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^§ 27. Amts- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 88. Jahrgang.

SrscheinungSweis«: Sinai wSchentlich. Anzeigenpreis: Im OderamtS- »ezkrr Calw für die einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg., außerhalb desselben 12 Pfg., Reklamen 25 Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Ilhr vormittags. Telefon g.

Montag, den 3. Februar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit Triigerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich, Post- bezugSpreiS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellgeld in Württemberg M Pfg-, in Bayern und Reich 42 Psg.

Der Balkankrieg.

London, 1 . Febr. Wie dasReutersche Bureau" er­fährt, haben nach der heutigen Botschafter-Konferenz die Botschafter an ihre Regierungen Telegramme ge­richtet, welche die Ansichten der Konferenz über die tür­kische Antwort wiedergeben. Es herrscht allgemein die Anschauung, daß die türkische Antwort möglicherweise eine Grundlage ist, auf der die Friedensverhandlungen wieder ausgenommen werden können. Die Botschafter bringen in ihren Telegrammen in Vorschlag, diese An­sicht der bulgarisch^ Regierung zur Kenntnis zu brin­gen. Man glaubt, datz in den offiziellen Kreisen Lon­dons eine ähnliche Anschauung herrscht und der heutige Besuch Dr. Dänews aus dem Auswärtigen Amt wird damit in Verbindung gebracht. Es scheint also, datz die Mächte versuchen wollen, der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten vorzubeugen.

London, 1. Febr. Der griechische Ministerpräsident Venizelos ist, begleitet von dem Delegierten Streit, abgereist. Bei seiner Abreise erklärte Venizelos einem Vertreter desReuterschen Bureaus": Ich sage Ihnen nicht Lebewohl, sondern: Auf Wiedersehen. Ich bin über­zeugt, datz wir in einiger Zeit in London wieder Zu­sammenkommen werden, um den Frieden abzuschlietzen. Vorher mutz jedoch die Türkei die Friedenspräliminarien auf dem Schlachtfelde unterzeichnen.

Wie Rußland rüstet.

Die in militärischen Dingen von Fachleuten be­diente WienerZeit" schildert die russischen Rüstungen folgendermaßen: In den westlichen Militärbezirken ist eine Truppenzahl vereinigt, die den normalen Friedens­stand um etwa 300 000 Mann überschreitet, also mehr als eine halbe Million Streiter. Diese Erhöhung der Friedensstärke erfolge ohne strategischen Aufmarsch in den Friedensstationen. Die rein polnischen Regimenter wurden aus den Erenzbezirken herausgezogen, zum Teil in die Gouvernements Kasan und Samara, ja selbst an die mongolische Grenze verlegt und durch Truppenkörper aus dem Innern des Reiches ersetzt. Daneben werden materielle Maßregeln getroffen; Die Festungen in Po­len und Wolhynien werden in fieberhafter Eile ausge­rüstet. Der Ausbau des Warschauer Zentralwaffen- platzes ist beendigt, auch die Ostfront Warschaus ist durch neue Werke mit Segrsche, die Westfront mit Nowo- Georgiewsk in Verbindung gebracht und dadurch ein ge-

