Binder, fand heute der angekündigte Vortrag des Landwirt­schafts-Inspektors Ströbele von Leonberg über Feldbereini­gung unter zahlreicher Beteiligung im Gasthaus zum Hirsch statt. Der Redner verstand es, die Aufmerksamkeit der An­wesenden durch seine die Wirtschaftlichkeit einer Feldbereini­gung hervorhebenden Worte zu fesseln. Auch der in diesen Arbeiten erfahrene und mit diesen Schöpfungen vertraute Ober-Geometer Gärtner von Wildberg legte in gemein­verständlicher Weise die Vorteile einer Feldbereinigung dar, wie auch die Ortsvorsteher von Oberhaugstett, Liebelsberg und Neubulach die bei derartigen Unternehmungen gemach­ten Erfahrungen, welche, wenn auch über das eigene Ver­fahren nicht immer ermunternd, doch allseitig zur Befriedi­gung der Grundbesitzer führten, bekannt gaben. Der Vor­sitzende und einzelne der Redner forderten die Kollegien zu einem Anträge auf und wir möchten der Hoffnung Ausdruck geben, daß auch in der Gemeinde Altbulach bald das für den Betrieb der Landwirtschaft so erforderliche Unternehmen einer Feldbereinigung in die Wege geleitet wird.

-6- Deckenpfronn, 27. Febr. Im Easthof zur Felsenburg feierte der hiesige Krieger- und Militärverein das Eeburts- fest des Königs. Den Toast auf den König brachte Ober­lehrer Eisenhardt aus, während Kriegervereins-Vorstand Kökler die allgemeine politische Lage beleuchtete. Humo­ristische Gedichte und gemeinsam gesungene patriotische Lie­der brachten in die Versammlung eine frohe Stimmung.

Dill-Weißenstein, 27. Febr. Im Alter von 65 Jahren starb an seinem Geburtstag Oberlehrer Heyd von hier. Der Verblichene war Veteran vom letzten großen Feldzug, bei welchem er in französische Gefangenschaft geriet. Durch seine meist führende Stellung in Lehrerkreisen, die er 10 Jahre lang als Obmann der badischen Lehrerschaft ausübte, war er weithin bekannt.

Aus Welt und Zeit.

Böblingen, 27. Febr. Vor sechs Wochen ist der 57 Jahre alte, große und kräftige, mit einem kurzen Fuß behaftete Kaufmann Christian Hoß von hier abgereist, angeblich um in Gmünd einen Besuch zu machen. Dort ist er nicht ein­getroffen und wird seither vermißt. Man befürchtet, daß er verunglückt oder einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist.

Stuttgart, 27. Febr. In ihrer gestrigen Sitzung hat die Landessynode die Beratung über das neue Spruch- und Liederbuch fortgesetzt und beschlossen, die Zahl der allgemein verbindlichen Sprüche von 275 auf 250, und die der Lieder von 34 auf 30 im Memorierstoff herabzusetzen. Weitere 75 Sprüche werden als fakultativ bezeichnet und erhalten ein Minuszeichen. Die Synode gab ferner dem Wunsche nach Herausgabe eines besonderen Schulgebetbuches sowie danach Ausdruck, daß außer dem Gesang- und Choralbuch auch alle übrigen in den evangelischen Schulen eingeführten Reli- gionsbücher im eigenen Verlag des evangelischen Konsisto­riums zu erscheinen haben. Das neue Spruch- und Lieder­buch soll bereits am 1. Mai eingeführt werden. Der Antrag betr. die Kirchenbaulotterien wurde angenommen.

Stuttgart, 27. Febr. Für die diesjährigen Korps­manöver des Württ. Armeekorps ist mit Einverständnis des Königs die Bestimmung getroffen worden, daß an ihnen auch die Kavallerie des badischen Armeekorps teilnehmen wird. Andererseits wird die aus den beiden württ. Dragonerregimentern bestehende 26. (1. Württ.) Kavalleriebrigade der Kavallerie des badischen Armee­korps zugeteilt für die Dauer ktägiger Gefechtsübungen im Divisionsverband. Abgesehen von den Kaisermanö­vern des schlesischen und posener Armeekorps werden

nämlich bei 6 anderen Armeekorps selbständige Ka­valleriedivisionen gebildet, die unter besonderer Leitung 4Ktägige Gefechtsübungen abzuhalten haben. Außer­dem werden beim deutschen Heer, was für Württemberg von besonderem Interesse ist, im nächsten Herbst auch 2 größere Pionierübungen abgehalten, von welchen die eine bei Koblenz, die andere bei Ulm, die letztere unter der Leitung der 3. Pionierinspektion, stattsindet.

