Berlin, 4. Aug. Ueber weitere Teilnahme deut­scher Fürsten am Krieg wird berichtet: Herzog Ernst Günther zu Schleswig Holstein wird die holsteini­schen Truppen begleiten, Fürst Karl Anton von Ho- henzollern wird sich zum Generalkommando des Gar- dekorps begeben. Insbesondere haben sich auch Mit­glieder sürstlicher und reichsünmittelbarer Familien der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellt.

Kriegsfreiwillige.

Berlin, 4. Aug. Soeben erhalten wir eins Nach­richt, die für viele alte Afrikaner nicht ohne Inte­resse sein wird, daß der derzeitige Gouverneuer von Deutsch-Südwest-Afrika als- Kriegsfreiwilliger beim zweiten Gardeulanenregiment eingetreten ist.

Berlin, 4. Aug. Prinz Joachim von Äsreußen wird den Krieg als Major beim Leibregiment in Frankfurt a. O. mitmachen.

Das einige Deutschland.

Die sozialdemokratische MannheimerVolks­stimme" schreibt: Aber wenn der Krieg uns vom rus­sischen Zarismus aufgezwungen wird, dann muß und wird die letzte Entscheidung, wie immer sie ausfallen -mag über alle Klassenunterschiede und Weltan­schauungen, über alle sonstigen Divergenzen hinweg , ein einiges, allseitig geschlossenes Volk finden , bereit, mit dem letzten Blutstropfen die Unabhängigkeit und Größe Deutsch­lands ..gegen ..jeden ..Feind ..zu ..vertei­digen . . Wir sind überzeugt davon, daß von dem gleichen vaterländischen Gedanken heute die gesamte deutsche Sozialdemokratie erfüllt ist.

Tie sozialdemokratischeVolksstimme" in Chem­nitz schreibt unter der Ueberschrift:Der Krieg im Land": Wir werden an jedem neuen Kriegstage an unser hehres Friedenszie ldenken, aber die Arbeit für den Bölkerfrieden ruht, jetzt. Andere Sorgen drängen, uns alle beherrscht jetzt nur die eine Frage:

Wollen wir siege« ?

und unsere Antwort lautet:

Ja! s ^

Was man immer uns angetan hat, in diesem Augenblick empfinden wir alle die Pflicht, vor allem anderen gegen die russische Kosakenherrschaft zu kämpfen. Deutschlands Frauen und Kinder sollen nicht das Opfer russischer Bestialitäten werden, das -deutsche Land nicht die Beute der Kosaken. Denn wenn der Dreiverband siegt, wird nicht ein englischer Gouverneur oder ein französischer Republikaner, son­dern der Ruffenzar über Deutschland herrschen. ^Des­halb verteidigen wisst in diesem Ausgen­blick alles, was es an ddeutsche,r Kulftur und deutscher Freihei t gibt gegen einen schonungslosen und barbarischen Feind! Nicht mit Hurra und nicht mit Haß gegen die srussi-j schon Arbeiter, nicht mit Gott für den König, aber für die deutsche Freiheit und die Unabhängigkeit des deutschen Volkes werden unsere Genossen in den -Kampf ziehen und entschlossen sich in ihrer Pflicht­erfüllung gegen das Vaterland von keinem der bis­herigen Wortpatrioten übertrefsen lassen.

Eine Amnestie des Kaisers.

Berlin, 4. Aug. Dsie Nordd. Allg. Zeitung schreibt: Wie wir hören, steht der Erlaß einer weit­gehenden Amnestie auch für . Preußen unmittelbar bevor. Der Kaiser will angesichts der opferwilligen Vaterlandsliebe, die das gesamte Volk in einem uns ausgedrängten Krieg beweist, einen allgemeinen Straferlaß namentlich für Verfehlungen auf politi­schem Gebiet, daneben auch für solche Straftaten, eintrete nlassen, die aus wirtschaftlicher Not und Bedrängnis hervrgegangen ist.

Zur Sicherung der Ernte.

