wünsche des Hauses aussprechen zu dürfen. (Starker Beifall.) — Bei der Antwort, die der Regierungsvertreter auf die Anfrage von Müller-Meiningen bezüglich der Vorgänge bei dem Zustandekommen der Sechsmächte-Anleihe, insbesondere über die Verteilung der Beratungsstellen bei der Vergebung der Anleihe und der Folgen erteilt, ist zu entnehmen, daß eine Anleihe von 25 Millionen Pfund Sterling zustande gekommen ist, und daß Deutschland einen Posten für sich in Anspruch nimmt. Die Verhandlungen sind bisher nicht zum Abschluß gelangt. — Es folgt die namentliche Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag, in derselben Weise wie für die großen Städte die Einführung von frischem Fleisch und Schlachtvieh in allen Gemeinden zuzulassen, in denen die erforderlichen Schutzeinrichtungen gegen Verbreitung von Viehseuchen vorhanden sind. Der Antrag wird in namentlicher Abstimmung mit 173 Stimmen der Rechten, der Nationalliberalen und des Zentrums, gegen 162 Stimmen der Sozialdemokraten, der Volkspartei und der Polen abgelehnt. Abgelehnt wird ferner der sozialdemokratische Antrag auf reichsgesetzliche Regelung der Verhältnisse des Krankenpflegepersonals. Angenommen wird der Antrag der Fortschrittlichen Volkspartei auf Errichtung eines Instituts für wissenschaftliche Erforschung der Milchwirtschaft, sowie die Anträge der Sozialdemokraten und der Polen aus Untersuchung der gesundheitlichen Verhältnisse der Bergarbeiter. Hierauf wird die Generaldebatte des Etats der Reichsjustizverwaltung fortgesetzt. List-Eßlingen (Natl.): Gegen die allgemeine Behauptung, datz die Richter unfähig seien, sich von den übernommenen Anschauungen freizumachen, muß protestiert werden. Wir müssen zugeben, daß zum Beispiel in Siiddeutsch- land gerade bei den Beleidigungsprozessen gegen die sozialdemokratische Presse von den Bestimmungen betreffs Wahrung berechtigter Interessen weitgehendster Gebrauch gemacht wird. Daß Fehlgriffe Vorkommen und Urteile, die auch wir aufs lebhafteste bedauern und mißbilligen, ist ganz selbstverständlich. Es handelt sich aber nur um Einzelfälle. Oeitel (Kons.): Die Prügelstrafe wäre als abschreckendes Strafmittel für Zuhälter und sonstiges Gesindel am Platze. Heine (Soz.): Wir haben keine Veranlassung, einen weiteren Reichsanwalt zu bewilligen. Es ist noch nicht verjährt, daß vor dem Reichsgericht ein Jurist wie Olshausen gegen Liebknecht in einem politischen Prozeß auf Zuchthaus plädierte. Solange diese Schuld nicht gesühnt ist, wo sich das Reichsgericht zu politischer Ehrabschneiderei hergab, müssen sich die Reichsanwälte ihr Brot erbitten von dem Tisch derer, in deren Sinne sie urteilen. (Ordnungsruf.) Bell (Ztr.): Ich muß der Ansicht entschieden widersprechen, als ob es sich bei der Ablehnung des 6. Reichsanwalts um eine verabredete Aktion des Zentrums und der Sozialdemokratie handele. Unsere Mißstimmung richtet sich überhaupt nicht gegen den Staatssekretär Lisco, sondern gegen den Reichskanzler. — Nächste Sitzung: Mittwoch nachmittag 1 Uhr. Schwerinstag: Sozialdemokratischer Wahlrechtsantrag.
Aus dem Landtag.
Zn der Zweiten Kammer hat der Abgeordnete Roth (Vpt.) folgenden Antrag eingebracht: „Die Kammer wolle beschließen, die König!. Staatsregierung um Einbringung eines Gesetzentwurfes zu ersuchen, in welchem die Rechtsverhältnisse der Arbeiter in Staatsbetrieben, insbesondere im Sinne einer Sicherstellung der Verwendung älterer Arbeiter und einer ausreichenden Fürsorge in Fällen der Krankheit und Invalidität, sowie einer angemessenen Hinterbliebenenfürsorge geregelt werden."
Stadt, Bezirk und Nachbarschaft.
Calw, 12. Februar 1913.
