Bauernkinder Surrogate. Milch und Butter sind ihnen fast unbekannte Dinge. Der Schularzt für den Distrikt Immen­stadt im Allgäu, dem ersten Milchland Deutschlands, be­stätigt in seinem Bericht diese Wahrnehmungen. Er sagt darin u. a.: Die Ernährung des Säuglings ist derart ver­kehrt, und das Stillgeschäft liegt in so traurigen Verhält­nissen, das; es uns nicht wundern kann, wenn wir so schlechte Erfahrungen machen müssen. Eine Besserung in dieser Rich­tung ist erst dann zu erwarten, wenn die Milchpreise bei uns im Algäu wieder zurückgehen, da erst dann wieder die Milch als Kindernährmittel in größere Aufnahme kommt. So erklärt sich auch die Zunahme der Nervosität unter den Bauernkindern und die Abnahme der Militärtauglichkeit bei der Landbevölkerung. Aehnliche schlimme Erfahrungen macht man leider nicht nur im Oberland.

8Lb- Mutmaßliches Wetter. Für Samstag und Sonn- ,tag ist wechselnd bewölktes, mäßig kühles und zu einzelnen egenfällen geneigtes Wetter zu erwarten.

Wildbad, 17. April. Der seit 1906 bestehende Kurverein arbeitet seit seinem Bestehen mit unzulänglichen Geldmitteln. Die von seinen Mitgliedern aufzubringenden Beiträge und verschiedene freiwillige Beisteuern reichen zur Deckung der Ausgaben nicht zu. Nach seinem Geschäftsbericht ist das Defizit auf 1415,90 -4l angewachsen. Durch Eingabe bittet der Verein daher um Verwilligung eines fortlaufenden Bei­trags von 1000 -4t aus der Stadtkasse, mit dem Hinweise, daß er ohne diesen Beitrag seine Tätigkeit nicht fortsetzen könne. Da ein Verkehrs- und Reklamebureau in hiesiger Stadt nicht mehr zu entbehren ist, und der Wegfall der Tätigkeit des Kurvereins einen Rückgang der Frequenz be- siirchten ließe, befürwortet der Vorsitzende der Eemeinde- kollegien das Gesuch und beantragt, den Beitrag aus den in den städtischen Etat für Reklamezwecke eingestellten Mit­teln von 6000 -4t zu entnehmen, für Insertion also künftig statt seitheriger 6000 -4t nur noch 5000 -4t auszugeben und die restlichen 1000 -<t dem Kurverein zufließen zu lassen Von den Eemeindekollegien wurde mit Stimmenmehrheit demgemäß beschlossen.

Württemberg. /

Die Regierung und der Frostschaden.

Angesichts der betrübenden Nachrichten über die durch den Frost in den Obstanlagen und Weinbergen verursachten Beschädigungen wird uns mitgeteilt, daß die Regierung schon nach der ersten Frostnacht Erhebungen über den Umfang des Schadens eingeleitet hat. Je nach dem Ergebnis dieser Erhebungen wird die Frage geprüft werden, ob und welche Maßnahmen zur tunlichsten Linderung der nachteiligen Fol­gen des Naturereignisses zu treffen sind. Es sind im Hin­blick auf das schlechte Weinjahr 1912 schon vor einiger Zeit Einleitungen zur Gewährung von Unterstützungen an die Weingärtner in Form von Beiträgen zu den Kosten der An­schaffung von Kupfervitriol und Schwefel für die Rebschäd- lingsbekämpfung rin Jahr 1913 getroffen worden. Nicht im Zusammenhang mit diesem durch außergewöhnliche Ver­hältnisse veranlaßten Vorgehen steht die als dauernde Maß­nahme (für das Jahr 1913 erstmals) in Aussicht genommene Gewährung von Prämien an Gemeinden und Vereinigungen von Weingärtnern für die gemeinschaftliche Bekämpfung von Rebschädlingen.

Stuttgart, 16. April. Wie die neueste Nummer der Mitteilungen aus dem Mutterhaus der Olga-Schwestern be­richtet, sind am 20. März die beiden Hilfsschwestern Anny Meyer und Maria Stegmaier wohlbehalten aus Konstan­tinopel zurückgekehrt, wo sie fast ein halbes Jahr im Dienste des Roten Kreuzes gestanden hatten. Mehr denn 1000 fast

durchweg schwerverwundete Türken sind durch ihre allzeit hilfsbereiten Hände gegangen; 30 davon sind gestorben. Ge­wiß ein schöner Erfolg treuer, hingebender Arbeit!

