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Samstag, Zweites Blatt zu Nr. 44. 22 . Februar 1913.
Aus Höhen und Tiefen.
Amsel-Liedchen.
So schwer was war', so weh was tut,
Es geht vorbei!
Es wird wieder gut! Nur Mut, nur Mut! Ein Vögelein im Tanngeheg'
Sang's mir heut früh auf meinen Weg.
So schwer was war'.
Nur Mut, nur Mut!
Es wird wieder gut!
Es geht vorbei!
Und wenn es noch so Winter war',
Es wird doch wieder Mai!
Es wird doch wieder Mai und grün
Und die Sonne kommt und die Rosen blühn!
Es wird so schön, wie es immer war.
In jedem Mai und jedes Jahr!
Lieb Vögelein im Tannenried,
Ich danke dir für dein kleines Lied!
Ich sing's dir nach Und schreib es auf
Und bring es meiner Liebsten heim —
Sie soll mir nicht mehr traurig sein!
Cäsar Flai schien.
Bilder aus dem heimischen Bogelleben.
Von Dr. K. Floericke, Ehlingen.
Für den Vogelliebhaber ist der Februar eine Zeit des Hochgenusses. Das klingt und singt um ihn herum von jubelnden Lenzeshymnen, wenn auch draußen noch schneeschwangere Wolken herniederhängen und der Sturmwind unwillig an den beschlagenen Fensterscheiben rüttelt. Es ist ein wonniges Gefühl, um diese Zeit schon die Gesänge der Grasmücken und anderer Weichlinge in vollem Feuer zu hören, während die wilden Vögel sich noch unter Afrikas heißer Sonne tummeln und noch nicht an die Heimkehr denken. Der Vogelfreund merkt nun so recht, wie dankbar ihm seine Lieblinge für das bißchen Pflege und Mühe sind, denn init ihrem Gesang, der sein schönster Lohn ist, geben sie ja ihrem Wohlbefinden Ausdruck. Freilich hat auch diese Zeit ihre Sorgen, denn auf Ende Januar und Anfang Februar fällt ja die kleine oder Wintermauser, die alle diejenigen Vögel (es handelt sich dabei nur um Weichfresser) durchzumachen haben, die einer Doppelmauser unterworfen sind. Die Wildlinge besorgen das in ihren tropischen Winterquartieren, um alsdann im frischen, meist in schöneren Farben prangenden Federkleide die weite Reise anzutreten und gleich darauf der Frau Minne zu huldigen. Manche Zärtlinge überstehen die Wintermauser sehr schwer, so insbesondere Gelbspötter und Sumpfrohrsänger, aber wer seine Lieblinge mit dem richtigen Verständnis hegt und pflegt, der wird doch leicht über diese kritische Zeit hinwegkommen. Zu vermeiden sind insbesondere Zugluft und rasche Temperaturschwankungen. Nötig ist vor allem eine sehr kräftige Ernährung, die aber kein überflüssiges Fett ansetzen darf, weil dieses das Hervorbrechen der neuen Federn erschweren würde. Die meisten Weichfresser nehmen gerade kurz vor Eintritt der Wintermauser ihren Gesang wieder auf und geben ihn — gut und richtig verpflegt — auch während der Mauser nicht völlig auf, um nach deren glücklichem Verlauf dann in vollen Jubeltönen die frohe Botschaft vom König Frühling in dem bescheidenen Stübchen des Vogelliebhabers zu verkündigen. Wenige Wochen noch, und dann ist's auch draußen Lenz, dann ist auch in freier Natur das Vogellied zu voller Kraft erwacht und übt seinen sinnberückenden, veredelnden Einfluß auf das Gemüt des unverdorbenen Menschenkindes.