Waiblingen, 27. Febr. Heute früh wurde auf dem Ein­fahrtsgleis von Aalen her ein verstümmelter Leichnam auf­gefunden. Nach den Papieren, die der Tote bei sich trug, handelt es sich um den am 23. Juni 1888 geborenen ledigen Müller Valentin Götter von Michelswinnaden (O.-A. Wald­see), der zuletzt in Waiblingen wohnhaft war. Götter war schon längere Zeit dem Trünke ergeben. Auch war er mit einem unheilbaren Leiden behaftet. Es steht außer Zweifel, daß er Selbstmord begangen hat.

Göppingen, 27. Febr. lieber die bereits gemeldete Sus­pendierung des Genossen Kinkel von seinem Amt als Ge­meinderat durch die König!. Kreisregierung schreibt der Hohenstaufen: Die Entscheidung ist eine Folge der jüngsten gerichtlichen Feststellungen. Sie ist aus eigener Initiative im Weg des Disziplinarverfahrens erfolgt, da ein Antrag unseres Wissens von keiner Seite gestellt war. Die Auf­forderung, welche Eemeinderat Schwab im Namen der bür­gerlichen Mitglieder des Kollegiums in öffentlicher Sitzung an Kinkel richtete, er möchte aus freien Stücken den Sitzun­gen fernbleiben, ist von diesem unbeachtet geblieben. Im Gegenteil hat er in den letzten Sitzungen wiederholt zu längeren Ausführungen das Wort ergriffen, ohne daß aller­dings eine Erwiderung darauf erfolgte, in Konsequenz der Ankündigung, er werde ignoriert werden, wenn er in den Sitzungen erscheine. Die Entscheidung der Kreisregierung macht nun diesem Zustand ein Ende, soferlr sie auf Grund der Eemeindeordnung disziplinär einschreitet und Kinkel seines Amtes enthebt. Diesem steht nun noch die Beschwerde gegen die getroffene Entscheidung an das Ministerium zu.

Hohenstein, 27. Febr. Im hiesigen Steinbruch ereignete sich ein tödlicher Unfall. Mehrere Arbeiter, darunter der Weingärtner Gottlieb Schnatterer von Bönnigheim, waren beschäftigt, eine Sprengung vorzunehmen. Der Genannte hatte die Ladung vollzogen und wollte sich eben zurückziehen, als schon der Schutz losging und ihm ein etwa 5 Zentner schwerer Stein auf den Rücken fiel, ihn zerquetschend. Der Getötete, ein fleißiger, sparsamer Mann von 30 Jahren,, hinterlätzt eine Witwe und 4 unmündige Kinder.

Ulm, 28. Febr. Der Oberst des Infanterieregiments Nr. 120 hat verboten, daß die Kapelle des Regiments zu der für gestern angesetzt gewesenen Aufführung derFleder­maus" im Stadttheater die Musik übernehme. Die Vor­stellung war vom Bildungsausschuß der sozialdemokratischen Partei veranstaltet, sie mußte infolge der Verfügung des Regimentskommandeurs ausfallen. Die drei Grenadiere, die sich am Sonntag von ihrem Truppenteil entfernten, sind in Dettingen aufgegriffen worden.

Ulm, 27. Febr. Der Pächter der Kantine des 120. In­fanterieregiments, der ein jährliches Pachtgeld von 33 000 °4t zu entrichten hat, erhielt vom Kameralamt ein Strafmandat von mehr als 8000 -4t, was ein der Steuer hinterzogenes Einkommen von 22 000023 000 -4t bedeuten würde. Er hat, laut Beobachter, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, wodurch der Fall bekannt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Revision an das Reichsgericht eingelegt wurde. Auch die Kantinenpächter anderer Regi­menter wurden zur Bestrafung und Steuernachholung heran-

gezogxn, haben aber keinen Antrag auf gerichtliche Ent­scheidung gestellt.

Berlin, 27. Febr. Der Reichstag setzte die zweite Lesung des Etats der Verwaltung der Reichseisenbahnen fort.

