Rr. 213.
Altensteig, 12. September
Jahrgang 1S14.
Der Krieg.
Horch! Ringsum di? Erde erdröhnt und erbebt Von tobenden Schlachtengewiriern;
Ein gräßlicher Würger Europen umschwebt,
Ein Morden, wie 's niemals die Menschheit erlebt, Und Lüfre und Meere erzittern.
Wutschnaubende Jäger und Meute, im Chor Die Höhle des Löwen umstellen,
Mit grimmiger Tatze doch stürzt er hervor,
Die Gegner zerfleischend, daß ihnen im Ohr Noch lang sein Gebrülls wird gellen.
Was ist's nun, daß wir uns beim gallischen Hahn Um redliche Freundschaft bewarben?
Was wir als friedliebender Nachbar getan Das rechnet er höhnisch als Schwäche uns an,
Die Wunde soll nimmer vernarben.
Und fragt ihr den ehrlos erbärmlichen Wicht,
Den unersättlichen Briten,
Warum er das Schwert gegen Deutschland gezückt, Dann muß er bekennen: „Ich weiß es nicht!
Mich hat wohl der Satan geritten!"
Ja, Satan! Sonst hätt' er sich wahrlich gescheut Barbaren noch auf uns zu Hetzen;
Der Jammer des Kriegs, das unsägliche Leid,
Das gleich dem Blut Abels zum Himmel aufschreit Ist nur auf sein Conto zu setzen.
O schamlose Lügenbrut! Die sich erfrecht Stets Wahrheit und Recht zu verdrehen,
Die Nemesis naht! Dem zertretenen Recht Wird in dem geschmähten Teutonengeschlecht Ein heiliger Rächer erstehen.
Gigantisch, gewaltig und wuchtig, nach Art Der alten germanischen Eichen,
So stehen, mit glühender Kampflust gepaart, Germaniens Söhne, ums Banner geschart,
Da gibt es kein Wanken, kein Weichen.
Gott! Lenker der Schlachten! Steh' du uns nun bei. Daß Wahrheit und Recht nicht erliege.
Wie du unfern Vätern gewogen und treu,
So führ' unsre Waffen auch wieder aufs neu Zum baldigen gründlichen Siege!
Höfen a. E. L. Sch.
Das Glöcklein des Glücks.
Roman von Ludwig Rohmann.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Ulrich dachte an den Nachmittag und daran, wÄs er bringen würde. Ob er wohl mit Eve ins'Rjeine kam? Seine Brust hob sich Unter einem langen tiefen Atemzug-: Natürlich, es mußte ja kommen. Und nun gar wenn Walter dabei war. Der mußte sich der Mutter widmen und er und Eve hatten dann freie Hand.
Er lächelte still vor sich Un und sah mit einem verstohlenen Seitenblick in das seine, durchgeistigte Gesicht des Freundes- Es war doch wirklich gut, daß Walter da war. Und eigentlich war es'merkwürdig, daß er von Walters' Freundschaft eigentlich immer nur Vorteile gehabt hatte. Etwas wie Rührung kam über Ulrich, und ganz, ganz Heise mischte sich etwas wie überlegener Spott hinein. Wenn mans nämlich recht überdachte, war es' doch herzlich dumm, so ganz anspruchslos! zu sein. Er selbst würde so nie sein können. Amboß oder HamF mer — jeder nach seiner Art.
Dabei kam ihm der Gedanke wieder, den der Rittmeister angeregt und gestern ernhaft besprochen hatte: das Werk über die Reise. Ob er dochi einmal anpochen sollte? Vielleicht war Walter es! zufrieden und dann konnte er doch auch mit der Gehöriges Legitimation an seinem größeren Ruhme arbeiten, wie der Vater das wünschte.
„Stör' ich deine Träume, wenn ich dich etwas; frage?" - < ! ^ '
Walter wandte den Blick nicht von der Landschaft ab. „Frage!" sagte er ruhig.
„Du darfst aber unter kernen Umstanden böse werden?"
Nun wandte Walter ihm doch schnell den, Blick An,
„Böse? Und unter keinen Umständen?? Hm! Ist's denn danach?" > '
„Ich weiß nicht recht!" — Ulrich prüfte jetzt-angeblich seine Fingerspitzen. „Eigentlich wohl nicht. Ich spreche auch nur davon, weil mein Vater Wert darauf legt —"
„Woraus?"
„Du entsinnst d ich, was er vorgestern von einem Buch sprach, das ich schreiben sollte?"
„Ach so-" Walter lächelte sein. „Pläne eines kranken Mannes, der stolz auf seinen S ohn und alles über ihn häufen möchte, was nach Erfolg grnd Ehre aussieht."
„Anfangs ist's auch nicht mehr gewesen," sagte Ulrich ein wenig besängen. „Aber gestern sprach er wieder davon. Kranke Leute sind hartnäckig, weiht du. Und diesmal hat er direkt verlangt, daßjichj das Buch schreiben müsse."