Die Ballmutter. In der Wiener „Zeit" plaudert jemand, der sich im Trubel der Faschingsbälle offensichtlich sein Beobachterauge bewahren konnte, über die Ballmutter. In der Garderobe schon empfindet sie Feindseligkeiten. Da enthüllen sich die jungen Mädchen aus ihren schweren winterlichen Umhängen, und reizende Gewänder, originell aufgebaute Frisuren und hübsche Gestalten werden sichtbar. Sie ahnt ein Unheil von der prunkenden Konkurrenz und bereut, manche Kleinigkeit am Schmuck ihrer Tochter vergessen zu haben. „Emmy hätte sich auch ein Eoldnetz ins Haar nehmen können, oder Blaßrosa wäre ihr besser gestanden, oder eine schmale Perlenkette um den Hals hätte sehr gut gewirkt." So wirbeln ihr die Gedanken durch das mütterlich besorgte Haupt. Oder sie wird ärgerlich: „Nein, Dekolletes sieht man, einfach empörend; freilich, wenn eine gleich halbnackt kommt . . ." Indes steht die Tochter vor dem Spiegel und scheint mit ihrem Aussehen durchaus nicht unzufrieden. Alan
betritt den Saal. Bangigkeit belastet beide. Wird man Bekannte finden, sind viel junge Leute da? Die Mutter späht mit einem eiligen Blick umher und dankt sehr freundlich für jeden Gruß. Dann setzt die Musik ein. Gleich hat das Mädchen einen Tänzer gefunden, leicht wirbelt sie in fröhlicher Anmut vorüber. „Sie ist doch hübsch . . ." empfindet die Mama und ist ordentlich beglückt. „Zwar nur ein Student," denkt sie, „aber auf einem Ball will man sich unterhalten, ein Kränzchen ist doch keine Heiratsvermittlung, llebrigens, in zwei, drei Jahren wäre er fertig, hätte dann eine Anstellung, inan könnte . . ." Da tanzt die Tochter mit einem jungen Bankbeamten vorüber, und die Mutter lächelt, aber gleich wird sie wieder ernst: „Dazu ist Emmy zu ungeschickt, manche Mädchen haben das heraus, sie können einen jungen Mann ohne weiteres fesseln, aber Emmy ist zu feinfühlig . . ." Da kommt die Tochter zu ihr zurück. „Ruh' dich nur ein wenig aus," sagt sie begütigend, weil jetzt niemand das Mädchen auffordert. „Dieses unsinnige Herumtollen ist wirklich zu dumm." Emmy sitzt weiter da, unruhig, ängstlich, verwirrt; die Musik, der Tanz irritieren sie, der ganze Ballsaal ist in Bewegung, nur sie sitzt neben der Mama; es ist beschämend. Wer ist nicht den besorgten Blicken solcherMütter begegnet, diesen hilflos bittenden: „Es wäre nur wegen eines Walzers, das arme Kind . . ." Und auf einmal ist sie wieder im Wirbel, sie tanzt und tanzt, kommt nur flüchtig zu der Mama, die, beglückt lächelnd, Schals, Ridiküls, Bonbons, Eau de Cologne,Flacons, Fächer, Taschentücher, Blumenspenden und vieles andere behütet. So sitzt sie auf ihrem Gardeplatz und blickt auf die eilig Vorüberschwebenden. Manches Musikstück bringt auch ihr Erinnerungen. Gedenkt sie der eigenen'Jugend, verschollener Torheiten, zärtlicher Gefühle? Oder sieht sie in Gedanken bereits das Schicksal der Aufgeblühten, die eines Tages niit einem Unbekannten von ihr sortziehen wird? . . . Geduldig läßt sie Stunde um Stunde vorübergleiten, wenn nur die Tochter fröhlich ist.
Kosaken in Deutschland. Die Kosaken (russ. Kasak, > Mehrzahl Kasaki), ursprünglich selbständige Stämme aus slawischen, türkischen und mongolischen Elementen, waren militärisch organisiert und wurden später von der russischen Regierung unterworfen, sie stellten im Jahre 1812 allein gegen 60 000 Reiter. Als die Russen 1813 als Verbündete nach Preußen kamen, wurden die bärtigen Steppensöhne trotz des Ungeziefers, das sie mitbrachten, und ihrer unheimlichen Vorliebe für „Wodke" (Schnaps) mit lautem Jubel begrüßt. In der Umgegend von Berlin kam es bereits Ende Februar häufig zu kleinen Gefechten mit den Kosaken, die die Franzosen beständig neckten und ihnen bedeutenden Schaden zufügten. Am 23. nahmen sie bei Pankow zwei Kanonen mit zwei Munitionswagen und machten etwa 30 bis 40 Mann Infanterie zu Gefangenen. Die ersten Kosaken, die nach dem Abzug der französischen Besatzung, mit der namentlich in Steglitz noch ein sehr hitziges Gefecht stattfand, am 4. März in Berlin einrückten, gehörten zum Korps des Generals Tschernischew. Einer von den Kosaken hatte vor dem Halleschen Tore einen Franzosen zum Gefangenen gemacht und stieg vom Pferde, um ihm seinen Tornister und was er sonst bei sich hatte, abzunehmen. Während er den Inhalt des Tornisters näher untersuchte, schwang der Gefangene sich behend auf das Pferd des Kosaken und jagte davon. Dieser schaute ihm lächelnd nach, pfiff nach einer Weile, und nun kehrte das Pferd mit seinem Reiter trotz aller Anstrengungen des Franzosen, es vorwärts zu treiben, zu seinem rechtmäßigen Herrn zurück, der es streichelte und liebkoste. Dann riß der Kosak den erschrockenen Franzosen aus dem Sattel, versetzte ihm einen Säbelhieb und ließ ihn, nachdem er ihm noch die Wunde gutmütig verbunden hatte, laufen.
ep. Ein schneidiger Kirchengemeinderat. In der »ermöglichen schwarzen Gemeinde von Christiansborg auf der Eoldküste war bei der Konfirmation ein immer größerer Kleiderluxus eingerissen. Da lud eines Tages, wie der neueste Jahresbericht der Basler Mission erzählt, der Ael- testenrat, der natürlich aus lauter Eingeborenen besteht, die Konfirmanden vor und erklärte ihnen, sie dürften bei der Feier nur einen schlichten, weißen Anzug tragen und müßten, entsprechend der einfachen Landessitte, barfuß erscheinen. Den Konfirmanden wollten die neumodischen europäischen Anzüge und Lackstiefel, in denen sie zu erscheinen gedacht hatten, leid tun, und es gab lange Gesichter. Aber die Aeltesten verstanden keinen Spaß, jeder einzelne der Konfirmanden mußte sich einverstanden erklären; die sich weigerten, wurden von der Konfirmation zurückgestellt und kamen dann bald, um kniefällig ihre Unterwerfung anzubieten. — Den gleichen
gesunden Sinn, den diese Neger an den Tag gelegt haben, möchte man manchen Eltern bei uns auch wünschen.
