Zur Niederlage der Engländer.
Frankfurt a. M., 31. Aug. (W.T.B.) Die „Franks. Ztg.) meldet aus London vom 30. Aug.: Die „Times" schiebt die Schuld an der englischen Niederlage bei Tournai dem Ausbleiben der versprochenen französischen Hilfe zu und zitiert den Ausspruch eines englischen Mitkämpfers: „Die Deutschen kommen über uns wie eine Sturmwelle, der nichts st and hält."
Die Einstellung Freiwilliger.
Berlin, 31. Aug. (W.T.B. Amtlich.) Der Bedarf an Kriegsfreiwilligen ist zur Zeit gedeckt. Das Kriegsministerium kann daher bis auf weiteres Kriegsfreiwillige an die Ersatztruppen nicht überweisen. Meldungen sei es schriftlich beim Kriegsministerium oder mündlich bei dessen Auskunftsstelle, haben daher keine Aussicht auf Berücksichtigung. Sobald die Einstellung von Freiwilligen wieder möglich ist, wird es wieder in den Tageszeitungen bekannt gegeben werden.
Ei« deutsches Flugzeug über Paris.
London, 31. Aug. (W.T.B. Nicht anulich.) Wie dem Reuter'schen Bureau aus Paris gemeldet wird, fuhr ein deutsches Flugzeug gestern nachmittag über Paris und warf eine Bombe ab, die jedoch keinen Schaden verursachte.
Erneutes Aufgebot der französischen Streitmacht.
Genf, 31. Aug. Der französische Kriegsminister beschloß, die Jahresklasse 1914, die Reserve des aktiven Heeres, sowie die älteren Klassen der Territorialarmee einzuberufen, welche vorläufig zurückgestellt waren.
Nach dem Abzug der Franzosen.
Mülhausen, 31. Aug, (Nicht amtlich.) Nach der Räumung Mühlhausens durch die Franzosen fand sich an den üblichen Anschlagstellen f olgende Bekanntmachung: Hiermit wird benachrichtigt, daß Patrouillen alle Keller und Hauser der Ortschaft durch-, suchen werden. Im Falle daß deutsche Verwundete oder irgendwelche deutsche Soldaten darin versteckt aufgefunden würden, so würden die Hausbesitzer, die es den französischen Militärbehörden nicht sogleich gemeldet hatten, erschossen werden. Nieder-Horsch- weiler, am 20. August 1914. Der,'kommandierende General Vautier. ^
Wie die Franzose» es sich dachten.
Straßburg, 30. Aug. (W.T.B.) Aus Mülhausen wird der „Straßb. Neuen Ztg." unter dem 28. berichtet, daß die Franzosen eine ganze Wagenladung französischer Gesetzbücher mitgebracht halten, sowie eine weitere Bagage mit französischen Schulbüchern und Atlanten. In diesem war Elsaß-Lothringen als ein Teil der französischen Republick eingedruckt. Im Rathaus zu Mülhausen war bereits ein französisches Aushebungsbmeau eingerichtet und französische Wappen an den Kassenschränken angebracht worden.
Freier Auslandverkehr.
Berlin, 31. Aug. (W.T.B. Nichtamtlich.) Tie „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Nachdem die Eisenbahnen im weiteren Umfang für den allgemeinen Verkehr wieder freigeworden sind, kann in Deutschland sich auihaltendm Angehörigen der feindlichen Staaten das Verlassen des Reichsgebiets gestattet werden, soweit in ihrem Heimatland den Deutschen gleichfalls die Erlaubnis zur Abreise erteilt wird.
Ein Spion.
Straßburg, 31. Aug. (W.T.B.) Der „Straßburger Post" wird aus Basel berichtet, daß das Baseler Strafgericht am 26. ds., einen gewissen Agenten Adolf Reisser aus Sennbeim im Oberelsaß, der als Mitglied eines französischen Spionagebureaus festgenommen wurde und eingeräumt hat, daß er seit Jahren zu Gunsten Frankreichs Spionagegeschäfte betrieben und dafür reichliche Geldunterstützung aus Belfort erhalten habe, auf Grund des schweizerischen Sprengstoffgesetzes zu drei Jahren Zuchthaus, sowie zu lebenslänglicher Ausweisung aus der Schweiz verurteilt hat. Reisser hat seit vier Jahren in seinem Keller eine mit Benzinsäure gefüllte Bombe aufbewahrt, die zur Sprengung der Eisenbahnbrücke bei Waldshut während der Fahrt eines deutschen Militärzuges bestimmt war.
Telegrammwechsel zwischen Kaiser und König Wilhelm.