Eine Probefahrt veranstaltete gestern nachmittag das Bezirkskommando mit zehn Wagen. Sie ging über Ober
hochgehenden Wogen der kleine Kahn schaukelt, in welchem der treulose Geliebte zu Füßen der blonden, stolzen Herzogstochter sitzt, deren kalte, blaue Augen ihn die ferne Marietta vergessen ließen. Aller Herzschlag stockte, wie sie es dumpf aufbrausen hörten in der Flut, wie hohl der Wind durch die ächzenden Erlen strich, der Ritter angstvoll um Hilfe rief, und Marietta mit blitzenden Augen und hochwogender Brust sich bis zu dem schwankenden Nachen hinarbeitet, aus dem sie den Ritter hinabreißt in die gähnende Tiefe, mit eisernem Griff ihn zwingend zu der kalten, todbringenden Umarmung, während Wogengebraus und Sturmessausen mächtig übertönend, ihr wildes, frohlockendes Lied erschallt.
„Und kann ich nicht leben, so sterb' ich mit dir."
Wie sie das in höchster Glut vibrierend hinausschmettert, in die erschütterten Seelen ihrer Zuhörer, da fühlen alle mit ahnugsvollem Schauer, das ist nicht Spiel, nicht eingelernte Kunst, das ist Gefühl, echte, im Herzen tief empfundene Leidenschaft. Wie im Traume lassen sie das glänzende Finale der Oper an sich vorüberbrausen, langsam senkt sich der Vorhang über die wild bewegte Szene nieder — minutenlang herrschte atemloses Schweigen, man mußte erst wieder zum Leben erwachen.
Dann aber brach er los, der frenetische Jubel, der nicht endenwollende Beifallssturm: „Colonna!" Tücher wehten, Blumen, Buketts, Lorbeeren rauschten auf die Bühne. Dort stand der junge Künstler, dessen Genius dies Meisterwerk geschaffen. Fieberröte brannte auf
reichenbach—Zainen—Bad Liebenzell—Talw. Die Bespannung war von hiesigen Fuhrwerksbefitzern gestellt worden.
b- Neue Lehrkräfte. Die erste Dienstprüfung am katholischen Schullehrerseminar in Gmünd erfolgte im Laufe der vergangenen Woche. In der kommenden Woche findet sie in Saulgau, und in der darauffolgenden Woche in Rottweil statt. Nach Beendigung dieser Prüfungen stehen für den katholischen Schuldienst etwa 100 neue Lehrkräfte zur Verfügung.
Neun Gebote gegen Elektrizitätsunfälle. 1. Du sollst nie einen von einem Leitungsmast herabhängenden oder am Erdboden liegenden Draht berühren! 2. Du sollst nicht an Leitungsmasten hinaufklettern! 3. Du sollst nicht auf Bäume klettern, an denen Hochspannungsfreileitungen vorbeiführen! 4. Du sollst nicht auf Transformatorenhäuschen und ihre Umzäunungen klettern! 5. Du sollst Transformatorenhäuser und Schalträume nicht betreten, auch wenn sie offenstehen und unbewacht sind! 6. Du sollst in der Nähe von Hochspannungsfernleitungen nicht Drachen steigen lassen!
7. Du sollst an den zur Versteifung der Leitungsmasten dienenden Verankerungen nicht rütteln oder schaukeln!
8. Du sollst nicht mit Steinen oder anderen Gegenständen nach den Porzellanisolatoren oder nach den Leitungsdrähten werfen! 9. Du sollst nicht in der Nähe eines Elektrizitätswerkes in dessen Triebwasser baden!
d- Warnung vor einem Schwindler. Durch eine Reihe von Zeitungen ging eine Notiz, in der von einem gewissen Franz Stephan das Erscheinen eines Esperantoanhänger- Adreßbuches angezeigt wird und worin die Anhänger des verbesserten Esperanto ersucht werden' ihre Adressen einzusenden. Die Ulmer Zeitung weist darauf hin, daß Stephan ein Schwindler ist, der früher gegen Einsendung eines namhaften Geldbetrages Lehrbücher seines verbesserten Esperanto anbot. Die Einsender erhielten gewöhnlich weder Bücher, noch Antwort. Inserate in den Zeitungen vergaß er zu bezahlen. Da er längst den Offenbarungseid geleistet hat, ist bei ihm nichts zu holen.
