angestellten Erhebungen handelt es sich hier um einen Schwindel plumpster Art, dem täglich Hunderte von Personen männlichen und weiblichen Geschlechts zum Opfer fallen. Der Andrang aus Stadt und Land ist derartig, dag Donnerstag eine Person, die um 6 Uhr nachmittags zur Audienz beim Herrn Phrenologen erschienen war, erst nachts gegen 12 Uhr ankommen konnte. Mattes hat die Zeit seit 1898 großenteils in den Strafanstalten zugebracht. Er ist eine wegen Diebstahls, Betrugs und Verbrechens wider die Sittlichkeit vielfach und schwer vorbestrafte Person. Und ein solcher Mann ist imstande, täglich ungeahnt große Beträge aus der Tasche des sein Geld sauer verdienenden Volkes zu ziehen. Schwindler, Gaukler, Kurpfuscher usw. kommen immer noch auf ihre Rechnung, wenn das Publikum nicht endlich einmal gescheiter wird.
K. Feier des 25jährigen Regierungsjubiläums des Deutschen Kaisers. Der König hat befohlen, daß das 25jähriqe Regierungsjubiläum des Kaisers im Juni dieses Jahres durch die württembergischen Truppen in folgender Weise zu feiern ist: Sonntag, 16. Juni (Todestag Kaiser Friedrich III.) Gottesdienste in den Earnisonskirchen und Militärgemeinden. Montag, 16. Juni: Großes Wecken. Appells bei den einzelnen Truppenteilen. Große Paroleausgabe. Im übrigen soll der Tag bei den Truppen nach Möglichkeit so begangen werden, wie dies zu Kaisers Geburtstag üblich ist.
sck. Mutmaßliches Wetter. Für Mittwoch und Donnerstag ist weiterhin Gewitterneigung, bei sonst trockenem und warmem Wetter zu erwarten.
Pforzheim, 28. April. Hier fiel das rostig gewordene eiserne Tor des Haupteingangs des Städtischen Parks um und erschlug das neun Jahre alte Töchter- chen des Schreiners Dongus. Das Kind starb während der Ueberfiihrung nach der elterlichen Wohnung.
Nagold, 29. April. In der gestrigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde der Termin des Wahltags für einen neuen Ortsvorsteher auf den 2. Juni d. I. festgesetzt.
Württemberg.
Aus dem Reichstag.
Stuttgart, 26. April. Der langjährige Präsident der Zentralstelle für Landwirtschaft, Staatsrat a. D. Freiherr Hans von Ow-Wachendorf, Mitglied der Ersten Kammer, beging am gestrigen Montag seinen 70. Geburtstag. 30 Jahre lang, von 1876 bis 1906, hat er auch die Ritterschaft des Schwarzwaldkreises in der Abgeordnetenkammer vertreten, worauf er in die Erste Kammer versetzt wurde. Von 1878 bis 1890 vertrat er außerdem den 8. württembergischen Wahlkreis im Reichstag, wo er der Reichspartei angehörte.
Stuttgart, 28. April. Am Sonntag, den 25. Mai d. I., findet im Konzertsaal der Liederhalle in Stuttgart die ordentliche Jahresversammlung des Württembergischen Weinbauvereins statt.
Stuttgart, 27. April. Der Oberstallmeister des Königs, Frhr. Geyer v. Schweppenburg, ist heute abend 8 Uhr nach längerer Krankheit gestorben.
Stuttgart, 28. April. Der bisherige Professor an der aufgehobenen Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart, Dr. Richard Reinhardt, ist zum Honorarprofessor an der medizinischen Fakultät der Universität Rostock ernannt worden.
Stuttgart, 28. April. In der letzten Woche kam hier der seltene Fall vor, daß ein Mohammedaner von seinen Glaubensgenossen im Lande der Christen bestattet werden mußte. Ein orientalischer Teppichhändler erkrankte an einer akuten Lungenentzündung und starb nach 4 Tagen im Katharinenhospital. Es war rührend anzusehen, wie sich 8 Glau
bensgenossen, die sich ebenfalls in Geschäften hier aufhielten, des Schwerkranken annahmen. Sie wichen keine Stunde vom Krankenlager und begannen nach dem Ableben ihres Freundes sofort mit den eigenartigen Gebräuchen des Islam. Zunächst wurde der Leichnam mit heißem und gründlich desinfiziertem Wasser sauber abgewaschen, dann wurden beide große Zehen und hierauf beide Füße mit einem weißen Band fest zusammengebunden. Auf die Brust wurde ein blankes, dolchartiges Messer gelegt und dann die Leiche in ein eng anschmiegendes, weißes Tuch eingenäht. Hierauf setzten sich alle Mohammedaner in den Spitalgarten und nähten dort das eigentümliche Leichengewand aus Buxkintüchern zusammen. In dieses sackartige Gewand wurde die Leiche sorglich eingehüllt und dann in den Sarg gelegt. Während des ganzen Vorganges erklangen die monotonen Gebete der Mos- lim bis zur Bestattung, und das Grab wurde erst verlassen, bis die „Gläubigen" die Ueberzeugung mitnehmen konnten, daß der Freund in fremder Erde ruhig gebettet war.