Großes Hauptquartier, 3l. Aug. (W.T.B.) S. M. der Kaiser hat unter dem 29. ds. folgendes Telegramm an S. M. den König von Württemberg gerichtet: Es ist mir ein Bedürfnis, Dir mitzuteilen, daß ich heute nachmittag in Ems eine große Zahl braver württemberischer Soldaten begrüßen konnte, die ihre Wunden mit bewunderungswürdiger Hingabe ertrugen. Ich habe ihnen einen Gruß von Dir gebracht. Du kannst stolz sein auf deine Landeskinder. Herzlichen Gruß Wilhelm. — Darauf ist folgende Antwort eingetroffen: Tief gerührt dusch dein Telegramm danke ich herzlich für die Nachricht von meinen Landeskindern. Ich weiß, daß du auf sie bauen kannst. Ein jeder wird bis zum letzten Atemzug seine Pflicht tun für unsere große und gerechte Sache in Hingebung für seinen obersten Kriegsherrn. Wilhelm.
Der König von Bayern an den Kronprinzen Ludwig.
München, 31. Aug. (W.T.B.) König Ludwig hat an den Kronprinzen Ludwig nachstehendes Telegramm gerichtet: Von St. Kajetan, wo wir soeben unseren Luitpold zur letzten Ruhe gebettet haben, eilen unsere Gedanken zu Dir. Gott erhalte Dir die Kraft und Stärke, in treuer, heldenhafter Pflichterfüllung vor dem Feind den schicksalsschweren Schlag zu überwinden und mit Deinen tapferen Truppen auf dem Wege des Sieges vorwärts zu schreiten. Ludwig.
Die Lage unserer Verbündeten ist weiter günstig.
Oesterreichisches Prefsequartier, 31. Aug. Die Schlachten bei Lemberg dauern noch weiter an. Das Eingreifen einer neuen österreichisch-ungarischen Gruppe gegen Tarn as- zow schließt die ungeheure Schlachtenfront. Alls verfügbaren Kräfte sind auf beiden Seiten konzentriert. Die österreichische Situation ist weiter günstig.
Kaltes Blut schafft neue» Mut.
Der Basler „National-Ztg." geht folgendes Kriegsbild zu:
Bei Tagsdorf war's, am 19. August im Kriegsjahr 1914, ein prächtiger Sommertag. Still und friedlich lag das Dörfchen im frühen Morgensonnenschein, doch nicht lange dauerte der Friede. Das sonst so ruhige Nestchen sollte bald Zeuge sein, wie zivilisierte Völker durch den Krieg zu Barbaren werden können. — Franzosen und Deutsche halten bald nach Sonnenaufgang miteinander Fühlung gefunden, um sich zu messen im Hanen Kampf. Eine Abrerlung vom badischen Landwehrregiment 169 sah sich vlöhlich einer beträchtlichen Uebermacht des Feindes gegenüber. Trotzdem ließ der Führer in Schützenlinie ausbrechen und vorgehen. Da und dort sank einer in das vom Morgentau benetzte Gras, und manches Abschiedswort verhallte ungehört im tosenden Schlachtgetümmel.
! Da ratterte es unheimlich vor ihnen, eine feindliche Maschinengewehrabteilung nahm sie unter Feuer, und noch unheimlicher war's, als man nicht sah, woher die verderbenbringenden Schüsse fielen. Einen nach dem andern forderte der Kriegsgott als Tribut, und Entmutigung riß ein in ihren Reihen. Zum Ueberfluß sprengten noch Turkos auf ihren flinken Rossen gegen sie ein. — Alles verloren, verloren! — schrie einer, und alles wandte sich aufgelöst zur Flucht! — Aber sie kamen nicht weit. —
„Druff, Brüder, druff, nit zruck, vorwärts sei unser Losungswort! Gebt's ihnen" — so hallte es ihnen, alles übertönend, von einem kleinen Hügel entgegen. —
Man hätte dem kleinen schmächtigen Mann solche Stimme nicht zugetraut, aber sie hatte ihre Wirkung getan. Bald stand der Führer bei ihm oben, seine Befehle erteilend; die Ruhe des Gemeinen wirkte auch auf den Offizier beruhigend. Ordnung kam in die Reihen. — „Liegen!" ertönte das Kommando! Alles das Werk einiger Augenblicke. Neuer Mut beseelte die Mannschaft und es begann auf die heranschwirrenden Turkos ein höllisches Feuer, das denn auch seine Wirkung nicht verfehlte und dieselben zum Rückzug zwang. — Inzwischen hatte der mutige Kamerad, der stehend von seinem Standpunkt aus auf den Feind feuerte, durch das Glas, das ihm der Offizier gereicht (dessen Kaltblütigkeit bewundernd), den Aufenthalt der Mitrailleusen wahrgenommen und bald waren auch diese mit Beihilfe der Artillerieabteilung zum Schweigen gebracht. —
Vom Morgen früh bis abends 9 Uhr dauerte das Gefecht. Nach 9 Uhr, abgemattet, wie die Krieger waren, hieß es noch vier Stunden Marsch bis nach Friedlingen ins Kantonnement. —
Daß die Truppen der wohlverdienten Ruhe bedürftig waren, braucht wohl nicht erwähnt zu werden.