Berlin, 4. Aug. Wie die Nordd. Allg. Zeitung aus zuverlässiger Quelle erfährt, hat der Kaiser sich Über die für die Sicherung der Ernte getroffenen) Maßnahmen durch den Landwirtschaftsminister Be­richt erstatten lassen und die zuständigen Minister aufgefordert, alles aufzubieten, um den empfindlichen Mangel an menschlichen Arbeitskräften nach Mög­lichkeit zu beseitigen.

Tie Regelung der Schiffahrt.

Berlin, 4. Aug. Der Reichsanzeiger veröffent­licht eine Bekanntmachung des Reichsmarineamtes über die Regelung der Schiffahrt in den befestigten Häfen und Flußmündungen Deutschlands und über die Aenderung von Seezeichen.

Die polnische sozialdemokratische Partei ruft zum

Kampfe gegen den rusficheu Zarismus auf.

Kratau, 4. Aug. Der Vollzugsausschuß der polnischen sozialdemokratischen Partei erließ einen Aufruf, indem es heißt: Der Kampf gegen den russichen Zarismus ist unsere heilige Pflicht. Indem wir uns für diesen Kampf mit dem Zarismus vorbereiten, üben wir nicht nur eine Pflicht gegen uns selbst, sondern auch gegenüber der arbeitenden Klasse Europas, in erster Linie aber gegenüber den Millionen des arbeitenden Volkes in Rußland, das in den letzten Tagen in den Straßen russischer Städte seine Ketten klirren ließ.

Aus Berlin.

jj Berlin, 3. Aug. Hier sind Verhaftungen von Russen unter dem Bedacht der Spionage erfolgt. Auch in Johannis­thal wurden heute Nacht mehrere Russen verhaftet, unter dem Verdacht, ein Attentat gegen die große Zeppelinlustschiff­halle geplant zu haben.

js Berlin, 3. Aug. Der russische Botschafter hat mit dem Botschastspersonal Berlin verlassen.

Tie Niederlande.

Berlin, 4. Aug. Der Reichsanzeiger meldet: Nach einer amtlichen Mitteilung der Kgl. niederlän­dischen Regierung, hat diese die nördlichen Zugangs­straßen zum Meer und die Straße von Goerse durch Unterseeminen sperren lassen und auch derartige Vor­bereitungen zur Sperrung der übrigen Zugangs- straßen getroffen.

Rumänien.

Bukarest, 4. Aug. In einer unter dem Vorsitz des Königs in Sinja abgehaltenen Ministerrat, dem auch der Thronfolger, der Präsident der Abgeord­netenkammer, der frühere Ministerpräsident Majo­re-cu, mehrere ehemalige Minister und einiger Ver­treter der Regierungsparteien beiwohnten, -wurde die von Rumänien unter den gegenwärtigen Um­ständen zu beobachtenden Haltung Girier Prüfung ust-i teirzogen. Der Ministerrat beschloß fast einstimmig, daß Rumänien alle Maßnahmen zur Verteidigung der Grenzen ergreifen soll.

Achtung!

js Naumburg, 4. August. Mehrere Automobile mit Damen u«d Geld, für Rußland bestimmt, find in der Richtung nach Rußland unterwegs. Die Autos find an- znhalten und sofort der nächste« Behörde zuzuführen.

js Berlin, 4. August. Wer Beobachtungen oder Fest­stellungen macht, die auf feindliche Spionage schließe« lasten, soll dieses sofort der Polizei und der Auffichtsbe­hörde zum Einschreiten Mitteilen, aber nicht schriftlich dem großen Generalstab übermitteln. Abgesehen davon, daß die Gegenmaßregeln dann zn spät getroffen werden, ist auch der große Generalstab jetzt zu sehr mit Arbeit überlastet.

Die Thronrede des Kaisers.