schlossenes Festungsdreieck mit mehr als 2500 Geschützen und mehr als 100 000 Mann normierter Besatzung ge­schaffen worden. Gegen die deutsche Grenze sind die Lagerfestungen Erodno und Kowno nebst zahlreichen starken Flutzsperren und Brückenköpfen ausgerüstet wor­den. Die starke Festung Brest-Litewsk dient als Stütz­punkt einer geplanten Zentralstellung und des Auf­marsch- und Sammelraumes für beträchtliche Streit­kräfte. Selbst die veraltete kleine Eürtelfcstung Iwan- gorod ist neuerdings wieder in Bereitschaft versetzt wor­den und soll durch Feldbefestigungen erweitert worden sein. Der wichtige Eisenbahnknotenpunkt Kowel ist zu einem verschanzten Lager ausgestalrer, und die proviso­rischen Werke von Luck und Kowno in Wolhynien sind vermehrt und verstärkt worden. Dort sind auch große Mengen Vorräte aufgestapelt worden. Zu beiden Seiten des alten, aber örtlich starken, kafemattierten Doppelwallforts bei Dubno, das die Ikwaniederung be­herrscht, wurde eine 5 Kilometer breite feldmätzige Stel­lung vorbereitet, die im Bedarfsfälle aus der Eeschütz- reserve des Forts bestückt werden soll. Auch die offenen Orte Kremenietz und Ostrop in Wolhynien sollen durch feldmätzige Schanzen geschützt worden sein. In den un­übersichtlichenDubnoer Gärten" sind zahlreiche Mili­tärwege und Fahrstraßen zu den wichtigen Stellungen neu angelegt, die. bestehenden! ausgebaut und verbessert worden. An der rumänischen Grenze sind längs des Dniestr bei der alten Festung Bender und bei Raszkow feldmätzige Offensivbrückenköpfe errichtet, zwischen diesen beiden Orten bei Dubosary aber auf dem linken Flutz- ufer Batterien zur Abwehr gegenerischer llebergangs- versuche gebaut worden. An dem Ausbau und der Sicherung der Eisenbahnen und wichtigen Straßen wird eifrig gearbeitet. Die bestehenden Bahnsicherungen bei Rozyszcze nördlich von Luck, bei Sarny, Zmerinka und Dorogusk sind vervollständigt und verstärkt, neue Wach­häuser errichtet, die Ausweichstellen der eingleisigen Bahnen vermehrt, zahlreiche Rampen neu errichtet und große Depots in den wichtigen Stationen angelegt wor­den. Gegenüber Krakau, unmittelbar an der Grenze, sind umfangreiche Erdaushebungen für Batteriestellun­gen im Gange. Die Festungsflutzminenabteilungen in Warschau, Zwangorod und Nowo-Georgiewsk veranstal­ten fleißig Hebungen unter Teilnahme der vermehrten Flutzflottille. Die Neubefestigung und Umgestaltung Kiews zu einem modernen Waffenplatz wird von einer

Kommission studiert. Die Eisenbahnverwaltungen sind angewiesen, einen großen Wagenpark bereit zu halten. Die wichtigsten Stationen stehen schon jetzt unter mili­tärischer Aufsicht. Die Erenzbewachung wird neuer­dings außer von den regulären Erenzwachtruppen auch von Linientruppen versehen. Besonders umfangreich sind die Vorsorgen für Ansammlung von Vorräten und Kriegsmaterial aller Art. Alle festen Plätze sind für sechs Monate mit Vorräten' versehen worden, Warschau und Brest-Litewsk für noch längere Zeit. Verträge für große Lieferungen von Futter- und Lebensmitteln und von Halbpelzen und Schuhwerk sind abgeschlossen worden. In Deutschland sind 300 Lastautomobile, liefer­bar am 1. März, bestellt worden. Die Munitions­fabriken arbeiten Tag und Nacht. An den weiter land­einwärts gelegenen Bahnstationen werden Feldbäcke­reien errichtet und Zelte, Heizmaterial usw. aufgestapelt. In den zentralen Militärbezirken wird die Aufstellung von Kaders für die Reserveformationen vorbereitet. Die Luftschiffer- und Scheinwerferabteilungen werden weiter ausgebaut, große Bestellungen! für diese Hilfs­waffen im Auslande, namentlich in Frankreich, gemacht. Auch die Kriegsbrückenequipagen sind jüngst beträchtlich vermehrt worden.

Parlamentarisches.

Aus dem Reichstag.

Berlin, 1 . Febr. Präsident Dr. Kämpf eröffnet die Sitzung 11 llhr 20 Min. Dritte Lesung des Gesetz­entwurfs betr. Erleichterung bei der Fleischeinfuhr. In der Generaldebatte bedauert Quarck (Soz.), daß in der zweiten Lesung alle soziald. Anträge und Resolutio­nen abgelehnt wurden im Interesse der Agrarier, wäh­rend Pauly (Z.) die Ausrechterhaltung unseres Wirt­schaftssystems für einen Segen hält. Von einer Förde­rung der Schafzucht glaubt er Verminderung der Fleisch­knappheit erhoffen zu können. Krömer (Vp.) will billige Futtermittel, damit der Bauer in der Lage ist, mehr Vieh zu mästen, um mit diesem das Volk er­nähren zu können. Eingegangen ist eine soziald. Re­solution, allen Gemeinden das ausländische Fleisch zu­gänglich zu machen, die die erforderlichen Schutzeinrich­tungen haben. Dann wir die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern beim Kapitel Gesundheits­amt fortgesetzt. Littmann (Soz.) fordert Unter­suchung der gesundheitlichen Verhältnisse der Berg-

Die Schule -es Lebens.

45) Roman von Herbert v. Osten.