Was sind die eigentlichen Tropenkrankheiten? Die „Tägliche Rundschau" hat den bekannten Afrikaforscher Dr. Paul Rohrbach zu Studienzwecken in die neu erworbenen deutschafrikanischen Gebiete entsandt und seine Tagebuchblätter, „Im neuen Deutschland" überschrieben, in ihren Spalten veröffentlicht. Es ist von Interesse, wie sich der gute Kenner der tropischen Verhältnisse über obige Frage ausspricht: „Ich muß immer wieder sagen," so lautet sein Urteil, „daß für den Weißen in Afrika nicht Malaria, nicht Dysenterie, nicht Schlafkrankheit und wie die gefürchteten Uebel alle heißen mögen, die eigentlichen Tropenkrankheiten sind, sondern einfach der Alkoholismus."
Büchertisch
„Esund und munter." Schwäbische Gedichte von August Reiff; verlegt bei Strecker u. Schröder in Stuttgart. Preis 1,40 Ul. An die Gedichte in schwäbischer Mundart, wenn sie nicht gerade von Eittinger stammen, gehen wir heute mit nicht unberechtigtem Mißtrauen. Alles dichtet und macht Verse, und sind einem oder einer einmal ein paar ordentliche Reime geraten, dann müssen die leider sofort gedruckt werden — und die Volksdichter-Einbildungskrankheit hat weitere Opfer. Das ist aber nicht nur bei den mundartlichen Dichterlingen der Fall. — Das vorliegende Bändchen nun zählt zu den Gedichtsammlungen, die wenigstens lesenswert sind, die sogar manches Goldkörnchen enthalten. Ein Vergleich zwischen Reiffs und Gittingers dichterischen Qualitäten entscheidet — das wird Reiff, wenn er objektiv prüfen kann, selbst zugeben — entschieden zugunsten Gittingers, doch bedeutet das immer noch nicht, daß Reiffs Gedichte minderwertig seien. Wir wollen das gleich einmal an einem Bei spiel zeigen und schicken voraus, daß solche gsunde und mun tere Töne das ganze Büchlein durchklingen, zwar nicht immer in der annehmbaren Form, aber nirgends trivial und schlecht. Also:
Raus mit der Färb', wenn d' a Mädle gern siehst,
Sag r's ins Esicht nei': „I mag de!"
Druck net lang rum; 's ischt im Numgucka z' spot;
Moi, wie de's reut no; drum hair uf mein Rot:
No' raus mit der Färb', wenn d' verliebt bist.
Solche Verse kann man sich wohl gefallen lassen. Das Büchlein enthält auch die Schwäbische Volksszene, die Reiff zur Feier der Einweihung der Hoftheater schrieb, die leider aber nicht zur Aufführung kam. Wir wünschen dem Büchlein recht viele Leser.
Aus Wett und Zeit.
Hamburg, 19. Febr. Der zur Reederei Hugo Stinnes E. m. b. H. gehörige Dampfer „Elsa Hugo Stinnes 15", der am 17. Februar mit einer Ladung Kohlen von Newcastle on Thyne nach Königsberg abgegangen ist, ist dort nicht angekommen. Man hat seitdem nichts mehr von dem Dampfer gehört noch gesehen. Der von Kapitän Selle aus Lehe geführte Dampfer, der 18 Mann Besatzung hat, ist mit drahtloser Telegraphie ausgerüstet. Die über das Ausbleiben des Dampfers sehr beunruhigte Reederei hat bei allen norwegischen, englischen und schwedischen Küstenstationen angefragt, jedoch liegt nirgends eine Meldung von dem Dampfer vor. Auch die anderen Dampfer der Reederei, die mit drahtloser Telegraphie ausgestattet sind, sind von dem überfälligen Schiff nicht angerufen worden. Das vermißte Schiff hatte beim Verlassen des Hafens erst stürmisches und dann nebliges Wetter.
London, 20. Febr. Das „Reutersche Bureau" meldet: Die Großmächte haben am Dienstag in Sofia und in Bukarest ihre Vermittlung in den zwischen Bulgarien und Rumänien schwebenden Fragen angeboten. Man hat allen Grund zu glauben, daß die beiden Regierungen die Vermittlung annehmen werden. Alle Mächte handeln in vollständi gem Einverständnis und in dem Wunsch, eine Lösung des rumänisch-bulgarischen Streitfalles herbeizuführen. Man weiß nur noch nicht, ob man einzelne Mächte beauftragen wird, im Namen aller zu handeln.
Für die Schristleitung verantwortlich: Paul Kirchner. Druck und Verlag der A. Oelschiäger'schen Buchdruckerei.