Rottwril, 17. April. Auf der Leopoldshöhe entstand gestern ein Waldbrand, den zündelnde Buben verursacht hatten. Etwa 200 Tännchen wurden vernichtet. Nur dem Umstande, daß der Wind aus der dem Brandherde entgegen­gesetzten Richtung blies und Hilfe, namentlich aus der Nach­barschaft, sehr schnell zur Stelle war, ist es zu danken, daß nicht der ganze Wald vom Feuer ergriffen wurde.

Plochingen, 18. April. Der Vorstand des Schwäbischen Albvereins hat auf den Nachmittag des 20. April eine Mit­gliederversammlung hierher ausgeschrieben. Als Veratungs- gegenstand steht die Bewilligung weiterer Mittel für den Jubilüumsturm usw. auf der Tagesordnung. Diese Be­ratung soll auch die Hauptversammlung entlasten, die am 1. Juni stattfindet.

Göppingen, 17. April. Das sechsjährige Söhnchen des Thadd. Klaus in Kleinsüßen geriet in einem unbewachten Augenblick auf das Bahngleis. An einer Schiene stolperte das Kind und kam zu Fall. Im gleichen Augenblick fuhr eine Maschine daher und schnitt ihm einen Fuß unterhalb des Knies vollständig ab. Das Kind wurde hierher ins Krankenhaus zur Operation gebracht.

Kochendorf, 18. April. Das sechsjährige Töchterchen des Bergmanns Johann Koppenhöfer wollte während der Ab­wesenheit der Mutter auf dem Spiritusapparat Kaffee kochen. Es goß dabei aus der Spiritusflasche in die bren­nende Flamme. Die Flasche explodierte und im Augenblick stand das unglückliche Kind in Flammen. Nachbarn eilten herbei und erstickten das Feuer, allein das Kind war schon so verbrannt, daß es bald darauf seinen Verletzungen erjag. Am gleichen Nachmittag wurde im Salzwerk der Berg­mann Orselet durch einen Sprengschuß schwer verwundet, daß er während der Beförderung nach seiner Wohnung starb.

^ Aus Wett und Zeit.

Frankfurt, 16. April. Für das Kaiserpreiswettsingen hat der Kaiser eine Denkmünze bestimmt, die alle teilneh­menden Vereine erhalten. In den eigentlichen Wettbewerb kommen 14 Vereine, es werden aber 7 andern ebenfalls Ehrenpreise zuerkannt werden.

Bonn, 17. April. Bei der Beerdigung der durch Prozesse vielfach genannten Millionärin Frau Wilhelmine Peill kam es gestern zu einer peinlichen Szene, weil der Schwieger­sohn, Generalmusikdirektor Professor Dr. v. Schillings aus Stuttgart, einem Freunde der Verstorbenen ins Wort fiel und nach der Friedhofspolizei rief.

Metz, 17. April. Aus einer Mitteilung eines der be­teiligten Metzer an die Metzer Zeitung ist zu ersehen, daß am Sonntag abend zwei Gruppen von Deutschen unabhängig voneinander beschimpft worden sind. Die eine Gruppe be­stand aus zwei Thüringer Kaufleuten, die andere aus fünf in Metz wohnenden Personen, und zwar aus zwei Damen und drei Herren. Von dieser Metzer Gesellschaft waren eine Dame und ein Herr Lothringer, und der Herr hatte sich sogar in Nancy zwei Jahre lang studienhalber aufgehalten. Sie hatten nachts zwischen 12 und 1 Uhr das Cafe Lorraine betreten und vorher kein Varietee oder Konzerthaus besucht, hatten auch bisher keinerlei Unannehmlichkeiten gehabt. Aus dem Bericht ist hervorzuheben, daß an diese Metzer Gruppe, als sie im Cafe Lorraine belästigt wurde, ein Nancyer Bürger, der an einem andern Tisch saß, herantrat und seinem lebhaften Bedauern darüber Ausdruck gab, daß sie in Nancy ohne jeden Anlaß beleidigt würden.

Nancy, 17. April. Die Untersuchung des Zwischenfalls ist beendet worden. Staatsrat Ogier ist heute nachmittag mit dem Bericht nach Paris zurückgefahren. Die heute ver­nommenen Zeugen, namentlich Bahnhofsbeamte, wiederhol­ten ihre bereits vorgebrachten Aussagen. Sie erklärten, nicht gesehen zu haben, daß die Deutschen geschlagen worden sind.