8ck. Die größten Soldaten. Das größte Durchschnittsmaß der deutschen Armee hat das preußische Heer mit 167,93 Zentimeter (bei der Garde 173,73 Zentimeter). Dann folgt das württembergische mit 167,25 Zentimeter, das bayerische mit 166,82 Zentimeter und das sächsische mit 166,49 Zentimeter. Die Eesamtdurchschnittsgröße im deutschen Heere beträgt 1,63 Meter bei dem gewöhnlichen Mann, bei dem Unteroffizier 1,69 Meter, und dem Einjährig-Freiwilligen 172,3 Zentimeter. Unter ihnen befindet sich eine sehr beträchtliche Zahl von wirklichen Riesen über 190 Zentimeter. Von den einzelnen Truppengattungen haben durchschnittlich die größten Leute die Fußartillerie (mit 172,31 Zentimeter Durchschnittsgröße), während die anderen Waffengattungen, auch die Marine, mit 168,86 Zentimeter sich nicht allzuweit von dem Durchschnitt entfernen, hingegen die Hauptwaffe, die Infanterie, mit 167,18 Zentimeter etwas zurückbleibt.
8Ld- M utmaßliches Wetter. Für Donnerstag und Freitag ist fortgesetzt trockenes und mehrfach heiteres Wetter zu erwarten.
X Weilderstadt, 11. Febr. Einem hier beschäftigten Bierbrauer wurden aus seinem Kleiderkasten 45 »tl gestohlen. Dem Täter scheint man auf der Spur zu sein. — Vor Weihnachten entfernte sich ein seit einiger Zeit hier ansässiges Fräulein, ohne daß man wußte, wohin. Die von Verwandten angestellten Nachforschungen blieben ergebnislos und schon glaubte man, der Dame sei ein Leid zugestoßen. Gestern nun kehrte sie gesund und munter von einer Reise zurück.
Neuenbürg, 11. Febr. In Schwann wurde in vergangener Nacht ein Einbruchsversuch bei dem Postagenten ge
ben eingefallenen Wangen, stürmisch hob und senkte sich die kranke Brust, während Beatrice in stummer Huldigung die Kränze zu seinen Füßen niederlegte.
„Evivva, Bravo, viva," jubelte die begeisterte Menge, über die weltentrückt der dunkle Blick Adrian Lolonnas schweifte. Wie gebannt aber blieb sein Auge an einer Loge des ersten Ranges haften und krampfhaft zuckte die Hand nach dem Herzen: „Toska," murmelte er, einen Moment alles über dem beseligenden Bewußtsein vergessend, daß sie Zeuge dieser Stunde war.
Beatrice trat finster zurück, er aber streckte die Hand in rührender Bitte nach ihr aus: „Geh' nicht von meiner Seite, Beatrice," flehte er. „Bei dir allein ist Licht und Frieden. Sobald ich aufhörte, für dich zu streben, verließ mich das Glück! Ruhm, Ehre, alles Gute meines Lebens kam von dir! Sie war mein Schicksal — du mein guter Engel, Beatrice!"
Das Publikum, nicht ahnend, welche erschütternde Bedeutung für ein Menschenherz diese geflüsterten Worte hatte, glaubte, der Komponist wolle die Aufmerksamkeit auf die junge Sängerin zurückführen, und donnernd hallte es wieder durch das Theater: „Evivva la Beatrice, evivva Colonna!"
Adrian aber hörte nicht mehr, der Beifallssturm umbrandete ihn wie ein fernes Meer, nur ein unendliches Glücksgefühl schwellte sein Herz zum Zerspringen; nun war sie ihm doch noch zuteil geworden, die Erfüllung jener Sehnsucht, welche stets in so verzehrendem Feuer sein Herz durchflammt. „Dank dir, Beatrice!" flüsterten seine Lippen, Noch einmal suchte sein brechen
macht und bei einem Kaufmann eingebrochen, wobei die Ladenkaffe und Waren gestohlen wurden. Einige Gegenstände konnte der Dieb nicht mehr fortbringen und ließ sie im Garten liegen.
Wildbad, 11. Febr. Heute nacht ist der Direktor der hiesigen Papierfabrik. Bernhard Schnitzer, im Alter von 50 Jahren gestorben.
Aus Welt und Zeit.
Stuttgart, 11. Febr. Der König ist heute nachmittag
з, 21 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Eilzug über Zürich nach Kap Martin zu mehrwöchigem Aufenthalt abgereist, wo er im Grand-Hotel Wohnung nehmen wird. Die Königin gab ihrem Gemahl das Geleite zum Bahnhof und begleitete ihn auch im Zuge bis nach Böblingen, von wo sie im Automobil hierher zurückkehrte. Im Gefolge des Königs bestiegen den Salonwagen: Kabinettschef Freiherr von Soden und Flügeladjutant Freiherr Capler von Oedheim, genannt Bautz. Der Zug wurde bis zur Landesgrenze von Oberfinanzrat Brekle begleitet.
Stuttgart, 11. Febr. Professor Bernhard Pankok hat von der Stadt Hamburg den Auftrag erhalten, für die dortige Kunsthalle den Grafen Ferdinand v. Zeppelin zu porträtieren.