Leonberg, 28. April. In Ditzingen wurde gestern eine Bezirksversammlung der Gewerbevereine abgehalten, auf der sich eine lebhafte Erregung gegen die Stellungnahme der Zentralstelle für Gewerbe und Handel zu den vorgeschlagenen Submissionsämtern und dem angemessenen Preis geltend machte. Die Versammlung sprach in einer Resolution ihr Bedauern über die Haltung der Zentralstelle aus, deren Zusammensetzung aus Großindustrie, Handel und Beamtentum nicht mehr zeitgemäß sei für eine neutrale und sachgemäße Entscheidung in Handwerkerfragen. Die Zentralstelle wurde als ein unberechtigtes und überflüssiges Zwischenglied zwischen Handwerkskammer und Regierung bezeichnet. Der Versammlung wohnten auch mehrere Landtagsabgeordnete bei.
Freudenstadt, 26. April. Die neuen von der hiesigen Metzgerinnung bekannt gegebenen Fleischpreise bedeuten einen Abschlag beim Schweinefleisch um 6 Pfg. pro Pfund. Die Preise für die übrigen Fleischsorten bleiben unverändert.
Tübingen, 28. April. Das vor kurzem im Konkursverfahren um 147 000 -K in den Besitz des Herrn Jrion in Stuttgart übergegangene Hotel Schüler „zum Ochsen" ist bereits wieder weiterverkauft worden. Der neue Käufer ist Bierbrauereibesitzer Marquardt-Tübingen.
Von der Alb, 23. April. Die ungewöhnlich feuchtwarme Witterung der letzten Tage wirkt in der Vegetation trotz des jüngsten Rückschlags durch die strenge Kälte wahre Wunder, Wiesen und Saatfelder prangen in frischem, sattem Grün. Da die Hochfläche der Alb während der letzten Kälteperiode die schützende Schneedecke längere Zeit hindurch behielt, die Obstbäume, soweit sie für die Höhen der Alb überhaupt in Betracht kommen, in ihrer Entwicklung ziemlich spät zurück sind, kann von einem erheblichen Frostschaden überhaupt nicht die Rede sein. Wenn die Wintersaaten im allgemeinen dünn sind und vielfach größere Lücken aufweisen, so daß nicht selten durch Nachsaat von Sdmmerfrllchten nachgeholfen werden muß, so ist dieser Umstand auf die allgemein sehr spät erfolgte Aussaat bei naßkalten Herbstwetter, auf die geringere Keimkraft der vorjährigen Saatfrucht und nicht zum geringsten auf das häufige Auf - und Zugefrieren des Bodens während des verflossenen Winters zurückzuführen. Außerordentlich rasch rückt der Buchenwald an. Beinahe das ganze Albtrauf entlang, sowie in den dem Neckar zugekehrten Albtälern schimmern die Hänge bereits in lichtem Grün; noch wenige Tage und dann dürften auch die Waldungen der Hochfläche namentlich unter der Einwirkung warmer Gewitterregen, wie sie sich gestern wieder an
stellten, in ihr hellgrünes Kleid schlüpfen. So w äre der nicht so häufige Fall möglich, daß wir auf der Alb zum Mai Laub hätten, nach der Bauernregel das Anzeichen einer frühen Ernte; denn, „haben wir am Maientag Laub, dann haben wir an Jakobi Ernte."
Hall, 28. April. Am Sonntag nachmittag fand hier ein aus sämtlichen hohenlohischen Wahlkreisen und vom Unterland stark besuchter Vertretertag der Fortschrittlichen Volkspartei statt, auf dem nach mehrstündigen, gründlichen Beratungen über den Ausbau der Organisation der Zusammenschluß in einen Fränkisch-Unterländer Eauverband (Sitz Heilbronn) betätigt wurde. Anfang Juli soll in Crailsheim ein fränkisches Parteisommerfest stattfinden.
Hohenstein O.A. Besigheim, 27. April. Durch den Rücktritt des seitherigen Schultheißen Eilch ist die hies. Ortsvorsteherstelle erledigt und Neuwahl auf 8. Mai anberaumt. Heute nachmittag haben sich 4 Bewerber im Gasthaus zur Rose der Bürgerschaft vorgestellt und ihr Programm entwickelt. Es sind dies: Verwaltungsassistent Wiedmann, zurzeit Marbach a. N.; Schultheiß D. Vlaich von Jagsthausen, OA. Neckarsulm; Gerichtsvollzieher Bitzer, z. Zt. Stuttgart; Not.-Cand. Vinqon, z. Zt. beim K. Bezirksnotariat in Stamm- heim OA. Calw. Zwei weitere Bewerber haben ihre Bewerbung vor der Vorstellung zurückgezogen.