Paris, 17. April. Der mit 5 Offizieren nachmittags in St. Cloud aufgestiegene Militärkugelballon war um 2 Uhr nachmittags inmitten eines Regengusses in rasender Ge­schwindigkeit über Paris hinweggeflogen. Um 214 Uhr sahen Bewohner von Fontenay-sous-Bois, wie die Gondel des Ballons an einen Fabrikschornstein anstieß und vom Sturm weitergetrieben wurde. Oberhalb Villiers-sur-Marne hörte man eine Explosion und der Ballon stürzte mit furcht­barer Geschwindigkeit zu Boden. Von allen Seiten eilten die Dorfbewohner herbei. Man fand 5 Männer blutüber­strömt daliegen. Tot sind 2 Offiziere, 1 Sergeant und 1 Pi­lot. Der 5- Passagier, ein Leutnant, ist lebensgefährlich ver­letzt worden.

Rom, 17. April. Im Vatikan sind Telegramme des Deutschen Kaisers, des Kaisers Franz Josef und des Königs Alfons von Spanien eingetroffen, die unter den besten Wün­schen für eine Genesung des hohen Kranken Auskunft über sein Befinden erbitten.

Washington, 16. April. Der Demokrat Mitchell ist in dem 13. Wahldistrikt von Massachusetts zum Mitglied des Kongresses an Stelle eines Republikaners gewählt worden. Die Parteiführer halten die Wahl eines Demokraten in einem bisher streng schutzzöllnerischen Distrikt im Hinblick auf die beabsichtigte Tarifrevision für bezeichnend.

Neuyork, 16. April. Die Nennungsfrist für Schaden­ersatzansprüche aus Anlaß des vor einem Jahre erfolgten Unterganges derTitanic" ist gestA-n abgelaufen. Die Ge­samtsumme der geltend gemachten Ansprüche beläuft sich auf 47 200 000 -K.

Gerichtssaal.

Marbach a. N., 16. April. Gestern fand hier vor dem König!. Amtsgericht ein umfangreicher Prozeß wegen Nah­rungsmittelfälschung statt. Eine ganze Anzahl von Ein­wohnern aus Winzerhausen stand im Verdacht, ihre zur Ab­lieferung nach Stuttgart bestimmte Milch gewässert zu haben. 17 Milchlieferanten wurden als der Milchverfälschung über­wiesen und der Milchhändler wegen Fahrlässigkeit in Geld­strafen verhängt.

Backnang, 17. April. Das Schöffengericht hat die Milch­produzentin Friederike Mauser von Siebersbach wegen Milchfälschung zu der Geldstrafe von 80 -4t, des weiteren den Milchhändler, dem sie die gefälschte Milch geliefert hatte und der diese nach Stuttgart weiter verkaufte, wegen Fahr­lässigkeit zu 10 -4t Geldstrafe verurteilt. Nach den Fest­stellungen der Stuttgarter Nahrungsmittelkontrolle mußte die Produzentin ein Gemenge von 4 Liter Milch mit 6 Liter Wasser abgeliefert haben. Von seiten der Amtsanwaltschaft war gegen die Produzentin eine Gefängnisstrafe beantragt worden, da mit Geldstrafen nach allen bisherigen Erfah­rungen eine abschreckende Wirkung nicht erzielt werden könne.

Landwirtschaft und Märkte.

Neuenbürg, 16. April. Dem heutigen Vierteljahrs­schweinemarkt wurden zugeführt 52 St. Läuferschweine und 32 St. Milchschweine. Die Preise waren ziemlich hohe und es wurden für Läufer 65130 -4l, für Milch­schweine 4048 -4t je pro Paar bezahlt. Der Handel war lebhaft.

31) Im Sturm genommen!

Roman aus den Freiheitskriegen 18131814.

Von H. E. Jahn.

Bisher hatte der Paß Monsieur Soulards sie durch alle Patrouillen und Kosakenschwärme unbehindert hindurchge­bracht. Wußten doch alle Führer der Streifreiter, daß viele Franzosen im Feldlager des Kronprinzen von Schweden sich befanden, wenige aber nur kannten den verderblichen Ein­fluß, den diese ausübten.

Der Abend graute schon, als die Reisenden Wittenberg erreichten und durch die eingeäscherten Vorstädte in das Elstertor einfuhren. Helene und ihr Vater fanden bei einem Bekannten Soulards, einem Kaufmann Anton Kühn in der Schloßgasse, Aufnahme.

