ten, zu finden. Verweichlichung und Aufgehen in rein materiellen Interessen würde keinem Volk so sehr schaden wie uns Deutschen! (Sehr richtig.) Wir müssen hart bleiben und müssen uns wehren. (Zu­rufe links.) Bei den großen Gütern, die wir durch unsere Vorlage erreichen wollen, handelt es sich um die Stärke des Vaterlandes und um den Frieden. So hohe Güter gibt es in der Welt nicht umsonst; dafür müssen auch Opfer gebracht werden. Ich bitte Sie, meine Herren, bewilligen Sie uns die Mittel, die wir von Ihnen erbitten. Sie werden gut angelegt werden. (Starker Beifall.) Bruhn (Rpt.) ver­langt eine Staffelung für den Wehrbeitrag, die beim Millionenvermögen bis zu 2 Prozent gehft ebenso die Einbeziehung derToten Hand". Das Erbrecht des Staates lehnen wir ab. Segitz (Soz.): Ich möchte den Versuch empfehlen, durch Einführung einer direk­ten Reichseinkommensteuer, einer Vermögenssteuer und einer Erbschaftssteuer alle die vorgeschlagenen Steuern zu ersetzen. Die Schuld an der Lage, in der wir uns heute befinden, trägt nicht zum wenigsten Graf Posadowsky. Er ist der Vater des Zolltarifs, der dem Reiche Hunderte von Millionen Mehrertrag gebracht hat, die in die Taschen des Molochs geflossen sind. Hätten wir diese Milliarde auf anderem Wege aufbringen müssen, durch Besitzsteuern, es wäre spar­samer gewirtschaftet worden. Das Ministerium Hert- ling hat sich den Wünschen aus Berlin sehr gefügig gezeigt. Die Gegenleistung dafür werden die Jesui­ten sein, so daß uns die schwarzen Herren doppelt teuer kommen. (Heiterkeit.) Dr. Arendt (Rpt.) schlägt vor, den doppelten Kriegsschatz der Bank ein­zuverleiben. Dr. Südekum (Soz.): Der Reichs­kanzler hat seinerzeit seine Ueberzeugung äußerst rasch und exakt gewechselt. Wenn der Reichstag sich zur Einführung der direkten Steuern zusammenfindet, wird der Kanzler von neuem umlernen. Die Deckungsvorlage wird hierauf an die Budgetkommis­sion verwiesen. Das Haus erledigt noch Petitionen, bei denen keine Wortmeldungen vorliegen. Um 4,15 Uhr vertagt sich das Haus auf Montag 2 Uhr: Aus­wärtiges Amt, Reichskanzler und Reichskanzlei.

Stadt» Bezirk und Nachbarschaft

Calw, 14. April 1913.

Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht." Die

Hoffnung, daß Schnee und Frost, die Ende der ver­gangenen Woche sich einstellten, nur einer Augen­blickslaune des April zu verdanken und darum im Hinblick auf Blüten und Saaten nicht tragisch zu neh­men seien, hat sich leider als unberechtigt heraus­gestellt. Eine starke, winterliche Kälte, wie wir sie schöner auf Weihnacht nicht hätten wünschen können, setzte mit der Aufhellung am Samstag abend ein, und wenn einen die Sorge um Flur und Feld nicht allzu­sehr bedrückt hätte es wäre Anlaß vorhanden ge­wesen, sich zu freuen über die prachtvollen Landschafts­bilder am Abend des Samstag. Und der gestrige Konfirmationssonntagmorgen: er war der idealste Weihnachtsmorgen. Alles ringsum beschneit und da­zu eine Kälte, die sicherlich draußen in der Natur­größen Schaden anrichtete, den genau abzuschätzen erst die kommenden Tage ermöglichen werden. Der Land­mann und der Baumbesitzer werden diesen Frühling nicht vergessen. In unserer Stadt wurden in der Samstagnacht bis 8 Grad Kälte gemessen. Darnach mag es auf den höher gelegenen Bezirks- und Nach­barorten ordentlich kalt gewesen sein. Von Unter- haugstett aus fuhren sie die Konfirmanden im Schlit­ten nach Monakam. Gestern taute es tagsüber zwar, gegen Abend aber gab es wieder Gefrorenes, nicht so grimmig allerdings wie vom Samstag auf Sonn­tag. Der neueste Wetterbericht sagt Regen- und Schneeschauer voraus. Es muß aber doch Frühling werden!