Sofia, 27. Febr. Auf Grund amtlicher Angaben beträgt die Stärke der bulgarischen Armee, die zurzeit im Felde steht, 220 000 Mann Infanterie, 720 Geschütze, 8000 Mann Kavallerie: ferner drei Divisionen und 100 Feldgeschütze, die vor Adrianopel stehen und vermutlich der serbischen Ar­mee angehören. Das Pferdematerial für die großen Ge­schütze ist unzureichend. Die Verpflegung leidet unter den Transportverhältnissen.

Wellington (Neuseeland), 27. Febr. Lady Scott, die Witwe des am Südpol umgekommenen Kapitäns Scott, ist mit dem DampferArongie" in Wellington angekommen. Als Lady Scott in der Nähe der Fidschiinseln den Tod ihres Mannes erfuhr, nahm sie die Nachricht gefaßt auf. Sie sagte: Ich muß so tapfer sein, wie es mein Mann gewünscht hätte." Lady Scott wurde bei ihrer Ankunft von Kapitän Evans, Leutnant Bruce und ihrem Bruder empfangen.

Landwirtschaft und Märkte.

Metzingen, 27. Febr. Der Viehmarkt, zu dem sich viele auswärtige Händler eingefunden hatten, war nicht sehr stark befahren. Der Verkauf ging sehr lebhaft,, jedoch war ein Preisrückgang zu verspüren. Für Kühe wurden 300450 -4t, für Jungvieh 220330 -4t und für 1 Paar Ochsen 800 bis 1300 -it bezahlt. I« 15 Wagen wurden mit der Bahn 103 Kühe und Rinder und 0 Kälber abgefertigt. Auf dem Schweiiremarkt kostete 1 Paar Milchschweine 4060 -4t, i Paar Läuferschweine 80100 -4t.

" Dir Maul- und Klauenseuche ist ausgebrochen in Wellingen (O.-A. Kirchheim): erloschen in Schkeßlang (O.-A. Wangen).

Lanäwislzchaill. SeMsverein.

Der landwirtschaftliche Bezirksverein Pforzheim veran­staltet eine am Montag, dev 3. März, vormittags > 2 10 Uhr beginnende

Saatgut- und Kartoffel-Ausstellung, welche in der Turnhalle an der Erbprinzenstraße in Pforz­heim stattfindet, was hiermit zur Kenntnis gebracht wird.

Calw, den 27. Februar 1913.

Dereinsvorstand:

Regierungsrat Binder.

Gottesdienste.

Sonntag Laetare, 2. Marz. Vom Turm: 301. Predigtlied : 30V, Meine Seele,, voller Fehle rc. Der Kirchenchor singt: Ach sieh in dulden rc.. 0 -, Uhr: Vormitt.-Predigt, Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 5 Uhr: Abendpredigt im Veveinshaus, Vikar Schmid v. Neubulach.. Donnerstag, 6. März. 8 Uhr abends: Bibelslunde im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid.

Für die Schriftleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschläger'schen Vuchdruckerer.

ReHaineteil.

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Feuilleton.

13) Brigitta.

Erzählung von Adalbert Stifter.

Dann befahlen sie, daß die Reste des Festes weggeräumt würden, daß die Menge der überflüssigen Lichter ausgetan und die Festgemächer eine gewöhnliche Wohnung würden. Dies geschah; die Diener begaben sich in ihre Zimmer und auf die neue Wohnung und auf die neue Familie, die aus zweien bestand und erst einige Stunden alt war, senkte sich die erste Nacht hernieder.

Von nun an lebten sie in ihrer Wohnung fort. So wie sie, da sie sich kennen gelernt hatten, nur in Gesellschaften zusammengetroffen waren, und so wie sie im Brautstande nur immer öffentlich erschienen waren, so blieben sie nun immer zu Hause. Sie dachten nicht, daß etwas Aeußerliches zu ihrem Glück erforderlich sei. Obgleich die Wohnung im allgemeinen mit allem versehen war, was ihr nur immer not tat, so blieb doch im einzelnen noch vieles zu verbessern und zu verschönern übrig. Sie klügelten dieses heraus, sie überlegten, was man dort und da noch anbringen könnte, gingen einander mit Rat und Tat an die Hand, daß sich der Raum immer mehr und mehr und reiner ordnete und die Eintretenden mit klarer Wohnlichkeit und einfacher Schönheit empfing.