Aalen, 28. April. Am 24. und 25. Mai findet hier der Württembergische Weckerlinientag statt, an dem sich alle Weckerlinien bzw. Löschzüge der größeren Städte des Landes beteiligen werden. Neben den geschäftlichen Beratungen wird eine Uebung der Aalener Feuerwehr stattfinden.
Ulm, 28. April. Ein Gewitter von unheimlicher Stärke wütete heute über eine Stunde lang über der Stadt und verursachte Blitzschlag und Gebäudebeschädigungen und eine zeitweilige Unterbrechung des Straßenbahnbetriebs nach Söflingen. Das Wetter setzte morgens nach 7 Uhr ein und dauerte fast bis 9 Uhr. Zu strömendem Regen gesellte sich strichweise Hagel. Dahei herrschte eine solche Dunkelheit, daß überall Licht gebrannt werden mußte. Merkwürdig war, daß während des ganzen Gewitters der Wind nur unbedeutend wehte. Erst gegen 11 Uhr hatte sich das Unwetter, das im Abziehen noch manchen Ausläufer hierherschickte, ganz verzogen. Auf dem Exerzierplatz Lerchenfeld wurde der Musketier Lehrt von der 1. Kompagnie des Infanterieregiments Nr. 120, ein Sohn des Traubenwirts Lehrt von Riedlingen, vom Blitz getötet. Der Soldat war als Winker an der sogenannten Signalstation beschäftigt und wurde, neben seinem Hauptmann stehend, vom Blitz getroffen.
Aus Wett und Zeit.
Berlin, 28. April. Die letzte Sitzung vor den Ferien räumt mit allen Resten der dritten Lesung auf. Zuerst erfolgte eine namentliche Abstimmung über die Ostmarken- zulagedes Etats der Heeresvorlage, die in zweiter Lesung gestrichen worden ist. Aber auch diese Abstimmung ergab die Ablehnung des betreffenden Titels mit der gleichen Mehrheit wie bei der zweiten Lesung, und zwar 179 gegen 119. Die ablehnende Mehrheit setzte sich zusammen aus Sozialdemokraten, Zentrum und Polen. Damit war der Militäretat auch in dritter Lesung erledigt und man ging zur Beratung des Marineetats über. Beim Etat derReichs- justizverwaltung kam es zu einer oft heftigen Aussprache. Beim Etat „Reichseisenbahnamt" wurde wieder reichlich über verschiedene Eisenbahnschmerzen geklagt. Aber auch diesen Etat erledigte man im Schnellzugstempo, um so desto eher eine Gewähr dafür zu haben, daß das Haus noch am heutigen Tage in die schon lange ersehnten Ferien gehen könne. Nachdem der Etat der Reichseisenbahn
vollständig neu gekleidet, erhält neue Waffen und zieht unter Begleitung der Regimentskapelle und der anderen Soldaten zum Bahnhof. Schon in der Kaserne erhält jeder Soldat seinen Bedarf an scharfen Patronen, wie sie die Vorschrift zur feldmarschmäßigen Ausrüstung verlangt.
Hatte der Soldat so ein Jahr im Felde gestanden, und hatten sie bis dahin noch keinen festen Fuß gefaßt, um sich zu befestigen und eine Militärstation zu gründen, so kommt er wieder in sein Regiment auf eine Art Erholung 1—3 Monate zurück. Nach ihrer Beendigung zieht er wieder ins Feld oder in eine andere Kompagnie, welche sich in einer eroberten Stadt festgesetzt hat. So muß der Legionär seine 5 Jahre abdienen und wird dann wieder nach Frankreich befördert, wenn er nicht in Afrika bleiben will. Er kann sich jedoch sogleich wieder auf 5 Jahre verpflichten, nach ihrer Beendigung noch einmal 5 Jahre Dienst, und hat er 15 Jahre gedient, so erhält er 820 Franks als jährliche Pension. Erlebt er dies, so ist das ein unter großen Mühsalen und Beschwerden verdientes Geld, und lange wird er diese Pension nicht beziehen, da der Körper eines solchen Menschen vollständig ruiniert ist und sich bald für immer ausruht. Wie oft kommt es vor, daß eine Abteilung 1—2 Tage ohne Wasser und Brot in der großen Sonnenhitze marschieren muß und dann halbtot an einer Wasserstelle ankommt und, da das Wasser giftig ist, so klar es auch aussieht, es noch nicht einmal trinken kann.
