gebenden Kreisen und in der öffentlichen Meinung für sofortigen Abbruch der Verhandlungen in London, ohne Zögern loszuschlagen und ALrianopel im Sturm zu nehmen. Ein Entscheidungswort der türkischen Regierung muh in den nächsten Tagen fallen. Wie das auch laute — die Dinge liegen heute so, daß die Preisgabe Adrianopels nun einmal vom Sieger verlangt wird, daß diese Preisgabe den Weg zur friedlichen Verständigung bedeutet. Und wiederum: Abwarten, ob durch die Wucht der Ereignisse nicht auch die neue Regierung den Frieden wollen muh, um zu verhüten, daß das Kreuz wieder von der Hagia Sophia in Konstantinopel leuchtet!
Stadt» Bezirk und Nachbarschaft
Ealw, 28. Januar 1913.
Der neue Bezirkskommandeur von Calw. Laut „Staatsanzeiger" ist Oberstleutnant Scholl vom Stabe des 9. Infanterie-Regiments Nr. 127, seinem Ansuchen entsprechend, mit gesetzlicher Pension zur Disposition gestellt und zum Kommandeur des Landwehrbezirks Calw ernannt morden. — Zum Oberleutnant befördert wurde Leutnant Schnitzerim 8. Jnf.-Regt. Nr. 126. — Zum Oberleutnant befördert wird der Leutnant der Reserve Pfister (Calw) vom Trainbataillon Nr. 13.
*r. Verleihung akademischer Grade. Zu Doktoren haben promoviert die medizinische Fakultät u. a. Paul Weitbrecht aus Bad Liebenzell, Albert Lieb aus Freudenstadt, Konrad Finckh aus Nagold; die philosophische Fakultät: Richard Pregizer aus Böblingen; die staatsrvissenschaftliche Fakultät: Wilhelm Harsch, Oberförster aus Hirsau.
b. Eiscnbahnbeamte und Konsumvereine. Aus die Beschwerde von Vereinigungen und Angehörigen des Handel- und gewerbetreibenden Mittelstandes über gemeinsamen Warenbezug der Beamten und ihre Beteiligung an Konsumvereinen ist den Eisen- bahndirektionen vom preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten die Beachtung der betreffenden Bestimmungen zur Pflicht gemacht worden. Es ist danach die Uebernahme von Aemtern im Vorstand und Aufsichtsrat von Konsumvereinen durch Beamte der Staatseisenbahnverwaltung in allen Fällen von der Genehmigung durch die Vorgesetzte Direktiv-Be- hörde abhängig. Eine Begünstigung der Konsumvereine ist prinzipiell zu vermeiden. Der gemeinsame Warenbezug darf nicht in einen gewerbsmäßigen ausarten; es darf nicht gestattet werden, daß der Beamte für diese Tätigkeit vom Lieferanten oder den Bestellern Vorteile, sei es in Geld oder in Waren, bezieht, und sich dadurch einen Nebenerwerb schafft.
b. Rekrutenfürsorge. Der Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg und Hohen- zollern hat in dankenswerter Weise die Rekrutenfürsorge in sein Arbeitsgebiet einbezogen. Es kommt dabei, wie dem Ministerium des Innern bekannt geworden ist, in die Lage, die K. Oberämter um vermittelndes Eingreifen zu ersuchen. Bei der hohen Bedeutung der Fürsorge werden diese den Bestrebungen des Vereins die geeignete Förderung angedeihen lassen._
Württemberg.
Stuttgart, 27. Jan. Die militärische Feier des Eeburtsfestes des Kaisers vollzog sich in der üblichen Weise. Dem Gottesdieust in der Garnisonskirche wohnten an: der König und die Königin mit Gefolge, Kriegsminister v. Marchthaler, die Generale Freiherr v. Bilfinger und Graf v. Zeppelin. Die Festpredigt hielt Feldprobst Prälat v. Blum. Zum
mich hier festzuhalten?" fragte sie tonlos. „Du hast^ Beatrice, deine Freunde, du siehst mich ja kaum ein paar Augenblicke am Tage."
