierung hat in ihrer Note vom 30. April die Gründe ihres Verhaltens in der Skutarifrage dargelegt. Dieses Verhalten war durch die unerschütterlichen Grundsätze der Gerechtigkeit geleitet. Noch einmal verkünde ich mit meinem Volke meine durch die Geschichte und durch die Eroberung geheiligten Rechte. Meine Würde und die Würde meines Volkes gestatten mir nicht, isolierten Aktionen nachzugeben und deshalb lege ich das Schicksal Skutaris in die Hände Europas.

London, 5. Mai. Die Botschafterkonferenz hat sich heute nachmittag um 5>L Uhr auf Donnerstag vertagt. Das Reutersche Bureau" empfing nach der Sitzung vom Aus­wärtigen Amt folgende Mitteilung: Die Tatsache, daß der König von Montenegro das Schicksal Skutaris in die Hände der Mächte gelegt hat, gereicht den Regierungen der Mächte zur großen Befriedigung. Die Mächte werden jetzt erwägen, welche Abmachungen für die Zukunft hinsichtlich der Stadt getroffen werden sollen.

Konstantinopel, 5. Mai. Zwischen der Pforte und den Balkanverbündeten ist die Einstellung der Feindseligkeiten bis zum Friedensschluß nunmehr definitiv vereinbart worden.

Stadt, Bezirk und Nachbarschaft. ' ?

Lalw, 6. Mai 1913.

Vom neuen evangelischen Gesangbuch. In Nr. 86 des ^ Calwer Tagblatts standen Ausführungen von Pfarrer Th. ' Kappus über Erfreuliches und Unerfreuliches bezüglich der- Einbände der neuen Gesangbücher zu lesen, die berechtigtes Aufsehen erregten, und es war anzunehmen, daß die Fach­presse zu ihnen Stellung nehmen werde. Das ist nun auch geschehen. In der letzten Nummer des Allgemeinen An­zeigers für Buchbindereien wird eine Reihe Erwiderungen auf die Angriffe von Kappus veröffentlicht, an denen auch wir, um beide Seiten zu Wort kommen zu lassen, nicht vor- Lbergehen dürfen. Eine dieser Zuschriften lautet im Auszug:

Wenn man auch besonders auf dem flachen Lande ab und zu noch Einbänden begegnet, die dem Kunstempfinden einiger Reformatoren nicht standhalten können, so darf nicht außer acht gelassen werden, daß jede Buchbinderei, sei es eine große oder kleine Werkstätte, eben doch auch mit dem Geschmack des Käufers zu rechnen hat, und es kommt einer Bevormundung schlimmster Art gleich, wenn man den Käu­fern etwas aufzwingen will, was ihnen nicht gefällt. Daß man derartiges auch nicht ungestraft tun darf, dafür liefert ja das berühmte Titelbild für das neue Gesangbuch den schlagendsten Beweis. Wenn Herr Pfarrer K. nur nach dem urteilt, was er in seiner Gemeinde gefunden hat, so kann ihm das Recht nicht zugestanden werden, das zu verdammen, was er nicht kennt; er möge einmal in die Stadt kommen und dann die Einbände vergleichen, wie sie var 20 Jahren gang und gäbe waren und wie sie heute dort zu finden sind.

Das Bestreben, unter dem SchlagwortVolkskunst" Kunst­verständnis in alle Schichten der Bevölkerung zu bringen, ist ja an und für sich sehr lobenswert, und auch ich zähle nicht zu denen, die das nicht anerkennen wollten. Ich ver­stehe aber Volkskunst nicht so, daß man eine Industrie ver­nichten will auf Kosten einer bestimmten Klasse, oder daß man darauf ausgeht, die ganze Händlerschaft in ihrem Er­werbsleben zu schädigen. Was ist Kunst? Sicherlich ist der Begriff darüber sehr verschieden. Manch einer hat schon ein Werk geschaffen, das nach seiner Meinung ein Kunstwerk darstellen soll; die Welt hat aber anders geurteilt. Es sei daran erinnert, daß vor etwa 6 Jahren sogenannteKunst- gesangbücher" unter großer Reklame angepriesen wurden; auch damals war es die Geistlichkeit, die lebhaft für diese Einbände, deren Entwürfe, was ausdrücklich betont sei, von bedeutenden Meistern stammten, eingetreten ist. Das Volk aber hat an diesen reich verzierten und überladenen Ein­bänden keinen Geschmack gefunden! Und so sind dieseKunst- gesangbüchcr" wieder von der Bildfläche verschwunden. Leh­rer und Erzieher sollen in der Schule den Kindern Kunst­sinn bcibringen, damit sie später im praktischen Leben er­kennen, was gut oder schlecht ist. Darin verstehe ich richtige Volkskunst, nicht aber darin, daß man anderen seinen eigenen Willen oder Geschmack aufzwingt und nach Monopol oder Bevormundung schreit!

G Spar- und Consumverein. Die am Samstag abend im Gasthaus zum Schiff abgehaltene halbjährliche General­versammlung des Spar- und Consumvereins war etwas schwach besucht. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache des Vorsitzenden folgte der Geschäftsbericht, welchem zu entneh­men ist, daß das abgelaufene halbe Jahr, 1. Oktober bis 31. März, ein befriedigendes genannt werden kann. Der Umsatz betrug 54 745,08 .tt gegenüber dem Vorjahre 38 433,59 Mark, somit mehr 16 311,49 Brotlaibe wurden bezogen 28 889 gegenüber 28 190. Die Zahl der Mitglieder hat sich