Bevor sie jedoch derselben pflegen konnten, ließ der Kommandierende noch Achtungstellung annehmen, nahm seinen Helm vom Kopfe und dankte der Mannschaft für ihr tapferes und todesmutiges Standhalten.
Alsdann ertönte das Kommando: Landwehrmann Matthis vortreten! Sie haben, redete er ihn an, durch Ihr tapferes, kaltblütiges Verhalten den Dank unseres ganzen Regiments und die Achtung aller Ihrer Vorgesetzten verdient, Sie sind von heute an als Unteroffizier ernannt, zudem werde ich Sie Vorschlägen für das Eiserne Verdienstkreuz. —
Gott befohlen, meine lieben Leute. — Gute Nacht!
Lrmdesnachrichlen.
Mtenstelg, 1 . September 1914.
* KriegslmerMatt für Gewerbe, Handel! und Industrie. Der Hansa-Bund hat ein KriegKmerkblatt für Gewerbe, Handel und Industrie herausgegeben. Dieses beschäftigt sich mit dem Verhalten in Kriegszeiten im allgemeinen, mit den schwebenden Rechtsverhältnissen während des Krieges und ferner mit den wirtschaftlichen und finanziellen Fürsorgebeshim- mungen. Das Merkblatt gil-r über alle einschlägigen Fragen in sachverständiger Weise kurze Auskunft und kann von Herrn Schickhardt in Ebhausen gegen Vor- Einsendnng von 20 Pfennig auch von Nichtmitghie- dern bezogen werden. Der Ertrag fällt dem „Roten Kreuz" zu.
* Bekanntmachung des stellvertretenden, Generalkommandos. Das stellvertretende Generalkommando hat Veranlassung, darauf «aufmerksam zu machen/daß die Verbreitung Privater Mitteilungen über kriegerische Ereign.s.s.s.e und andere damit in Zusammenhang stehende Begebenheiten vor der offiziellen Bekanntgabe nicht im Interesse der Allgemeinheit liegt, hiesür vielmehr
r erelru cdt.
Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland!
Danach laßt uns alle streben Brüderlich mit Herz und Hand!
Einigkeit und Recht und Freiheit Sind des Glückes Unterpfand —
Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!
Hoffmann v. Fallersleben.
Art läßt nicht von Art.
(Fortsetzung.)
Roman von H. Hill.
(Nachdruck verboten.)
Wahrhaftig, der Gedanke an die Möglichkeit einer Flucht hatte in diesem Augenblick etwas beinahe unwiderstehlich Lockendes, und sie wartete mit klopfendem Herzen aus die Entscheidung, die mit der Rückkehr des Mädchens erfolgen sollte.
Das Geflüster draußen hörte auf, und Edith hatte nur eben Zeit gehabt, rasch bis in die Mitte des Zimmers zurückzutreten, at» di« Hausdame ohne vorheriges An- klopfen wieder im Gemache erschien. Sie hielt einen Schlüssel in der Hand, den sie mit einer hochfahrende» Gest« ans de« Tisch legte.
„Da haben Sle, was Ne wünschte»,- sagte sie. „Ich Hab« den Schlüssel nicht in das Schloß gesteckt, weil es mit Rücksicht aus unseren geisteskranke« Patienten zu gefährlich «ä«. Und ich möchte aus diesem Grunde auch Sie ersuchen, es nicht z« tu«. Aber Sie können de« Schlüssel eine Viertelstunde lang hier behalten, so, wie Sie es mir »ardi« zur Bedingung machten. Dann «erden Sie doch
wohl überzeugt sein, daß Sie hier keine Gefangene sind, wie Sie es merkwürdigerweise zu vermuten scheinen."