„Weil ich töricht genug war, immer noch zu hoffen, mit der Zeit deinen Widerwillen zu bezwingen, deshalb drängte ich dir meine Gegenwart nicht auf. Jetzt aber werde ich diese Rücksichten fallen lassen, Beatrice hat recht, du verstehst eine schonende Behandlung gar nicht zu würdigen."
„Besitzest du denn keinen Funken von Stolz, daß du mich mit Gewalt an dich ketten willst, obwohl du weißt, wie sehr ich dich hasse und verabscheue, daß ich lieber auf der Straße stürbe —"
„Wage es nicht, mich noch länger zu beleidigen, oder du könntest es bereuen," entgegnete Adrian. „Freigeben tu ich dich nimmermehr!" Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und Toska hörte, wie der Schlüssel sich im Schlosse bewegte — sie war eine Gefangene.
Einen Moment kam ihr der Gedanke, sich vom Fenster hinabzustürzen, aber im nächsten Moment schauderte sie von diesem Rettungsmittel zurück. Sie hatte einmal den blutigen, zur formlosen Masse gewordenen Körper eines unglücklichen Dienstmädchens gesehen, das von der dritten Etage auf die Straße hinabgestürzt war, und deren entstellten Leichnam neugierige Gassenbuben und rohe Weiber umstanden.
Nein nur nicht diesen Tod, und vielleicht kam Achim dennoch! Vielleicht hatte ihn ein vorübersegelndes Schiff ausgenommen und in irgend ein
Gottesdienst in der kath. Eberhardskirche, wo Kirchenrat und Garnisonspfarrer Mangold ein levitiertes Hochamt zelebrierte, waren die Herzöge Albrecht, Robert und Wilhelm von Urach erschienen. Anschließend an den Gottesdienst in der Earnisons- kirche fand in der festlich geschmückten Gewerbehalle große Paroleausgabe statt, wobei der König folgende Ansprache hielt: „Kameraden! Am heutigen Tage, dem Geburtsfest S. M. des Kaiser, geben wir den Wünschen Ausdruck, die jeden von uns beseelen: Glück und Wohlergehen für unseren obersten Kriegsherrn! Wir geloben Treue, wenn das Vaterland rufen sollte. Ich fordere Sie alle auf, das zu bekräftigen mit dem Rufs: S. M. der Kaiser Hurra!" Die Parole lautete: Es lebe der Kaiser! Während der Paroleausgabe spielten die Musikkorps des Jnf.- Reg. No. 125 und des Drag.-Reg. No. 26. Von einer im Schloßgarten aufgestellten Batterie des Art.-Reg. No. 13 wurden 101 Ehrenschüsse abgefeuert. In den Kasernen wurden die Mannschaften festlich bewirtet. — Zu dem Essen in der preußischen Gesandtschaft waren die Minister, die Oberhofchargen und die höheren Beamten der politischen Abteilung des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten geladen.
Stuttgart, 27. Jan. Die Firma Robert Bosch hat wegen der über sie verhängten Sperre, die sich bis jetzt im Betriebe noch nicht fühlbar macht, vorerst noch keine Schritte unternommen, die irgendwie als Gegenmaßregel gedeutet werden könnten. Dagegen besteht, wie die „Württemberger Zeitung" hört, die Absicht, die Werke ganz still zu legen, sobald durch die Sperre die Weiterarbeit starr gehindert wird.
Cannstatt, 27. Jan. Ein Eifersuchtsdrama spielte sich gestern vormittag 11 Uhr in dem Haus Wiesen- stratze 40 -1 in Cannstatt ab. Seit einigen Jahren wohnt im Erdgeschoß des genannten Gebäudes der Mechaniker August Kleinknecht mit seiner Frau. Eine Wohnung im ersten Stock hatte der Schreiner Eottlieb Mödinger mit seiner Familie inne. Bis zum Herbst des vergangenen Jahres standen die beiden Familien auf gutem Fuhe miteinander. Das Verhältnis wurde getrübt, als Mödinger, der von seinen Nachbarn als fleißiger, rechtschaffener Mann geschildert wird, merkte, daß seine Frau Beziehungen zu Kleinknecht, einem arbeitsscheuen Menschen unterhielt. Am letzten Freitag traf Mödinger seine Frau in der Wohnug des Kleinknecht mit diesem allein an. Es kam zwischen den beiden Ehemännern zu erregten Auseinandersetzungen. Seinen nach dem Vorfall öfters geäußerten Entschluß, sich an Kleinknecht zu rächen, brachte Mödinger gestern vormittag kurz nach 11 Uhr zur Ausführung. Er traf Kleinknecht vor dessen Wohnung. Nach kurzem Wortwechsel feuerte Mödinger aus einem Revolver drei scharfe Schüsse auf Kleinknecht ab, die alle trafen. Kleinknecht gab dann auch einen Schuß auf MÄnnger ab, der diesen in die Brust traf. Beide wurden schwer verletzt in bas Krankenhaus in Cannstatt verbracht. Die Verletzungen sollen nicht lebensgefährlich sein.