Zur Kaiserspende.

Unter diesem Sammelwort erzählt Dr. Theodor Heuß nachstehende Geschichte, deren Moral recht fein zwischen den Zeilen hervorblitzt: Wir waren fast im Unfrieden geschieden, mein Freund H. und ich. Vor seiner Geschäftsreise nach Enland und Amerika war, zunächst in kleineren Kreisen, die erste Nachricht auf­getaucht, daß für die Mission in den deutschen Kolo­niengespendet" werden solle. Mein Freund war außer sich: ungeschickt, verdreht, unpopulär waren die bescheidenen Worte aus seinem Äergerlexikon, im Hintergrund lauerten schlimmere. Ich bot alle Be­redsamkeit gegen ihn auf, nach berühmtem Muster der Reihe nach auf Verstand, Gefühl, Willen wir­kend. Alles umsonst. Er dampfte ärgerlich, sehr ärgerlich ab. Vor erst 8 Tagen kommt eine Post­anweisung mit 100 -4t,für die Mission in den deut­schen Kolonien"; gestern kommt er selbst. Mein Dank mochte ihm als Frage erscheinen. Ja, weißt du, Al­terte, sagte er, die drüben über dem Kanal haben mich bekehrt. Kam da so von ungefähr bei den Ge­schäftsfreunde die Rede auf unsereKaiserspende", so schwieg ich fein still, geschimpft Hab' ich ja bei dir genug, draußen tu ich das nicht über uns. Aber denk dir mein Erstaunen: nicht nur ganz in der Ordnung

fanden sie's; mehr als einer meinte, so was Kolonial­vernünftiges hält' er den Deutschen gar nicht zuge­traut. Und dann nannten sie dieselben Gründe, die ich dir nicht abgenommen hatte, ich will sie dir nicht wiederholen von der wirtschaftlichen, der politi­schen, der moralischen Bedeutung der Mission. Am meisten Eindruck haben mir die amerikanischen Kauf­leute gemacht, die bei unserer Versammlung waren: was die von China erzählten, vom Einfluß ihrer Ver­einigten Staaten dort und wie dies ganz unmöglich so hätte kommen können, ohne die stille Pionierarbeit der Missionen. Nur das auch will ich dir noch offen ge­stehen: ich merkte, daß wir ihnen unrecht tun, wenn wir ihre Missionsarbeit nur in der Hauptsache doch alsGeschäft" ansehen würden. Nicht nur die Mis­sionare selbst tun's aus einem tieferen Grund, auch sie selbst, diese Geschäftsleute waren weithin durch­drungen von der inneren Macht und Wahrheit unse­rer christlichen Kultur, und, warum soll ich's nicht sagen, zuletzt des Evangeliums. Freund, schloß er, ich Hab' dich jetzt erst verstehen lernen: Wir Deutsche haben von den alten Kolonialvölkern was zu lernen, und wenn Kaisers Geburtstag Anlaß wird, in der Kolonialschule eine Klasse vorwärts zu kommen, so haben wir Grund gehabt, ein Jubiläum zu feiern.

Mutmaßliches Wetter. Eine überraschend schnell vom Atlantischen Ozean zu uns vorgedrungene Depression ist bereits nach Osten abgezogen. Auf ihrer Rückseite ist das typische Aprilwetter eingetreten, wes­halb für Dienstag und Mittwoch meist trockenes und nur noch zu vereinzelten Schnee- oder Regenschauern geneigtes, ziemlich rauhes Wetter zu erwarten ist.

X Unterhaugstett» 14. April. Seit Samstag ha­ben wir hier völlig Winter. Morgens wunderte man sich beim ersten Blick durch das Fenster über die leichte Schneedecke, die auf Wiesen und Feldern lag; jedoch sollte es noch besser kommen. Gegen Mittag setzte ein richtiges Schneetreiben ein, wie im tiefsten Winter und am Abend hatten wir überall 20 bis 25 Zenti­meter tief Schnee. In der Nacht sank das Thermo­meter auf 5 Grad unter Null. Am Sonntag vor­mittag wurden die Konfirmanden im Schlitten in die Kirche nach Monakam befördert. An eine solche Konfirmandenschlittenfahrt können sich die ältesten Leute von hier nicht erinnern. Besonders wird den Konfirmanden selbst dieser Konfirmationssonntag im Weihnachtskleide zeitlebens in Erinnerung bleiben. In der letzten Nacht sank das Thermometer sogar auf 8 Grad unter den Gefrierpunkt. Hoffentlich siegt die Frühlingssonne bald wieder und treibt diesen ver­späteten Nachwinter auf Nimmerwiedersehen so rasch als möglich aus dem Lande; denn der Schaden, den er bis jetzt angerichtet hat, ist groß genug.

