16. Amts- und Anzeigeblatt für den OberamtsbezirL Calw. 88. Jahrgang.

OrfcheivunaSweis«: Smal wöchentlich. Anzeigenpreis: Im OLeramtS- Srzirt Taiw sür die einspaltige BorgiSzeile 10 Pfg.. außerhalb desselben ILPsg.. Reklamen LS Pfg. Schluß für Jnseratannahme 10 Uhr vormittags. Telefon 9.

Dienstag, den 21. Januar 1913.

Bezugspreis: In der Stadt mit TrLgerlohn Mk. 1.25 vierteljährlich» Past« bezugSpretS für den Orts- und Nachbarortsverkehr Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.80. Bestellgeld in Württemberg 30 Pfg., in Bayern und Reich 42 Pfg.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung.

Die Maul- und Klauenseuche

ist ausgebrochen im Seehaus, Gemeinde Leonberg. Der 15-Kilometer-Umkreis Verbot des Hausier­handels mit Vieh reicht bis einschließlich Ostels­heim.

Calw, den 20. Januar 1913.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

In diesem Sommer bin ich durch Bulgarien gewandert und geritten, durch den Schipkapaß über das Balkangebirge hinunter . . . Sonnverbrannt und staubbedeckt mache ich i» Kasanlik Halt, einem kleinen Dorf, fern von jeder Bahnver­bindung, aber berührt durch seine üppigen Rosen, die gleich Kartoffeln in breiten Aeckern gepflanzt und gepflegt werden und welche viele Millionenwerte von Rosenöl für die weite Welt liefern. Ich benötige eine Apotheke, suche sie und finde sie . . . und bestelle beim bulgarischen Apotheker meine Arzneimittel ininternationalem" Französisch. Der Bulgare betrachtet mich . . . und antwortet in geläufigem Deutsch: Ah! Sie wollen das und das; ich empfehle Ihnen ein anderes Mittel . . Ich bin erstaunt, inmitten des bulgarischen Orients in einem abgelegenen alten Türkenort mit deutschen Lauten begrüßt (und beschämt) zu werden und frage freudig, wodurch und woher er sein Deutsch habe.Oh!" ant­wortet der Bulgare stolzdeutsches Studium, deutsche Sprache, deutsche Ware, deutsche Apotheke!"^ . . und er er­zählt, daß viele seiner Landsleute, jedes Jahr mehr, in Oesterreich und in Deutschland studieren, und wie die deutsche Sprache in Bulgarien bereits die verbreitetste aller Fremd­sprachen geworden ist . . . Seitdem habe ich in Bulgarien mein Französisch verschwiegen und mein Deutsch vorangestellt und bin stets durchgekommen, wenn ich mich vorstellic:Ich bin ein Deutscher!"

Nochmals sollte ich beschämt werden: In Konstantinopel bummle ich durch Peras steile, steinige Gassen und suche in Straßen, die nicht benannt sind, und zwischen Häusern, die nicht numeriert sind, hgs verborgene Heim einer politischen Persönlichkeit. Ich irte umher und finde mich nicht zurecht . . . und frage schließlich einen Passanten, der einenge­bildeten Eindruck" macht, nach der Wohnung des von mir gewünschten Diplomaten, natürlich wieder einmal in der Diplomatensprache", französisch. Der Herr betrachtet mich . . . und antwortet in geläufigem Deutsch:Ich bin Grieche, kenne Berlin und spreche Ihre Nationalsprache!" Und er beginnt von Deutschland zu erzählen und zu schwärmen, wie es seine Sehnsucht sei, bald wieder ius große Reich hinauszu­kommen . . . Und endgültig prägt sich in mir der Wille fest, immer und überall zu beginnen:Ich bin ein Deutscher!" . . .

(Schluß folgt.)

b. Schwäbischer Albverein. Vom 11. bis 31. Mai findet die für das Jubiläumsjahr des Schwäbischen Albvereins geplante Ausstellung von Albgemälden im Stuttgarter Kunstverein statt. Die Festnummer der Albvereinsblätter wird am Gründungstage, dem 13. August, erscheinen. Die Jubiläumsmitglieder aus dem Eründungsjahr erhalten ein besonderes Abzeichen. Außerdem wird auf dem Roßberg mit mehr als 30 000 -K Baukosten der Jubiläumsturm eingeweiht. Ein neuer Weg mit einem Kostenauf­wand von 3500 -K ist bereits von Gönningen aus den Gipfel des Roßbergs angelegt worden.