Weinsberg, 27. Jan. Es bestätigt sich, daß der Stadtpflegegehilfe Baumann, der am 30 November nach Unterschlagung von 10000 Mk. flüchtig gegangen ist, in Triest verhaftet wurde. In seinem Besitz wurden noch ca. 8000 Kronen vorgefunden.
Bartenstein OA. Gerabronn, 28. Jan. Postverwalter Hasis wurde auf Antrag des Postrevisors verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis Langen- burg eingeliefert. Man spricht von einem Fehlbetrag von .ll 700.—. Der Perhaftete war als dienstwilliger, freundlicher und zuvorkommender Postbeamter sehr beliebt.
^ weit entferntes Land geführt, aus dem er erst nach Monaten zurückkehren konnte.
„Herr, Hstrr, sende ihn mir, ehe es zu spät ist!" schluchzte sie.
Spät am Abend kam Adrian, begleitet von Bea- trice und einigen Sängern der Königlichen Bühne.
„Meine Freunde werden den Abend bei mir zubringen," sagte er, in Toskas Zimmer tretend, „und ich verlange, daß du die Pflichten der Wirtin gegen sie erfüllst."
Ich befehle dir, sie zu begrüßen, dich mit ihnen zu unterhalten und ihnen ein gutes Abendessen oor- zusetzen, denn ich will nicht, daß meine Freunde in meinem Hause etwas vermissen."
„Es ist mir unmöglich, ich fühle mich so schwach, daß ich mich kaum aufrecht halten kann."
„Du brauchst ja nicht zu stehen, und übrigens habe ich auf deine Kränklichkeit lange genug Rücksicht genommen, jetzt will ich mein Haus nach meinem Gefallen einrichten. Fünf Minuten lasse ich dir Zeit, dich zu entscheiden. Entweder du gehorchst, oder ich behandle dich vor den Augen dieser Menschen in einer Weise, die deinen Stolz viel tiefer demütigt, als wenn du meinen Wunsch erfüllst."
Schweigend zog er seine Uhr und trat ans Fenster. Dann sagte er, sich ihr wieder zuwendend: „Die Frist ist verstrichen, wozu bist du entschlossen?"
Sie maß ihn mit einem zornig verächtlichen Blicke. Wenn du glaubst, mich noch nicht genug ge-
Raoensburg, 27. Jan. In der Zeit vom 1.—3. Februar findet hier eine große württem- bergische Landesgeflügelausstellung statt. Den bisher eingelaufenen Meldungen zufolge wird sie mit 730 Nummern an lebendem Geflügel beschickt sein, darunter finden sich die seltensten Tiere. Auch eine Reihe von Apparaten und Vorrichtungen für die Geflügelzucht und Vogelschutz ist angemeldet. Deshalb ist nicht nur den Züchtern, sondern auch den weitesten Kreisen die Beachtung der seltenen Gelegenheit zu empfehlen. Der Eintrittspreis ist niedrig gehalten. Er beträgt für einen Erwachsenen 30 Pfg., für Kinder 20 Pf., Schulen, die am Montag den 3. Febr. klassenweise die Ausstellung besuchen, erhalten eine Ermäßigung auf 5 Pfg. für den einzelnen Schüler.
Aus Wett und Zeit.
Baden-Baden, 27. Jan. Das neue Militür- lustschiff unternahm gestern von 11 Uhr 10 Min. vormittags bis 2 Uhr nachmittags eine gut verlaufene Geschwindigkeits- und Höhenfahrt, bei der es b ^ Stunden lang in einer Höhe von mehr als 2000 Metern verweilte. Darauf wurde das Luftschiff von der Militärverwaltung endgiltig abgenommen.