Seine Majestät der Kaiser eröffnete Dienstag mittag 1 Uhr im Weißen Saale des Kgl. Schlosses die außerordentliche Session des Reichstages mit folgender Thronrede: ^

Geehrte Herren! In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Vertreter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Wege des Friedens verharren. Tie Ver­suche, 'Deutschland kriegerische Neigungen anzndichten und seine Stellung in der Welt oinzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte Proben gestellt. In unbeirr­barer Redlichkeit hat meine Regierung auch unter her­ausfordernden Umständen die Entwicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte als Höchstes verfolgt. Tie Welt ist Zeuge gewesen, wie unermüdlich- wir in dein Drange und den Wirren der letzten Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas einen Krieg zwischen Großmächten zu ersparen. Tis ersten Gefahren, die durch die Ereignisse am Balkan herausbe- schworen waren, schienen überwunden. Da tat sich mit der Ermordung meines Freundes, des Erzher­zogs Franz Ferdinand, ein Abgrund aus. Mein hoher Verbündeter, der Kaiser und König Franz Jo­seph, war gezwungen, zu den Waffen zu greisen und die Sicherheit seines Reiches gegen gefähr­liche Umtriebe ans einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist der Verbündeten Monarchie das russische Reich in den Weg getreten. An die Seite Oesterreich- Ungarns ruft uns nicht nur unsere Bündnis Pflicht: uns fällt zugleich die gewaltige Aufgabe zu, mit der allen Kulturgemeinschaft der beiden Reiche unsere eigene Stel­lung gegen den Ansturm feindlicher Kräfte zu schirmen. Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen Nachbar mobilisieren müssen, mit dem wir aus so Vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefuchten haben. Mit auf­richtigem Leid sehe ich eine von Deutschland treu bewährte Freundschaft zerbrechen. Die kaiserlich russische Regierung hat sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nachgebend, für einen Staat esngesetzt, der durch Begünstigung verbrecherischer An­schläge das Unheil dieses Krieges veranlaßte. Daß auch Frankreich sich auf die Seite unserer Gegner gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Sehr oft sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoff­nungen und allen Groll gestoßen. Geehrt? Herren! Was menschliche Einsicht und Kraft vermag, um ein Volk für die letzten Entscheidungen zu waffnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Tie Feindseligkeit, die rm Westen und im Osten seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu Hellen Flammen aufgelodert. Tie gegen­wärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Jntercsfen- konflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor. Sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Uebelwollens gegen Macht und Ge­deihen des Deutschen Reiches. .

Uns treibt nicht die Ero b erungs!nst- uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kom­menden Geschlechter. Aus den Schriftstücken, die Ihnen zngegangen sind, werden Sie ersehen, wie meine Regie­rung und vor allem mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht waren, das Aenßerste abzuwenden. In aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht mein Ruf, mit gesamter Kraft in brüderlichem Zufammenstehen mit unseren Bundesgenossen zn verteidigen, was wir in fried­licher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Beispiel unserer Väter, fest und treu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfrvh vor dem Feind, so v-ertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr stärken und zu gutem Ende lenken wolle. Auf Sie, geehrte Herren, blickt heute um seine Fürsten und Führer geschart, das ganze deutsche Volk. Fassen Sie Ihre Entschlüsse einmütig und schnell das ist mein inniger Wunsch.

'Ter Kaiser fügte der Thronrede folgendes hinzu: Sie haben gelesen, meine Herren, was ich zu meinem Bolle vom Balkon des Schlosses aus gesagt habe. Ich wiederhole: Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur Deutsche! (Bravo.) Und zum Zeichen dessen, daß Ne fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Standes- und Konfefsionsunterschied zusammenzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod, fordere ich die Vorstände der Parteien aus, vorzutreten und mir diB in die Hand zu versprechen.

Der Eindruck der Thronrede in Wien.

Wien, 4. Aug. DieNeue Freie Presse" erinnert m seiner Besprechung der Thronrde Kaiser Wilhelms an die Worte, die sein Großvater bei Ausbruch des Krieges mit Frankreich vor dem norddeutschen Reichstag gesprochen hat und sagt, auch die Thronrede des Enkels habe viel von der Schlichtheit, mit der vor mehr als 40 Jahren sein Großvater den Krieg mit Frankreich angekündigt habe. Wieder zeige sich keine Spur von Ruhmredigkeit und Ueberhebung, wieder sei die Sprache von tiefem Ernst durchdrungen. Wieder höre man Worte eines großen Herrschers über ein großes Volk. Die Thronrede werde liefen Eindruck machen.