Sie ging, und Edith betrachtete den Schlüssel, ohne recht zu wissen, ob sie einen Grund hatte, sich befried'^ zu fühlen. Vielleicht handelt« es sich nur um ein betrüge- rstchea Manöver, um »inen „Bluff", wie ihr Großvater e» genannt haben arüröe, und der Schlüssel, den man ihr da gebracht hatte, war möglicherweise gar nicht der rechte. Darüb« wenigsten« wollte sie sich unter alle« Umständen sogleich Gewißheit verschaffe«. Sie eilte hinaus, schob ihn ln« Schloß und drehte ihn um. Mit diesem Verdacht wenigstens hatte sie den Leuten im Haufe unrecht getan. Der Riegel sprang zurück, und es bedurfte nur noch eine, Drucks auf die Klinke, um die Haustür zu öffnen. Soweit sie zu erkennen vermochte, gab es in diesem Augenblick nichts mehr, das sie gehindert hätte, das Haus zu ver- lasten, wenn sie es so wünschte. Und wieder fühlte sie sich fast übermächtig versucht, die Gelegenheit zu benutzen und hinauszueilen, so, wie sie ging und stand, nur von dem einen Wunsche beseelt, dieser abscheulichen unerträg^ lichen Umgebung zu entrinnen. Aber der Gedanke an derr Geliebten trat von neuem als ein unüberstetgltches Hindernis zwischen sie und de« Weg in die Freiheit. Es wäre eine schmachvolle Feigheit gewesen, wenn sie den Kampf um die Ehre und da» Leben des Geliebten auf- gegeben hätte, ohne daß ein unabweisbarer Zwang dazu vorlag. Gerade die Gewißheit, daß man nicht daran-, dachte, sie gegen ihren Willen hier zurückzuhalten, mußtet sie in ihrer Entschlossenheit bestärken und mußte ihr Mut verleihen, auszuharren, bis das Ziel erreicht war, um destentwillen sie alle diese furchtbaren Prüfungen auf sich genommen.
So drückte sie denn mit einem tiefen Seufzer die Tür zu, drehte den Schlüssel und zog ihn wieder ab. Während sie dann dem Wartezimmer zuschritt, war es ihr, als hörte sie ein höhnisches Kichern von der Kellertreppe her, und sie zweifelte nicht, daß ihr Beginnen dort aus dem Dunkel scharf beobachtet worden fei. Roch einmal stieg jene» Angstgefühl in ihr auf, das ihr vorhin den sehnlichen Wunsch vahegelegt hatte, zu entfliehen, aber noch einmal zwang sie es nieder und kehrte in das Zimmer zurück, ohne sich um di« Späher zu kümmern.
Sie legte den Schlüssel auf de»* Tisch und wartete auf das Wiedererscheinen dLr Hausdame, die denn auch, fast auf di: Sekunde pünktlich, nach Ablauf der bedungene« Viertelstunde eintrat.
Mit demselben höhnischen Lächeln und in demselben unverschämten Ton fragte sie, ob, die „gnädige Komtesse- setzt beruhigt sei. Edith verschmähte es, ihr anders als durch ein leichtes Kopfneigen zu antworten, und die andere zog sich ohne weitere Bemerkung zurück. Wieder aber entfernten sich ihre Schritte nicht in der Richtung nach oben, sondern nach der Kellertreppe hin, in welcher Richtung sie doch wahi> lich nichts zu suchen hatte. Dort unten pflegte sich, wie Edith bereits festgestellt hatte, der Kammerdiener We,gelt aufzuhalten, und sie konnte aus allem, was sie an diesem Abend erlebt, nur den Schluß ziehen, daß sehr nahe Beziehungen zwischen ihm und diesem fatalen Fräulein Ioharmsen bestehen mußten.
Da es um die Stunde war, wo man ihr ihre Abendmahlzeit zu servieren pflegte, wollte sie in ihr Schlafzimmer hinaufgehen, um sich die Hände zu waschen. Sie befand sich in so verzweifelter Stimmung wie kaum je zuvor seit dem Augenblick ihres Eintritts in dieses Haus. Denn sie konnte den Eindruck nicht loswerden, daß sich hinter der scheinbaren Oberfläche der Dinge, die wahrlich an und für sich schon schrecklich genug war, noch irgendwelche düsteren Geheimnisse verbargen, die sie nicht ergründen konnte, von denen sie aber instinktiv fühlte, daß sie für sie schweres Unheil bedeuteten.
Ehe sie die Tür des sogenannten Wartezimmers hint« sich schloß, stand sie sin paar Sekunden lang lauschend still. Aber von oben her drang kein Laut zu ihr herab. Dieselbe Totenstille, von der sie schon so oft geängstigt worden war, erfüllte auch heute das ganze Haus. Da ka» ihr plötzlich wie eine impulsive Eingebung das Verlangen» selbst hinaufzugehen und sich durch den Augenschein z« überzeugen, ob man ihr die Wahrheit gesagt hatte, als man immer und immer wieder von dem unveränderte« Zustand des Schwerkranken sprach. Und diesmal zögern sie nicht, dem Verlangen nachzugeben. Statt sich nach ihrem Schlafzimmer zu wenden, stieg sie noch eine Trepp« höher, bst! in das zweit« Stockwerk hinauf und näherte lick dem Zimmer darin sie den Verletzten wußte. Zst ihrer