Noch mehr Telephonistinnen! Nach einer Be­kanntmachung der Eeneraldirektion der Posten und Telegraphen ist der Bedarf an Postanwärterinnen noch nicht gedeckt. Mädchen, die eine gute Schul­bildung durch Zeugnisse von höheren Töchter- oder Mittelschulen oder von ähnlichen einheimischen Lehr­anstalten Nachweisen können, werden ohne Ablegung einer Prüfung angenommen und können jederzeit Aufnahmegesuche einreichen. Für andere Kandi­datinnen wird im Februar oder März d. Js. eine Aufnahmeprüfung abgehalten. Die Gesuche um Zu­lassung zur Prüfung sind an die Generaldirektion zu richten und bei den nächstgelegenen Postämtern sin Stuttgart beim Telegraphenamt) bis zum 15. Februar d. Js. einzureichen. Diese Stellen geben über die erforderlichen Belege Auskunft, veranlassen die vorgeschriebene postärztliche Untersuchung und legen die Gesuche der Eeneraldirektion vor.

xcb. Mutmaßliches Wetter. Für Mittwoch und Donnerstag ist teilweise regnerische und .zu­nächst milde, dann wieder rauhere Witterung zu erwarten.

AusBad Liebenzell.

Vom Rathaus.

Oeffentliche Sitzung des Gemeinderats und Bür­gerausschusses am Samstag, den 11. Januar, unter dem Vorsitz des Stadtschultheitzen Mäulen. An­wesend vom Gemeinderat 9 Mitgl., vom Bürger­ausschuß 11 Mitgl. Auf den Plätzen der Kollegien ist je ein Exemplar des Geschäftsberichts des Stadt­schultheißenamts pro 1912 aufgelegt. Der Vorsitzende erösfnete die Sitzung und dankte dem Kollegium für

Ich bin ein Deutscher!"

Von Dr. E. Jäckh.

Neulich hat ein deutscher Kaufmann aus Amerika in die alte Heimat die ausmunternde Mahnung gesandt:Seine! Eermanus, semper Germanus!"Wer einmal Deutscher ist, soll immer Deutscher bleiben!" Und er hat unter Hinweis aus fremdtümelnde Vorgänge im Verkehr deutscher Geschäftsleute mit ausländischen Ländern den alten Pflichtruf erneuert: Daheim anfangen!" Man kann wohl hinzufügcn:Draußen fortsetzen!"

Ich selbst bekenne mich als ehedem schuldig durch ge­dankenlose Bequemlichkeit, aber auch als endgültig bekehrt, und zwar durch den Deutschen Kaiser persönlich, und durch Bulgaren und Griechen, Türken und Italiener. Solche Zu­sammenstellung mag merkwürdig erscheinen, sie bringt aber in Wirklichkeit nur selbsterlebte Tatsachen, die manchen Leser in seiner Stimmung und Betätigung so bekräftigen mögen, wie sie mich selbst gewandelt haben.

Im vorigen Sommer war's: Der Deutsche Kaiser hatte mich als de» Organisator und Führer der türkischen Studienkommission, die Deutschland vier Wochen lang be­reiste, in Kiel auf dieHohenzollern" einladen lassen, samt vier Türken, dem leitenden Ausschuß der fünfzigköpfigen Ge­sellschaft. In einer Besprechung mit dem Hofmarschall waren die üblichen Förmlichkeiten vereinbart, besonders auch die Personalien der türkischen Gäste festgestellt worden. Der Kai­ser wußte also genau, daß nur ein einziger deutsch, die übri­gen drei nur französisch verstanden. Wie wir fünf vor ihm standen, begann der Kaiser, der bekanntlich ein vollendetes Französisch spricht, die Unterhaltung in deutscher Sprache und setzte sie auch so fort, während der ganzen, geraumen Zeit dieser politischen Audienz. Die dreifranzösischen" Tür­ken führende Persönlichkeiten waren sprachlos, in dieses Wortes buchstäblichster Bedeutung: sie schwiegen auch noch, als eine kaiserliche Schaluppe uns wieder ans Land trug . . . sie schienen enttäuscht ... sie dachten nach . . . und schließlich sagte einer:Ihr Kaiser hat recht, und wir haben ihn wohl kaum falsch verstanden, wenn wir seine Absicht so deuten, daß er uns sagen will:So gut ihr französisch versteht, so gut könnt ihr euch daran gewöhnen, deutsch lernen zu müssen: be­sonders wenn ihr zu mir kommt. Denn ich bin ein Deutscher!"

Stadt» Bezirk «nd Nachbarschaft

Calw. 21. Januar 1913.

Vortrag. Heute Dienstag abend spricht in der Monatsversammlung des Jungliberalen Vereins Herr Handelsschuldirektor Fischer überDie Kon­kurrenzklausel." Da sich zurzeit der Reichstag mit dieser Frage beschäftigt und ejn neues Gesetz hier­über schassen soll, so dürfte der Besuch dieses Vor­trags, zu dem alle Jnterressenten, besonders die Prinzipale und Angestellten eingeladen sind, ange­legentlichst empfohlen werden. (Einges.)