Ueber Jahresfrist gebar sie ihm einen Sohn, und dieses neue Wunder hielt sie wieder und noch mehr zu Hause. Bri­gitta pflegte ihr Kind, Murai versah seine Geschäfte: denn der Vater hatte ihm einen Teil der Güter abgetreten und diese verwaltete er von der Stadt aus. Dies machte manche

Umwege nötig und häufte manche Dinge, die sonst zu ent- raten gewesen wären.

Als der Knabe soweit entwickelt war, daß unmittelbare Pflege nicht gar so sehr mehr nottat, als Murai seine Ge­schäfte schon geordnet und in einen gleichen Gang gebracht hatte, fing er an, seine Gattin häufiger auf öffentliche Plätze, in Gesellschaften, auf Spaziergänge, in das Schauspiel zu führen, als er es sonst zu tun gewohnt war. Hierbei be­merkte sie, daß er sie vor Leuten noch zarter und aufmerk­samer behandle als selbst zu Haufe.

Sie dachte:Jetzt weiß er, was mir fehlt," und hielt das erstickende Herz an sich.

Im nächsten Frühlinge nahm er sie und sein Kind aus eine Reise mit, und da sie gegen den Herbst zurückkamen, schlug er vor, lieber für beständig auf dem Lande, auf einem seiner Güter zu wohnen: denn auf dem Lande sei es doch viel schöner und viel annehmlicher als in der Stadt.

Brigitta folgte ihm auf das Landgut.

Hier fing er an zu wirtschaften und umzuändern, um den Rest der Zeit, der ihm übrig war, zum Jagen zu ver­wenden. Und hier führte ihm das Schicksal ein ganz anderes Weib entgegen, als er es immer zu sehen gewohnt war. Auf einer der einsamen Jagden, die er jetzt häufig tat, wo er nämlich mit feiner Büchse allein durch die Gegend ging oder ritt, hatte er sie erblickt. Als er einmal sein Pferd langsam durch einen Weidenbusch ein wenig abwärts leitete, hatte er plötzlich durch das dichte Gebüsch her zwei Augen gegen­über, erschrocken und schön, wie die einer fremdländischen Gazelle, und neben den grünen Blättern hatte das süße Morgenrot der Wangen geglüht. Es war nur ein Augen­blick, denn ehe er recht Hinsehen konnte, hatte das Wesen, das ebenfalls zu Pferde war und in dem Gebüsche stand,

das Pferd gewendet und flog über die Ebene zwischen den leichten Büschen davon.

Es war Gabriele gewesen, die Tochter eines greisen Grafen, der in- der Nachbarschaft wohnte, ein Wildes Ge­schöpf, das ihr Vater auf dem Lande erzog, wo er ihr alle und jede Freiheit ließ, weil er meinte, daß sie sich nur so am naturgemäßsten entfalte und nicht zu einer Puppe ge­rate, wie er sie nicht leiden konnte. Die Schönheit dieser Gabriele war schon weithin berühmt geworden, nur zu Mu­rais Ohren war der Ruf noch nicht gedrungen, weil er bis­her nie auf seinem Landgute gewesen war und in letzter Zeit sich auf seiner großen Reise befunden hatte.

Nach mehreren Tagen trafen die beiden schier auf der­selben Stelle wieder zusammen und dann öfter und öfter. Sie fragten nicht, wer und woher sie seien, sondern das Mäd­chen, gleichsam ein Abgrund von Unbefangenheit, scherzte, lachte, neckte ihn und trieb ihn meistens zu kühnen, über­mütigen Wettritten an, wo sie, wie ein himmlisches, tolles, glühendes Rätsel neben ihm herflog. Er scherzte mit und ließ sie meistens siegen. Eines Tages aber, als sie, vor Erschöpfung atemlos, nur durch wiederholtes Haschen nach seinem Zügel andeuten konnte, daß sie wolle, daß er halten solle, und als sie beim Herabheben vom Pferde schmachtend geflüstert hatte, sie sei besiegt damals, nachdem er ihren Steigbügelriemen, an dem etwas gebrochen war, wieder her­gestellt hatte, und sie nun verglühend an einem Baumstamme stehen sah riß er sie plötzlich an sich, preßte sie an sein Herz, und ehe er sehen konnte, ob sie zürne oder frohlocke, sprang er auf sein Pferd und jagte davon. Es war Ueber- mut gewesen, aber ein Taumel unbeschreiblichen Entzückens war in jenem Augenblicke in ihm, und vor seiner Seele, wie er heimritt, hing das Bild der sanften Wangen, des süßen Atems und der spiegelnden Augen. (Forts, folgt.)