Die Stadt hatte in diesem Jahre schon zwei Beschießun­gen durchgemacht und war in einem trostlosen Zustande. Am 6. April hatte der französische Gouverneur Jean Francois, Marquis de Lapoype, die Vorstädte abbrennen lasten. Am 18. hatte der Rittmeister v. Stra im Namen der Generale Kleist und Wittgenstein die Festung zur Uebergabe aufge­fordert, war aber abgewiesen worden. Die Stadt wurde nun blockiert. Es fanden Ausfallsgefechte statt, in denen aber die französischen Linienregimenter Nr. 123 und 124 schwere Verluste erlitten. Dann kam der Waffenstillstand, und die Franzosen benutzten ihn, die Stadt stärker zu befestigen. Im Juli war der Kaiser Napoleon selbst in Wittenberg ein­getroffen, um die Festungswerke und die in der Nähe der Stadt zusammengezogenen Truppen zu mustern. Zu den Ab­geordneten der Universität sagte er hart: Wittenberg habe aufgehört, ein Ort für Wissenschaften und Künste zu sein,

die Räume der Hochschule gehörten den Soldaten. Nach der Schlacht von Eroß-Beeren umbrandeten wieder die Wo­gen des Krieges die Mauern der Stadt. Die Trümmer der geschlagenen Korps flüchteten vorüber, aufgelöste Haufen, ver­hungert und krank, mehr plündernden Räuberbanden als Soldaten gleichend. Ihnen folgten unzählige Verwundete, in Lumpen gehüllt. Erst die Schlacht von Dennewitz be­freite die Gegend von diesen hungrigen Menschenschwärmen und scheuchte sie nach Süden, nach Leipzig hin. Sofort er­schienen die Preußen und begannen an einer Belagerung der Festung zu arbeiten. Ende September übernahm Gene­ralleutnant v. Bülow den Oberbefehl des Einschließungs­korps. Die Festung selbst zählte 2500 Mann Besatzung, von denen nur zwei holländische Bataillone, etwa 1500 Mann stark, wirklich dienstfähig waren. Am 25., abends 8)4 Uhr, begann die Beschießung und währte bis 3 Uhr früh ununter­brochen. Vollkugeln, Haubitzgranaten und Congrevsche Brandraketen fuhren zischend in die unglückliche Stadt. Noch furchtbarer war das Feuer in der Nacht vom 27. zum 28. Um 3 Uhr morgens ging der Turm der Schloßkirche, in der sich Luthers Grabmal befand, in Flammen auf; die Kuppel mit der schönen Glocke und Uhr stürzte krachend auf das benachbarte Schleußnersche Haus. Fünf Häuser in der Schloß- und Jüdengasse sprühten in Glut und Rauch, und auch in der Kollegiengasse zuckten aus mehreren Hintergebäuden die roten Flammen empor. Auch am 30. wurde das Bombarde­ment mit gleicher Heftigkeit fortgesetzt, trotzdem blieb der Gouverneur fest und erklärte einem Parlamentär, der er­neut um Uebergabe aufforderte: Mit einer Beschießung der Stadt könne man wohl die Einwohner unglücklich machen, ihm aber und der Besatzung keinen großen Schaden zufügen. Inzwischen hatte die Aktion Napoleons gegen Blücher und die Nordarmee eingesetzt, der elfterer so geschickt über

die Saale auswich. Am 12. Oktober hatte Ney überraschend die vor der Brücke bei Roßlau vorpostierten Kosaken an­gegriffen und in wilder Flucht auf zwei Landwehrbataillone geworfen, wobei über 400 Wehrleute in den trüben Fluten der Elbe ertranken. Tauentzien, in der Befürchtung, daß ein allgemeines Vorgehen auf Berlin im Gange sei, zog den General v. Dobschütz an sich, hob die Belagerungen von Torgau und Wittenberg auf und marschierte nach Potsdam.

Bis zum 26., an welchem Tage Helene, ihr Vater und Monsieur Soulard in Wittenberg anlangten, war die Stadt nur von kleineren Streifscharen der Verbündeten beunruhigt worden.

Soulard hatte durch den Gouverneur Marquis de La­poype und den Kommandanten Major v. Lohhausen er­fahren, daß die Saaleübergänge von Halle und Merseburg durch das Yorcksche Korps besetzt seien. Der Kaiser Napoleon war hierdurch gezwungen worden, seinen Rückzug durch die beschwerlichen Pässe des Thüringer Waldes über Erfurt zu nehmen. Vorläufig seien sie daher in Wittenberg völlig von Frankreich abgeschnitten; und ihnen bliebe nur die Hoff­nung, der Kaiser trage aufs neue seine sieggewohnten Adler in das Herz Deutschlands hinein. Am 28. Oktober langten die Landwehrregimenter des Generalmajors v. Dobschütz wieder vor Wittenberg an und begannen die Belagerungs­arbeiten sofort. Fast täglich fanden kleinere Scharmützel zwischen den Vortruppen statt, auch Ausfallgefechte, bei denen die Franzosen viele Tote und Gefangene verloren. So blieb es bei einer Blockade bis Ende Dezember, wo General v. Tauentzien selbst vor der Festung eintraf und in der Nacht vom 28. zum 29. die erste Parallele gegen die Schloßfront eröffnen ließ.

(Fortsetzung folgt.)