„Einen Augenblick, Ulrich!" Walter hatte sich mit einer entschiedenen Wendung ganz gegen Ulrich gekehrt und sah ihn durchdringend an. „Das klingt so bestimmt: Das Buch. Du weiht doch selbst, daß ich das Buch über die Expedition schreiben werden wenn wir erst wieder in Berlin sind. Was für ein Buch solltest denn du nun stoch schreiben wollen?"
„Nicht schreiben wollen," sagte Ulrich ein wenig nervös, „ich soll es schreiben. Das ist eins Unterschied, auf den ich ans begreiflichen Grüstden Wert leger: muh. Es soll übrigens auch gar keim Buch sein, das deinem Werk Konkurrenz machen könnte—" „Ach deshalb!" machte Walter verächtlich. „Daß sichs Nicht darum handelt, weißt du doch."
„Ich denke vielmehr an Äne Monographie über dre Ermorden oder auch über die Craspedoten oder etwas derartiges.
„So, also eine Ergänzung gewissermaßen?" „Ja," rief Ulrich froh.
„Hm. Aber nun überlege einmal: Ich h abe insgesamt zwölf wissenschaftliche Begleiter gehabt. Wenn nun jeder von diesen Zwölfen daran ginge, solch eine Monographie zu schreiben — meinst du, daß das gut wäre? Ich will gar nicht einmalsfrageu, was dann aus meinem eigenen Werk werden soll, das ich doch auftragsmähig schreiben muß." — „Nun, das würde man doch wohl immer lesen." „O ja — etwa wie man einen Romgn liest^ oder eine hübsche Weifebeschreibung: am soundso- vielten waren wir da, am soundsovielten dort und am soundsovielten wieder wo anders- Dazu ein paar Photographien, ein paar Sichisescherze; Fangmethoden und Geräte und sonst allerlei unterhaltsames Zeug dieser Art. Und das wissenschaftliche Ergebnis überlasse ich untertänigst meinen Herren Mitarbeitern —" ,
„Du bist empfindlich. So war's doch gar nicht gemeint —"
Walter stand auf: „Doch mein Junge — so ist's gemeint. Warum sprichst du überhaupt über den Plan mit mir? Weil du hören möchtest, wiie ich mich dazu stelle, weil du hoffst, daß ich; ums unserer Freundschaft willen gleich beide Augen zudrücken und dir sagen werde: Schön, mein Sohn, schreibe du dein Buch, ich stelle ä'ir gern mein Material' zur Verfügung. Aber wie gern ich dir nun auch! freie Bahn schaffe, und dir förderlich bin — hierjistz dife Grenze, die du unter keinen Umständen überschreiten darfst. Du bist unter meinen Begleitern der jüngste und der unfertigste d azu, und du zuletzt darfst daran denken, für dich allein ausnützen zu wollen, was-.wir alle in gemeinsamer ernster Arbeit und zum guten Teil mit Staatsgeld für die Wissenschaft gewon'nen haben." r r
Auch Ulrich war ausgestanden. Er war peinlich berührt von der Entschiedenheit, mit der Walter ihm' hier zum erstenmal entgegentrat. ,
„Mein Gott," sagte er nun, „du nimmst die Sache nach deiner Art wieder einmal bitter ernst-— jedenfalls viel ernster, als sie gemeint war. Mr sind doch Freunde, meine ich , Da schien es mir nur ganz einfach Pflicht, zu sagen, was mein Vater von mir erwartet."
„Dein Vater ist ein kranker Mann, und ich!bin sein Gast. Außerdem ist er in diesenf Dingen Laie, und mit ihm könnte ich auch dann nicht rechten, wenn ich nicht Rücksichten zu nehmen hätte." - „Na, schön — sprechen wir also nicht mehrfda- von," sagte Ulrich kurz. . '
Es entstand eine Pause, die beide unbehaglich empfanden. >
„Wollen wir einen Spaziergang über äie Felder machen?" fragte Ulrich endlich, nur um etwas zu sagen. l
„Meinetwegen!" sagte Walter müde. §Er war ernstlich verstimmt. — -
Als die Mittagsglocken leise und klingend über die Felder tönten, gingen sie langsam nach Wonneberg zurück. Schweigend, wie sie in all der Zeit nebeneinander hergegangen waren.
Den Rittmeister trafen sie im Hof, als sie zurückkämen. Er sah blaß und krank aus, nahm! sich aber
zusammen, umHaltung zu bewahren. Er begrüßte Walter mit übertriebener Freundlichkeit und sprach davon, daß man ihn entbehrt habe, und daß er sich freue, ihnwieder zu haben. Allerdings — Danzig sei interessanter als die Wonneberger Einsamkeit.
Er schwieg und erwartete offenbar einen höflichen Protest.
Walter aber hatte die Bemerkung absichtlich überhört, und erkundigte sich nun danach, wie es- denk Herrn Rittmeister gehe.