Mit der Kraft der Verzweiflung klammerte ich mich nun an den Korallennadeln fest und brachte so, in steter Gefahr, wieder von den Wellen fortgerissen zu werden, einige grauenvolle Stunden zu. Endlich bemerkte ich ein kleines Boot, das gleich mir in die Felsenzacken der Riffe getrieben und diesem vertraute ich mein Schicksal an. Wußte ich ja doch, datz ich hier aus den Korallennadeln einem langsamen Tode entgegensah, und in dem Boote war doch wenigstens die Möglichkeit einer Rettung.

Und wirklich erbarmte sich Gott meiner. Mit fester Hand lenkte er den Nachen einer Insel zu. Sie schien unbewohnt, und in ihrer Wildnis verlebte ich einige bange Tage. Meine Nahrung pflückte ich mir von den Bäumen, wo neben den leuchtenden Blüten gleichzeitig die Früchte reiften. Mein Nachtlager schlug ich in einer Art Hütte von Hibiskus- und Bambusstäben auf. Pa­radiesisch schön war die Natur. Trotzdem wurde meine Stimmung von Tag zu Tag verzweifelter. Stunden­lang stand ich am Strande und spähte aus, ob ich nicht ein Schiff entdecken konnte. Eines Morgens steuerte wirklich ein Dampfer auf meine Insel zu. Die Leute bemerkten auch meine Signale, ein Boot wurde aus­gesetzt, um mich an Bord zu holen, und so bin ich

denn über London, wohin der Kauffahrer bestimmt war, heimgekehrt."

Während die Herren ihrem Erstaunen und ihrer Freude über diese wunderbare Errettung Ausdruck ga­ben, schweifte Achims Blick immer wieder hinaus zu dem Coupesenster, durch das ihn, wie in einem dunklen Rahmen, die ewig wechselnden herrlichen Landschafts­bilder seiner Heimat grüßten. Dann und wann traten die hohen Felswände zurück und die lichten Wellen des Rheins blickten zwischen den dunkelbcwaldcten Kuppen, den rebengeschmückten Hügeln hervor, durch deren male­rische Schluchten schäumende Bäche talwärts rauschten.

Die Heimat übt doch einen mächtigen Zauber auf einen vom Tode Erstandenen, der sich schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, ein Einsiedlerleben auf weltferner Insel zu führen. Und wie überrascht werden meine Schwester und mein Schwager sein, wenn ich Totbeweinter plötzlich vor ihnen stehe."

Durch einen mir unbegreiflichen Zufall ist in diesem ganzen Winter auch nicht ein einziger Brief meines Schwesterchens in meine Hände gekommen und ich weiß deshalb kaum, ob ich sie in Hochstraten treffen werde. Ich nehme es nur an, weil ich es für Barbarei hielt, wenn man die herrliche Frühlingszeit nicht auf einem so idyllisch schönen Edelsitze verleben wollte, falls man das Glück hat, ihn sein eigen zu nennen. Doch da hält schon der Zug undnur eine Minute Aufent­halt" ruft der Schaffner, da heißt es schnell sein!"

Mit diesen Worten sprang Achim leichtfüßig auf den Perron.

Adieu, meine Herren!" rief er, noch einmal freund­lich nach allen Seiten grüßend, in das Coupe zurück, aus dem dem liebenswürdigen Gesellschafter noch viele herz­liche Wünsche nachgerufen wurden.

Dann setzte sich der Zug in Bewegung, und Achim wandte sich, ein lustiges Lied auf den Lippen, dem Waldwege nach der Burg Hochstraten zu. Sein Herz schlug höher, während er durch das dämmerige Waldes­dunkel ging, und suchend spähte sein Auge nach allen Seiten. Aus jedem lauschigen, versteckten Plätzchen hoffte er ein Helles Kleid heroorleuchten, den Klang ihrer Stimme ihm entgegntönen zu hören, aber es blieb still um ihn her. Nur der Pirol ries ein schmet­terndes Willkommen, und dann und wann blickte das scheue Auge eines zahmen Rehs erstaunt auf den frem­den Eindringling.

Endlich hatte er die Chaussee erreicht, die direkt zur Einfahrt des Schlosses emporführte, und bald stand er vor dem Portale.

Kann ich die Frau Gräfin sprechen, oder sind die Herrschaften nicht hier?" fragte er den herbeieilenden Diener.

Jawohl, Frau Gräfin sind zu Hause, wen habe ich die Ehre zu melden?"

Ihren besten, ältesten Freund," antwortete Achim nach kurzer Ueberlegung, während die Helle Freude aus seinen braunen Augen blitzte.