Eine denkwürdige Sitzung des deutschen Reichstags.

1. Sitzung.

jj Berlin, 4. August 1914.

Haus und sämtliche Tribünen sind außerordentlich stark besucht. Am Bundesratstisch befinden sich: Reichskanzler v. Bethmann Hollweg, Dr. Delbrück, v. Jagow, v. Falkenhayn, v. Tirpitz etc. Der Präsident der vorigen Session, Dr. Kämpf, eröffnete die Sitzung um 3.15 Uhr. ^

Auf Antrag werden der bisherige Präsident und die Schriftführer einstimmig wiedergewähll. (Lebhafter Beifall.) Professor Dr. Kämpf teilt mit, daß der Kaiser sich bereit erklärt habe, das Präsidium zu empfangen und die Meldung von der Konstituierung des Hauses entgegenzunehmen. (Bravo). Er hoffe, dem Kaiser Mitteilung machen zu können, daß die eingegangenen Vorlagen Annahme gefunden haben. Die Eingänge werden verlesen. Hierauf ergriff der Reichskanzler

unter atemloser Stille des Hauses das Wort. Er begann:

Ein gewaltiges Schicksal bricht über Europa herein. Rußland hat den Brand an das Haus gelegt. Der Reichs­kanzler gab dann in großen Zügen ein Bild von der gewal­tigen dramatischen Entwickelung der letzten Tage, insbesondere von dem Verhalten Rußlands und von den Grenzverletzungen seitens Frankreichs. Wir sind, sagte der Kanzler, in der Not­wehr und Not kennt kein Gebot. Unsere Truppen haben Luxemburg besetzt und vielleicht schon belgisches Gebiet be­treten. Das widerspricht dem Völkerrecht. Aber ein fran­zösischer Einfall in unsere Flanke am Niederrhein hätte ver­hängnisvoll werden können. Wir werden aber das Unrecht wieder gut machen, wenn unser Zweck erreicht ist. Wir haben der englischen Regierung die Erklärung abgegeben, daß, so lange England sich neutral verhält, unsere Flotte die Nord­küste Frankreichs nicht angreifen wird und daß wir die terri­toriale Jntegretät und die Unabhängigkeit Belgiens nicht antasten werden. Diese Erklärung wiederhole ich öffentlich vor aller Welt. Ich wiederhole das Wort des Kaisers: Mit reinem Gewissen zieht Deutschland in den Kampf. Die 50 Jahre sind noch nicht vergangen, von denen Moltke sprach, daß wir gerüstet dastehen müßten, um das Erbe von 1870 zu verteidigen. Jetzt hat die große Stunde der Prü­fung geschlagen. Aber mit Heller Zuversicht sehen wir ihr entgegen. (Stürmische Zustimmung.) Der Reichskanzler schloß mit den Worten: Jetzt ist die große Stunde der Prüfung für unser Volk gekommen, aber mit heiliger Zn- verficht sehen wir ihr entgegen. Unsere Armee steht i« Felde, unsere Flotte ist kampfbereit, aber hinter ihnen steht das ganz» deutsche Volk. Die Rede des Reichskanzlers machte großen Eindruck. Wiederholt wurden stürmische Bei­fallsrufe und Händeklatschen während und am Schluß der Rede laut.

Präsident Dr. Kämpf: Ernst ist der Tag. Wir be­finden uns mächtigen Gegnern gegenüber. Aber, wenn wir in den Krieg ziehen, so sind wir uns bewußt, daß es ein Kampf der Abwehr ist, gleichzeitig aber auch ein Kampf um die höchsten geistigen und materiellen Güter der Nation, ein Kampf auf Leben und Tot. (All­seitiger Beifall.) Der Augenblick, in dem der Reichstag sich anschickt, angesichts des Ausbruches des Krieges die Gesetze zu votieren, die für den Krieg und für das Wirtschaftsleben der Nation während des Krieges eine sichere Grundlage zu bieten bestimmt sind, ist ein feierlicher und tief ernster, aber