Neuenbiig, 14. April. Ottenhausener Gestellungs­pflichtige hatten imOchsen" in Arnbach Streitig­keiten. Auf dem Heimweg gab es eine Schlägerei, wobei der Steinhauer Ernst Virkle zum Messer griff; zwei Goldarbeiter erhielten schwere Verletzungen.

Pforzheim, 14. April. In der vergangenen Nacht fiel der 26jährige Mechaniker Preißler, der schwer krank war, vom 3. Stock seiner Wohnung in der Jahn­straße auf die Straße und wurde tot aufgefunden. Hier begab sich der nicht ganz ungewohnte Fall, daß ein schon älterer Schauspieler nach auswärts über­siedelte, ohne seine Abschiedsfeier abzuhalten. Er soll sogar vergessen haben, vorher mit seinem Logiswirt eine Summe von gegen 100 zu verrechnen, einigen Kellnerinnen Leihbeträge von gegen 1000 -4t zurück­zugeben, sowie den allerdings bescheidenen Ueberschuß des letzten Künstlerwohltätigkeitsfestes dazulassen. Eine Vuffettkellnerin war infolge Ermüdung in der Damenschwimmhalle unter Wasser geraten. Die Wär­terin sprang sofort ins Wasser und schaffte die bereits Bewußtlose wieder an die Oberfläche. Einige Se­kunden später, und die Kellnerin wäre ertrunken.

Württemberg.

Stuttgart, 12. April. Die Zweite Kammer nahm heute zunächst die vorgestern zurückgestellten Abstim­mungen vor. Einen Antrag Eisele-Wieland, jede Mehrbelastung der Gemeinden durch Erhöhung der Bezüge der unständigen Lehrer an höheren Schu­len abzulehnen, wurde die Zustimmung versagt, da­gegen wurde ein Antrag dieser Abgeordneten, die Bestimmungen zu streichen, die die Beteiligung der Gemeinden an der Erhöhung der Besoldung für die unständigen Lehrer an den Volksschulen betreffen, mit 48 gegen 40 Stimmen angenommen. Damit waren ein Antrag des Zentrums und ein Antrag des Abg. Vaumann (Natl.) abgelehnt. Die dann fortgesetzte Beratung des Kultetats erstreckte sich in der Hauptsache auf einen Antrag des Finanzausschus­ses, eine Eingabe, den Medizinstudierenden in Tü­bingen Gelegenheit zu geben, sich ein Bild von der Homöopathie zu machen und beim Bundesrat dahin zu wirken, daß gewisse gesundheitsgefährdende Ver­suche an Kranken verboten werden, der Regierung zu übergeben. Der Kultminister v. Haber m a a s vertrat die Ansicht, daß dem ersten Teil dieser Wünsche bereits Rechnung getragen werde. Bezüglich des

zweiten Teils seien ihm nie Klagen bekannt gewor­den. Einer Aufforderung, den betreffenden Profes­sor zu veranlassen, die Homöopathie mehr zu berück­sichtigen, Folge zu leisten, lehnte der Minister ent­schieden ab, da dies ein Eingriff in die Lehrfreiheit sein würde. Mehrere Abgeordnete sprachen sich für größere Beachtung der Homöopathie aus und so wur­den schließlich ein Antrag Hey mann (Soz.), die Eingabe der Regierung zur Berücksichtigung zu über­weisen, und ein Antrag v. Gauß (Vpt.),' auch das Verlangen, die Pharmaziestudierenden in der Ho­möopathie zu unterweisen, der Regierung zur Berück- sichtigung zu übergeben, angenommen. Weiter kam der Ausschußantrag zur Erörterung, die Regierung zu ersuchen, nachdem die Frage eines Neubaues der Landeshebammenschule in Stuttgart angeregt ist, die Verlegung der letzteren nach Tübingen und ihre An­glrederung an die Frauenklinik daselbst zu erwägen. Dr. v. K iene (Ztr.), der den Antrag in längeren Ausfuhrungen begründete, sprach sich gegen eine Er­höhung der Verpflegungssätze an den Universitäts­kliniken aus. Der Mg. V e tz (Vpt.) und andere wandten sich gegen den Anatomiezwang bei Armen­leichen. Kultusminister v. Habermäas sagte zu, daß die Verpflegungssätze nicht erhöht werden sollen, versprach eine Milderung des Ministerialerlasses be­treffend die Armenleichen und sprach die Hoffnung aus, die Fage der Hebammenschule in einem für die Universität günstigen Sinne lösen zu können. Der Verlegung nach Tübingen wurde von den meisten Rednern auch im Interesse der Sparsamkeit zuge­stimmt, nur der Abg. Mattutat (Soz.) sprach sich entschieden für die Belastung der Schule in Stuttgart aus. Schließlich wird der Äusschußantrag angenorm men. Bei Kapitel 62 (Technische Hochschule) brach­ten sämtliche Parteien einen Antrag ein, das Lehr­gebiet der Hochschule zu erweitern. Darauf wird ab­gebrochen. Schluß gegen 1 Uhr.