Diesen Sommer, es war im Mai, zogen 220 Mann zur Verstärkung der Kompagnie Monte, welche sich festgesetzt hatte und sich in Not befand, nach Marokko. Nachdem sie 1)^ Monate unter großen Entbehrungen und vor Angriffen der Araber nicht zu ihren Kameraden kommen konnten, mußten sie wieder zurück nach Bel-Abbes, und wieviel kamen wieder?
73 verbrannte und abgemagerte Soldaten. Ich habe die Ankunft in der Kaserne selbst gesehen. Voller Schmutz und mit zerrissenen Kleidern, mancher nur noch die halbe Ausrüstung, so marschierten sie in die Kaserne ein. Was haben sie gewonnen? Nichts. Was ist aus der Kompagnie Monte geworden? Man hatte bis"jetzt noch keine Nachricht erhalten. Sollen sie ohne Hilfe bleiben? Wieder werden welche anfangs September, wenn die Hitze nicht mehr so groß ist, in das gefährliche Gebiet entsandt, und wer weiß, wieviel von ihnen ans Ziel kommen, oder ob es ihnen ebenfalls nicht gelingt. Jedoch ist dies nicht das einzigste, was sich Schlimmes abspielt in diesen paar Monaten, sondern es geht so das ganze Jahr, wie es der 8. Kompagnie auf dem Marsche nach Casablanca im vorigen Jahre ging.
Es war Mitternacht, sie hatten schon zwei Tage Marsch hinter sich, da schlichen sich Araber in die Nähe des Lagers, die Wache mußte geschlafen haben, denn lautlos wurde sie niedergemehelt. Da kriecht ein Legionär ein wenig aus seinem Zelt, um etwas herumzulaufen, er hatte sich noch nicht recht aufgerichtet, was sieht er da? Das ganze Lager voll mit Arabern, deren Messer beim Mondschein blitzten. Vor Schreck war er nicht imstande, Alarm zu rufen. Er sank wieder zurück. Jedoch im selben Augenblick erfolgte die Metzelei, welche man nicht Angriff nennen kann. Bis die Soldaten erst die Sachlage begriffen, da war es schon zu spät. Fürchterlich war der Kampf, welcher nur Minuten dauerte. Kein Kommando wurde geführt, da es unmöglich war, sich zusammenzustellen und Schulter an Schulter zu kämpfen, sondern jeder mußte sich wehren, um sein Leben durchzuhauen. Es war deshalb auch nicht möglich, auch nur eine Kugel abzufeuern. Da erklang das Signal zur Flucht. Ein Sergeant führte dieselbe auf dem Pferd des Kapitäns,
welcher auch ermordet wurde. Nun erst, als sie auf freiem Felde waren und von den Gewehren Gebrauch machen konnten, da konnten sie sich die Araber vom Rücken halten, welche auch nicht mehr den Mut besaßen, eine Verfolgung zu unternehmen. Es waren 36 Mann, welche aus diesem Kampfe ihr Leben retteten. Nach 2 Tagen kamen sie in Casablanca an. Sofort wurde eine Kolonne gebildet und die Verfolgung der Araber ausgenommen. Dieselben befanden sich noch in der Nähe des Kampfplatzes an einer Wasserstelle. Es gelang den Soldaten, sie zu besiegen und ihnen die vorher zurückgelassenen Kleider, Waffen und Zelte, welch letztere voll mit Blut waren, wieder abzunehmen. Noch einmal mußten bei diesem Kampfe 30 Mann ihr Leben lassen. Was wurde hier gewonnen? Diese Antwort wird sich wohl jeder selbst geben können. So kämpfen und sterben die Legionäre, und was gewinnen sie? Bis jetzt sehr wenig. Noch mancher Soldat muß hier sein Leben lassen, bis Frankreich seine Gewinn- und Ruhmsucht ein wenig gestillt hat.
Wäre der Weg zu den Gebieten, welche man zu erobern strebt, frucht- und wasserreich, so könnte Frankreich größere Truppen auf einmal senden. Jedoch ist dies nicht möglich, da sie keine großen Vorräte mitnehmen können. Die Legion ist dazu bestimmt, den besten Weg zu suchen, die ergiebigen Wasserquellen zu erobern, im Kampfe den französischen Kolonialtruppen voranzugehen, damit Frankreich seine Leute so gut wie möglich schonen und erhalten kann. -Es befinden sich unter 100 Legionären durchschnittlich 60 Deutsche, hiervon 30 Deserteure, und man kann sagen, daß mit deutschem Blute hauptsächlich Frankreich seine Kolonien holt und erhält. Und was hat der Soldat für seine Aufopferung? Ein Sündengeld, womit er sich noch nicht einmal recht Briefmarken kaufen kann, um in seine Heimat zu schreiben. (Forts, folgt.)