„Aeh — reden wir nicht davon. So ehtr altert Schächer muß froh sein, daß er's Leben hat, menns auch nur ein Leben ist, das von Schmerzen ^erfüllt: und mit Rücksichten und Entbehrungen gesättigt ist.
— Spaziergang gemacht? Fein stehen die Felder
— was? Haben Sie je solches Getreide gesehen? Fast zwei Meter. Und Aehren — es wiegt jede ihre runden '50 Gramm. Ja, der Wonneberger Boden ist.doch noch was! Und die Kartoffeln erst und die Rüben! So was gibts hier herum so bald sticht wieder."
So renommierte er weiter, und die beiden hörten höflich zu, während alle drei langsam nach dem Herrenhause gingen.
Dort wartete der gedeckte Kä'sch, und Frau von Wannoff freute sich, daß die junglen Herren erklärten, sie brächten einen tüchtigen Appetit mit. Sie aßen dann wirklich mit Appetit, während der Rittmeister allerlei erzählte. Ein bischen Klatsch aus der Umgebung und Schnurren aus' seiner Dienstzeit. Dann wurde er sentimental. Er hatte wenig gegessen, dafür aber dem Wein ordentlich zugesprochen. "And so sprach er denn von der Armseligkeit des Lebens im allgemeinen und seines Lebens im besonderen, obgleich er kurz vorher sein Dasein trotz aller Beschwerden sehr erträglich gefunden hatte.
.Dann kam ein Verdauungsskat, gegen "den Walter sich vergeblich mit dem Einwand zu wehrest suchte, daß er ein ganz miserabler Skätspieler sei.
„I, lieber Professor — Meister sind wjir alle nicht, und so'n Skat nach Tisch ist nusti, dochf das. beste für die Verdauung. Und auch sonst. Das gibt immer so'n nettes Gleichgewicht und fördert das Behagen. Ich freu mich ja die ganze Zeit schon diebisch, daß wir die drei Mann zum Skat beieinander haben."
-L-rur Ivurve oann nassee gerrunren.
Walter machte Fehler über Fehler, aber da der Rittmeister dabei fast immer im Vorteil war, so wurde er tüchtig ausgekocht. >.
Der Rittmeister kam in der Freude über den Stand des Spiels! so fchnell in die bestei,Laune, und nebenbei sank sein Respekt vor dem gelehrten Herrn ganz gewaltig. Skat gehörte zur guten Erziehung was ein anständiger Mensch war, der muhte auch einen annehmbarenSkat spielen können.
Der Skat wurde erst abgebrochen, als Alrich voll
Unruhe erklärte, daß hinaus müsse. Er
er (nun aber wirklich ein bischen reue sich den ganzen Tag über schon aus einen tüchtigen Spazierritt, und Walter wolle seine halbvergessene Reitkunst wieder ein bischen auffrischem Das war dem Rittmeister nun zwar nicht recht —her für sein Teil hätte Pis in die Nacht hinein weiterspielen können; aber er gab sich doch unter der Bedingung zufieden, daß die Herren zur Abendmahlzeit zurück seien, und daß man dann noch ein paar Runden mache.
(Fortsetzung folgt.)
Vermischtes.
8 Eine Prophezeiung Kaiser Wilhelms I. In den jüngstvergangenen Tagen hat sich eine Prophezeiu: g Kaiser Wilhelms I. geradezu wö-tlich erfüllt. Als im Oktober 1870 die Verhältnisse der nach Metz hineingeworfenen französischen Armee unhaltbar geworden waren, wurde General Bayer zur Kaiserin Eugenie nach Chislehurst geschickt, um durch deren Vermittlung günstige Bedingungen für das eingeschloffene Heer zu erreichen. Die Kaiserin verlangte von Bismarck einen vierzehnlägigen Waffenstillstand und Versorgung der französischen Armee mit Lebensmitteln. Jede Landabtrctung lehnie sie schroff ab. Schließlich wandte sie sich noch einmal brieflich an König Wilhelm, in ihrem Briefe .das Herz drs Königs und die Großmut des Soldaten" anrufend. Der König beantwortete den Brief persönlich am 26. Ok-vbei. Nach einigen einleitenden Bemerkungen über die vorhcrge- gangrnen Verhandlungen finden sich in dem Briefe des Königs die denkwürdigen Worte:
„Ich bebe mein Vaterland, wie Sie das Ihre und verstehe mitfühlend die Bilterkeir, die das Herz E. M. erfüllt. Aber Deulschland will nach den ungeheuren Opfern für seine Verteidigung sich besser für die Abwehr der Angriffe bei dem nächsten Krieg vorbereitet sehen, auf den wir alle rechnen, sobald Frankreich seine Kraft wieder gewonnen und Bnndesgeno sffä «gefunden hat. . . "—"""
Verantwortlicher Redakteur: Ludwig Lauk.
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