Stuttgart, 11. Febr. Oberbürgermeister Lautenschlager hat den Ehrenvorsitz des 25jährigen Landes- und Jubiläumsschießens, das vom 15. bis 17. Juni d. I. hier abgehalten wird, übernommen.
Stuttgart, 11. Febr. Der Besuch des Generalfeldmarschalls Frhr. v. d. Goltz bei der hiesigen Ortsgruppe des Iungdeutschlandbundes ist nun endgültig auf den 1. bzw. 2. März festgesetzt worden. Die Jungmannschaften werden in einem Vorbeimarsch am Sonntag, den 2. März, vormittags X12 Uhr im Hofe des Residenzschlosses ihrem 1. Bundesvorsitzenden huldigen. Im Anschluß an den Vorbeimarsch wird Frhr. v. d. Goltz eine Ansprache an die Jugend halten, desgleichen abends in der Liederhalle an die Mitglieder des Bundes und die Gäste. Graf v. Zeppelin, der Ehrenvorsitzender der Stuttgarter Ortsgruppe ist, hat seine Beteiligung an den Veranstaltungen zugesagt.
Cannstatt, 11. Febr. Heute vormittag machte sich der Fuhrmann eines Kohlenfuhrwerks während der Fahrt an der Bremse zu schaffen. Im selben Augenblick wurde er von einem Radfahrer angefahren, wodurch er so unglücklich unter den Wagen geschleudert wurde, daß dessen Rüder ihm über den Hals gingen, wodurch sein sofortiger Tod herbeigeführt wurde. Der Getötete ist der 22 Jahre alte Georg Schiller von Herbrechtingen.
Ebingen, 12. Febr. In der Schuhfabrik von Herzog
и. Co. in Engstlatt brach gestern während der Mittagspause Feuer aus, dem die ganzen Fabrikräumlichkeiten völlig zum Opfer fielen. Der Schaden ist bedeutend, aber durch Versicherung gedeckt. 25 Arbeiter sind durch den Brand brotlos geworden.
Aulendorf» 11. Febr. Gestern vormittag fiel der ledige 24 Jahre alte Stefan Frech vom nahen Ebersbach beim Eisen auf einem zur Domäne Lichtenfeld gehörigen Weiher in eine offene Stelle und ertrank. Erst nach vierstündigem Suchen konnte der Leichnam gefunden werden.
Landau (Pfalz), 10. Febr. Am Samstag fand vor dem Kriegsgericht der 3. Division die Ohrfetgen-Affäre des Obersten und Regimentskommandeurs Henigst in Zweibrücken ihr gerichtliches Nachspiel. Der Oberst hatte sich wegen tätlicher Beleidigung im Zusammenhang mit einem Vergehen der Körperverletzung zu verantworten. Er hatte den Herausgeber der „Pfälzischen Korrespondenz" in Zweibrücken, Redakteur Loth, auf offener Straße geohrfeigt, weil er in Loth
des Auge ihr strahlend verklärtes Antlitz — dann sank er schwer in ihren Arm zurück, ein breiter Blutstreifen quoll aus dem bleichen Munde hervor.
Schnell fiel der Vorhang, das Orchester aber intonierte einen schmetternden Tusch, und unter den wogenden, huldigenden Klängen rang seine Seele sich empor zu der Töne Urquell. Es war des Künstlers Schwanengesang. Im Tode ruhte sein Haupt auf der Fülle des Lorbeers, nach dem er lebend sich so heiß gesehnt.
Schluchzend neigten sich Beatrice und die alten Eltern über seine Stirn, von der der Tod mit milder Hand das Brandmal der Sünde genommen; schön und verklärt, wie ein Gebilde von Künstlerhand, hoben sich die weißen, edlen Züge von dem dunklen Grün des Lorbeers ab, durchleuchtet von jenem Frieden, den sie im Leben nie gekannt. Der Allbarmherzige hatte die schneidende Dissonanz dieses Herzens in einen harmonischen Akkord gelöst. —
Toska verließ an Achims Arm schweigend das Theater. Auch Achim war tief bewegt. Angesichts des Todes schweigt aller Haß und aller Groll. —
„Er war doch ein großer, ein herrlicher Künstler." sagte Toska, als die Geschwister am nächsten Abend, von einem Spaziergang zurückkehrend, vor der grünumsponnenen Veranda ihrer Villa standen, „und dennoch, hätte er mir die Lorbeeren unvergänglichen Ruhmes, die Schätze aller Welt zu Füßen gelegt, nie hätte er Percvs Bild aus meiner Seele verdrängen können."
(Schluß folgt.)