Anläßlich des den Ständen vorgelegten Ent­wurfs um Erhöhung der Civilliste des Königs ist lesenswert, welche Summen andere Monarchen zur Verfügung haben: Der Kaiser bezieht als König von Preußen 17719296-6, der König von Bayern 5402476 .6, der König von Sachsen 3674927 der König von Württemberg 2057509 ^6, (künftig 2407509.-6), der Großherzog von Baden 1930000 /, der Großherzog von Hessen 1330000.6, der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin 1200000 ^6, der Herzog von Braunschweig ebensoviel, der Eroßherzog von Sachsen-Weimar 1020000 ^6, der Herzog von Sachsen-Meiningen 394286 - 6, der Fürst von Schwarzburg-Sondershausen 517420-6, der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt 396367 .6. Von den ausländischen Monarchen hat die höchsten Bezüge, nämlich ungefähr 30 Millionen, der Zar von Rußland. Der Kaiser von Oesterreich bezieht 19210000 //, der König von Italien 12840000 .6, der König von England 11515000^6, der König von Spanien 7120000-6, der Sultan der Türkei 7023341 » 6 , der Kaiser von Japan 6199200 . 6 , der König der Belgier 3500000 .6, der König von Schweden 1626575 .6, die Königin der Niederlande 1360000^6, der König von Dänemark 1299600 .6, der König von Griechenland 1060000 *6, der König von Bulgarien 1000000 ^6, der König von Serbien 970000 .", der König von Norwegen 844990-6, und der König von Montenegro 161148.6.

Stuttgart» 14. April. Auch die vergangene Nacht war sehr kalt. Es liegen folgende Temperaturmes-. sungen vor: Stuttgart 34 Grad, Waiblingen 3, gestern 714 Grad; Heilbronn 4, gestern 7; Ulm 4, gestern 6; Biberach 8; Wangen i. Allgäu 23; Sig­maringen 23; Münsingen 7; Ebingen 9; Obern­dorf und Freudenstadt je 8. Die Frühblüten aller Obstsorten sind vernichtet. Auch die Weinberge haben Schaden gelitten. Am Samstag gab es im Lande mehrfach Gewitter, die den Schneesturm einleiteten. Auch gestern war die Bildung von Gewitterwolken wahrzunehmen.

Freudenstadt, 13. April. Die Konftrmatron geht Heuer in unseren Schwarzwaldorten unter schwierigen Verhältnissen vor sich, weil vielerorts durch die Schneemassen kaum durchzukommne ist. Aehnlich war es bei der Konfirmation am 18. April 1847. Auch damals mußte der Bahnschlitten durch den mehrere Fuß hohen Schnee geführt werden, damit die Kon­firmanden in die Kirche konnten. Aehnlich lag bei der Konfimation am 17. April 1859 und in anderen Jahren tiefer Schnee. Erwähnenswert ist, daß die Jahre 1847 und 1888, in denen wir bis Mitte April Eis und Schnee hatten, reichliche Obst- und Wein­ernten brachten.

Göppingen, 13. April. Der Kassier Wendnagel des hiesigen Konsumvereins ist vor einiger Zeit aus der sozialdemokratischen Partei ausgetreten, weil ihm wegen seines Verhaltens gegen den Gemeinderat Kin­kel von Arrtei wegen auf die Dauer von zwei Jahren die Bekleidung von Ehrenämtern in der Partei ab­erkannt worden war. Wie es scheint, hat er sich aber