Die Schule -es Lebens.

34) Roman von Herbert v. Osten.

Sie erkannte, daß ihre Herzen sich nicht ver­standen, datz sie sich beide unglücklich und unbefrie­digt fühlen würden. All diese ihr Herz noch unklar durchwogenden Empfindungen las der liebende Blick der alten Gräfin im ersten Moment aus ihrem trau­rigen Gesichtchen, welches deutlich die Spuren ver­gossener Tränen trug. Inniges Mitleid mit diesem süßen Kinde, das ihres Sohnes halber leiden mußte, erfaßte sie und stürmisch zog sie Edith an die Brust.

Edith barg das blonde Köpfchen in dem Schoße ihrer treuen Freundin und in lautem, leidenschaft­lichem Weinen löste sich der Schmerz ihres jungen Herzens.

Die alte Dame strich mit linder Hand über den goldigen Scheitel des schluchzenden Mädchens, dann richtete sie das tränenüberströmte Gesicht ihres Lieb­lings sanft empor und bedeckte den kleinen, zucken­den Mund mit zärtlichen Küssen.

Lange, lange blieben die beiden Frauen bei- mnander. Edith schüttete ihr ganzes, kummervolles Herz vor der mütterlichen Freundin aus, und als sie endlich Hochftraten verließ, war es wieder ruhig und still m chr geworden, sanft getröstet fuhr sie, von srtscher Hoffnung belebt, einem neuen Leben entgegen.

Percy Hochstraten aber verließ nach an dem-

selben Tage Hochstraten, um in fremden Ländern Trost und Vergessen zu finden. Er reiste nach Nor­wegen, dessen rauhe, herbe Natur wohltuend auf seine erschlafften Nerven wirkte, und dessen wilde Schönheit seinem Auge Wohltat.

Unter der Tropen glühend heißem Himmel, durch des blauen Weltmeers unendliche Flut zog kühn derAdler" seine schimmernde Bahn. Schäu­mend umspritzten die Wellen den stolzen Bug der deutschen Korvette, hoch ragten ihre schlanken Ma­sten und flatternd im Winde wehte die schwarz- weitz-rote Flagge wie grüßend Samoas felsenumgür- teten Inseln entgegen, die unter den wehenden Kro­nen ihrer schlanken Palmen träumend im Sonnen­lichte lagen.

Achim von Weyherr stand in eifrigem Gespräch mit seinen Kameraden auf Deck des Schiffes. Er hatte die Arme über die Brust gekreuzt und bot mit wohligem Behagen die sonnengebräunte Stirn den rauschenden Winden.

Wie herrlich bist du, du würziger, frischer Meeresodem, und wie herrlich du selbst, du ewiges Meer!" sagte er mit tiefem Atemzuge.

Begreifst du's, Feldern, daß wir Germanen so lange unser ureigenstes Element vergessen konnten? Wir, die Söhne der alten Wickinger, der weltge­fürchteten Meeresadler, welche die segelumflatterten Drachen so sicher und sieghaft durch den tosenden Sturm und die donnernde Brandung lenkten?"

Der deutsche Adler schlief eben einen langen,

§ langen Schlaf," antwortete Leutnant Feldern, indem er die sehnige Gestalt höher emporreckte.Jetzt aber ist er erwacht, mächtig reckt er seine Schwingen, um sie auszubreiten in kühnem Flug, weit über die Grenzen des heimischen Erdteils."

Weyherr drückte dem Freunde warm die Hand. Du sprichst mir aus der Seele, Feldern. Mir lacht stets das Herz, wenn ich die schwarz-weiß-rote Flagge von den Masten eines Schiffes, oder von den welt­fremden Küsten dieser tropischen Länder herabwehen sehe. Das Meer gehört uns von altersher, und wir wollen es uns zurückerkämpfen, dem Neid unserer Feinde zum Trotze. Siegend wollen wir deutsche Sprache und deutsche Sitten in diese paradiesisch schönen Inseln tragen."

Am schönsten finde ich die Lagune dort," mischte sich Leutnant Wolfsdorf in das Gespräch, auf die unbewegte, smaragdgrüne Wasserfläche deutend, welche wie ein einziger, riesiger Diamant der Sonne entgegenfunkelte umstarrt von den schäumenden Korallenriffen, mit ihren Schneekronen und dem rollenden Donner ihrer ewigen Brandung.

Wie eigentümlich die Beleuchtung ist," fügte Weyherr hinzu, indem er nachdenklich zum Himmel aufblickte, dessen durchsichtigen Aether die Sonnen­strahlen durchbrachen.Hier Helles Licht wie an einem heiteren Sommertage, und dort, jenseits der Lagune, wo man nur noch den Wasserstaub der sich brechenden Wogen sieht, dieser schwere, graue Dunst-