Berlin, 27. Jan. Der Reichstag feierte den Geburtstag des Kaiser durch ein Festessen in den reichgeschmückten Räumen des Reichslagsgebäudes. Präsident Dr. Kämpf erinnerte in seinem Kaisertoast an die erfolgreichen Kämpfe von 1813, die die ersten waren, die im Geiste der Einigung Deutschlands geführt wurden. Das Ideal der Vaterlandsliebe wurde die Quelle der Kraft, die den gewaltigen Kampf von 1813 wagen und siegreich durchführen ließ. Sie hat sich auch in den weiteren Kämpfen für die Einigung Deutschlands glänzend bewährt und darf auch in dem neuen Deutschen Reich nicht versiegen, soll das Reich nicht verkümmern. Er begrüßte den Kaiser als den Erben des Großen Kurfürsten und Friedrichs des Großen als unermüdlichen Verfechter des idealen Geiste, unter dessen schützendem Dach Kaiser Wilhelm I mit seinen hohen Verbündeten und seinem großen Staatsmann die Grundlagen des Reichs errichtet als den Fürsten, der in seiner Hand die größte militärische Macht der Erde vereinige, der sie aber nicht angewandt habe, um kriegerische Lorbeeren zu pflücken, sondern um uns und der Welt den Frieden zu bewahren.
Berlin, 27. Jan. Das Vorgehen der geistlichen Behörden gegen den Herrn Wetterle hat sich auf einen Brief beschränkt, den der Bischof Dr. Fritzen persönlich an Wetterls geschrieben hat. In dem Brief hat der Bischof es zwar abgelehnt, Wetterlö für seine politische Tätigkeit Vorschriften zu machen, ihm aber seine Mißbilligung wegen seines Auftretens in Frankreich ausgesprochen. Das bischöfliche Ordinariat als solches ist mit der Sache nicht befaßt worden.
Daressalam (Deutsch-Ostafrika), 25. Jan. Oberleutnant Wuppermann, der sich mit seiner Gattin auf der Jagd befand, wurde durch eine Antilope schwer verletzt. Der Oberleutnant mußte nach Mahenge geschafft werden. Während des nächtlichen Marsches ertönte plötzlich der Ruf „Löwe". Die eingeborenen Begleiter schoflen daraufhin wild darauf los. Ein Schuß traf die Gattin des Oberleutnants in den Rücken, sodaß sie tot zusammenstürzte.
quält zu haben, gut, so zwinge mich auch dazu, mein Elend vor der Welt bloßzustellen."
Adrian erfaßte ohne ein Wort der Entgegnung ihre Hand und legte sie mit schmerzhaftem Druck auf seinen Arm. Dann öffnete er die Tür des Musikzimmers und rief mit möglichst unbefangener Miene seinen Gästen entgegen: „Gestatten die Herrschaften, daß ich Ihnen meine Frau vorstelle."
Toska preßte die Lippen aufeinander, sie hätte am liebsten laut aufgeschrieen: „Cs ist nicht wahr, ich bin nicht seine Frau, nur seine Gefangene."
Die jungen Künstler aber sprangen überrascht von ihren Plätzen auf. In der ewig kranken Gattin ihres Freundes, deren Namen er stets nur mit Widerstreben in den Mund nahm, hatten sie unwillkürlich ein jammervolles Wesen vermutet, das mit seinen unliebenswürdigen Launen den Mann aus dem Hause trieb. Äuf den Anblick dieser gebietenden Schönheit waren sie nicht vorbereitet.
Fast ohne es selbst zu wissen, schlugen sie in Toskas Gegenwart einen weniger ungezwungenen Ton an, denn es lag ein Etwas in dem ganzen Wesen der jungen Frau, was jeden dreisten Blick, jedes kühne Wort mit unwiderstehlicher Gewalt von sich fern hielt. War es der Hauch der Vornehmheit, oder war es der Ausdruck unsäglichen Schmerzes, der eine unsichtbare Scheidewand aufrichtete zwischen der bleichen, jungen Frau und den übermütigen, fröhlichen Gästen?
(Fortsetzung folgt.)